Urteil des LG Hagen vom 10.11.2005

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Landgericht Hagen, 4 O 338/04
Datum:
10.11.2005
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 338/04
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, die Abtrennung der Heizungsanlage im
Hau-se X2 in I von der zentralen Heizungsanlage im Nach-barhaus X3
zu dulden, und zwar dergestalt, dass die Zulei-tungsrohre zur Heizung
aus dem Nachbargebäude an der Kellerwand im Hause X2 abgetrennt
und versperrt werden.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 20% und die Beklagte
zu 80%, die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt die
Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger gegen
Sicherheitsleis-tung in Höhe von 12.000 Euro.
Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicher-
heitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages
abwen-den, falls die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die Kläger sind Eigentümer des Objekts X2 in I, welches sie mit notariellem Kaufvertrag
vom 13.04.1999 von der Streithelferin erworben haben. Dieses Haus bezieht seine
Wärmversorgung durch eine Anlage, die sich im Hause X3 befindet. Das Haus X-Platz
wird ebenfalls durch diese Wärmelanlage gespeist.
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Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der X GmbH. Die Beklagte beliefert Wohnobjekte
mit in ihrem Eigentum stehenden Wärmeerzeugungsanlagen, zu denen auch die Anlage
im Hause X3 gehört.
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In § 5 Ziff. 7 des notariellen Kaufvertrages zwischen den Klägern und der Streithelferin
ist festgelegt, dass den Klägern bekannt ist, dass sich die Wärmeanlage für ihr Objekt im
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Hause X3 befindet.
§ 5 Ziff. 9 beinhaltet die Verpflichtung der Kläger für den Fall, dass die Streithelferin mit
der X GmbH einen Wärmelieferungsvertrag abschließt, in diesen Vertrag eintreten. Eine
Abrechnung erfolge zwischen der X GmbH und den Klägern direkt.
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Die Streithelferin schloss am 22.06,1999/07.02.2000 einen Wärmelieferungsvertrag mit
der X GmbH ab. Des Weiteren schlossen diese einen Vertrag über die Abrechnung von
Heiz- und Warmwasserkosten am 17.12.1999/17.01.2000 ab.
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Bezüglich der Abrechnungsmodalitäten schlossen die Kläger mit der Beklagten am
4.9.2000/28.02.2001 einen Abrechnungsvertrag.
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Seit 1999 beziehen die Kläger Wärme aus dem Nachbarhaus. Vorauszahlungen an die
Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin leisteten die Kläger nicht, solche Zahlungen
wurden auch nicht verlangt. Bis zum 24.11.2004 erstellte die Beklagte keine
Kostenabrechnung.
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Mit Schreiben vom 07.10.2002 forderten die Kläger die Beklagte auf, die Trennung der
Heizungsanlage zu genehmigen. Gleichzeitig mahnten die Kläger unter Hinweis auf
entsprechende Mahnungen in den vergangenen Jahren die fehlende Abrechnung der
Heizkosten an.
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Mit Schreiben vom 26.11.2002 lehnte dies die Beklagte ab.
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Am 17.04.2003 kündigten die Kläger aufgrund der bis dahin noch nicht erteilten
Kostenabrechnung den Wärmelieferungsvertrag. Diese Kündigung wurde vorsorglich
mit Schreiben vom 10. Juni 2003 unter Hinweis darauf wiederholt, daß die für Mai 2003
angekündigte Abrechnung nicht vorliege.
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Am 24.11.2004 wurde durch die Beklagte eine Abrechnung für die zurückliegenden
Jahre gestellt, die sich auf insgesamt 6.670,68 Euro belief.
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Die Rechnungen wurden von den Klägern nicht beglichen.
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Mit der im August 2004 zugestellten Klage verfolgen die Kläger die Abtrennung von der
Heizungsanlage der Beklagten.
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Die Kläger sind der Ansicht, dass ein wichtiger Grund für eine Kündigung bestanden
habe: Sie hätten sich 5 Jahre im Ungewissen darüber befunden, wie viel Heizkosten auf
sie zukommen würden. Dies wäre vor allem deshalb unbillig, da sie keine
Abschlagszahlungen hätten leisten müssen, so dass sie mit dem Geld nicht hätten
wirtschaften können.
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Ferner handele es sich bei den Vertragbestandteilen um AGB. Zum einen seien die
Klauseln wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebotes nichtig. Darüber hinaus
verstoße die Laufzeit von über 13 Jahren gegen das AGBG. Auch verstoße die Klausel,
dass mit eingeschriebenem Brief gekündigt werden müsse, gegen das AGBG.
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Schließlich habe gar kein wirksames Vertragsverhältnis zwischen den Parteien
bestanden.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, die Abtrennung der Heizungsanlage im Hause X2
in I von der zentralen Heizungsanlage im Nachbarhaus X3 zu dulden, und
zwar dergestalt, dass die Zuleitungsrohre zur Heizung aus dem
Nachbargebäude an der Kellerwand im Hause X2 abgetrennt und versperrt
werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Nebenintervenientin beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, die Verzögerung mit den Abrechnungen sei dadurch bedingt
gewesen, dass die Streithelferin trotz zentraler Heizungsanlage die Häuser verkauft
habe. Zur Erstellung der ordnungsgemäßen Abrechnung seien Nutzerlisten erforderlich
gewesen, die sowohl die Streithelferin als auch die jeweiligen neuen Eigentümer nur
unvollständig eingereicht hätten.
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Die Trennung des Hauses Nr. 6 von der Wärmeleitung stelle eine deutliche finanzielle
Belastung der übrigen mit der Heizungsanlage verbundenen Häuser dar.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die von den Klägern erklärte Kündigung
formunwirksam sei, da sie nicht mit eingeschriebenem Brief erfolgt sei. Ferner sei die
Kündigung auch deshalb unwirksam, weil die Nichterstellung der Abrechnung keine
Hauptpflichtverletzung des Vertrages darstelle und daher auch keinen wichtigen Grund
für eine Kündigung.
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Ferner könne eine separate Kündigung durch die Kläger nicht erfolgen, da die
gemeinsame Heizungsanlage zu einer wirtschaftlichen Einheit zwischen den Klägern
und den weiteren Eigentümern der anderen Häuser geführt habe, so dass nur alle
Eigentümer gemeinsam den Vertrag kündigen könnten.
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Ferner rügt die Beklagte die fehlende Bestimmtheit des Klageantrags.
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Die Streithelferin behauptet, der Inhalt der zwischen ihr und der Beklagten
geschlossenen Verträge seien den Klägern bekannt gewesen; die Kläger seien jeweils
durch Übersendung von Abschriften der geschlossenen Verträge informiert worden.
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Auf die Abrechnungsproblematik sei sie von der Beklagten nicht hingewiesen worden.
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Die Streithelferin ist der Ansicht, dass die Kläger zumindest eine Mitverantwortung
bezüglich der Abrechnungsprobleme treffe.
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Mit Schriftsatz vom 04.02.2005, eingegangen bei Gericht am 07.02.2005, hat die
Beklage widerklagend beantragt, die Kläger zur Zahlung von 6.670,68 Euro zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2004 zu
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verurteilen. Die Kläger haben Klageabweisung beantragt. Durch Teilvergleich-
Beschluss gemäß § 278 Abs. VI ZPO vom 17.10.2005 haben die Parteien sich auf die
Zahlung einer Summe von 3.500 Euro bezüglich der Widerklage verglichen. Die
anteiligen Kosten des Teilvergleichs sollten bei der Schlussentscheidung geteilt
werden.
Dem Rechtsstreit ist die Streithelferin mit Schreiben vom 23.02.2005, eingegangen bei
Gericht am 24.02.2005, als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Die Nebenintervention bezieht sich allein auf die Klage.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die angefertigten Protokolle verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Den Klägern steht ein Anspruch auf Trennung und Versperrung der Heizungsrohre gem.
§ 1004 Abs. 1 BGB zu.
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Durch die Trennung und Versperrung der Heizungsrohre wird der rechtswidrige
Wasserzufluss zu der Heizungsanlage der Kläger verhindert.
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Die Kläger sind nicht verpflichtet, den Zulauf aufgrund des Wärmelieferungsvertrages zu
dulden ( § 1004 Abs. 2 BGB).
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Ob ein wirksamer Wärmelieferungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen
ist, kann dahinstehen, da der Wärmelieferungsvertrag durch die Kläger spätestens mit
der Klagezustellung wirksam gem. § 314 BGB i. V. m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB
gekündigt wurde. Dabei ist die Schriftform eingehalten, ein eingeschriebener Brief ist
keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH NJW 04, 1320).
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Ein wichtiger Grund zur Kündigung ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter
Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar machen (Palandt-
Heinrichs, BGB, 64. Auflage 2005, § 314, Rn. 7). Das ist vorliegend der Fall.
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Die Kläger haben fast 5 Jahre von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin Wärme
ohne Abrechnung bezogen. Abschlagszahlungen sind von den Klägern nicht gefordert
worden. Aufgrund dessen war es ihnen nicht möglich, die ungefähre Größenordnung
ihrer monatlichen Verpflichtung einzuschätzen.
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Sie konnten bis zur Abrechnung im Jahre 2004 daher auch nicht ersehen, wie viel
Entgelt sie bis zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens vom 17.04.2003 für die
Leistung zu bezahlen hatten. Sie mussten damit rechnen, dass nach den 4 Jahren eine
sehr hohe, für sie aber nicht abschätzbare Nachzahlung auf sie zukommen würde.
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Die Kläger haben über Jahre wiederholt die Abrechnung der angefallenen Kosten
angemahnt (§ 314 Abs. 2 BGB). Eine Abrechnung erfolgte jedoch nicht.
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Noch nach dem Kündigungsschreiben vom 17.4.2003 erklärten die Beklagten mit
Schreiben vom 5.5.03, dass die Abrechnungen in diesem Monat fertig gestellt werden
würde. Auch diese Zusage hielt die Beklagte nicht ein. Erst nach einem weiteren Jahr
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und nach Klagezustellung hat die Beklagte abgerechnet. Dies lässt auf eine hohe
Unzuverlässigkeit der Beklagten schließen und berechtigte die Kläger unter
Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen daher spätestens mit der Klagezustellung zur
Kündigung des Wärmelieferungsvertrages.
Es war den Klägern nicht zuzumuten, noch einen längeren Zeitraum abzuwarten.
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Insgesamt habe die Kläger mehr als 5 Jahre bis zur Abrechnung der Wärmelieferung
warten müssen. Finanzielle Dispositionen waren ihnen ebenso nicht möglich, wie die
Kostenverteilung innerhalb des Hauses X2 und die Einschätzung der Wirtschaftlichkeit
des zentralen Heizsystems.
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Ob es sich bei der Erstellung der Abrechnung um eine Haupt- oder Nebenpflicht
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handelt ist unerheblich. Den Klägern war es auch in dem Fall, dass es sich um einen
Nebenpflicht handeln sollte, wirtschaftlich nicht zuzumuten, noch weiter abzuwarten.
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Daß die Kläger bei der Verzögerung der Abrechnung – wie von der Beklagten und der
Streithelferin vorgetragen – ein Mitverschulden trifft, da sie die nötigen Nutzerlisten nicht
vorgelegt haben, kann nicht festgestellt werden. Der Vortrag diesbezüglich ist zu
unsubstantiiert und bleibt allgemein gehalten. Den Akten liegt einzig ein Schreiben vom
3.9.04 vor, in dem auf ein Schreiben der Beklagten vom 30.8.04 Bezug genommen wird.
Mit dem Schreiben vom 3. September 2004 sind die notwendige Nutzerliste überreicht
worden. Ob vorher bereits Aufforderungen zur Erteilung der Nutzerliste erfolgt sind, wird
nicht substantiiert vorgetragen.
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Die Kündigung der Kläger stellt auch keine unzulässige Teilkündigung dar. Die im
Kaufvertrag enthalten Eintrittsklausel in den Wärmelieferungsvertrag, der seinerseits
sämtliche Grundstücke der Streithelferin erfasst (u.a die Häuser X2,8 und 10), bezieht
sich allein auf das Grundstück X2. Durch die Eintrittsklausel wird keine
Gesamtschuldnerschaft auf Seiten der Nutzer erzeugt. Die Eintrittsklausel kann sich nur
auf das im notariellen Kaufvertrag in Bezug genommene Objekt X2 beziehen.
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Die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten können rechtlich zu keinem anderen
Ergebnis führen.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92 Abs. I, 101 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 11 , 709, 711
ZPO.
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