Urteil des LG Hagen vom 18.08.2010

LG Hagen (kläger, eintritt des versicherungsfalls, eintritt des versicherungsfalles, abrechnung, rechtsschutz, verwaltung, versicherungsschutz, auseinandersetzung, beendigung, beginn)

Landgericht Hagen, 2 O 69/10
Datum:
18.08.2010
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 69/10
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung; Rechtsschutzfall
Normen:
ARB § 4
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem Rechtsschutzversicherer,
Versicherungsschutz für einen vor dem Amtsgericht M geführten Rechtsstreit.
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Im Jahre 1985 schloss der Kläger mit der Beklagten unter Vermittlung des in M
ansässigen Versicherungsbüros L O einen Rechtsschutzversicherungsvertrag ab, der
auch den Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete umfasste. Das
Vertragsverhältnis endete durch eine Kündigung der Beklagten mit Ablauf des
26.05.2007.
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Der Kläger und seine mitversicherte Ehefrau sind Eigentümer einer Wohnung in der
Wohnungseigentumsanlage S Ring 8 – 12 in M. Bis zum Jahre 2004 wurden die
Jahresabrechnungen für den Heiz- und Warmwasserkostenverbrauch sowie für den
Frisch- und Abwasserverbrauch für die Wohnungseigentumsanlage durch das
Abrechnungsunternehmen U erstellt. Von 2004 auf 2005 wechselte die Verwaltung das
Abrechnungsunternehmen und beauftragte nunmehr die Firma n n1 wärme GmbH mit
der Erstellung der Jahresabrechnungen. Bereits im Folgejahr nach dem Wechsel des
Abrechnungsunternehmens erhöhten sich die Kosten für den Frisch- und
Abwasserverbrauch für die Wohnung des Klägers im Vergleich zu den Vorjahren
erheblich. Von 2005 auf 2006 wurden die bis dahin zur Erfassung des Heiz- und
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Warmwasserkostenverbrauchs angebrachten Verdunsterröhrchen auf der Grundlage
eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 07.06.2005 durch ein
neues Verbrauchserfassungssystem in Form von elektronischen Heizkostenverteilern
ersetzt, mit deren Einbau die Firma n n1 wärme GmbH beauftragt wurde. 2007 wurde
erstmals nach dem neuen Verfahren abgerechnet. Seit der Änderung des
Verbrauchserfassungssystems stiegen auch die Heiz- und Warmwasserkosten der
Wohnung des Klägers an. Die Steigerung des Heizkostenverbrauchs von 2005 auf 2006
betrug 71,83 %. Der Kläger und seine Ehefrau nahmen die erhöhten Kosten zunächst
hin, um die weitere Kostenentwicklung abzuwarten.
Aus der Abrechnung der Firma n n1 wärme GmbH vom 19.02.2009 für das Jahr 2008
ergab sich, dass der Kläger 261,28 m³ Wasser verbraucht hatte und allein 36 % der
Verbrauchskosten der Heizung der gesamten Wohnungseigentumsanlage auf die
Wohnung des Klägers entfiel. Für diese betrugen allein die Heizkosten 3.467,10 €. Die
Gesamtkosten für Heizung und Wasser beliefen sich auf 5.503,07 €. Die
Verbrauchskosten der übrigen Wohnungen der Wohnungseigentumsanlage lagen
erheblich niedriger.
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Am 23.03.2009 erstellte die Verwaltung die Jahresabrechnung der
Wohnungseigentumsanlage für die Abrechnungsperiode 2008. Am 08.06.2009 fand
eine Wohnungseigentümerversammlung statt, in der unter TOP 4 die Jahresabrechnung
der Verwaltung für das Jahr 2008 genehmigt wurde und unter TOP 5 die Entlastung der
Verwaltung und des Beirates bzw. des Kassenprüfers für das Wirtschaftsjahr 2008
beschlossen wurde. Unter dem 07.07.2009 erhoben der Kläger und seine Ehefrau
gegen die Wohnungseigentümer Klage beim Amtsgericht M mit dem Antrag, die in der
Eigentümerversammlung vom 08.06.2009 zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5
gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären, weil die Erhöhung der Verbrauchskosten
nicht erklärbar sei (97 a C 44/09 AG M). Mit Anwaltsschreiben vom 11.08.2009 bat der
Kläger die Beklagte um Erteilung von Rechtsschutz für diese Klage. Dies lehnte die
Beklagte ab.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Rechtsschutzfall sei bereits in den Jahren 2005/2006
eingetreten, und zwar durch den Wechsel des Abrechnungsunternehmens sowie durch
Einführung des neuen Verbrauchserfassungssystems für die Heiz- und
Warmwasserkostenabrechnung. Seit dieser Zeit seien die Verbrauchskosten falsch
berechnet worden, was den für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgeblichen
Rechtsverstoß darstelle. Die Abrechnungen seien seit 2005 und 2006 fortlaufend falsch
erstellt worden. Dieser Verstoß habe sich bis in das Jahr 2008 fortgesetzt. Er behauptet,
die erhöhten Heiz-und Warmwasserkostenabrechnungen hätten ihren Grund in der
Umstellung des Verbrauchserfassungssystems in den Jahren 2005/2006. Die Ursache
könne darin liegen, dass bei der Installation der elektronischen Heizkostenverteiler
Fehler unterlaufen seien. Ferner stehe zu vermuten, dass der Wasserverbrauch nicht
mehr ordnungsgemäß erfasst werde, da die Eichzeiten der Wasseruhren seit Jahren
abgelaufen seien.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass die Beklagte aus dem mit ihm abgeschlossenen
Rechtsschutzversicherungsvertrag verpflichtet sei, ihm für den vor dem
Amtsgericht M geführten Rechtsstreit S 1 ./. Wohnungseigentümer der
Wohnungseigentumsanlage S Ring 8 – 12 in ####1 M – Geschäftszeichen 97 a
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C 44/09 – Versicherungsschutz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Versicherungsfall sei erst mit der Beschlussfassung
der Wohnungseigentümerversammlung am 08.06.2009 und damit nach Ablauf des
Versicherungsschutzes eingetreten. Vorsorglich erhebt die Beklagte die Einrede der
Verjährung.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Das Landgericht I ist zur Entscheidung über den Rechtsstreit gemäß § 48 VVG a.F.
örtlich und gemäß §§ 71 Abs. 1 i.V.m. 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig. Der Streitwert,
der sich nach den voraussichtlich durch die beabsichtigte Interessenwahrnehmung
entstehenden Kosten richtet, liegt über 5.000,00 €. Im Übrigen gilt § 39 ZPO, da die
Beklagte die Rüge der Unzuständigkeit in der Verhandlung nicht mehr erhoben hat.
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Der Kläger hat das für die Erhebung einer Feststellungsklage erforderliche
Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Die vorrangige Erhebung einer
Leistungsklage kommt nicht in Betracht, da der Kläger die durch den Prozess vor dem
Amtsgericht M entstehenden Kosten noch nicht beziffern kann. Lehnt der
Rechtsschutzversicherer den Rechtsschutz für einen bestimmten Rechtsschutzfall von
vornherein ab, kommt für den Versicherungsnehmer daher nur eine Feststellungsklage
in Betracht (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., § 20 ARB 2000, Rdnr. 11).
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Die Klage ist unbegründet, da die Beklagte den Versicherungsschutz zu Recht
abgelehnt hat. Ein Anspruch auf Rechtsschutz besteht im Falle eines Wohnungs- und
Grundstücksrechtsschutzes (§ 2 c ARB 2000) gemäß § 4 ARB 2000 nach Eintritt eines
Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein
anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat
oder begangen haben soll. Diese Voraussetzung muss gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ARB
2000 nach Beginn des Versicherungsschutzes und vor dessen Beendigung eingetreten
sein. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Der dem vor dem Amtsgericht M geführten
Rechtsstreit zugrunde liegende, behauptete Rechtsverstoß ist erst nach Beendigung
des Versicherungsschutzes am 26.05.2007 eingetreten.
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Der Rechtsschutzfall, für den der Kläger von der Beklagten Versicherungsschutz
begehrt, ist die der Klage vom 07.07.2009 zugrunde liegende rechtliche
Auseinandersetzung des Klägers und seiner Ehefrau mit den übrigen
Wohnungseigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft S Ring 8 – 12 in M über
die Rechtmäßigkeit der in der Eigentümerversammlung vom 08.06.2009 zu den
Tagesordnungspunkten 4 und 5 gefassten Beschlüsse über die Genehmigung der
Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2008 und die Entlastung der Verwalter und
des Beirates bzw. des Kassenprüfers. Der Kläger wirft der Eigentümergemeinschaft vor,
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diese Beschlussfassung sei wegen der Unrichtigkeit der Abrechnung unzulässig
gewesen und stelle daher einen Rechtsverstoß dar. Der Verstoß gegen Rechtspflichten,
die die Gegner des Klägers begangen haben sollen, liegt daher nach Beendigung des
Rechtsschutzversicherungsverhältnisses. Nichts anderes gilt, wenn man nicht auf das
Datum der Beschlussfassung am 08.06.2009, sondern auf das Datum der Abrechnung
der Verwaltung am 23.03.2009 oder der Abrechnung des Messunternehmens vom
19.02.2009 abstellt. Auch zu diesen Zeitpunkten war das Versicherungsverhältnis längst
beendet. Dasselbe gilt für die gesamte Abrechnungsperiode 2008.
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein den Anspruch auf Rechtsschutz
auslösender Verstoß nicht auf einen früheren Zeitpunkt vor Beendigung des
Versicherungsverhältnisses datieren.
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Zu Unrecht stellt der Kläger darauf ab, der Rechtsschutzfall sei bereits durch den
Wechsel des Abrechnungsunternehmens in den Jahren 2004/2005 oder durch die
Einführung eines neuen Verbrauchserfassungssystems für die Heiz- und
Warmwasserkostenabrechnung in den Jahren 2005/2006 eingetreten. Diese von der
Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossenen Maßnahmen stellen keinen Verstoß
gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 1 c ARB 2000 dar.
Verstoß ist das Handeln gegen eine gesetzliche oder vertragliche Rechtspflicht oder
das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns. Kein Verstoß gegen Rechtspflichten
oder Rechtsvorschriften und damit kein Versicherungsfall liegt hingegen vor, wenn
jemand von einem gesetzlichen oder vertraglichen Recht Gebrauch macht, dessen
Ausübung seinerseits weder einen Verstoß darstellt noch einen solchen voraussetzt
(Harbauer, a.a.O., § 4 ARB 2000, Rdnr. 38, 47). Nach diesen Kriterien stellt weder der
Wechsel des Abrechnungsunternehmens noch die Einführung eines neuen
Verbrauchserfassungssystems einen Verstoß im Sinne der genannten Vorschrift dar. Es
ist nicht erkennbar, gegen welche vertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften die
Wohnungseigentümergemeinschaft mit diesen Maßnahmen verstoßen haben sollte. Der
Einbau der elektronischen Heizkostenverteiler durch die Firma n n1 wärme GmbH war
vielmehr durch den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 07.06.2005,
Tagesordnungspunkt 8, ausdrücklich gedeckt. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses
Beschlusses erhebt der Kläger selbst nicht.
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Ein für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblicher Verstoß kann auch nicht darin
gesehen werden, dass dem Abrechnungsunternehmen nach dem Vortrag des Klägers
bei dem Einbau der neuen Erfassungsgeräte Fehler unterlaufen seien, die in der
Folgezeit zu falschen Messergebnissen und damit zur Annahme überhöhter Verbräuche
zu Lasten des Klägers geführten hätten. Selbst wenn einem solchen Fehler
Verstoßqualität im vorgenannten Sinne zukäme, dann würde diesem doch die
erforderliche streitauslösende Wirkung fehlen. Der Rechtsstreit, für den der Kläger
Versicherungsschutz begehrt, wird von ihm nämlich nicht mit dem
Abrechnungsunternehmen geführt, sondern mit der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Zwar kann auch der Rechtsverstoß eines Dritten einen Rechtskonflikt zwischen
Versicherungsnehmer und seinem Kontrahenten auslösen, wie die hinsichtlich des
persönlichen Geltungsbereichs weit gefasste Formulierung "oder ein anderer" in § 4
Abs. 1 c ARB 2000 zeigt. Anderer ist jeder, der nicht mit dem Versicherungsnehmer oder
dessen Gegner identisch ist. Wird jedoch der Verstoß eines Dritten durch einen
späteren eigenen Verstoß des eigentlichen Gegners überlagert, dann ist für die
Bestimmung des Zeitpunktes das Verhalten des Gegners der rechtlichen
Auseinandersetzung maßgeblich. Kommt es nämlich innerhalb eines
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Vertragsverhältnisses zu Streitigkeiten, die vorwiegend auf das Verhalten des einen der
anderen Vertragspartners zurückzuführen sind und bei denen ein pflichtwidriges
Verhalten eines Dritten zwar mitspielt, aber nicht im Vordergrund steht, dann wird man
das Verhalten des Dritten, wenn es zeitlich vor dem ersten "eigentlichen" Rechtsverstoß
eines der Vertragspartner liegt, in der Regel noch nicht als Versicherungsfall ansehen
können (BGH, Versicherungsrecht 2007, 535; Harbauer, a.a.O., § 4 ARB 2000, Rdnr.
56). Der maßgebliche seitens des Klägers behauptete Pflichtverstoß des Gegners
seiner rechtlichen Auseinandersetzung, also der übrigen Wohnungseigentümer bzw.
der Eigentümergemeinschaft, liegt in der rechtlich allein maßgeblichen fehlerhaften
Abrechnung seitens des Verwalters bzw. in deren Genehmigung durch die
Versammlung der Eigentümergemeinschaft am 08.06.2009. Allein diese von der
Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft erstellte Betriebskostenabrechnung
ist für das Rechtsverhältnis der Beteiligten rechtlich maßgeblich. Die der Erstellung der
Abrechnung vorangehende Ablesung der Verbrauchserfassungseinrichtungen durch
das Abrechnungsunternehmen und die von diesem angestellte Berechnung bereitet die
rechtlich maßgebliche Verwalterabrechnung lediglich vor, ist aber für das
Rechtsverhältnis der Beteiligten rechtlich ohne Bedeutung. Die Tätigkeit des
Abrechnungsunternehmens stellt daher noch keinen Verstoß gegen Rechtspflichten
oder Rechtsvorschriften dar. Maßgeblich ist insoweit allein das Verhalten der
Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. ihres Verwalters.
Dem Kläger ist für die Auseinandersetzung um die Abrechnung für die
Abrechnungsperiode des Jahres 2008 auch nicht deshalb Rechtsschutz zu gewähren,
weil der Beginn des Rechtsschutzfalles auf die früheren ebenfalls erhöhten
Abrechnungen der Jahre 2005 bis 2007 zu datieren sei. Der Kläger hebt zu Unrecht
darauf ab, dass es sich bei den nach seinem Vortrag falschen Abrechnungen für den
Zeitraum 2005 bis 2008 um eine Reihe von Verstößen handele, wobei der erste
ursächliche Verstoß maßgebend sei. Zwischen den jeweiligen Jahresabrechnungen
besteht kein innerer rechtlicher Zusammenhang dergestalt, dass für den Eintritt des
Rechtsschutzfalles auf die erste Abrechnung abzustellen wäre. Zwar ist gemäß § 4 Abs.
2 Satz 1 ARB 2000 der Beginn eines Rechtsschutzfalles maßgeblich, der sich über
einen Zeitraum erstreckt. Im Falle eines sogenannten Dauerverstoßes beginnt der
Rechtsschutzfall mit der ersten Zuwiderhandlung (Harbauer a.a.O., § 4 ARB 2000, Rdnr.
52, 76). Entrichtet beispielsweise ein Mieter den Mietzins ab einem bestimmten
Zeitpunkt nicht mehr, dann ist der Versicherungsfall mit der ersten unterbliebenen
Zahlung eingetreten. Werden über Jahre hinweg beispielsweise
Rücksichtnahmepflichten durch Mieter verletzt, dann handelt es sich nicht um mehrere
Einzelverstöße, sondern um einen Dauerverstoß, der mit dem ersten Verstoß beginnt
(Harbauer, a.a.O., Rdnr. 74). Eine vergleichbare Fallkonstellation ist jedoch vorliegend
nicht gegeben. Voraussetzung für die Annahme, dass fortlaufende Verstöße als
einheitlicher Dauerverstoß aufgefasst werden können, ist nämlich, dass sich die
Verstöße in gewissen Abständen in gleichartiger oder ähnlicher Weise wiederholen. Sie
müssen gewissermaßen als rechtlich unselbständige Teilakte eines einheitlichen
Verstoßvorganges zu werten sein, dessen Beginn dann als Beginn eines
Dauerverstoßes im Rechtssinne zu behandeln ist (Harbauer a.a.O., Rdnr. 111, 112).
Davon kann bei den jährlichen Betriebskostenabrechnungen einer
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die Rede sein. Die jährlichen Abrechnungen
können nicht als unselbständige Teilakte eines einheitlichen Vorgangs angesehen
werden. Vielmehr hat jede Jahresabrechnung eine eigene rechtliche Qualität. Es fehlt
ihnen für die Annahme eines einheitlichen Dauerverstoßes die erforderliche
Gleichartigkeit der Wiederholung. Innerhalb eines Jahres können sich die rechtlichen
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und tatsächlichen Umstände, die für eine Abrechnung von Bedeutung sind,
entscheidend ändern. Es können sich beispielsweise die Anzahl der Bewohner, die
Zusammensetzung der Eigentümer oder andere wesentliche Faktoren ändern. Über die
Genehmigung jeder Jahresabrechnung erfolgt eine eigene Beschlussfassung der
Wohnungseigentümergemeinschaft. Wer sich gegen die Abrechnungen wehren will,
muss jede Jahresabrechnung erneut anfechten. Neben der fehlenden Gleichförmigkeit
der Jahresabrechnungen steht aber auch der große zeitliche Abstand der Annahme
eines einheitlichen Vorganges entgegen. Jeder Jahresabrechnung kommt daher eine
eigenständige rechtliche Bedeutung zu. Abgesehen hiervon wären frühere fehlerhafte
Abrechnungen für den streitgegenständlichen Rechtsstreit aber selbst dann nicht mehr
als streitauslösend anzusehen, wenn man einen rechtlichen Zusammenhang über
mehrere Abrechnungsperioden hinweg annähme, denn der Kläger hat bewusst darauf
verzichtet, gegen zumindest eine von ihm als überhöht erkannte Abrechnung, nämlich
für das Jahr 2007, vorzugehen. Damit hat er den Zurechnungszusammenhang zwischen
den früheren Abrechnungen und der jetzt streitgegenständlichen Abrechnung für die
Periode 2008 selbst unterbrochen. Gibt nämlich eine Partei ausdrücklich oder
stillschweigend, beispielsweise durch Zahlung des vollen ihr in Rechnung gestellten
Betrages, zu erkennen, dass sie einen Verstoß hinnimmt, dann kann dieser Verstoß
nicht mehr als Zeitpunkt des Versicherungsfalls für eine spätere rechtliche
Auseinandersetzung angesehen werden (vgl. Harbauer, a.a.O., Rdnr. 52).
Da somit der maßgebliche Rechtsverstoß nach Beendigung des zwischen den Parteien
bestehenden Versicherungsverhältnisses eingetreten ist, steht dem Kläger gegen die
Beklagte für die vor dem Amtsgericht M geführte rechtliche Auseinandersetzung kein
Versicherungsschutz zu.
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Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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