Urteil des LG Hagen vom 10.09.2008

LG Hagen: sachliche zuständigkeit, rechtliches gehör, abgabe, begriff, bezirk, verfügung, erlass, zuständigkeitsstreit, verfahrensgegenstand, verordnung

Landgericht Hagen, 7 ZustG 1/08
Datum:
10.09.2008
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 ZustG 1/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Hagen, 16 H 5/08
Schlagworte:
Zuständigkeit für Kostenfestsetzung im Mahnverfahren
Normen:
RVG § 11
Leitsätze:
Zuständig für die Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des
Rechtsanwaltes des Gläubigers gegen diesen gemäß § 11 RVG im
Mahnverfahren ist die Zivilabteilung des Amtsgerichts als Gericht des
ersten Rechtszuges.
Tenor:
Als sachlich zuständiges Gericht für die Festsetzung der
Rechtsanwaltskosten in den Mahnverfahren 07-485119-19-N und 07-
4851009-27-N AG I gemäß § 11 RVG wird das Amtsgericht I
(Zivilabteilung) bestimmt.
Gründe
1
I.
2
E3 Amtsgericht - Mahngericht - I erließ unter den Geschäftszeichen 07-485119-19-N
und 07-4851009-27-N als örtlich zuständiges zentrales Mahngericht am 16.05.2007 je
einen Mahnbescheid und am 18.07.2007 je einen Vollstreckungsbescheid gegen den
dortigen Schuldner S H und A H1, I-Straße, ####1 I. Als Prozessgericht war das
Amtsgericht I angegeben. Die Vollstreckungsbescheide wurden am 20.07.2007
zugestellt. Einspruch wurde nicht eingelegt.
3
Am 09.04.2008 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Gläubigers T E bei dem
Amtsgericht I gem. § 11 RVG die Kosten und Auslagen, die in den o. g. Mahnverfahren
entstanden sind, gegen den Mandanten, der sich mit der Zahlung in Verzug befände,
festzusetzen.
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Mit Beschluss vom 18.04.2008 hat sich das Amtsgericht - Mahngericht - I als sachlich
unzuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Kostenfestsetzung erklärt und die
Sache unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom
11.04.1991 - I ARZ 136/91 -, NJW 1991, 2084) an E3 Amtsgericht - Zivilgericht - I
verwiesen.
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Dieses wiederum hat mit Beschluss vom 01.08.2008 - 16 H 5/08 AG I - ebenfalls seine
Unzuständigkeit angenommen und die Sache dem Landgericht I zur Bestimmung des
Gerichtsstandes vorgelegt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die o. g.
Entscheidung vom 01.08.2008 sowie auf den weitgehend gleichlautenden Beschluss
des OLG Naumburg vom 22.01.2008 - 1 AR 19/97 (Zust) - Bezug genommen.
6
II.
7
1.
8
Das Bestimmungsverfahren nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 37 ZPO ist eröffnet, nachdem sich
sowohl die Mahnabteilung als auch die Zivilabteilung des Amtsgerichts I für sachlich
unzuständig erklärt haben. Das Landgericht I ist als nächst höheres gemeinsames
Gericht zur Bestimmung der Zuständigkeit berufen.
9
2.
10
Zuständig für die Entscheidung über den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des
Antragstellers auf Festsetzung der Kosten und Auslagen gegen diesen ist das
Amtsgericht I (Zivilabteilung). Die Kammer folgt dabei dem Beschluss des BGH vom
11.04.1991 - I ARZ 136/91 – (NJW 1991, 2084), dem ein gleich gelagerter Fall zugrunde
lag.
11
a.
12
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts I (Zivilabteilung) ergibt sich unmittelbar aus der
Regelung des § 11 Abs. 1 RVG, nach der für die Festsetzung der
Rechtsanwaltsvergütung der Rechtspfleger des Gerichts des ersten Rechtszuges
zuständig ist. Dies ist nach dem Verhältnis, in dem das gerichtliche Mahnverfahren zum
eigentlichen Streitverfahren steht, nicht das Gericht des Mahnverfahrens, sondern das
Gericht, das für den etwa nachfolgenden Rechtsstreit zuständig ist (§ 690 I Nr. 5 ZPO)
(BGH NJW 1991, 2084).
13
Das Mahnverfahren ist kein eigenständiges Streitverfahren, sondern ein diesem nur
vorgelagertes Verfahren zur vereinfachten und beschleunigten Erlangung eines
Vollstreckungstitels (BGHZ 103, 20 (26 f.) = NJW 1988, 1980 = LM § 270 ZPO 1976 Nr.
10); Das für das Mahnverfahren zuständige Gericht kann daher nicht als Gericht des
ersten Rechtszuges i. T2. des § 11 Abs. 1 RVG angesehen werden.
14
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Mahngericht in gewissem Umfang
Aufgaben wahrzunehmen hat, die grundsätzlich gem. § 103 II ZPO dem Gericht des
ersten Rechtszuges obliegen, indem es in einen Vollstreckungsbescheid die zu
erstattenden Kosten einschließlich der Gebühren des Rechtsanwalts aufzunehmen hat
(vgl. § 699 III ZPO). Denn diese - beschränkte und ein Kostenfestsetzungsverfahren
gem. § 104 ZPO ausschließende (vgl. OLG L, RPfleger 1985, 369; Baumbach-M-Albers-
Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 699 Anm. 4 B) - Aufgabe ist dem Mahngericht vom Gesetz
ausdrücklich übertragen, während es für das nicht dem Kostenfestsetzungsverfahren
zuzurechnende, sondern eigenständige Verfahren der Gebührenfestsetzung nach § 11
RVG eine entsprechende Aufgabenzuweisung nicht gibt. Insoweit bleibt es daher bei
der Regelung des § 11 RVG. Diese geht auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen
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es zur Inanspruchnahme des Prozessgerichts nicht gekommen ist, nicht etwa ins Leere;
denn zuständig ist in diesen Fällen - entsprechend dem in § 796 III ZPO zum Ausdruck
gekommenen Rechtsgedanken - das Gericht, das für eine Entscheidung im
Streitverfahren zuständig gewesen wäre (vgl. dazu auch schon BGH, NJW-RR 1988,
186).
b.
16
Andere Entscheidungen von Oberlandesgerichten geben der Kammer keine
Veranlassung zu einer von der Begründung und dem Ergebnis des
Bundesgerichtshofes in dem Beschluss vom 11.04.1991 abweichenden Entscheidung.
17
aa.
18
Das OLG L2 folgt vielmehr in seiner Entscheidung vom 21.12.1998 (5 W 126/98 – NJW-
RR 1999, 1737) für die dort zu entscheidende Fallgestaltung dem - vom
Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11.04.1991 (I ARZ 136/91 – NJW 1991,
2084) für die dem vorliegenden Fall entsprechende Konstellation – ausgesprochenen
Verständnis von § 19 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (heute: § 11 Abs. 1 RVG):
19
Nach Rücknahme des beim AG F gestellten Mahngesuchs wurden dort dem
Antragsteller die Kosten des Verfahrens gem. § 269 ZPO auferlegt. Das für das
Streitverfahren zuständige AG F2 erklärte sich daraufhin für die Durchführung des
Kostenfestsetzungsverfahrens für unzuständig. Auch das AG F hielt sich für
unzuständig. Das in diesem Zuständigkeitsstreit angerufene OLG L2 erklärte das AG F2
mit folgender Begründung für zuständig.
20
"Das Mahnverfahren stellt gegenüber dem eigentlichen Streitverfahren keinen
gesonderten und selbstständigen Rechtszug dar, sondern soll dem Anspruchsteller
lediglich die Möglichkeit bieten, unter gewissen vereinfachten Voraussetzungen
auf schnellem Wege einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Das Gericht des ersten
Rechtszugs ist und bleibt auch in solchen Fällen dasjenige Gericht, das im Falle
eines streitigen Verfahrens über die geltend gemachten Ansprüche zu befinden
hätte. Lediglich für den Fall, dass ein Widerspruch vom Antragsgegner im
Mahnverfahren nicht erhoben wird, sieht das Gesetz als Ausnahme von der
grundsätzlichen Zuständigkeitsregelung des § 104 I 1 ZPO vor, dass das
Mahngericht in einen evtl. zu erlassenden Vollstreckungsbescheid auch die zu
erstattenden Kosten einschließlich der Gebühren eines ggf. beauftragten
Rechtsanwalts aufzunehmen hat (§ 699 III ZPO). Eine gesetzliche Regelung der
Zuständigkeit für das Kostenfestsetzungsverfahren in dem Fall, dass der Antrag auf
Durchführung des streitigen Verfahrens noch vor der Abgabe an das Streitgericht
zurückgenommen wird, besteht nicht. Werden dem Antragsteller in einem solchen
Fall analog § 269 III ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt, so verbleibt es für
die nachfolgende Kostenfestsetzung mithin bei der gesetzlichen Regelung des §
104 I 1 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass das AG F2 als das fiktive Streitgericht
bislang mit der Streitsache noch gar nicht befasst gewesen ist (vgl. hierzu BGH,
NJW-RR 1988, 186 unter Hinweis auf § 796 III ZPO)."
21
bb.
22
Eine andere Fallgestaltung lag der Entscheidung des OLG N vom 22.03.2008 (1 Z AR
23
22/06 – NJOZ 2006, 1965) zugrunde:
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens hatte vor dem AG - Zentrales Mahngericht -
D je einen Vollstreckungsbescheid gegen die D-GmbH und Herrn T2 als
gesamtschuldnerisch haftende Schuldner erwirkt. Die D-GmbH beantragte sodann mit
der Behauptung, sie habe die Gläubigerin befriedigt, weshalb deren Forderung gegen
den weiteren Schuldner T2 kraft Gesetzes auf sie übergegangen sei, für sich als
Rechtsnachfolgerin die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des gegen Herrn T2
gerichteten Vollstreckungsbescheids. Das AG - Zentrales Mahngericht - D gab dem
Antrag statt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Schuldners T2 wies es zurück.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners T2 hob das LG D die Entscheidungen des
AG D auf, erklärte die Zwangsvollstreckung aus der erteilten Vollstreckungsklausel für
unzulässig und wies den Antrag auf ihre Erteilung zurück. Ferner legte das LG E2
Kosten des Beschwerdeverfahrens der D-GmbH auf.
24
Mit an das AG - Zentrales Mahngericht - D gerichtetem Schreiben vom 18. 05. 2005
beantragte der anwaltliche Vertreter des Schuldners T2 die Festsetzung der im
Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren entstandenen Anwaltskosten. Mit Beschluss
vom 30. 5. 2005 erklärte sich das AG - Zentrales Mahngericht - D für sachlich und örtlich
unzuständig und verwies die Sache an das AG F2, in dessen Bezirk die
erstattungspflichtige D-GmbH ihren Sitz hat und das im Mahnbescheidsantrag als
zuständiges Prozessgericht für die gegen die D-GmbH gerichtete Klage genannt
worden war. Nach einer Weiterverweisung vom AG F2 an das AG E, in dessen Bezirk
der Schuldner T2 wohnt, und Rückverweisung der Sache vom AG E an das AG F2
erklärte sich das AG F2 mit Beschluss vom 05. 09. 2005 für örtlich unzuständig mit der
Begründung, zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges sei hier das AG D. Das AG
F2 hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
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Das OLG N hat zwar das AG D - Zentrales Mahngericht - als "Gericht des ersten
Rechtszuges" i.T2. des § 104 I 1 ZPO für die Entscheidung über den
Kostenfestsetzungsantrag für zuständig erklärt, aber – unter Bestätigung der
Begründung des BGH in seinem Beschluss vom 11.04.1991 im Übrigen - allein wegen
der besonderen Konstellation:
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"Gemäß § 104 I 1 ZPO entscheidet über einen Kostenfestsetzungsantrag das
Gericht des ersten Rechtszuges. Darunter ist im Regelfall auch bei vorgelagertem
Mahnverfahren nach dem Verhältnis, in dem dieses Verfahren zum eigentlichen
Streitverfahren steht, nicht das Mahngericht, sondern dasjenige Gericht zu
verstehen, das für den etwa nachfolgenden Rechtsstreit zuständig ist. Das gilt
grundsätzlich auch für im Mahnverfahren entstandene Kosten, wenn es zur
Inanspruchnahme des (fiktiven) Prozessgerichtes nicht gekommen ist.
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Hier liegt der Fall jedoch anders. Gegenstand des Kostenfestsetzungsantrags sind
nicht im Mahnverfahren angefallene Kosten, sondern solche, die im Verfahren auf
Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids für den
präsumtiven Rechtsnachfolger des Gläubigers mit anschließendem Erinnerungs-
und Beschwerdeverfahren entstanden sind. Das ist ein eigenständiges Verfahren,
das mit dem eigentlichen Streitverfahren (und dem diesem vorgelagerten
Mahnverfahren) unmittelbar nichts zu tun hat. Für derartige Titelumschreibungen
von Vollstreckungsbescheiden ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht das
Streitgericht, sondern das Mahngericht als "Gericht des ersten Rechtszuges"
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zuständig, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat (BGH, NJW 1993, 3141;
vgl. §§ 724 II, 727, 796 I ZPO). Dann aber erscheint es nur folgerichtig, ebenfalls
das Mahngericht und nicht das Streitgericht, auch als "Gericht des ersten
Rechtszuges" i.T2. des § 104 I 1 ZPO anzusehen, wenn es - wie hier - um die
Kosten dieses Titelumschreibungs-(Rechtsmittel-)Verfahrens geht. Die in anderen
Fällen gebrauchte Argumentation, wonach im Hinblick auf das Verhältnis des
vorgelagerten Mahnverfahrens zum nachfolgenden eigentlichen Streitverfahren
das (fiktive) Streitgericht als "Gericht des ersten Rechtszuges" gilt, greift hier nicht
ein. Die Titelumschreibung des Vollstreckungsbescheids ist ein anderer
Verfahrensgegenstand, über den, folgt man der Rechtsprechung des BGH, auch im
Streitfall gerade nicht das für die zu Grunde liegende Forderung zuständige
Streitgericht, sondern allein das Mahngericht und die ihm im Beschwerderechtszug
übergeordneten Gerichte entscheiden. Die in diesem Verfahren angefallenen
Kosten sind deshalb vom Mahngericht. festzusetzen, dem insoweit die Stellung
eines Gerichts des ersten Rechtszuges zukommt."
cc.
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Auch das vom Amtsgericht (Zivilabteilung) hier vorliegend zur Begründung seiner
Vorlage herangezogene Entscheidung des OLG Naumburg (1 AR 19/07 (Zust) –
BeckRS 2008 03535) betrifft eine andere – besonders gelagerte – Konstellation und gibt
der Kammer deshalb keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung als in dem
Beschluss des BGH vom 11.04.1991:
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E3 Amtsgericht B hatte als Zentrales Mahngericht des Landes T-B am 30.01.2007 einen
Mahnbescheid und am 26.02.2007 einen Vollstreckungsbescheid gegen den
Antragsgegner erlassen. Der Vollstreckungsbescheid enthielt mangels entsprechender
Angaben im Antrag auf Erlass desselben keine Kosten des Antragstellers. Der Antrag
auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids war zuvor als fehlerfrei befunden worden.
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Am 12.03.2007 beantragte der Antragsteller die Festsetzung seiner außergerichtlichen
Auslagen für das Mahnverfahren gegen den Antragsgegner in Höhe von 1.105,51 €
sowie die Hinzusetzung der Gerichtskosten und Auslagen. Auf gerichtlichen Hinweis
beantragte er zudem die Abgabe an das Prozessgericht des ersten Rechtszuges. Das
Amtsgericht B erklärte sich zunächst mit Verfügung vom 20.03.2007 und sodann mit
Beschluss vom 22.03.2007 nach § 11 RVG i. V. m. §§ 103 f. ZPO für sachlich
unzuständig und verwies die Sache an das Landgericht I2. Dieses erklärte zunächst mit
Verfügung vom 27.04.2007 und sodann mit Beschluss vom 02.07.2007, dass ein
streitiges Verfahren nicht vorliege, weshalb das Landgericht für die Kostenfestsetzung
nicht zuständig sei.
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Das Landgericht I2 legte die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur
Entscheidung in diesem negativen Zuständigkeitsstreit vor. Dieses erklärte das
Amtsgericht B (Mahnabteilung) für zuständig:
33
"Die sachliche Zuständigkeit des Mahngerichts beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG
i. V. m. § 689 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO sowie § 1 Satz 1 der Verordnung über die
maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren bei dem Amtsgericht B vom 12.
September 2005 (GVBl. LSA 2005, T2. 630).
34
Nach den letztgenannten Vorschriften ist das Amtsgericht B als Zentrales
35
Mahngericht des Landes T-B für das Mahnverfahren aller Amtsgerichte des Landes
örtlich und sachlich zuständig. Als solches ist es hier tätig geworden. Das
Mahnverfahren ist ein Verfahren zur vereinfachten und beschleunigten Erlangung
eines vollstreckbaren Titels. Nach § 699 Abs. 3 ZPO obliegt es dem Mahngericht,
in den Vollstreckungsbescheid auch alle bislang entstandenen Kosten des
Antragstellers aufzunehmen, um eine gesonderte Geltendmachung dieser Kosten
zu vermeiden.
Durch § 11 Abs. 1 RVG wird auch dem Verfahrensbevollmächtigten eines
Antragstellers im Mahnverfahren die rechtliche Möglichkeit zur vereinfachten
Schaffung eines Kostentitels eingeräumt. Als zuständiges Gericht wird abstrakt das
"Gericht des ersten Rechtszuges" benannt. Der Senat legt diesen Begriff
erweiternd dahin aus, dass dasjenige Gericht auch für das vereinfachte
Kostenfestsetzungsverfahren zuständig ist, welches mit der Sache ohnehin befasst
ist. Wird im Anschluss an ein Mahnverfahren ein streitiges Verfahren nicht
durchgeführt, so ist das Mahngericht das einzige mit der Sache befasste Gericht
und mithin auch für die vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren zuständig. Denn
die Festsetzung der Anwaltsgebühren des Antragstellers im Mahnverfahren gegen
den Antragsgegner ist zwar ein formal eigenständiges Verfahren; sie steht aber
gleichwohl in einem engen Zusammenhang mit dem Verfahren, für welches die
Kostenfestsetzung erfolgen soll. Die Vereinfachung soll gerade darin bestehen,
dass kein neues Gericht angerufen werden muss, kein neues Geschäftszeichen zu
vergeben ist und vom Antragsteller keine langen Ausführungen zum
Kostenfestsetzungsantrag erforderlich sind, weil alle Unterlagen ohnehin in der
Akte vorliegen. Dieser Intention eines vereinfachten Verfahrens (vgl. auch BT-Drs.
15/1951, Satz 189) widerspräche es, allein zur Kostenfestsetzung ein bislang mit
der Sache nicht befasstes Gericht als zuständiges Gericht festzulegen und dort ein
neues Verfahren mit neuem Geschäftszeichen einzuleiten, die Akten dorthin zu
versenden und von dort erneut alle Beteiligten anzuhören. Zudem soll das
Verfahren nach § 11 RVG auch kostengünstig sein, was die Vermeidung von
gerichtlichen Auslagen durch Aktenübersendungen und zusätzliche Zustellungen
einschließt. Schließlich stellt das Verfahren nach § 11 RVG auch keine
Anforderungen, die das Mahngericht nicht erfüllen könnte. Es beschränkt sich
ausschließlich auf die Überprüfung der Kostenberechnung in der funktionalen
Zuständigkeit des Rechtspflegers, die dem Mahngericht z. T. ohnehin obliegt, wie §
699 Abs. 3 ZPO zeigt.
36
Der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffs "Gericht des ersten
Rechtszuges" in § 11 Abs. 1 RVG steht nicht entgegen, dass das Mahnverfahren
keine eigenständige Instanz darstellt, sondern zusammen mit einem
möglicherweise durchzuführenden streitigen Verfahren die erste Instanz bildet. Der
Begriff in § 11 Abs. 1 RVG dient vielmehr vor allem der Abgrenzung, dass ein
Kostenfestsetzungsverfahren nicht bei einem Gericht einer höheren Instanz zu
führen ist. Er soll nicht differenzieren zwischen zwei mit der Sache befassten
Gerichten der ersten Instanz. Der Begriff des "Prozess"-Gerichts wird gerade nicht
verwendet. Insoweit ist durch § 696 Abs. 1 ZPO geregelt, dass nach einer Abgabe
zur Durchführung des streitigen Verfahrens die Zuständigkeit für die Sache an das
empfangende Prozessgericht übergeht."
37
c.
38
Zwar ist das Mahnverfahren ein Verfahren zur vereinfachten und beschleunigten
Erlangung eines vollstreckbaren Titels, in den auch alle bislang entstandenen Kosten
des Antragstellers nach § 699 Abs. 3 ZPO aufgenommen werden können, um eine
gesonderte Geltendmachung dieser Kosten zu vermeiden. Es stellt aber gegenüber dem
eigentlichen Streitverfahren keinen gesonderten und selbstständigen Rechtszug dar.
Das Gericht des ersten Rechtszuges ist damit nicht das Mahngericht, sondern das
Gericht, welches im Falle eines streitigen Verfahrens zu erkennen hätte.
39
Eine gesetzliche Regelung der Zuständigkeit für die Kostenfestsetzung in dem Fall,
dass - wie vorliegend - ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter die ihm
zustehende Vergütung bestimmt haben will, enthält § 11 Abs. 1 RVG.
40
§ 11 Abs. 1 RVG gibt einem Verfahrensbevollmächtigten die Möglichkeit, die
entstandenen Kosten durch das Gericht des ersten Rechtszuges festsetzen zu lassen.
Nach § 11 Abs. 2 RVG sind vor der Festsetzung die Beteiligten zu hören. § 11 Abs. 4 bis
6 RVG regelt das Verfahren, sofern von den Beteiligten Einwände bezüglich der
beantragten Kostenfestsetzung erhoben werden.
41
Die Kostenfestsetzung nach § 11 RVG ist offensichtlich von der Aufnahme der Kosten
des Verfahrens in den Vollstreckungsbescheid nach § 699 Abs. 3 ZPO zu
unterscheiden. Während im Fall des § 699 Abs. 3 ZPO verhindert werden soll, dass eine
weitere Geltendmachung der Kosten erforderlich wird, liegt ein solcher separater Antrag
auf Kostenfestsetzung in Fällen wie dem verfahrensgegenständlichen gerade vor, so
dass eine von dem regelmäßig automatisierten Mahnverfahren losgelöste Bearbeitung
erforderlich wird. Insofern ist nicht erkennbar, dass § 11 RVG eine dem Mahnverfahren
vergleichbare vereinfachte und beschleunigte Verfahrensweise beinhaltet.
42
Die gesetzliche Regelung des § 11 RVG bestimmt vielmehr, dass vor einer
Entscheidung über die beantragte Kostenfestsetzung den Beteiligten rechtliches Gehör
zu gewähren und je nach der Art der vorgetragenen Einwände das
Festsetzungsverfahren auszusetzen bzw. abschlägig zu bescheiden ist.
43
Auch ist die Bearbeitung des Mahnverfahrens durch das Mahngericht regelmäßig zu
dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen, zu dem ein Antrag nach § 11 RVG gestellt wird,
so dass es ohnehin einer neuerlichen Einarbeitung in den Sach- und Streitstand auch
durch den bei dem Mahngericht zuvor mit der Sache befassten Rechtspfleger bedürfen
würde. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass eine weitere Bearbeitung durch das
Mahngericht einer Verfahrensbeschleunigung oder -vereinfachung dienen würde.
44