Urteil des LG Hagen vom 11.05.2007

LG Hagen: wiedereinsetzung in den vorigen stand, freiwillige gerichtsbarkeit, bundesamt für justiz, einspruch, offenlegung, verfügung, androhung, auflage, erstellung, steuerberater

Landgericht Hagen, 24 T 2/07
Datum:
11.05.2007
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
24. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
24 T 2/07
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Beschwerdewert beträgt 5.000,00 Euro.
Mit Beschluss des Amtsgerichts I vom 13.08.2002 ist über das Vermögen der T GmbH &
Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer zum
Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Verfügung vom 15.08.2006 hat das Amtsgericht -
Registergericht - J den Beschwerdeführer aufgefordert, gemäß § 325 HGB den
Jahresabschluss für die Geschäftsjahre 2003 und 2004 binnen einer Frist von 6 Wochen
bei Gericht einzureichen und für den Fall der Nichterfüllung ein Ordnungsgeld von
jeweils 2.500,00 Euro angedroht. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.11.2006,
dem Beschwerdeführer zugestellt am 27.11.2006, hat das Amtsgericht das zuvor
angedrohte Ordnungsgeld von insgesamt 5.000,00 Euro festgesetzt und den
Beschwerdeführer unter Androhung eines weiteren Ordnungsgeldes von jeweils
5.000,00 Euro erneut zur vollständigen Offenlegung des Jahresabschlusses für die
Geschäftsjahre 2003 und 2004 oder zur Rechtfertigung der Unterlassung mittels
Einspruchs aufgefordert. Mit am 08.12.2006 per Fax eingegangenem Schriftsatz vom
08.12.2006 hat der Beschwerdeführer unter Bezugnahme "auf den Beschluss des
Gerichts vom 17.11.2006 sowie der darin enthaltenen Verfügung zur Offenlegung des
Jahresabschlusses ..." Einspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die
Unterlassung der Offenlegungsverpflichtung sei dadurch gerechtfertigt, dass mangels
hinreichender Vermögensmasse die erforderliche Einschaltung eines
Steuerfachmannes zur Erstellung der Jahresabschlüsse nicht möglich sei. Ebenfalls mit
Schreiben vom 08.12.2006 hat der Beschwerdeführer gegenüber dem Insolvenzgericht
gemäß § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt.
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Auf einen Hinweis des Amtsgerichts hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom
08.12.2006 klargestellt, dass "das Rechtsmittel des § 136 FGG" mit dem Ziel eingelegt
worden sei, sowohl die Verfügung zur Offenlegung als auch die Festsetzung des
Ordnungsgeldes anzufechten, weshalb der Einspruch vom 08.12.2006 auch als
sofortige Beschwerde auszulegen sei. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt.
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Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die mit dem angefochtenen
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Beschluss vom 17.11.2006 erfolgte Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 5.000,00
Euro ist zulässig und begründet.
Der Schriftsatz vom 08.12.2006 enthält nach Auffassung des Beschwerdegerichts
sowohl einen Einspruch gegen die erneute Androhung eines Ordnungsgeldes als auch
die sofortige Beschwerde gegen die bereits erfolgte Festsetzung des Ordnungsgeldes.
Zwar ist der Rechtsbehelf ausdrücklich nur mit "Einspruch" bezeichnet. Die
Bezeichnung allein ist jedoch nicht maßgeblich. Es ist vielmehr unter Würdigung des
Inhalts und des verfolgten Zwecks einer Eingabe auszulegen, welcher Rechtsbehelf
gemeint ist. Aus der Formulierung des Schriftsatzes vom 08.12.2006 ergibt sich, dass
dieser sich sowohl gegen den Beschluss als auch gegen die Verfügung zur Offenlegung
des Jahresabschlusses wendet. Damit soll gegen beide Anordnungen vorgegangen
werden. Während nämlich die Ordnungsgeldfestsetzung durch Beschluss erfolgt, ergeht
die (erneute) Aufforderung zur Offenlegung nebst Androhung eines weiteren
Ordnungsgeldes durch Verfügung, auch wenn diese, wie hier, im Rahmen einer
einheitlichen Entscheidung im Beschluss enthalten ist. Im übrigen schließt sich die
Kammer der Auffassung an, dass dann, wenn die Zwangsgeldfestsetzung mit erneuter
Fristsetzung und Androhung eines erneuten Zwangsgeldes verbunden ist, ein
Rechtsmittel dagegen im Zweifel sowohl als Beschwerde gegen die Festsetzung des
Zwangsgeldes als auch als Einspruch zu werten ist (Bumiller/Winkler, Freiwillige
Gerichtsbarkeit, 8. Auflage, § 132 FGG Rdnr. 33; OLG L NJW-RR 2000, 411, 412).
Nichts anderes kann wegen der Verweisung in § 140 a Abs. 2 FGG für das
Ordnungsgeldverfahren gelten. Da in dem Schriftsatz vom 08.12.2006 zugleich eine
sofortige Beschwerde liegt und diese innerhalb der 2-wöchigen Beschwerdefrist gemäß
§ 22 Abs. 1 FGG eingegangen ist, bedurfte es der hilfsweise beantragten
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
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Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
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Das festgesetzte Ordnungsgeld war aufzuheben, da den Beschwerdeführer an der
Nichterfüllung der Verpflichtung zur Vorlage der Jahresabschlüsse kein Verschulden
trifft.
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Der Beschwerdeführer hat im einzelnen dargelegt, dass die frei zur Verfügung stehende
Masse nicht ausreichen würde, die Kosten des Insolvenzverfahrens, die Auslagen des
Insolvenzverwalters sowie die durch die Beauftragung eines Steuerberaters zur
Erstellung der Jahresabschlüsse entstehenden Masseverbindlichkeiten zu decken. Aus
diesem Grunde hat er die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt. Zwar
entfällt die handelsrechtliche Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und zu
dessen Offenlegung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
der Gesellschaft gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 Ins0 auf den Insolvenzverwalter übergeht,
nicht allein wegen der Masseunzulänglichkeit des Verfahrens (Braun/Gerbers, InsO, 2.
Auflage, § 155 InsO, Rdnr. 8). Die Tatsache, dass die für die Beauftragung einer
fachkundigen Person mit der Erstellung des Jahresabschlusses erforderlichen Kosten
aus der Masse nicht aufgebracht werden können, lässt nach Auffassung der Kammer
jedoch das Verschulden des Insolvenzverwalters an der Nichterfüllung der Verpflichtung
entfallen. Zwar wird teilweise vertreten, dass ein Insolvenzverwalter mit entsprechender
Qualifikation, insbesondere ein Rechtsanwalt, selbst verpflichtet ist, die handels- und
steuerrechtlichen Verpflichtungen in eigener Person zu erfüllen (vgl. MünchKomm zur
InsO/Füchsl/Weishäupl, § 155 InsO, Rdnr. 40; BFH ZIP 1994, 1969). Auf der anderen
Seite ist aber weitgehend anerkannt, dass jedenfalls dann, wenn die Schwierigkeit oder
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Komplexität der Erfüllung der Pflichten dies erforderlich macht, auch ein qualifizierter
Insolvenzverwalter einen Steuerberater mit der Erstellung der Abschlüsse beauftragen
kann. So hat der BGH entschieden, dass es sachgerechter Amtsführung entspricht, für
steuerliche Tätigkeiten, die besondere Kenntnisse erfordern oder über den allgemein
mit jeder Steuererklärung verbundenen Arbeitsaufwand hinausgehen, einen
Steuerberater einzusetzen. Dies trifft auch für die Ausführung von Buchhaltungsarbeiten
zu. Ein Steuerberater, der die Unzulänglichkeit der Masse kennt, wird aber in der Regel
nicht bereit sein, die Arbeiten durchzuführen, wenn deren Vergütung nicht gesichert ist
(BGH ZIP 2004, 1717, 1720). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, hat der
Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegt. Ihm kann daher jedenfalls subjektiv nicht
zum Vorwurf gemacht werden, die Jahresabschlussunterlagen nicht fristgerecht
eingereicht zu haben.
Zwar ist in der Literatur streitig, ob die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß §§
335 a HGB; 140 a Abs. 2 FGG nur im Falle eines schuldhaften Verhaltens des
Verpflichteten in Betracht kommt (dafür: Staub/Dannecker/Großkommentar zum HGB, 4.
Auflage, § 335 a HGB Rdnr. 6, 16; dagegen: MünchKomm. zum HGB/Quedenfeld, § 335
a HGB Rdnr. 11). Die Kammer schließt sich der Auffassung an, dass fehlendes
Verschulden an der Pflichtverletzung die Verhängung eines Ordnungsgeldes
ausschließt. Bei der Verhängung eines Ordnungsgeldes handelt es sich um eine
strafähnliche Sanktion im weiteren Sinne. Es entspricht aber allgemeinen Grundsätzen,
dass eine solche Sanktion dann nicht verhängt werden darf, wenn dem Verpflichteten
die Pflichtverletzung subjektiv nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.
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Die Kammer sah sich nicht gehindert, eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen.
Zwar hat das Amtsgericht J über den Einspruch gegen die erneute Androhung eines
Ordnungsgeldes vom 08.12.2006 nicht entschieden. Hätte das Registergericht eine
solche Entscheidung getroffen, dann hätte es gemäß § 136 FGG die Möglichkeit gehabt,
zugleich das früher festgesetzte Ordnungsgeld aufzuheben oder zu ermäßigen. Aus
diesem Grunde wurde zur früheren Rechtslage vertreten, dass es in einem solchen Fall
zweckmäßig ist, die Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen, bis über den
Einspruch sachlich entschieden ist (Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8.
Auflage, § 136 FGG, Rdnr. 4; OLG L NJW-RR 2000, 411, 412). Vorliegend war jedoch
zu berücksichtigen, dass die Vorschriften der §§ 335 a HGB und 140 a FGG durch
Artikel 1, Nr. 28 a und 4 Nr. 4 des Gesetzes über das elektronische Handelsregister und
Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006
(BGBL I. Seite 2553) mit Wirkung vom 01.01.2007 aufgehoben worden sind. Ab
01.01.2007 obliegt das Verfahren zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen
Verstoßes gegen die Pflichten zur Offenlegung des Jahresabschlusses damit nicht mehr
den Registergerichten, sondern gemäß § 335 HGB nF dem Bundesamt für Justiz. Die
mit Zustellung des Beschlusses vom 17.11.2006 am 27.11.2006 begonnene 6-wöchige
Frist zur Offenlegung des Jahresabschlusses, gegen deren Anordnung sich der
Einspruch vom 08.12.2006 richtet, ist erst nach Eintritt der Gesetzesänderung am
01.01.2007 abgelaufen. Damit entfiel mangels Bestehens einer Übergangsvorschrift die
Zuständigkeit des Registergerichts zur Durchführung des Ordnungsgeldverfahrens. Es
ist daher vertretbar, dass das Amtsgericht über den Einspruch nicht mehr entschieden
hat.
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