Urteil des LG Heidelberg vom 06.04.2016

einstweilige verfügung, vertreter, erfüllung, erlass

LG Heidelberg Beschluß vom 6.4.2016, 12 O 14/16 KfH
Aktiengesellschaft: Umfang des Auskunftsanspruchs des besonderen Vertreters zur
Vorbereitung der Geltendmachung von Ersatzansprüchen der AG
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 31.03.20167 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens nach Kopfteilen zu tragen.
3. Der Streitwert für den Antrag Ziffer 1 und 2 wird auf jeweils EUR 50.000, zusammen EUR 100.000,
festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Antragsteller verlangen Vorlage von Protokollen von Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüssen der Jahre
2005 bis Mai 2012.
2 Die Antragstellerin zu 2 (künftig: Antragstellerin) ist ein national und international erfolgreiches
Unternehmen auf dem Gebiet der Herstellung und des Handels von Gelatineprodukten, das seit Jahrzehnten
mit Streitigkeiten in dem aus Familienmitgliedern bestehenden Aktionärskreis hervortritt (vgl. nur Gelatine I
und II und Schutzgemeinschaft I und II, BGHZ 126, 226; BGHZ 179, 13; BGHZ 159, 30; BGHZ ZIP 2004,
1001).
3 Der Antragsteller zu 1 (künftig: Antragsteller) wurde auf Veranlassung eines der drei Familienstämme,
nämlich des Dr. P. K. (vgl. AG Mannheim, Beschluss vom 12.05.2014 - HRB 333796 BeckRS 2014, 13796),
gemäß den Beschlüssen der Hauptversammlung der Antragstellerin zu 2, die zugleich die Antragsgegnerin
zu 1 ist, vom 30.04 und 30.06.2014 zum besonderen Vertreter der Antragstellerin zur Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Antragstellerin
sowie mit erweiterndem Beschluss vom 30.04.2015 gegen einige Aktionäre sowie die
Testamentsvollstrecker einer verstorbenen Mitaktionärin im Zusammenhang mit der Veräußerung der
Beteiligung der Antragstellerin an der R.P. S. GmbH und Co. KG sowie der R.P. S. Verwaltungs GmbH (künftig
für beide zusammen: RPS) im Jahr 2011/20112 bestellt. Beide Beschlüsse wurden nicht angefochten.
4 Nach der Bestellung des Antragstellers als besonderem Vertreter der Antragstellerin erbat er Unterlagen
und Auskünfte von der Antragstellerin, deren Vorständen, die die Antragsgegner zu 2 und 3 sind, zu allen im
Zusammenhang mit der Veräußerung der RPS und der Ausschüttung einer Sonderdividende relevanten
Vorgängen. Daraufhin wurde ein virtueller Datenraum eingerichtet, in den Unterlagen und Informationen
eingestellt wurden.
5 Mit Klageschrift vom 12.03.2015 hat die Antragstellerin, vertreten durch den Antragsteller im Wege der
Teilklage Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Antragstellerin auf Schadensersatz wegen
Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Veräußerung der Beteiligung an der RPS in Anspruch
genommen (Az. 11 O 8/15 KfH). Den Vorständen und Aufsichtsräten wird vorgeworfen, die Beteiligung der
RPS, die mindestens 80 Mio EUR wert gewesen sei, weit unter Wert, nämlich für 43 Mio EUR veräußert zu
haben. Zudem gebe es Indizien dafür, dass bei der Veräußerung das Interesse der Aktionäre Dr. K.-P. K. und
B. P. verfolgt worden sei. Im August 2011 habe Dr. K.-P. K. die Aktien der Antragstellerin von B. P. gekauft
und hierdurch die Aktienmehrheit in der Antragstellerin erlangt. Der Kaufpreis sei aus einer Sonderdividende
von 65 EUR pro Stückaktie aufgebracht worden, die auf Anregung Dr. K.-P. K.s im Hinblick auf den Verkauf
der RPS Beteiligung ausgeschüttet worden sei.
6 Im Rahmen des Hauptsacheprozesses stellte sich heraus, dass ein Bewertungsgutachten der Beteiligung an
der RPS aus dem Jahr 2006 dem Antragsteller vorgerichtlich nicht vorgelegt worden war. Auch der Vertrag
über die Übertragung und Verpfändung der Aktien zwischen B. P. und Dr. K.-P. K. wurde dem Antragsteller
nur in teilweise geschwärzter Form zur Verfügung gestellt, während die Prozessbevollmächtigten der
Beklagten im Hauptverfahren vollständige Fassungen hatten.
7 Das Gericht gab im Schadensersatzprozess (11 O 8/15 KfH) der klagenden Partei auf, den Vortrag zu den
angeblichen Schadensersatzansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder zu vertiefen, insbesondere
vorzutragen, wer von den Organmitgliedern vom Vorliegen von Sonderinteressen wann etwas gewusst
habe oder hätte wissen müssen.
8 Der Antragsteller verlangte vorgerichtlich sämtliche Protokolle der Vorstands- und Aufsichtsrats-
/Präsidialausschusssitzungen von 2005 bis Mai 2012 nebst dazugehöriger Einladungen/Einberufungen,
Präsentationen und sonstiger Anlagen in vollständiger Fassung zur Einsicht.
9 Unter dem Aktenzeichen 11 O 37/15 hat das LG Heidelberg auf Antrag vom 09.10.2015 im Wege der
einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 04.12.2015 für Recht erkannt:
10 1. Der Verfügungsbeklagten zu 1) (hiesige Antragstellerin) wird aufgegeben, dem Verfügungskläger zu 2)
(hiesiger Antragsteller)
11 a) die Einladungen / Einberufungen mit Tagesordnungen zu allen Vorstands- und Aufsichtsrats-
/Präsidialausschusssitzungen der G. AG seit Januar 2005 bis Mai 2012 jeweils in vollständiger Fassung, ggfs.
in Kopie, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vorzulegen
bzw. zugänglich zu machen, insbesondere durch Einstellung und Zugänglichmachung dieser Dokumente in
den bereits von der Verfügungsbeklagten zu 1), G. AG, eingerichteten virtuellen Datenraum, oder ihm die
Anfertigung von Kopien der Unterlagen zu ermöglichen, b) sämtliche Protokolle der Vorstands- und
Aufsichtsrats-/Präsidialausschusssitzungen der G. AG oder Teile davon, jeweils nebst Präsentationen und
sonstigen Anlagen seit Januar 2005 bis Mai 2012, soweit sie die Bewertung der Beteiligung der G. AG an der
R.P. S. GmbH & Co. KG und der R.P. S. Verwaltungs GmbH oder deren Veräußerung an C. in den Jahren
2011/2012 betreffen, jeweils in vollständiger Fassung, ggfs. in Kopie innerhalb einer Frist von zwei Wochen
nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vorzulegen bzw. zugänglich zu machen, insbesondere durch
Einstellung und Zugänglichmachung dieser Dokumente in den bereits von der Verfügungsbeklagten zu 1), G.
AG, eingerichteten virtuellen Datenraum, oder ihm die Anfertigung von Kopien der Unterlagen zu
ermöglichen.
12 2. Den Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) (hiesigen Antragsgegner zu 2 und 3) wird aufgegeben, der
Verfügungsklägerin (hiesige Antragstellerin)
13 a) die Einladungen / Einberufungen mit Tagesordnungen zu allen Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen der
G. AG seit Januar 2005 bis Mai 2012 jeweils in vollständiger Fassung, ggfs. in Kopie, innerhalb einer Frist von
zwei Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vorzulegen bzw. zugänglich zu machen,
insbesondere durch Einstellung und Zugänglichmachung dieser Dokumente in den bereits von der
Verfügungsbeklagten zu 1), G. AG, eingerichteten virtuellen Datenraum, oder ihr die Anfertigung von
Kopien der Unterlagen zu ermöglichen, b) sämtliche Protokolle der Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen
der G. AG oder Teile davon, jeweils nebst Präsentationen und sonstigen Anlagen seit Januar 2005 bis Mai
2012, soweit sie die Bewertung der Beteiligung der G. AG an der R.P. S. GmbH & Co. KG und der R.P. S.
Verwaltungs GmbH oder deren Veräußerung an C. in den Jahren 2011/2012 betreffen, jeweils in
vollständiger Fassung, ggfs. in Kopie innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der
einstweiligen Verfügung vorzulegen bzw. zugänglich zu machen, insbesondere durch Einstellung und
Zugänglichmachung dieser Dokumente in den bereits von der Verfügungsbeklagten zu 1), G. AG,
eingerichteten virtuellen Datenraum, oder ihr die Anfertigung von Kopien der Unterlagen zu ermöglichen.
14 Im Übrigen hat es die im Beschlusswege am 09.10.2015 erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben,
soweit diese eine Vorlage sämtlicher Protokolle der Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen der G. AG oder
Teile davon, jeweils nebst Präsentationen und sonstigen Anlagen seit Januar 2005 bis Mai 2012, aufgab,
auch soweit kein Zusammenhang zur Bewertung und Veräußerung der RPS bestand.
15 Die Beteiligten schlossen daraufhin am 23.12.2015 zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
eine Vereinbarung, wonach die Schuldner die einstweilige Verfügung des LG Heidelberg vom 4.12.2015 als
rechtsverbindliche Regelung anerkennen und auf Einwendungen verzichten, soweit sie nicht auch einem
rechtskräftigen Hauptsacheurteil entgegengehalten werden könnten, insbesondere auf die Fristsetzung zur
Erhebung der Hauptsacheklage (926 ZPO) und den Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung
wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO). Weiter vereinbarten sie, dass die Schuldner die in dem Urteil
genannten Unterlagen den Gläubigem in der Kalenderwoche 2 des Jahres 2016, d.h. vom 11. Januar 2016
bis spätestens zum 17. Januar 2016, zur Verfügung stellen werden und die Gläubiger aufgrund der
abgegebenen Verpflichtungserklärung keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Vollziehung des
Urteils vom 4. Dezember 2015 einleiten werden. Weiter verzichteten die Parteien wechselseitig auf ihr
Recht zur Berufungseinlegung gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 4.12.2015.
16 Die Antragsgegner stellten daraufhin am 12.01.2016 weiteres Material im virtuellen Datenraum bereit. Am
15.02.2016 trug der Antragsteller im Schadensersatzprozess wie dort aufgegeben weiter vor. Am
24.02.2016 forderte der Antragsteller weitere Unterlagen und Informationen (Anl. GL 3). Die Antragsgegner
antworteten mit Schreiben vom 16.03.2016 (Anl. GL 4). Auf beide Schreiben wird verwiesen.
17 Die Antragsteller meinen, das wiederholt selektive Vorlegen von Unterlagen zeige, dass sie ein berechtigtes
Interesse daran hätten, die angeforderten Protokolle in vollständiger Fassung vorgelegt zu erhalten.
18 Die Antragsteller beantragen erneut:
19 1. Der Antragsgegnerin zu 1.) wird aufgegeben, dem Antragsteller zu 1.), sämtliche Protokolle der
Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen, einschließlich Ausschuss- und Arbeitsgruppensitzungen, der G. AG
jeweils nebst Präsentationen und sonstigen Anlagen seit Januar 2005 bis Mai 2012 jeweils in vollständiger
Fassung, ggf. in Kopie, innerhalb einer Frist von zwei (2) Wochen nach Zustellung der einstweiligen
Verfügung vorzulegen bzw. zugänglich zu machen, insbesondere durch Ermöglichung einer persönlichen
Einsichtnahme durch den besonderen Vertreter und von ihm ausgewählter zur Berufsverschwiegenheit
verpflichteter Hilfspersonen.
20 2. Den Antragsgegnern zu 2.) und 3.) wird aufgegeben, der Antragstellerin zu 2.), vertreten durch den
besonderen Vertreter, sämtliche Protokolle der Vorstands-. und Aufsichtsratssitzungen der G. AG jeweils
nebst Präsentationen und sonstigen Anlagen seit Januar 2005 bis Mai 2012 jeweils in vollständiger Fassung,
ggf. in Kopie, innerhalb einer Frist von zwei (2) Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung
vorzulegen bzw. zugänglich zu machen, insbesondere durch Ermöglichung einer persönlichen
Einsichtnahme durch den besonderen Vertreter und von ihm ausgewählter zur Berufsverschwiegenheit
verpflichteter Hilfspersonen.
II.
21 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
22 1. Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorausgesetzte Verfügungsanspruch fehlt.
23 a) Das Landgericht hat im Verfahren 11 O 37/15 ausgeführt, dass der Antragsteller gegen die Antragstellerin
einen Anspruch auf Information und Auskunft gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG in Verbindung mit dem
Hauptversammlungsbeschluss der G. AG vom 30.04.2014 und 30.06.2015 in dem durch das
Verfügungsurteil ausgesprochenen Umfang hat. Der Auskunftsanspruch des besonderen Vertreters werde
durch seinen Aufgabenkreis begrenzt, der sich aus den Beschlüssen vom 30.04.2014 und 30.06.2015
ergebe, wonach „die sich im Zusammenhang mit der Veräußerung der Beteiligung an der RPS und der S.
Verwaltungs GmbH an C. (siehe zu diesem Vorgang S. 21 des Geschäftsberichts der G. AG für das Jahr 2011
sowie die Darstellung zu TOP 3) ergebenden Ersatzansprüche (insbesondere Schadensersatz, Ausgleichs-
und Beseitigungsansprüche) der Gesellschaft (insbesondere solche aus den §§ 93, 116, 117, 317 AktG, 823
Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, § 826 BGB)“ gegen die seinerzeitigen Mitglieder des
Vorstandes (die Antragsgegner zu 2 und 3), die seinerzeitigen Aufsichtsratsmitglieder S., Dr. N., Dr. Ki. sowie
Dr. K.-R. sowie die Aktionäre Herrn Dr. K.-P. K., Frau B. P.-K., Herrn B. P. sowie die Testamentsvollstrecker
der G. K., die Herren S. und Dr. W. geltend gemacht werden sollten.
24 Der besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG sei nämlich nur in seinem Aufgabenkreis Organ der
Gesellschaft, so dass auch die als bloße Annexkompetenz bestehenden Informations- und Auskunftsrechte
auf die Verfolgung dieser Aufgabe beschränkt seien. Der besondere Vertreter habe kein umfassendes
Prüfungsrecht wie ein Sonderprüfer gemäß § 142 ff. AktG. Innerhalb seines Aufgabenkreises habe er aber
ein durchaus umfassendes Informationsrecht. Soweit es daher um Pflichtverletzungen des Vorstandes und
des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Veräußerung der Beteiligung an der RPS im Jahr 2011/2012
gehe, wonach die Beteiligung unter Wert verkauft und der Abschluss des Geschäfts nicht frei von
Sonderinteressen einiger Aktionäre erfolgt sein soll, dürfe er die Auskünfte einholen, die zur
Geltendmachung der Ansprüche notwendig seien. Auch Einsichtsrechte bestünden insoweit, als die
Protokolle und andere Papiere den Vorgang betreffen, für den er Ersatz verlangen solle. Er könne daher
nicht nur die Unterlagen unmittelbar im Zusammenhang mit der Veräußerung und der Entscheidungsfindung
in den Gremien einsehen, sondern auch Unterlagen, die mit der Bewertung der Beteiligung im Unternehmen
zu tun hätten. Dazu gehöre zum Beispiel das Bewertungsgutachten aus dem Jahr 2005, als das
Unternehmen in Erwägung gezogen habe, RPS ganz zu übernehmen. Darüber hinaus sei dem Antragsteller
die Einsicht in die Einladungen/Einberufungen mit Tagesordnungen zu gewähren, damit er sich
gegebenenfalls selbst davon überzeugen könne, in welchen Sitzungen die Bewertung oder die Veräußerung
von RPS an C. besprochen werden sollte. Damit sei seinem Bedenken ausreichend Rechnung getragen, dass
die Vorstände selbst seine Einsicht „zensierten“.
25 Der Anspruch steht dem Antragsteller als besonderem Vertreter gegen die Gesellschaft, vertreten durch den
Vorstand zu, sowie der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder, hier die Antragsgegner zu 2 und 3.
Gegen letztere sei auch ein Anspruch aus den Vorstandsanstellungsverträgen gegeben (§§ 611, 242 BGB).
26 Auf die den Parteien bekannten Ausführungen im Verfügungsurteil vom 04.12.2015 wird verwiesen. Die
Kammer schließt sich ihnen nach eigener Prüfung vollumfänglich an.
27 b) Danach besteht gerade kein Anspruch auf die Herausgabe von Protokollen der Vorstands- und
Aufsichtsratssitzungen, soweit sie Angelegenheiten betreffen, die nicht im Zusammenhang mit dem
Aufgabenkreis des besonderen Vertreters stehen.
28 Der Anspruch auf Vorlage aller Protokolle ungeachtet ihres Inhalts kann auch nicht damit begründet
werden, dass nur auf diese Weise das Informationsbedürfnis und Informationsrecht des besonderen
Vertreters zu seinem Aufgabenkreis erfüllt werden könnte.
29 Die Antragsteller tragen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass nach wie vor Informationen
ausstehen oder ihnen weiterhin unzulässig „zensierte“ Protokolle vorgelegt wurden.
30 aa) Soweit die Antragsteller um einen Protokollauszug zur Aufsichtsratssitzung vom 24.02.2006 anführen,
war der Protokollauszug zu TOP 8 im Januar vollständig in den virtuellen Datenraum gestellt. Selbst wenn
insoweit zuvor den Anforderungen des besonderen Vertreters an die Vorlage von Informationen nicht
vollständig nachgekommen worden sein sollte, war dieser Zustand mit der vollständigen Einstellung
beendet. Dass der besondere Vertreter die für die bisherige Unvollständigkeit abgegebene Erklärung nicht
als befriedigend empfinden mag, begründet keinen Verdacht, dass das Dokument unvollständig ist oder
andere Dokumente fehlen. Vielmehr kann mit gleicher Berechtigung umgekehrt argumentiert werden, dass
in Erfüllung der Vereinbarung vom 23.12.2015 nunmehr bisher zurückgehaltenes Material selbst dann
eingestellt wurde, wenn dies den Antragstellern Anlass geben würde, die bisher unvollständige
Bereitstellung anzuprangern.
31 bb) Dasselbe gilt für die Protokollauszüge der Präsidialratssitzung am 06.12.2011. Dieses Protokoll wurde
ebenfalls in Erfüllung der Vereinbarung vom 23.12.2015 zur einstweiligen Verfügung vollständig vorgelegt.
Auch insoweit mag zwar die Rechtfertigung der Antragsgegner zu 2 und 3 ihres bisherigen Verhaltens den
besonderen Vertreter nicht überzeugen. Anhaltspunkte für eine unvollständige Erfüllung der Vereinbarung
vom 23.12.2015 zeigt dies aber nicht auf.
32 cc) Die Nichtvorlage weiterer Einladungs-/Einberufungsschreiben zu Aufsichtsratssitzungen begründet
gleichfalls keinen Bedarf für die Einsicht in alle Aufsichtsratsprotokolle. Der besondere Vertreter hat nicht
vorgetragen, dass es sich bei diesen Schreiben nicht um für ihn bedeutungslose Serienbriefe, die zudem
nicht mehr existieren, handelt, wie sich aus dem Schreiben vom 16.03.2016 ergibt. Auch zu einer
mehrjährigen Aufbewahrungsfrist für diese Schreiben trägt er nicht vor. Dem Gericht ist aus anderen
gesellschaftsrechtlichen Verfahren bekannt, dass solche Schreiben außer den Angaben zu Ort und Zeit der
Sitzung typischerweise keinen weitergehenden Inhalt haben, sondern hierfür auf die beigefügten
Tagesordnungen verweisen wird, die den Antragstellern zur Verfügung gestellt wurden.
33 dd) Das Protokoll zu TOP 3 der Aufsichtsratssitzung vom 23.02.2012 (Ast 15, 16) wurde am 16.03.2016
vollständig zur Verfügung gestellt. Soweit die Seiten 6/19 bis 8/19 zu TOP 3 noch nicht im Januar in den
virtuellen Datenraum eingestellt waren, ist dies nicht bedeutsam, weil sie sich mit dem Jahresabschluss
2011 und dessen Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer Heller befassen, ohne dass ein Zusammenhang mit
dem Aufgabenfeld des besonderen Vertreters erkennbar wäre (Anl. Ast 15, 16). Soweit das Fehlen des
letzten Absatzes von S. 8/19 und der ersten beiden auf S. 9/19 bemängelt wird, handelt es sich um eine
zusammenfassende Wiederholung der Diskussion, die am 31.01.2012 im Präsidialausschuss zu TOP 1
geführt wurde und mit dem dortigen Protokoll den Antragstellern zugänglich gemacht worden war (Anl. Ast.
6). Die dort geführte Diskussion zu § 311 AktG zeigt, dass Dr. Ki. von einer Einflussnahme ausging, da diese
Norm die Einflussnahme eines herrschenden Unternehmens - ungeachtet der Frage, ob der
Mehrheitsgesellschafter überhaupt ein solches ist (hierzu Drescher WM Sonderbeilage 2 S. 19) -
voraussetzt. Dies gilt auch für Bedenken Dr. Ki.s wegen des Ratings der Antragstellerin bei Banken. Es wird
auf S. 5/6 des Protokolls der Präsidialausschusssitzung vom 31.01.2012 dargelegt. Welche Relevanz für das
Aufgabengebiet des Antragstellers es haben soll, dass der Aufsichtsratsvorsitzende hierzu Stellung nahm,
und nicht dem Vorstand das Wort erteilte, legt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht dar.
Auf Bitte wurde ein vollständiger Protokollauszug zu diesem TOP vorgelegt, auch soweit er über den
Aufgabenbereich des besonderen Vertreters hinausgeht. Die Notwendigkeit noch weitergehender Vorlagen
erschließt sich nicht.
34 ee) Die Protokollauszüge zu TOP 4.7 der Vorstandssitzung vom 11.11.2011 (Finanzierung G. Konzern) und
TOP 2 und 3 des Präsidialausschusses vom 6.12.2011 (Mittelfristige Finanzierung des G. Konzerns) wurden
auf Bitte des Antragstellers vom 24.02.2016 am 16.03.2016 zur Verfügung gestellt. Beide
Tagesordnungspunkte haben auf den ersten Blick keinen Zusammenhang zu dem Aufgabengebiet des
Antragstellers. Dass die Antragsgegner sie daher nicht eigeninitiativ vorgelegt haben, ist nachvollziehbar.
Der Schluss des besonderen Vertreters aus dem gleichbleiben Kreditrahmen für Aquisitionen auf ein Wissen
des Vorstands schon im November von der bevorstehenden Sonderdividende mag erlaubt sein, ist aber
mittelbar und nicht zwingend. Eine Relevanz dieses Wissens zu diesem Zeitpunkt für das Bestehen oder die
Höhe des Schadensersatzanspruchs gegen die Vorstände ist dem Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung nicht zu entnehmen. Wenn unter diesen Umständen, die angeforderten Protokollauszüge auf
Bitten des besonderen Vertreters sofort vorgelegt werden, ist nicht ersichtlich, dass hier Informationen
vorenthalten werden.
35 ff) Die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verfügung ist eine Leistungsverfügung im Sinne des
§§ 935, 940 ZPO, die zur Befriedigung des Verfügungsanspruchs führt, so die Hauptsache vorwegnimmt und
damit dem Grundgedanken des allein auf eine Sicherung der gefährdeten Ansprüche abzielenden
einstweiligen Rechtsschutzes widerspricht. Sie setzt daher eine strenge Prüfung des Verfügungsanspruchs
voraus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. § 940 Rn 6).
36 Danach ist nicht vom Vorliegen eines Anspruchs auf Vorlage aller Protokolle von Vorstands- und
Aufsichtsratssitzungen, einschließlich Ausschuss- und Arbeitsgruppensitzungen nebst Präsentationen und
Anlagen auszugehen. Alle Inhalte jenseits seines Aufgabenkreises sind für ihn unerheblich. Vielmehr besteht
ein berechtigtes Interesse der Antragsgegner an ihrer Geheimhaltung. Der besondere Vertreter braucht
auch keine Kenntnis der vollständigen Protokolle, um selbst entscheiden zu können, was er für seinen
Aufgabenkreis für erheblich hält. Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in den derzeit
nicht zugänglichen Teilen der Protokolle Informationen enthalten sind, die für seinen Aufgabenkreis von
Bedeutung sind oder ihm auch nur weitere Informationen, um die er bittet, nicht oder in für ihn
bedeutsamer Weise unvollständig erteilt werden. Eine aus § 242 BGB abzuleitende Ausweitung seiner als
Annex zu seiner Aufgabe bestehenden Auskunftsrechte ist daher nicht geboten.
37 Schließlich haben sich die Antragsteller einer effektiven Möglichkeit zur Erlangung der für den Aufgabenkreis
des besonderen Vertreters erforderlichen Informationen selbst begeben. Mit der einstweiligen Verfügung
vom 04.12.2015 (11 O 37/15) waren ihnen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen möglich. In der Vollstreckung
wären sie nicht ausschließlich auf den Goodwill der Antragsgegner zu 2 und 3 angewiesen gewesen. Sie
haben diesen Vollstreckungstitel erlangt, weil sie darlegen konnten, dass diese beiden Antragsgegner von
sich aus die Informationsansprüche nicht vollständig erfüllten. Mit der Vereinbarung vom 23.12.2015 haben
sie in Kenntnis des von ihnen erklärtermaßen als „unzulässiger Zensur“ angesehenen Verhaltens des
Vorstandes auf eine Informationsbereitstellung oder -mitkontrolle durch neutrale Personen verzichtet und
diese erneut denjenigen überlassen, gegen die sie bereits Rechtsschutz beantragt und im Rahmen der ihnen
zustehenden Ansprüche erhalten haben. Ein solches Verhalten rechtfertigt es jedenfalls nicht,
Informationsrechte über das eigentlich vorgegebene gesetzliche Maß, hier den Aufgabenkreis des
besonderen Vertreters, hinaus auszuweiten. Die Möglichkeit von Informationsdefiziten haben die
Antragsteller mit der Vereinbarung am 23.12.2015 wissentlich erneut hingenommen und als genügende
Erfüllung ihres durch die einstweilige Verfügung gewährten Informationsrechts ausdrücklich akzeptiert.
38 Jedenfalls verbietet es sich, bei dieser Sachlage im Rahmen der verkürzten Rechtsschutzmöglichkeiten im
einstweiligen Rechtsschutz (vgl. z.B. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) eine Leistungsverfügung für einen über das
gesetzlich geschuldete Maß hinausgehenden Anspruch auf Auskunft zu erlassen.
39 2. Im Übrigen fehlt auch ein Verfügungsgrund.
40 Aufgrund ihres endgültig erfüllenden Charakters setzt die Leistungsverfügung auch voraus, dass ein
dringendes Bedürfnis für ihren Erlass besteht, die Antragsteller mithin auf die sofortige Erfüllung ihrer
Ansprüche dringend angewiesen sind. Auch daran fehlt es.
41 Die sechsmonatige Frist zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG ist abgelaufen.
Der Schadensersatzprozess ist rechtshängig. Der in ihm nach § 139 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist zur
Substantiierung seines Vortrages ist der Antragsteller mit dem vorhandenen Material nachgekommen, ohne
zuvor weitere Informationen bei den Antragsgegner anzufordern oder deren Fehlen zu bemängeln. Dies
zeigt, dass ihm deren Beschaffung nicht dringlich war und er auch nicht annahm, sie zur Erfüllung seiner
prozessualen Pflichten im Schadensersatzprozess zu benötigen. Auch auf seine Bitten vom 24.02.2016
wurden ihm zeitnah am 16.03.2016 die erbetenen Informationen zur Verfügung gestellt. Dass dies in
Erfüllung der Vereinbarung der Beteiligten vom 23.12.2015 nicht weiterhin der Fall sein wird, ist nicht
vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
42 Schließlich kann auch insoweit nicht unbeachtet bleiben, dass die Antragsgegner mit der einstweiligen
Verfügung vom 04.12.2015 die Möglichkeit einer effizienten Durchsetzung ihrer gesetzlichen
Informationsansprüche hatten und diese mit der Vereinbarung vom 23.12.2015 umgestaltet haben. Ein
solches Verhalten steht der Annahme einer Dringlichkeit als Voraussetzung einstweiligen Rechtsschutzes
entgegen.
III.
43 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war für die in subjektiver
Anspruchshäufung und unabhängig voneinander jeweils zur Erfüllung des vollen Anspruchs führenden
Antragsbegehren nach § 39 Abs. 1 GKG auf das Doppelte des Interesses an der Auskunft bei Antragstellung
§§ 40, 3 ZPO zu schätzen.