Urteil des LG Heilbronn vom 13.07.2005
LG Heilbronn: vergütung, förster, auflage, arbeitsgericht, vorprüfung, verwertung, einfluss, aufhebungsvertrag, berechnungsgrundlagen, zahlungsunfähigkeit
LG Heilbronn Beschluß vom 13.7.2005, 1 T 264/05 Ve
Insolvenzverwaltervergütung: Mögliche Wertkorrektur der Bewertungsprognose bei der Bemessung der Vergütung des vorläufigen
Insolvenzverwalters
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der vorläufigen Insolvenzverwalterin wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 14.06.2004 - 3 IN 18/99 -
mit dem die Vergütung der vorläufigen Insolvenzverwalterin auf 2.319,01 EUR festgesetzt wurde, abgeändert:
Die Vergütung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wird nunmehr festgesetzt auf^3.600,32 EUR, darin sind 496,59 EUR Umsatzsteuer enthalten.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Schuldnerin 3/4, die Beschwerdeführerin 1/4.
Beschwerdewert: 2.644 EUR.
Gründe
1
I. Am 19.01.1999 ging beim Insolvenzgericht der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wegen
Zahlungsunfähigkeit ein.
2
Mit Beschluss vom 20.01.1999 bestellte das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Heilbronn die Beschwerdeführerin zur vorläufigen
Insolvenzverwalterin und ordnete gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur
noch mit Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wirksam sind. Zugleich wurde die Beschwerdeführerin beauftragt, als
Sachverständige zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, welche Aussichten für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens
bestehen und ob das schuldnerische Vermögen die Kosten des Verfahrens decken wird.
3
Unter dem 04.03.1999 (Bl. 27ff d.A.) erstattete die Beschwerdeführerin ihr Gutachten und überreichte mit Anhang A die von ihr erstellte
Vermögensübersicht. Die Beschwerdeführerin ermittelte einen Wert des gesicherten und verwalteten Vermögens in Höhe von 34.000 DM
(17.383,92 EUR).
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Mit Beschluss vom 05.03.1999 eröffnete das Amtsgericht Heilbronn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ernannte
die Beschwerdeführerin zur Insolvenzverwalterin. Mit Schreiben vom 20.12.2004 (Bl. 160 d.A.) beantragte die Beschwerdeführerin die
Festsetzung ihrer Vergütung als vorläufige Insolvenzverwalterin. Die verwaltete Masse bezifferte sie nunmehr mit 28.182,44 EUR und führte aus,
der ursprünglich in ihrem Gutachten vom 04.03.1999 angegebene Wert des verwalteten Vermögens von 34.000 DM (17.383,92 EUR) sei zu
korrigieren, da die Ansprüche aus Versicherungsverträgen im Rahmen der Gutachtenerstellung mit DM 17.000 (EUR 8.691,96) angesetzt
worden seien. Nach Verfahrenseröffnung habe sich aber gezeigt, dass die Rückkaufswerte der einzelnen Versicherungen wesentlich höher
waren und der Wert der Versicherungen insgesamt DM 38.120,07 (EUR 19.490,48) betrage.
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Die Beschwerdeführerin beantragte außerdem die Festsetzung eines Zuschlags gemäß § 3 InsVV für die von ihr während der Dauer des
vorläufigen Insolvenzverfahrens vorgenommene Abwicklung von Arbeitsverhältnissen. Sie habe mit den zwei bei Einleitung des
Insolvenzverfahrens noch vorhandenen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge geschlossen und drei beim Arbeitsgericht Heilbronn bereits
anhängige Lohnklagen von (ehemaligen) Arbeitnehmern der Schuldnerin geprüft, fortgeführt und mit einem Prozessvergleich beendet. Hierfür
sei ein Zuschlag von 10 % angemessen.
6
Mit Beschluss vom 14.06.2005 setzte das Amtsgericht die Vergütung der vorläufigen Insolvenzverwalterin ausgehend von dem im Gutachten der
Beschwerdeführerin vom 04.03.1999 ermittelten Wert der verwalteten Masse von 17.383,93 EUR (34.000 DM) auf 2.319,01 EUR fest. Unter
Berufung auf den Beschluss dieser Kammer vom 05.11.2002 (1b T 329/2002) vertrat das Amtsgericht Heilbronn die Auffassung, dass später
realisierte höhere Ansprüche der Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zugrunde zu legen sind. Einen Zuschlag
für die Abwicklung der Arbeitsverhältnisse hielt das Amtsgericht Heilbronn nicht für gerechtfertigt, da die Beschwerdeführerin keine vom
Normalfall so signifikant abweichende Tätigkeit ausgeübt habe, dass eine Heraufsetzung der Vergütung gerechtfertigt sei. Zusätzlich zu der
Regelvergütung von 25 % aus der zugrunde gelegten Masse von 17.383,92 EUR setzte das Amtsgericht eine Auslagenpauschale von 260,76
EUR und Umsatzsteuer in Höhe von 319,86 EUR fest.
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Gegen diesen ihr am 16.06.2005 zugestellten Beschluss legte die Beschwerdeführerin mit am 28. Juni 2005 beim Amtsgericht Heilbronn
eingegangenen Schreiben sofortige Beschwerde ein und beantragte, ihre Vergütung entsprechend ihrem Antrag vom 20.12.2004 festzusetzen.
Mit Beschluss vom 30.06.2005 erklärte das Amtsgericht Nichtabhilfe und legte die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.
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II. 1. Die gem. §§ 64 Abs. 3, 6 Abs. 1 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im übrigen zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der 2-
wöchigen Beschwerdefrist nach § 4 Abs. 1 InsO i.V.m. § 569 ZPO eingelegt.
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2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg und bleibt lediglich zu einem kleinen Teil unbegründet.
10 Der Beschwerdeführerin steht für ihre Tätigkeit als vorläufige Insolvenzverwalterin ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt EUR
3.600,32 zu.
11 a. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Vergütung der Beschwerdeführerin ist die von ihr im Vergütungsantrag vom 20.12.2004
angegebene verwaltete Masse von 28.182,44 EUR und nicht der in ihrem Gutachten vom 04.03.1999 ermittelte Wert von 17.383,93 EUR (34.000
DM).
12 Bei der Bemessung der Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 11 InsVV ist nach
dem Stichtagsprinzip auf den Wert des Insolvenzvermögens im Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters
abzustellen (OLG Jena, ZIP 2000, S. 1839; OLG Köln, ZIP 2000, S. 1993; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Lorenz, § 11 InsVV Rn 9;
Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung im Insolvenzverfahren, 2. Auflage 1999, § 11 InsVV Rn 38; MüKo/Nowak, Insolvenzordnung, 2001, § 11
InsVV Rn 6, jeweils m.w.N.). Bei der Bewertung der Massegegenstände ist von den Verkehrswerten auszugehen und nicht von den Bilanzwerten.
In diesem Zusammenhang ist der Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters insofern von Bedeutung, als dieser Anhaltspunkte für die
Bewertung der Insolvenzmasse liefert. Wird die Vergütung schon bei Beginn des Insolvenzverfahrens festgesetzt, so ist eine Verwertung noch
nicht durchgeführt. Es besteht daher in der Regel nur die Möglichkeit, der Vergütungsfestsetzung die Verwertungsprognose des vorläufigen
Insolvenzverwalters zugrunde zu legen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Insolvenzgericht bei der Festsetzung der Vergütung des
vorläufigen Insolvenzverwalters immer an die Bewertung in dessen Bericht gebunden ist. Ergibt sich noch vor der Festsetzung der Vergütung des
vorläufigen Insolvenzverwalters ein höherer oder niedriger Wert des von ihm verwalteten Vermögens, so hat dies Einfluss auf die Festsetzung
der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (AG Göttingen, ZInsO 2001, S. 616; Eickmann, Vergütungsrecht, 2. Auflage, § 11 InsVV Rn 9;
Frankfurter Kommentar/Lorenz, § 11 Rn 14; MüKo/Nowak, a.a.O. § 11 Rn 6). Insofern hält das Beschwerdegericht nicht mehr an seiner im
Beschluss vom 05.11.2002 (Az. 1b T 329/2002) zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest, die das Amtsgericht Heilbronn dem Beschluss
vom 14.06.2005 zugrunde gelegt hat, sondern vertritt nunmehr die Auffassung, dass spätere Erkenntnisse, die zu einer Wertkorrektur führen,
solange bei der Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berücksichtigen sind, bis die Vergütung rechtskräftig
festgesetzt wird.
13 Im vorliegenden Fall hat dies zur Folge, dass der von der Beschwerdeführerin mit ihrem Vergütungsantrag korrigierte Wert des von ihr im
vorläufigen Insolvenzverfahren verwalteten Vermögens von 28.182,44 EUR als Grundlage für die Bemessung ihrer Vergütung heranzuziehen ist.
Sie hat die Wertkorrektur in ihrem Vergütungsantrag überzeugend begründet.
14 Auf dieser Berechnungsgrundlage ergibt sich eine Regelvergütung für den Insolvenzverwalter gemäß § 2 Abs. 1 InsVV in Höhe von 40 % aus
EUR 25.000 zuzüglich 25% aus
15 EUR 3.182,44 und damit insgesamt EUR 10.795,61.
16 Das Amtsgericht Heilbronn ist hinsichtlich der Höhe des Vergütungssatzes zurecht dem Antrag der Beschwerdeführerin gefolgt und hat einen
Vergütungssatz von 25 % der Staffelvergütung gemäß § 2 InsVV herangezogen (vgl. allgemein BGH NZI 2003, S. 547; ZIP 2004, S.2448ff.). Im
Hinblick auf die korrigierte Bewertungsgrundlage ergibt sich daraus eine gesetzliche Vergütung von netto EUR 2.698,90 (25% von EUR
10.785,61) und brutto EUR 3.130,724.
17 b. Der von der Beschwerdeführerin begehrte Zuschlag von 10% für die Abwicklung von Arbeitsverhältnissen ist hingegen nach Auffassung des
Beschwerdegerichts nicht gerechtfertigt. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann gemäß § 10 in Verbindung mit § 3 InsVV Zuschläge zur
Regelvergütung beanspruchen, wenn das Verfahren über ein so genanntes Normalverfahren hinausgeht oder er Tätigkeiten ausgeführt hat, die
über den üblichen Tätigkeitsrahmen eines vorläufigen Insolvenzverwalters hinausgehen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe die
zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages noch bestehenden zwei Arbeitsverhältnisse durch Aufhebungsvertrag beendet und außerdem drei beim
Arbeitsgericht Heilbronn anhängige Lohnklagen geprüft, fortgeführt und durch Prozessvergleiche beendet.
18 Der Beschwerdeführerin ist dahingehend zuzustimmen, dass die Abwicklung von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich einen Erhöhungstatbestand
begründen kann (vgl. MüKo/Nowak, a.a.O. § 11 InsVV Rn 15; Haarmeyer/Wutzke/Förster a.a.O. § 11 InsVV Rn 50). Ein Zuschlag ist im Einzelfall
aber nur dann gerechtfertigt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter arbeitsrechtliche Frage in besonderem Umfang behandelt hat
(MüKo/Nowak, a.a.O; Haarmeyer/Wutzke/Förster a.a.O.; Frankfurter Kommentar/Lorenz, § 11 Rn 25 i.V.m. Rn 17ff.). Die von der
Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit zur Abwicklung von Arbeitsverhältnissen entspricht jedoch sowohl in qualitativer als auch in
quantitativer Hinsicht den Kriterien des sog. Normalfalls (vgl. hierzu allg. MüKo/Nowak, § 11 Rn 14; Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 11 Rn 30) und
ist mit der Regelvergütung von 25 % angemessen abgegolten.
19 Weder die Prüfung der Erfolgsaussichten der drei anhängigen Lohnklagen von Arbeitnehmern noch die Abwicklung der beiden letzten zum
Zeitpunkt des Insolvenzantrages noch vorhandenen Arbeitsverhältnisse stellt einen so erheblichen Verwaltungsaufwand dar, dass ein Zuschlag
hierfür gerechtfertigt wäre. Zu den Kriterien des sog. Normalfalls zählen in quantitativer Hinsicht eine Anzahl von 10-20 Arbeitnehmer und in
qualitativer Hinsicht die Entscheidung über die Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Vorprüfung der Erfolgsaussichten.
20 c. Die Beschwerdeführerin kann zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Vergütung von netto 2.698,90 EUR eine Auslagenpauschale in Höhe von EUR
404,83 zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Höhe von EUR 64,77 beanspruchen.
21 Der vorläufige Insolvenzverwalter ist gemäß § 8 Abs. 3 InsVV nach seiner Wahl berechtigt, entweder eine Einzelberechnung seiner Auslagen
vorzunehmen oder eine Pauschale von im ersten Jahr 15 %, danach 10% der gesetzlichen Vergütung, maximal jedoch 250 EUR pro
angefangenem Monat der Gesamtverfahrensdauer in Ansatz zu bringen. Die monatliche Pauschale von 250 EUR pro angefangenem Monat der
Gesamtverfahrensdauer stellt nach dem Gesetzeswortlaut eine Kappungsgrenze dar. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Vergütungsantrag
diese monatliche Pauschale von 250 EUR - für zwei volle Verfahrensmonate insgesamt 500 EUR - zu unrecht zugrunde gelegt. Ihre gesetzliche
Vergütung beläuft sich auf netto EUR 2.698,90. Die Auslagenpauschale in Höhe von 15% hieraus beläuft sich auf EUR 404,83 und liegt damit
unter der Kappungsgrenze von 250 EUR je angefangenem Monat der Verfahrensdauer. Sie kann daher nur die geringere Vergütungspauschale
von 15% der gesetzlichen Vergütung geltend machen und nicht die monatliche Pauschalberechnung zugrunde legen.
22 d. Der Vergütungsanspruch der Beschwerdeführerin in Höhe von EUR setzt sich damit folgendermaßen zusammen:
23 Vergütung brutto: EUR 3.130,72 (davon Umsatzsteuer: EUR 431,82)
Auslagen brutto: EUR 469,60 (davon Umsatzsteuer: EUR 64,77)
Summe brutto:
EUR 3.600,32 (davon Umsatzsteuer: EUR 496,59)
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO; der Beschwerdewert wurde gem. § 3 ZPO anhand des Interesses der
Beschwerdeführerin festgelegt.