Urteil des LG Hagen vom 07.06.2010

LG Hagen (kläger, höhe, zeuge, beteiligung, anlage, grobe fahrlässigkeit, tatsächliche vermutung, geld, beratungsvertrag, beratung)

Landgericht Hagen, 10 O 89/09
Datum:
07.06.2010
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 O 89/09
Rechtskraft:
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.340,00 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
31.03.2009 zu zahlen, Y um Y gegen Übertragung sämtlicher
Gesellschaftsanteile aus atypischen stillen Gesellschaftsbeteiligungen
bei der Beklagten aus den Ver-tragsnummern ####1-034, ####2-032
und ####3-036.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche
Anwalts-kosten in Höhe von 2.264,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2009 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der
Übertra-gung der in Ziff. 1 genannten Gesellschaftsanteile im Verzug
befindet.
4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Gesell-schaftsverhältnis zu den in Ziff. 1 genannten Vertragsnummern
beendet ist und der Beklagten keine Rechte aus der
Gesellschaftsbeteiligung mehr zustehen.
5. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
6. Das Urteil ist in seinen Ziffern 1 und 2 gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreck-bar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages ab-wenden, wenn nicht der Kläger vor der
Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte Rückabwicklungsansprüche bezüglich einer
2
Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter geltend. Der Kläger ist ein in den 70er
Jahren als Gastarbeiter angeworbener Arbeitnehmer, der in einfachen Verhältnissen
lebt. Er spricht nur gebrochen deutsch. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das
Leasinggeschäfte und Vermietungen von Kraftfahrzeugen betreibt.
Die streitgegenständliche Beteiligung als stiller Gesellschafter wurde dem Kläger von
dem Zeugen B vermittelt. Dieser und der Kläger kennen sich seit langem. Er beriet den
Kläger in Finanzfragen. Er wurde in verschiedenen Seminaren der Beklagten geschult.
3
Ein erstes, die Beteiligung des Klägers als stiller Gesellschafter an der Beklagten zum
Gegenstand habendes Gespräch fand im Januar 2004 statt. Bereits bei diesem Treffen
wurde die hier streitgegenständliche Anlage konkret angedacht. Im März 2004 fand ein
weiteres Treffen statt. Endgültig vereinbart wurde die Anlage bei einem Treffen am 05.
April 2004. Konkret vereinbart wurde eine Beteiligung des Klägers mit einer
Sofortzahlung in Höhe von 15.640,00 Euro sowie einer weiteren Beteiligung in der
Form, dass er über die folgenden 10 Jahre monatlich 150,00 Euro zahlen sollte. Der
Kläger unterzeichnete die durch den Zeugen B mitgebrachte Beitrittserklärung noch am
05. April 2004. Die Unterzeichnung durch einen Vertreter der Beklagten erfolge am 06.
April 2004. Hinsichtlich der weiteren Details wird verwiesen auf die Beitrittserklärung,
Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 13 der Gerichtsakte.
4
Bislang hat der Kläger eine Summe in Höhe von insgesamt 24.340,00 Euro an die
Beklagte gezahlt.
5
Der Kläger behauptet, dass die Beteiligung auf eine Initiative des Zeugen B zurückgeht.
Mit diesem habe er stets auf türkisch gesprochen. Er habe den Zeugen B darauf
hingewiesen, dass er das Geld als Altersvorsorge gesehen habe und deshalb sicher
anlegen wollte. Der Zeuge B habe ihn auch nicht über die Risiken aufgeklärt. Er habe
von den Risiken erst im Jahre 2008 erfahren, als er ein Schreiben mit einer Warnung
des Anlegerschutzvereines erhalten habe. In Kenntnis der Risiken hätte er den Vertrag
nicht unterschrieben.
6
Der Kläger beantragt,
7
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.340,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2009 zu zahlen, Y um Y
gegen Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile aus atypischen stillen
Gesellschaftsbeteiligungen bei der Beklagten über eine Gesamtvertragssumme
von 44.000,00 Euro zzgl. Agio in Höhe von 2.640,00 EUR, welche sich aus drei
Einzelbeteiligungen über 13.000,00 Euro mit der Vertragsnummer: ####1-034,
weitere 13.000,00 Euro mit der Vertragsnummer: ####2-032 und 18.000,00 Euro
mit der Vertragsnummer: ####3-036 zusammensetzt.
8
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe
von 2.264,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9
3. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Übertragung der in
Ziff. 1 genannten Gesellschaftsanteile im Verzug befindet.
10
4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
11
Gesellschaftsverhältnis zu den in Ziff. 1 genannten Vertragsnummern durch
Kündigung, Widerruf und Anfechtung im Schreiben vom 16.03.2009 beendet
worden ist und der Beklagten weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft
Rechte, insbesondere Nachschussrechte, aus der Gesellschaftsbeteiligung mehr
zustehen.
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte behauptet, dass der Zeuge B die Anlage nie als Altersvorsorge
angepriesen habe. Vielmehr habe er den Kläger auf sämtliche Risiken hingewiesen.
Insbesondere sei dem Kläger auch der Emissionsprospekt frühzeitig überlassen und
dieser mit ihm durchgesprochen worden. In diesem seien alle Risiken beschrieben. Auf
den Inhalt des Emissionsprospekts, Anlage B 1, wird Bezug genommen. Sie ist zudem
der Ansicht, dass die in der Beitrittserklärung vorhandenen Hinweise auf die Risiken
genügen würden. Ferner erhebt sie die Einrede der Verjährung.
14
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B und Kütaruk. Auf das
Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen, Bl. 110 ff. der Gerichtsakte.
15
Entscheidungsgründe:
16
Die Klage ist zulässig und begründet. Der geltend gemachte Anspruch besteht aus §§
280 Abs. 1, 249 BGB in Verbindung mit dem Beratungsvertrag.
17
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht I auch örtlich zuständig. Die
Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 ZPO. Denn der maßgebliche Anspruch beruht auf
einer Verletzung des Beratungsvertrages zwischen dem Zeugen B und dem Kläger. Die
Pflicht aus diesem Vertrag war durch den Zeugen B am Wohnsitz des Klägers zu
erbringen. Nichts anderes gilt auch für den hierauf gestützten Schadensersatzanspruch
(vgl. OLGR T 2005, 630). Selbst wenn man dies anders beurteilen würde, würde die
Zuständigkeit des Landgerichts I sich aus § 32 ZPO ergeben, da nach dem Vortrag des
Klägers ein Anspruch aus unerlaubter Handlung denkbar ist. Auch besteht für die
Feststellungsanträge ein Feststellungsinteresse des Klägers. Das
Feststellungsinteresse für den Antrag zu Ziff. 3 folgt aus § 756 Abs. 1 ZPO. Das
Feststellungsinteresse für den Antrag zu Ziff. 4 folgt daraus, dass er über den auf
24.340,00 Euro beschränkten Leistungsantrag zu Ziff. 1 hinausgeht und die weitere
Inanspruchnahme aus dem Beteiligungsvertrag zu erwarten ist.
18
II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch besteht aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB in
Verbindung mit dem zwischen dem Zeugen B und dem Kläger geschlossenen
Beratungsvertrag.
19
1. Ein Beratungsvertrag ist zustande gekommen. Ein solcher Vertrag liegt vor, wenn die
Hinzuziehung einer Person als unabhängiger und individueller Berater gegeben ist,
insbesondere wenn der Auftraggeber selbst nicht über hinreichende Kenntnisse verfügt.
Hier hat der Zeuge B selbst bestätigt, den Kläger in finanziellen Angelegenheiten
beraten zu haben. Zudem ist offensichtlich, dass der Kläger selbst nicht dazu in der M
ist, die Chancen und Risiken komplizierter Konstruktionen wie die einer Beteiligung als
atypischer stiller Gesellschafter zu überblicken. Der Zeuge B war nach eigener Aussage
20
auch nicht allein auf die tatsächlich angebotene Beteiligung fixiert, sondern hätte auch
andere Produkte anbieten können.
2. Der Zeuge B hat auch eine Pflicht aus dem Beratungsvertrag verletzt. Der Berater
schuldet aus dem Beratungsvertrag eine anlegerechte Beratung. Diese umfasst
insbesondere die Klärung des Ziels des Anlegers, die vollständige Übermittlung der
notwendigen Informationen und eine dem Kundeninteresse entsprechende Empfehlung.
21
a) Die Beweislast für eine Pflichtverletzung trägt der Kläger. Zwar ist anerkannt, dass die
Beklagte die sekundäre Darlegungslast trifft, jedoch ist die Beklagte dieser
Darlegungslast nachgekommen, indem sie ausführte, dass der Zeuge den Kläger
hinreichend über alle Risiken informierte. Ein näheres Vorbringen kann mehr als vier
Jahre nach der streitgegenständlichen Beratung nicht mehr verlangt werden. Seiner
Beweislast ist der Kläger jedoch nachgekommen. Es steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass der Zeuge B den oben umschriebenen Pflichten nicht hinreichend
nachgekommen ist.
22
b) Fraglich ist bereits, ob der Zeuge B das Anlageziel des Klägers hinreichend ermittelt
hat. Nach seiner eigenen Aussage ging er mit dem Vorschlag auf diesen zu, mehr aus
seinem Geld zu machen. Er hat also offenbar das Anlageziel des Klägers nicht ermittelt,
sondern von sich aus ein Anlageziel – nämlich mehr aus dem Geld zu machen –
vorgegeben. Letztlich kann dieser Punkt, der in der Beweisaufnahme auch aufgrund der
widersprüchlichen Zeugenaussagen nicht abschließend zu klären war, aber offen
bleiben, da der Zeuge jedenfalls die weiteren Pflichten aus dem Beratungsvertrag
verletzt hat.
23
c) Er hat dem Kläger die notwendigen Informationen nicht vollständig übermittelt. Er
hätte über alle Eigenschaften und Risiken, die für die Anlageentscheidung von
wesentlicher Bedeutung sein können, zutreffend, verständlich und vollständig
informieren müssen (OLG I2 vom 20.11.2007, Az. 4 U 98/07). Dem ist der Zeuge nicht
nachgekommen. Nach den Angaben des Klägers und seiner als Zeugin vernommenen
Ehefrau hat er sie überhaupt nicht über Risiken aufgeklärt. Aber auch nach seiner
eigenen Aussage hat er über wesentliche Risiken nicht oder falsch aufgeklärt oder sie
zumindest geschönt dargestellt und seine Aufklärung dadurch selbst relativiert, so dass
es einer Würdigung der Glaubhaftigkeit der sich widersprechenden Aussagen nicht
bedarf. Das Gericht hat bereits größte Zweifel, ob der Zeuge B zur Aufklärung überhaupt
in der M war oder ob er die Risiken (etwa dass ein Teilverlust nicht nur den teilweisen
Verlust der Rendite, sondern des Anlagekapitals selbst bedeuten kann) selbst nicht
verstanden hat. Aber selbst wenn er die Bedeutung eines Teilverlustes selbst
verstanden und den Kläger zutreffend hierüber aufgeklärt haben sollte, hätte er diese
Aufklärung durch seine weiteren Angaben wieder relativiert. So hat er durch die im
Rahmen eines der Gespräche angefertigte handschriftliche Notiz (Bl. 12 der
Gerichtsakte) den Eindruck erweckt, dass das Kapital sich "automatisch" vermehrt und
am Ende eine feste Summe zur Auszahlung zur Verfügung steht. Dem steht nicht
entgegen, dass er durch den Vorsatz "ca." zum Ausdruck gebracht haben will, die
genaue Summe nicht garantieren zu können. Denn durch die Verwendung der Zahl
70.000,00 brachte er zum Ausdruck, dass das Kapital (insgesamt 31.000,00 Euro) sich
mehr als verdoppeln würde. Wird in dem Zusammenhang die Einschränkung "ca."
verwendet, so muss der Laie den Eindruck gewinnen, dass lediglich die genaue Höhe
des Gewinnes unklar ist. Dies bestätigt sich auch durch die Aussagen des Klägers und
seiner Ehefrau, die glaubhaft den Eindruck vermittelten, fest davon überzeugt gewesen
24
zu sein, dass sie am Ende die 70.000,00 Euro erhalten würden, der Gewinn also
garantiert sei. Auch im Übrigen vermittelte der Zeuge den Eindruck, die Risiken wenn
überhaupt nur geschönt dargestellt zu haben, so etwa bei seiner Erläuterung des
Begriffs "stiller Gesellschafter", in deren Rahmen symptomatisch nur von der Erzielung
von Gewinnen, nicht aber auch von Verlusten die Rede war. Hinzu kommt, dass er über
das Risiko des Totalverlustes falsch aufgeklärt hat, indem er dem Kläger gegenüber
behauptete, ein Totalverlust komme nicht in Betracht. Dem kann die Beklagte nicht
entgegenhalten, dass sie im Prospekt und im Zeichnungsschein zutreffend auf die
Risiken hingewiesen hat. Denn dem steht jedenfalls die falsche Aufklärung durch den
Zeugen B entgegen.
d) Schließlich stellt auch bereits die Empfehlung des Beklagten, das Geld in eine
Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter zu investieren, eine Pflichtverletzung
dar. Denn eine solche Beteiligung ist als Altersvorsorge per se ungeeignet. Es steht zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass eben die Altersvorsorge das Ziel des Klägers war.
Dies haben er und der Zeuge B übereinstimmend angegeben. Der Kläger hat glaubhaft
erläutert, dass die erwartete Rente nicht genügt, um den aktuellen Lebensstandard
aufrechtzuerhalten und dass er auf das angelegte Geld deshalb im Alter angewiesen ist.
Dem steht die widersprüchliche Aussage seiner Ehefrau nicht entgegen. Dass sie
zunächst behauptete, das Geld habe nicht zur Altersvorsorge dienen sollen, dürfte auf
den sprachlichen Besonderheiten der türkischen Sprache beruhen. Nach der
Erläuterung der türkischsprachigen Rechtsanwältin des Klägers, die der Dolmetscher
bestätigte, gibt es in der türkischen Sprache nur ein einziges Wort für "Altersvorsorge"
und "Rente". Dass die Zeugin die zunächst gestellte Frage, ob die Anlage der
"Altersvorsorge" dienen sollte, verneinte, lässt sich demnach überzeugend damit
erklären, dass sie die Frage so verstand, dass danach gefragt war, ob die Anlage als
"Rente" dienen sollte. Dies steht auch damit im Einklang, dass sie im weiteren Verlauf
der Befragung erläuterte, dass das Geld zur Sicherung des Lebensstandards im Alter
dienen sollte, was eine der Altersvorsorge dienende Anlage nahelegt. Im Ergebnis
gaben damit alle Zeugen übereinstimmend an, dass die Anlage als Altersvorsorge
gedacht war.
25
3. Diese Pflichtverletzung des Zeugen B muss die Beklagte sich auch nach § 278 BGB
zurechnen lassen (vgl. BGH vom 14.11.2000, Az. XI ZR 336/99). Denn dieser wurde in
ihren Seminaren geschult und übernahm mit der Vermittlung des Klägers eine der
Beklagten obliegende Aufgabe.
26
4. Auch ein – der Beklagten wiederum über § 278 BGB zuzurechnendes – Verschulden
des Zeugen B ist gegeben, da dieser nichts vortragen konnte, um sich zu exkulpieren.
27
5. Die Pflichtverletzung ist auch kausal für die Anlageentscheidung. Denn im Falle einer
fehlerhaften Beratung spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der richtig
beratene Kunde die Gesellschaftsbeteiligung nicht erworben hätte (OLG I2 vom
20.11.2007, Az. 4 U 98/07). Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt. Es liegt kein
Hinweis darauf vor, dass der Kläger auch in Kenntnis der Risiken unterschrieben hätte.
Auch die Erklärung im Zeichnungsschein besagt nur, dass der Kläger den Prospekt
erhalten hat und von seinem Inhalt hätte Kenntnis nehmen können. Dass er den Inhalt
auch tatsächlich gelesen oder verstanden hat, besagt die Erklärung nicht. Gerade
besonders beratungsbedürftige Anleger vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit
der Beratung und überprüfen die in der Beratung gemachten Angaben später nicht mehr
(vgl. OLG I2 vom 20.11.2007, Az. 4 U 98/07).
28
6. Es liegt auch kein Mitverschulden des Klägers vor. Denn aus den genannten Gründen
vertraut der Anleger im Allgemeinen und der schon im Hinblick auf die Sprachdefizite
besonders beratungsbedürftige Kläger im Besonderen vollständig auf die Beratung. Er
hatte auch keine Veranlassung, den Emissionsprospekt auf die Schilderung von bislang
unerwähnten Risiken zu untersuchen. Hierzu wäre er wohl auch – schon aus
sprachlichen Gründen – gar nicht in der M gewesen.
29
7. Dem Kläger ist durch die Zeichnung auch ein Schaden entstanden. Dieser liegt schon
darin begründet, dass er in eine für den von ihm verfolgten Zweck, nämlich die
Altersvorsorge, völlig ungeeignete Anlage investiert hat. Zudem ist zwischen den
Parteien unstreitig, dass es für den Kläger zu Verlusten gekommen ist.
30
8. Sein Schaden beläuft sich auf die bereits gezahlte Geldsumme in Höhe von
insgesamt 24.340,00 Euro, die er gemäß § 249 BGB Zug um Zug gegen
Rückübertragung der Anteile zurückfordern kann. Steuervorteile muss er sich keine
anrechnen lassen. Das wäre nur dann der Fall, wenn ihm so außergewöhnliche
Steuervorteile verblieben wären, dass es unbillig wäre, ihm diese ohne Anrechnung zu
belassen (OLG I2 vom 20.11.2007, Az. 4 U 98/07). Solch außergewöhnlich große
Steuervorteile sind hier nicht vorgetragen worden und angesichts des Einkommens des
Klägers auch unwahrscheinlich.
31
9. Dem stehen nicht die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entgegen, da es um
die Verletzung der Pflicht aus dem Beratungsvertrag geht (vgl. BGH vom 21.03.2005,
Az. II ZR 140/03).
32
10. Schließlich ist der Anspruch des Klägers auch nicht verjährt. Denn die dreijährige
Verjährungsfrist begann nicht bereits im Jahr 2004, sondern erst mit dem Schreiben des
Anlegerschutzvereins im Jahr 2008 zu laufen. Anders wäre es nur, wenn die Unkenntnis
des Klägers als grob fahrlässig zu bewerten wäre. Das ist hier indes nicht der Fall. Denn
es begründet keine grobe Fahrlässigkeit, dass der Kläger die Risiken im Prospekt hätte
lesen können, dies aber gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des
Beraters unterlassen hat. Auch dem steht die besondere Beratungsbedürftigkeit und
sein damit einhergehendes großes Vertrauen in den Zeugen B als Berater entgegen.
33
11. Der Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 280,
286 BGB. Hier ist auch eine 1,8-fache Geschäftsgebühr angemessen, da es sich um
eine tatsächlich wie rechtlich schwierige Sache handelt. Die Zinsansprüche folgen aus
§§ 280, 286 BGB (Antrag zu Ziff. 1) bzw. aus §§ 288, 291 BGB (Antrag zu Ziff. 2).
34
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709, 711 ZPO.
35