Urteil des LG Hagen vom 14.11.2005
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Landgericht Hagen, 9 O 123/05
Datum:
14.11.2005
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 123/05
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Voll-
streckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
beizutreibenden Betrages, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist als selbstständige Managementberaterin ("headhunterin") tätig und
verlangt von der Beklagten eine Vergütung für ihre erbrachte Tätigkeit.
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Die in M ansässige Beklagte war die Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft aus T
(T1). Sie produziert – mittlerweile als Tochter einer anderen Holding – mit mehreren
hundert Mitarbeitern in Spritzgusstechnik Kunststoffteile für die Automobilbranche. In
den Jahren #####/####war der Zeuge Q der Beklagten.
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Nach einem vorangegangenen Telefonat traf sich die Klägerin am 1. Dezember 2003
mit dem Zeugen Q in den Geschäftsräumen der Beklagten. Das Treffen dauerte mehrere
Stunden und beinhaltete eine Betriebsbesichtigung und ein "briefing". Die Klägerin
äußerte den Wunsch, der Beklagten bei der Rekrutierung geeigneten Fachpersonals
behilflich zu sein. Hintergrund war unter anderem der, dass die Klägerin neben ihrem
Geschäftsbetrieb im Taunus eine Zweigstelle in E unterhalten wollte. Herr Q brachte bei
dieser Gelegenheit zur Sprache, dass man künftig drei Positionen neu besetzen wolle:
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Account Manager
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Verfahrenstechniker
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Werkzeugeinkäufer.
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Der genaue Inhalt der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Zeugen Q ist
umstritten. Jedenfalls wandte sich die Klägerin im Nachgang zu dem Treffen mit
Schreiben vom 1. Dezember 2003 an die Beklagte (Anl. B 1). Darin heißt es
auszugsweise:
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"Ich bin überzeugt, dass unsere Kooperation erfolgreich wäre und würde mich sehr
freuen, wenn es zu einer Auftragserteilung käme. Gerne stelle ich Ihnen wie
gewünscht mein Angebot zur Verfügung. Es enthält eine Dokument mit der
detaillierten Beschreibung zur Vorgehensweise ... und Honorare. Wie besprochen
räume ich Ihnen bei der gleichzeitigen Erteilung von drei Aufträgen Rabatt ein.
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Gleichzeitig habe ich für Sie die drei benannten Positionen ein detailliertes
Anforderungsprofil erstellt. Dieses würde die Grundlage unserer Zusammen-arbeit
darstellen, weswegen ich Sie um eine kritische Durchsicht bitte.
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Gerne käme ich für die Konkretisierung unseres Vorhabens noch einmal nach M. Es
würde mich freuen, für Ihr Unternehmen tätig werden zu können."
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Dem Schreiben beigefügt waren drei Positions- und Anforderungsprofile, in denen der
Betrieb der Beklagten, die oben erwähnten drei neuen Positionen und die
Anforderungen an die Bewerber skizziert werden (Anl. K 1 – K 3).
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Die Beklagte erteilte der Klägerin letzten Endes keinen Personalberatungsauftrag. Die
Klägerin setzte wegen der Positions- und Anforderungsprofile ihre Rechnung vom 24.
August 2004 auf (Anl. K 4), in der folgendes kalkuliert ist:
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– Briefing-Gespräch in M
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– Verfassen eines detaillierten Anforderungsbogens für Account Manager
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– Verfassen eines detaillierten Anforderungsbogens für Verfahrenstechniker
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– Verfassen eines detaillierten Anforderungsbogens für Werkzeugeinkäufer
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Honorar (netto) 4.500,00 €
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Gesamtbetrag 5.220,00 €.
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Diese Summe bildet nebst vorprozessualen Anwaltshonorars von 239,70 EUR die
Klageforderung von 5.459,70 EUR.
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Die Klägerin trägt dazu vor: Bereits in einem Telefonat vor dem 1. Dezember 2003 hätte
der Zeuge Q in Aussicht gestellt, dass sie einen umfassenden Suchauftrag für die drei
zu besetzenden Stellen erhalten werde. Bei der persönlichen Unterredung habe der
Zeuge Q ihr dann einen Teilauftrag erteilt für die Erstellung der drei Anforderungsprofile.
Nur über die weiteren Schritte habe dann die Geschäftsleitung entscheiden wollen.
Bereits die Erstellung der für die Beklagte maßgeschneiderten Anforderungsprofile
beinhalte eine selbstständige Leistung, die im Sinne des § 612 BGB bzw. § 632 BGB
üblicherweise nur gegen Entgelt erfolge. Das lasse sich auch einer Stellungnahme des
Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. entnehmen (Anl. K 7). Die
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abgerechneten 1.500,-- EUR netto für jedes der Anforderungsprofile seien üblich und
angemessen.
Die Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.459,70 EUR nebst 5% Zinsen
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über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem
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26.09.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin habe die drei Anforderungsprofile im Rahmen unentgeltlicher Aquise
erstellt, um einen späteren Auftrag für die Personalvermittlung zu erhalten. Der Klägerin
sei von vornherein klar gemacht worden, dass die schweizerische Konzernleitung über
die Neubesetzung der drei Positionen entscheiden müsse. Dementsprechend sei mit
der Klägerin vereinbart worden, dass sie erst einmal ein Angebot über ihre
Personaldienstleistungen erstellen solle. Die Anforderungsprofile würden ohnehin keine
selbstständige Leistung beinhalten, weil sie nur aus Versatzstücken hundertfach
publizierter Stellenannoncen bestünden. Nachdem die Konzernleitung sich gegen eine
Neubesetzung der drei Stellen entschieden habe, habe man das der Klägerin in der
zweiten Dezemberhälfte 2003 telefonisch mitgeteilt.
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Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen. Der
Einzelrichter hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Q mit dem am 22.
August 2005 protokollierten Ergebnis (Bl. 42ff d.A.).
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin kann von der Beklagten keine Vergütung für die drei Anforderungs-profile
verlangen.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig kein umfassender Vertrag abgeschlossen worden
über die Rekrutierung neu einzustellenden Personals. Das Gericht vermochte sich aber
auch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin einen vorab-Auftrag erhielt zur
Erstellung der Anforderungsprofile. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass es sich
insoweit um Aquiseleistungen handelte, deren Bezahlung aufgrund der konkreten
Umstände des Falles aus verständiger Sicht entgegen § 612 Abs. 1 BGB nicht zu
erwarten war.
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Die Vereinbarung einer unentgeltlichen Anfertigung der Profile leitet das Gericht aus
folgendem her:
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Bereits das Schreiben der Klägerin, das offenbar unmittelbar nach dem Treffen vom 1.
Dezember 2003 aufgesetzt wurde, deutet darauf hin, dass die beigefügten
Anforderungsprofile nur die Grundlage der Zusammenarbeit darstellen
"würden"
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der es letztlich nicht gekommen ist. Dem Schreiben ist damit gerade nicht zu
entnehmen, dass es sich um selbstständige Leistungen handeln sollte, deren separate
Vergütung erwartet werde. Etwas anderes könnte sich allenfalls ergeben aus den
Honorarvorgaben oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die dem
Schreiben vom 1. Dezember 2003 ebenfalls beilagen – allerdings nicht der
Prozessakte.
Darüber hinaus geht aus der Vernehmung des Zeugen Q hervor, dass zwischen den
Parteien gerade nicht die Situation bestand, in der ein Dissens über die Honorarfrage
mit Hilfe von § 612 BGB geschlossen werden müsste.
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Vielmehr musste ein verständiger Erklärungsempfänger die Quintessenz des briefings
so verstehen, dass die Klägerin auf eigenes wirtschaftliches Risiko in Vorleistung treten
sollte und "leer ausgehen" würde, sofern die Konzernleitung sich gegen die
Neubesetzung der Stellen entschied.
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Der Zeuge Q machte bei seiner Vernehmung deutlich, dass die Beklagte ständig mit
mehreren überregionalen Personalagenturen in Kontakt stand. Die Klägerin habe sich
ihm als eine weitere Dienstleisterin auf dem Markt der Personalberater vorgestellt. Ihm
sei es darum gegangen, die konkreten Leistungen der Klägerin abzufragen, um sie mit
anderen vergleichen zu können. Die Stellenbeschreibungen sollten Inhalt des
Dienstleistungsangebots der Klägerin sein. Dieses Dienstleistungsangebot wäre dann
bei einer Entscheidung für die Neubesetzung der drei Positionen der Konzernleitung
vorgelegt worden, die dann der Beauftragung der Klägerin hätte zustimmen müssen.
Der Zeuge bekundete in diesem Zusammenhang, er habe der Klägerin
unmissverständlich gesagt, dass über ihre Beauftragung eben nicht in M entschieden
werde, sondern in der Schweiz. Von dort müsse eine Zustimmung vorliegen.
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Dieser Erwähnung des Zustimmungserfordernisses kann nicht die einschränkende
Bedeutung beigemessen werden, dass die Zustimmung nur für den Personal-
beratungsauftrag als ganzes benötigt werde, während man die Anforderungsprofile als
entgeltliche Leistungen schon vorab in Auftrag gebe. Eine solche Auslegung gibt keinen
T, was sich auch der Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher
Unternehmensberater entnehmen lässt: Darin heißt es nachvollziehbar, dass die
Vergütung in der Personalberatung überwiegend auf Grundlage eines Dienst-vertrages
erfolge, der in drei Tranchen bezahlt werde (bei Auftragsbeginn, beim Vorstellen der neu
einzustellenden Kandidaten und beim Abschluss von Arbeits-verträgen). Zum
Leistungsportfolio des Personalberatungsvertrages gehöre auch die Erstellung von
Anforderungsprofilen. Derartige Leistungen seien daher für einen Auftraggeber nicht
kostenfrei. Bei Kündigung eines solchen Personalberater-vertrages seien erbrachte
Leistungen nach §§ 627, 628 BGB abzurechnen.
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Mit anderen Worten: Anforderungsprofile sind integraler Bestandteil des entgeltlichen
Personalberatungsvertrages, der hier aber gerade nicht abgeschlossen wurde. Wenn
die Konzernleitung sich für eine Neubesetzung der Stellen entschieden hätte, aber für
einen anderen Personalberater, dann hätte sie von ihm die Anforderungsprofile noch
einmal bekommen, ohne dass die Entwürfe der Klägerin ein Gewinn wären.
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Dieses für die Klägerin unbefriedigende Ergebnis teilt sie mit allen anderen
Dienstleistern, die zunächst auf eigenes Risiko Investitionen aufbringen müssen, die
erst bei Auftragserteilung ausgeglichen werden. Das Gericht hatte bei der Beweis-
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aufnahme nicht den Eindruck, dass der Zeuge Q die Klägerin der Wahrheit zuwider um
ein vereinbartes Honorar bringen oder sonst wie schaden wollte. Trotz seiner
Zugehörigkeit zu der Beklagten konnte er glaubhaft vermitteln, dass die Klägerin
aufgrund der Randbegebenheiten nicht mit einer Vergütung der Anforderungsprofile
rechnen konnte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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