Urteil des LG Hagen vom 05.10.2009

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Landgericht Hagen, 10 S 64/09
Datum:
05.10.2009
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 S 64/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Iserlohn, 42 C 455/08
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts J2 vom
24.02.2009 - 42 C 455/08 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf
637,88 EUR festgesetzt.
Gründe
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Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg.
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Zur Begründung wird auf die Verfügung des Kammervorsitzenden vom 26.08.2009
verwiesen. Das hiergegen gerichtete Vorbringen im Schriftsatz der Klägervertreter
vom14.09.2009 und in dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der
Nebenintervenientin vom 28.09.2009 rechtfertigen keine andere Beurteilung.
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Der Einwand, das Amtsgericht Iserlohn habe es schuldhaft versäumt, der
Streitverkündeten die Teilnahme am Rechtsstreit zu ermöglichen, geht ins Leere. Denn
ein Streitverkündeter hat den Rechtsstreit in der Lage anzunehmen, in der er sich zum
Zeitpunkt der Möglichkeit des Beitritts befindet (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl.,
§ 67 Rz. 12).
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Das Amtsgericht war demgemäß nicht gehalten, den Termin zur mündlichen
Verhandlung am 24.02.07 aufzuheben, zumal im vorliegenden Fall nicht feststeht, dass
dem Amtsrichter der am 23.02.09 um 17.01 h eingegangene
Streitverkündungsschriftsatz vor Beginn der Sitzung überhaupt vorgelegen hat. Es wäre
vielmehr Sache der klägerischen Prozessbevollmächtigten, nicht des Gerichts,
gewesen, die Streitverkündung so rechtzeitig zu erklären, dass der Streitverkündeten
der Beitritt noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre.
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Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, ihr sei kein Verschulden betreffend die Höhe
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der streitgegenständlichen Mietwagenkosten anzulasten, kann dem nicht gefolgt
werden. Dass ein Betrag von über 1.000,00 € für die Anmietung eines Opel Corsa, damit
eines Kleinwagens, für die Dauer von 9 Tagen überhöht sein dürfte, musste sich einem
vernünftig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten unter dem Aspekt des
Wirtschaftlichkeitsgebots geradezu aufdrängen. Jedenfalls nach Erhalt des Schreibens
der Beklagten zu 2) vom 19.11.2007 hatte die Klägerin die Pflicht, sich über die Preise
zu informieren und Vergleichsangebote einzuholen. Allein die Erklärung der
Mitarbeiterin der Streitverkündeten, dass sich die Kosten für die Anmietung eines Opel
Corsa in dem Rahmen halten würden, den die Versicherung übernehme, befreite die
Klägerin angesichts der von der Beklagten zu 2) genannten Mietwagenpreise in dem
Schreiben vom 19.11.2007 nicht von ihrer Informationspflicht. Auf die ausführlichen
Darlegungen im erstinstanzlichen Urteil kann insoweit verwiesen werden.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht den Darlegungen der Beklagtenseite
zur Einstufung des Fahrzeugs entsprechend des Marktpreisspiegels "Mietwagen
Deutschland 2008" des Fraunhofer Institues gefolgt ist. Die entsprechenden
Darlegungen der Beklagten hat die Klägerin in erster Instanz nicht substantiiert
angegriffen. Der Einwand der Streitverkündeten, das Fahrzeug der Klägerin sei in die
Mietwagenklasse III einzugruppieren, ist nicht zu berücksichtigen, da er erstmals in der
Berufungsinstanz und damit verspätet erhoben wurde. In der ersten Instanz war
zwischen den Parteien unstreitig, dass der Wagen grundsätzlich in die zweitniedrigste
Klasse (B oder II) einzustufen war. Auch die vom Amtsgericht entsprechend den
Darlegungen der Beklagtenseite vertretene Auffassung, die Klägerin sei infolge des
Alters ihres Fahrzeuges verpflichtet gewesen, ein Fahrzeug einer niedrigeren Klasse
anzumieten, begegnet keinen Bedenken. Denn es ist nicht ersichtlich, warum bei
Anmietung eines Mietwagens andere Kriterien gelten sollten als im Rahmen der
Nutzungsausfallentschädigung. Der Bundesgerichtshof hat zu letzterer in seinem Urteil
vom 23.11.2004, VI ZR 357/03, ausgeführt:
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Das Berufungsgericht geht dabei zutreffend davon aus, dass in diesen Tabellen
(Anm.: Dannen/Sander/Küppersbusch) bei der Berechnung der Nutzungswerte
Mietsätze für Neufahrzeuge zu Grunde gelegt sind, die durch die Entwicklung der
Fahrzeugtechnik gegenüber Vorgängermodellen teilweise erhebliche
Nutzungsvorteile wie größere Sicherheit (z. B. durch Airbag, ABS, ESP usw.),
geringeren Kraftstoffverbrauch trotz besserer Fahrleistungen und höheren (Fahr-
)Komfort bieten. Diese Veränderungen spiegeln sich im Kaufpreis und dem hierauf
wesentlich basierenden Mietpreis wieder, der wiederum Grundlage der Tabellen
und damit Anhaltspunkt für die Bemessung der Entschädigung für den Verlust der
Gebrauchsmöglichkeit darstellt. Die Bearbeiter der Tabellen weisen zudem darauf
hin, dass es keinen verbreiteten Vermietermarkt für ausgelaufene Modelle gibt und
solche Fahrzeuge im Falle einer Vermietung billiger angeboten werden müssten,
um konkurrenzfähig zu sein (vgl. Danner/Küppersbusch, NZV 1989, 11 (12)). Da
sich in den um erwerbswirtschaftliche Faktoren bereinigten Mietpreisen die
Bewertung der Gebrauchsvorteile für die eigenwirtschaftliche Verwendung eines
Kraftfahrzeugs widerspiegelt (vgl. BGHZ 56, 214 (215); GSZ, BGHZ 98, 212 (225)),
würde es regelmäßig zu einer grundlosen Bereicherung des Geschädigten oder zu
einem verkappten Ausgleich immateriellen Schadens führen (vgl. BGHZ 56, 214
(218)), wollte man ihn für die entgangenen Gebrauchsvorteile seines in den
Tabellen nicht mehr aufgeführten, nicht mehr hergestellten Fahrzeugs so
entschädigen, als handelte es sich um ein Neufahrzeug.
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Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass solchen Veränderungen des
Nutzungswerts durch eine Herabstufung in den jeweiligen Fahrzeuggruppen der
Tabellen Rechnung getragen werden kann, ist aus Rechtsgründen nichts zu
erinnern.
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Entsprechend diesen Erwägungen ist es auch bei Anmietung eines Mietwagens nicht
gerechtfertigt, den Schädiger bzw. seinen Versicherer mit den Kosten für die Anmietung
eines aktuellen Fahrzeugmodells zu belasten, wenn es sich bei dem verunfallten
Fahrzeug um ein älteres Modell handelt. Denn auch in diesem Fall wäre der
Geschädigte sonst ungerechtfertigt bereichert. Bei älteren Pkw mit erheblich
herabgesetztem Gebrauchswert sind damit nur die Kosten für einen in etwa
wertgleichen Pkw zu ersetzen (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. 2008, BGB, § 249 Rz. 29).
Die Herabstufung des zum Unfallzeitpunkt 8,5 Jahre alten Fahrzeugs der Klägerin um
eine Klasse in die niedrigste Klasse bewegt sich damit im Rahmen des dem Richter
nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens..
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Auch soweit die Streitverkündete davon ausgeht, dass die Reparaturdauer zunächst auf
nur fünf Tage geschätzt worden sei und damit der Preis für eine 3-Tages-Anmietung
sowie in der Folge von einzelnen Miettagen anzusetzen sei, ist dieser Vortrag verspätet.
Denn auch insoweit hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten, die von einer
veranschlagten neuntägigen Reparaturdauer ausgegangen sind, erstinstanzlich nicht
bestritten. Schließlich sind auch die Darlegungen der Streitverkündeten zu den
Mietwagenpreisen diverser Autovermieter und zur Ungeeignetheit der hier
herangezogenen Fraunhofer Institutes verspätet und haben damit unberücksichtigt zu
bleiben.
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Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung
aufgrund einer mündlichen Verhandlung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich ( § 522 Abs. 2
S. 1 ZPO).
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Nach alledem ist die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der
Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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