Urteil des LG Hanau vom 01.09.2008

LG Hanau: werbung, stufenklage, akte, abmahnung, zugang, internet, betriebskosten, verbraucher, beratung, webseite

Gericht:
LG Hanau 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 O 551/08
Dokumenttyp:
Teilurteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 3 Nr 2 UWG, § 8 Abs 3
Nr 3 UWG, § 8 Abs 3 Nr 4
UWG, § 10 UWG, § 1 Abs 1 S 2
PAngV
Versteckte Preisangaben in der Internet-Werbung:
Vorsätzlicher Wettbewerbsverstoß durch fortgesetzte
Werbung nach erfolgter Abmahnung
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über folgende Punkte zu
erteilen:
Umfang der unlauteren Werbung/Handlung ab 28.04.2007 über die
Verwendung der folgenden Webseiten:
mit dem der Abmahnung vom 26.04.2007 zugrundeliegenden Inhalt.
2.
Auskunft zu erteilen über die Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf
dieser Webseite für den Zeitraum ab 28.04.2007.
3.
Auskunft zu erteilen, über den erzielten Umsatz für den Zeitraum ab
28.04.2007, aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten.
4.
Auskunft zu erteilen, über die Entstehungskosten ab 28.04.2007 betreffend die
Einkaufspreise, Umsatzsteuer, sonstige variable Betriebskosten (Material-, Werbe-,
Lohnkosten usw), soweit sie nicht auch ohne die Zuwiderhandlung angefallen
wären, Gemeinkosten betreffen die beworbene Leistung in dem sich ab 28.04.2007
ergebenden Zeitraum.
5.
Auskunft zu erteilen, über die Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf
den aufgeführten Websites seit 28.04.2007.
6.
Auskunft zu erteilen, über Leistungen, die aufgrund der Zuwiderhandlung an
Dritte oder den Staat ab 28.04.2007 geleistet wurden.
Im Übrigen wird der 1. Teil der Stufenklage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,– Euro vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Die Klägerin hat am 07.12.2007 vor der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau
gegenüber der Beklagten ein mittlerweile rechtskräftiges Unterlassungsurteil
wegen unlauteren Wettbewerbs erwirkt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
auf das in der Akte 9 O 870/07 befindliche Urteil verwiesen. Diese Akte war zu
Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Nunmehr begehrt die Klägerin im Wege einer Stufenklage Auskunft, da sie
beabsichtigt, den aufgrund der unlauteren Werbung erzielten Gewinn nach § 10
UWG abzuschöpfen. Die Beklagte hat die von ihr im Internet angebotenen Seiten
vor der Online-Stellung anwaltlich überprüfen lassen, wobei ihre Anwälte zu dem
Schluss kamen, dass die rechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers zur
Preisauszeichnung beachtet seien. In der mündlichen Verhandlung hat der
Beklagtenvertreter substantiiert dargelegt, dass es sich bei den hinzugezogenen
Anwälten um solche handele, die in Wettbewerbsdingen erfahren seien und über
juristisch fundierte Kenntnisse verfügen. Erstmals mit Schreiben vom 26.04.2007
forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf
(Blatt 43 ff. d. A.). Die Klägerin begehrt auf der ersten Stufe der von ihr erhobenen
Stufenklage Auskunft.
Die Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Beklagte zu
verurteilen
1.
dem Kläger Auskunft über folgende Punkte zu erteilen:
1.1
Umfang der unlauteren Werbung/Handlung
a)
Zeitraum der Verwendung der folgenden Webseiten:
mit dem der Abmahnung vom 26.04.2007 zugrundeliegenden Inhalt.
b)
Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf dieser Webseite für diesen
Zeitraum;
1.2
Angaben über den erzielten Umsatz für den unter Ziffer 1. aufgeführten Zeitraum,
aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten;
1.3
Angaben über die Gestehungskosten
ggf. Einkaufspreise,
Umsatzsteuer,
sonstige variable Betriebskosten (Material-, Werbe-, Lohnkosten usw), soweit sie
nicht auch ohne die Zuwiderhandlung angefallen wären – Gemeinkosten betreffend
die beworbene Leistung in dem sich aus Ziffer 1 ergebenden Zeitraum,
1.4
Angaben über die Anzahl der kostenpflichtigen Anmeldungen auf den aufgeführten
Webseiten,
1.5
Angaben über Leistungen, die aufgrund der Zuwiderhandlung an Dritte oder den
Staat geleistet wurden.
Die Beklagte beantragt,
die 1. Stufe der erhobenen Stufenklage abzuweisen.
17
18
19
20
Sie ist der Auffassung, dass es bereits an einem Wettbewerbsverstoß mangele, da
das Urteil vom 07.12.2007 bzw. die hierzu seitens des Oberlandesgerichts
Frankfurt geäußerte Rechtsauffassung fehlerhaft sei. Diesbezüglich wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 17.04.2008 (Blatt 183 – 185 der zu Informationszwecken
beigezogenen Akte 9 O 870/07) verwiesen. Aber selbst wenn ein
Wettbewerbsverstoß vorliegen sollte, so sei dieser weder kausal für den erzielten
Gewinn geworden, noch sei die Gewinnerzielung zu Lasten der Verbraucher erfolgt.
Schließlich sei der Beklagten auch ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 3 UWG nicht
anzulasten, weil sie aufgrund anwaltlicher Beratung davon ausgehen durfte, dass
kein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vorliege. Wegen des weiteren
Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. Soweit die Beklagte die Auffassung
vertritt, ein Wettbewerbsverstoß läge nicht vor, vermag sich die Kammer dem
nicht anzuschließen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf das in
der Akte 9 O 870/07 ergangene Urteil des Landgerichts Hanau, sowie auf den
Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im durchgeführten
Berufungsverfahren. Den dort vertretenen Rechtsauffassungen schließt sich das
Gericht an.
Die unlautere Wettbewerbshandlung war zur Überzeugung der Kammer auch
kausal für die Gewinnerzielung, weil der Preis eines Produkts nebst dessen Qualität
das wichtigste Entscheidungskriterium für einen Verbraucher darstellt und das
Gericht davon überzeugt ist, dass bei einer korrekten Preisangabe eine Vielzahl
von Verbrauchern von einem Vertragsschluss abgesehen hätten, zumal die
verlangten Preise keineswegs als Bagatellbeträge zu bezeichnen sind. Hieraus
kann ohne Weiteres der Rückschluss gezogen werden, dass eine Vielzahl von
Abnehmern eine wirtschaftliche Schlechterstellung hinzunehmen hatte, weil sie die
streitgegenständlichen Dienstleistungen in Kenntnis der zu zahlenden Vergütung
nicht in Anspruch genommen hätten. Es ist auch nicht systemwidrig, diesen zu
Lasten der Kunden erzielten Gewinn abzuschöpfen, wie die Beklagte unter Hinweis
auf die §§ 142 Abs. 2 BGB, 242 BGB, 814 BGB meint. Denn § 10 UWG strebt ja
gerade die Abschöpfung desjenigen Gewinns an, der dem Verletzer verbleibt, weil
und soweit seine Abnehmer die ihnen zustehenden Rechte und Ansprüche zur
Sicherung ihrer Vermögensinteressen nicht geltend machen (Hefermehl/Köhler,
25. Auflage, Rdn. 10 zu § 10 UWG).
Jedoch vermag das Gericht einen vorsätzlichen Verstoß gegen § 3 UWG erst mit
Zugang des Unterlassungsschreibens vom 26.04.2007 zu bejahen. Diesen
Zugang schätzt die Kammer auf den 28.04.2007. Denn unstreitig hat die Beklagte
den Inhalt der streitgegenständlichen Internetseiten vor Veröffentlichung
Rechtsanwälten zur Überprüfung auf mögliche Wettbewerbsverstöße –
insbesondere die Preisangabenverordnung – vorgelegt, wobei der
Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen hat,
dass die für die Beklagte tätigen Anwälte in Wettbewerbsfragen bewandert waren
und über fundierte Rechtskenntnisse verfügten. Ob die Beklagte im Anschluss an
den eingeholten anwaltlichen Rat mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte
definitiv nicht mehr zu rechnen brauchte, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst
wenn man davon ausgeht, dass sich die Rechtslage auch noch nach der
anwaltlichen Beratung aus Sicht der Beklagten als zweifelhaft darstellen musste,
so kann den Beklagten ab diesem Zeitpunkt allenfalls noch grob fahrlässiges nicht
aber vorsätzliches Handeln angelastet werden. Wörtlich hat der Bundesgerichtshof
zu einer ähnlichen Problematik ausgeführt: "Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage
handelt bereits fahrlässig , wer sich erkennbar in einen Grenzbereich des rechtlich
zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende
Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht
ziehen muss" (NJW 2007, Seite 430). Da aber selbst grob fahrlässiges Verhalten
nicht ausreicht, um die Folgen des § 10 UWG auszulösen (Hefermehl a. a. O., Rdn.
6 zu § 10 UWG) hatte die Auskunftsklage erst ab dem 28.04.2007 Erfolg. Denn mit
Zugang des Abmahnschreibens musste der Beklagten klar sein, dass die
eingeholte Rechtsauskunft möglicherweise nicht richtig war, .... Eine vorsätzliche
Begehung ist nämlich regelmäßig anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach
einer Abmahnung fortsetzt (Hefermehl, a. a. O., Rdn. 6 zu § 10 UWG). Wenn die
21
einer Abmahnung fortsetzt (Hefermehl, a. a. O., Rdn. 6 zu § 10 UWG). Wenn die
Beklagte nach diesem Zeitpunkt ihr rechtswidriges Verhalten fortsetzte, so nahm
sie einen Rechtsverstoß zumindest billigend in Kauf. Dies reicht indes aus, um
Vorsatz zu bejahen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO und soll die möglichen
Kosten der verlangten Auskunftserteilung abdecken. Schriftsatznachlass auf den
Schriftsatz vom 29.07.2008 war dem Beklagtenvertreter nicht mehr zu gewähren,
da das in diesem Schriftsatz enthaltene Vorbringen für die Entscheidung des
Rechtsstreits irrelevant war.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.