Urteil des LG Hagen vom 22.11.2004

LG Hagen: mittelbarer besitz, verbotene eigenmacht, gebäude, bestandteil, herausgabe, eigentumsübertragung, trennung, zutrittsrecht, eigenschaft, einbau

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 5 U 136/04
22.11.2004
Oberlandesgericht Hamm
5. Zivilsenat
Urteil
5 U 136/04
Landgericht Hagen, 4 O 70/04
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Juli 2004 verkündete Urteil
der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Hinsichtlich der Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 51 ff. GA) Bezug
genommen.
Zweitinstanzlich wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei sie durch den mit der Fa. R AG
geschlossenen Vertrag vom 04./15.09.1998 zur Eigentümerin der Heizanlage geworden.
Diese sei kein fester Bestanteil eines einzigen Gebäudeblocks gewesen, sondern habe
schon damals der Versorgung einer Vielzahl von Häusern gedient; zwischenzeitlich seien
noch weitere Gebäude, darunter die Privathäuser der Beklagten, ferner eine von diesen
betriebene Schule, der Reiterverein und ein Gastronomiebetrieb hinzugekommen. Es
handele sich um eine typische "Blockheizung" für eine Wohnsiedlung. Gegen eine
Bestandteilseigenschaft der Anlage spreche zudem, dass sie erst nach Errichtung der
versorgten Gebäude - einschließlich des Blocks 5, in dem sie sich befindet - eingebaut
worden sei. Eine etwaige Bestandteilseigenschaft sei jedenfalls infolge des genannten
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Vertrages aufgehoben worden. Die zur Eigentumsübertragung erforderliche Übergabe der
Anlage an sie habe darin gelegen, dass sie sie in der Folgezeit mit eigenem Personal
betrieben habe. Ihr Besitz sei "gesichert" gewesen durch das in § 3 Ziff. 1 des Vertrages
geregelte Zutrittsrecht. Eine Entfernung der Anlage aus Block 5 zum Zwecke der
Herausgabe an sie weist die Klägerin als wirtschaftlich unsinnig zurück, da mit ihr dann
keine Wärme mehr erzeugt werden könne; daher richte sie ihren Klageantrag auf
Einräumung des unmittelbaren Besitzes.
Die Klägerin erklärt, sie stütze ihre Klage auch auf § 861 BGB: Die Beklagte hätten durch
Einschaltung der Fa. T nämlich verbotene Eigenmacht gegen sie verübt. In diesem
Zusammenhang sei zu beachten, dass die Beklagten entspr. § 571 BGB a. F. in den
zwischen ihr und der Fa. R geschlossenen Vertrag bzw. die dort in § 3 Ziff. 1 getroffene
Zutrittsregelung eingetreten seien.
Hilfsweise begehrt die Klägerin nunmehr die Feststellung, dass sie Eigentümerin der in
Rede stehenden Heizanlage sei; eine Klärung der Eigentumslage ist ihrer Auffassung nach
sachdienlich und auf der Grundlage des bisherigen Prozessstoffes zu leisten.
Die Klägerin beantragt,
1.
in Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen
und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr den unmittelbaren Besitz an der
Wärmeerzeugungsanlage im Block 5 auf dem Grundstück in J, B./M Landstraße,
einzuräumen, bestehend aus
- drei Stück Heißwasserkessel, Fabrikat C, Typ O,
à 1.150 kw
ein Stück Reflex Ausdehnungsgefäß, 2.000 l mit Kompressorsteuerung
zwei Stück Öltankanlage à 10.000 l, kellergeschweißt nebst Zubehör (Ölleitungen,
Ölpumpen, Absperrarmaturen usw.)
drei Stück Warmwasserspeicher, Fabrikat F à 1.500 l
Speicherladesystem incl. Pumpen zur Brauchwasserverarbeitung
drei Stück C Gas-/Ölbrenner, Fabrikat J, Typ G Leistung 1.150 kw
Kesselanschlüsse an das Abgassystem sowie sämtliche im Heizraum vorhandenen
Armaturen, Rohrleitungen, Pumpen, Sicherungsgruppe und sonstige der Rauchwärme-
und Warmwasserversorgung zuzuordnende Bauteile;
2.
hilfsweise: festzustellen, dass sie Eigentümerin der vorgenannten
Wärmeerzeugungsanlage im Block 5 des bezeichneten Grundstücks ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung des Landgerichts. Die streitgegenständliche Heizanlage
sei unabhängig vom Zeitpunkt ihres Einbaus wesentlicher Bestandteil von Block 5
geworden. Ergänzend behaupten sie, dieser sei - samt Heizanlage - erst im Jahre 1979
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errichtet worden. Sie lehnen die von der Klägerin verlangte Besitzeinräumung ab, haben ihr
aber wiederholt - zuletzt im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Senat - deren Entfernung und Herausgabe angeboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten
Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unbegründet; weder der Haupt- noch der Hilfsantrag der Klägerin greifen
durch.
A.
Der Klageantrag auf Einräumung des Besitzes ist unbegründet.
1.
§ 985 BGB scheidet als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren bereits deshalb
aus, weil aus dieser Vorschrift lediglich ein Anspruch auf Herausgabe einer Sache
abgeleitet werden kann; die Herausgabe der Heizanlage an sie will die Klägerin aber
gerade nicht erreichen. Ein etwaiges Eigentum an der Heizanlage kann auch nicht zum
Vehikel für das erklärte Ziel der Klägerin gemacht werden, die Heizanlage an Ort und Stelle
weiter zu betreiben (vgl. z.B. Seite 15 des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten vom
23.09.2004, Bl. 83 GA); ob eine derartige Befugnis der Klägerin im Verhältnis zu den
Beklagten besteht, richtet sich vielmehr nach den - vorliegend nicht streitgegenständlichen
- schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien untereinander.
2.
Die Klägerin ist überdies nicht Eigentümerin der Heizanlage.
Der mit der Fa. R geschlossene Vertrag vom 04./15.09.1998 scheidet als Erwerbsgrund
aus; zu einer wirksamen Einigung i.S.d. § 929 BGB kam es trotz der dort in § 1
vorgesehenen Eigentumsübertragung nicht, da die Heizanlage wesentlicher Bestandteil
des Gebäudes Block 5 und damit auch des Grundstücks selbst war, §§ 93, 94 BGB. Sie
konnte daher nicht Gegenstand besonderer Rechte bzw. dinglicher Rechtsgeschäfte sein.
Die Heizanlage wurde in das genannte Gebäude nämlich zu dessen Herstellung eingefügt,
§ 94 Abs. 2 BGB:
Der für ein solches Einfügen erforderliche räumliche Zusammenhang ist auch nach den
von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Plänen ohne weiteres gegeben; einer
weitergehenden (festen) Verbindung mit dem Gebäude bedarf es nicht (Palandt, BGB, 63.
Aufl., Rn. 6 zu § 94).
Dieses Einfügen der Anlage erfolgte auch zur Herstellung - zumindest - von Block 5,
dessen Räume durch sie erwärmt wurden und noch immer werden. Nach der
Verkehrsanschauung verleiht gerade der Einbau einer Heizanlage solchen Gebäuden, die
Wohn-, Schul- oder vergleichbaren Zwecken dienen, die maßgebliche Prägung (BGH
NJW-RR 1990, 158 f.; NJW 1987, 2178 f.; NJW 1979, 712 f.; BGHZ 53, 324 ff.). Dass für die
Verkehrsauffassung im hier betroffenen Raum J etwas anderes gelten könnte (wie
beispielsweise im Raum Leipzig, vgl. LG Leipzig CuR 2004, 20 ff. und 24 ff.), ist nicht
ersichtlich.
Dass die Heizanlage nicht nur der Beheizung von Block 5, sondern auch weiterer Gebäude
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dient (Blockheizung), und mit diesen über entsprechende Versorgungsleitungen verbunden
ist, führt nicht dazu, dass sie zur beweglichen und damit auch sonderrechtsfähigen Sache
würde. Auch liegt hier kein mit dem vom Bundesgerichtshof am 31.10.1986 entschiedenen
(V ZR 166/85 = WM 1987, 47 f.) vergleichbarer Fall vor; dort ging es um eine hauptsächlich
industriellen Zwecken dienende Anlage, deren Energieerzeugung außerdem noch zu
Heizzwecken genutzt wurde.
Schließlich kommt es auch nicht auf den - unter den Parteien streitigen - Zeitpunkt des
Einbaus der Heizung an; zur Herstellung eines Gebäudes i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB eingefügt
wird nämlich grds. auch eine erst nach dessen Errichtung eingebaute Heizanlage (Palandt,
63. Aufl., Rn. 6 zu § 94). Dass die Heizanlage vorliegend bei ihrem Einbau lediglich zu
einem vorübergehenden Zweck i.S.d. § 95 BGB eingebaut worden und daher nur sog.
Scheinbestandteil geworden wäre, ist nicht erkennbar.
Die nach alledem ursprünglich begründete Eigenschaft der Heizanlage als wesentlicher
Bestandteil von Block 5 wurde nicht durch die zwischen der Klägerin und der Fa. R
getroffene Vereinbarung vom 04./15.09.1998 aufgehoben. Gleich welche Vorstellungen die
Parteien seinerzeit bewegt haben mögen, kam es doch jedenfalls nicht zu einer
tatsächlichen Trennung der Anlage vom Gebäude, die für die Aufhebung der
Bestandteilseigenschaft vonnöten ist.
Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass die Klägerin selbst die Eigenschaft der
Anlage als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes anerkennt, wenn sie eine derartige
Trennung - also die Entfernung der Heizanlage aus Block 5 - mit dem Hinweis ablehnt,
eine solche Maßnahme sei wirtschaftlich nicht sinnvoll; die fehlende wirtschaftliche
Nutzbarkeit nach Trennung von der Hauptsache kennzeichnet nämlich gerade die
Wesentlichkeit eines Sachbestandteils (Palandt, Rn. 3 zu § 93).
Unterstellte man den vorstehenden Erwägungen zum Trotz die Sonderrechtsfähigkeit der
Heizanlage, so fehlte es weiterhin auch an der für eine Eigentumsübertragung auf die
Klägerin erforderlichen Übergabe i.S.d. § 929 BGB:
Zu einer Übergabe seitens der Fa. R kam es schon deshalb nicht, weil diese den
uneingeschränkten tatsächlichen Zugang zu den Kellerräumen von Block 5 und damit
zumindest restlichen (Mit-) Besitz auch an der dort befindlichen Heizanlage zurückbehielt,
fortan also nicht etwa von jeder Besitzbeziehung ausgeschlossen war (zu diesem
Erfordernis generell Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., Rn. 111, 114 zu § 929). -
Den klägerischen Darlegungen sind schließlich auch nicht die tatsächlichen
Voraussetzungen eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.d. § 930 BGB oder eines anderen
der gesetzlich vorgesehenen Übergabesurrogate zu entnehmen.
3.
Auch auf die §§ 861, 862 BGB kann die Klägerin sich nicht berufen, da sie zu keinem
Zeitpunkt unmittelbare Besitzerin der Heizanlage i.S.d. § 854 Abs. 1 wurde; mittelbarer
Besitz reichte, da dieser im Verhältnis zum unmittelbaren Besitzer keine
Besitzschutzansprüche auszulösen vermag (Palandt, Rn. 1 zu § 869), insoweit von
vornherein nicht aus.
Zwar kommt auch an wesentlichen Bestandteilen (sog. Teil-) Besitz in Betracht, § 865 BGB.
Indes ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin hier unmittelbaren Besitz an der Heizanlage -
und sei es nur in Form von Mitbesitz - erlangt haben könnte. Das ihr in § 3 Ziff. 1 des
Vertrages vom 04./15.09.1998 ausbedungene Zutrittsrecht lässt vielmehr erkennen, dass
sie auf die jeweilige Geltendmachung dieser Befugnis verwiesen sein, ihr aber nicht eine
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eigene tatsächliche (Mit-) Sachherrschaft - etwa durch Überlassung der zum jederzeitigen
unkontrollierten Betreten von Block 5 und des Heizungsraumes erforderlichen Schlüssel -
eingeräumt werden sollte. Dass, wie die Klägerin vorträgt, ihr bzw. dem von ihr
beauftragten Personal von einem bestimmten Zeitpunkt an das Betreten verwehrt wurde,
spricht vielmehr dagegen, dass dies bis dahin möglich gewesen wäre.
4.
Die genannte Zutrittsregelung selbst schließlich scheidet als Anspruchsgrundlage für die
hier begehrte, darüber weit hinausgehende Besitzeinräumung aus, so dass dahin stehen
kann, ob der Erwerb des Grundstücks durch die Beklagten zu deren Eintritt in die
diesbezüglichen vertraglichen Pflichten der Fa. R AG entsprechend § 571 BGB a.F. führen
konnte.
B.
Mangels Eigentums der Klägerin an der Heizanlage (s. o., unter A. 2.) ist auch der
Hilfsantrag unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.