Urteil des LG Hagen vom 13.04.2010

LG Hagen (1995, fristlose kündigung, höhe, kläger, gesellschafter, zeuge, verfügung, einlage, kommanditgesellschaft, stammkapital)

Landgericht Hagen, 9 O 439/09
Datum:
13.04.2010
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 439/09
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von
19.200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 20.11.2007 zum
Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH bestellt. Die N GmbH wurde am
12.04.1995 mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet und am 24.05.1995 ins
Handelsregister eingetragen.
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Die GmbH ist alleinige Komplementärgesellschafterin der C Eisen- und
Blechwarenfabrik N GmbH & Co. KG, über deren Vermögen ebenfalls ein
Insolvenzverfahren beantragt ist, und nicht mit einer Einlage an der
Kommanditgesellschaft beteiligt. Die Geschäftsanteile der Kommanditgesellschaft sind
vielmehr mit notarieller Urkunde vom 25.09.2001 in Höhe von 19.200 Euro an den
Beklagten und in Höhe von 6.400 Euro an den Mitgesellschafter und Zeugen P
übertragen worden.
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Die Parteien streiten darüber, ob die Gesellschaftseinlagen rechtswirksam eingezahlt
wurden.
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Die Gründungsgesellschafter der GmbH waren der Zeuge P und Herr Dr. N2. Diese
beiden Gesellschafter haben ihren Gesellschafterkonten der - vor der Umwandlung in
eine KG existierenden - P & Dr. GmbH jeweils 25.000 DM entnommen. Diese Gelder
sind am 12. und 13.04.1995 dem Konto der neuen GmbH gutgeschrieben worden.
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Alleinige Gesellschafter und Kommanditisten beider Gesellschaften waren im Jahr 1995
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der Zeuge P und der mittlerweile verstorbene Dr. N.
Der Kläger behauptet, das gutgeschriebene Stammkapital sei kurze Zeit nach dem
13.04.1995, spätestens innerhalb von einem Monat, darlehensweise wieder der KG zur
Verfügung gestellt worden; jedenfalls sei nach den vorgelegten Unterlagen davon
auszugehen, dass die Darlehensgewährung innerhalb von sechs Monaten nach den
Einzahlungen erfolgt sei. Die Zahlungen seien auch dem Registergericht nicht
angezeigt worden.
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Der Kläger hält demnach die Einzahlungen unter Berufung auf eine Entscheidung des
BGH, Urteil vom 10.12.2007, Az. II ZR 180/06, für unwirksam, wenn die Zahlungen
unmittelbar zum Zweck der Darlehensgewährung an die KG weitergeleitet werden und
die GmbH Gesellschafter beherrschend an der KG als Kommanditisten beteiligt sind.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 19.200,00 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.01.2008 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bestreitet, dass die eingezahlten Stammeinlagen innerhalb einer kurzen
Zeit darlehensweise an die KG ausgezahlt worden seien. Er meint, aus dem von dem
Kläger vorgelegten Schreiben der damaligen anwaltlichen Vertreter des Zeugen P vom
04.01.2008 gehe insbesondere ein derartiges Zeitmoment nicht hervor. Unabhängig
davon erfülle ein Gesellschafter einer GmbH seine Einlagenverpflichtung, wenn die
Einlage vollständig und uneingeschränkt in das Vermögen der Gesellschaft übergehen
und zur freien Verfügung der Geschäftsführer der GmbH standen. Zudem sei dem
Beklagten im Anteilskaufvertrag vom 25.09.2001 durch den dortigen § 7 Ziff. 1
zugesichert worden, dass das Stammkapital erbracht und nicht durch Rückzahlungen
gemindert worden sei. Er ist zudem der Ansicht, die durch das MoMiG eingetretenen
Änderungen der §§ 19 Abs. 4 und 5 H schlössen vorliegend einen Anspruch des
Klägers aus.
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die
Gerichtsakte verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des
Zeugen P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 23.03.2010 verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist begründet.
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1. Der Kläger als Insolvenzverwalter der N GmbH hat einen Anspruch aus §§ 14, 19
GmbHG auf Einzahlung der Einlage gegen den Beklagten. Denn die von den
Gründungsgesellschaftern geleisteten Zahlungen in Höhe von je 25.000 DM
(=12.782,30 Euro) haben nicht die Verpflichtung der Gesellschafter zur Bareinlage
erfüllt, da diese Zahlungen nicht endgültig der GmbH zur freien Verfügung standen. Das
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ist nämlich nach der gefestigten Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn die GmbH
die Einlage umgehend als Darlehen an die von den Inferenten beherrschte KG
weiterreicht, vgl. BGHZ 174, 370 = NZG 2008, 143; BGH NJW 2006, 509; BGHZ 165,
352, 356 = NJW 2006, 906, 907; BGHZ 174, 370 = NZG 2008, 143.
So liegt der Fall hier. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung
des Gerichts fest, dass die von den Gründungsgesellschaftern der GmbH geleisteten
Einlagen vom 12. und 13.04.1995 bereits am 20. und 26.04.1995 wieder vollständig der
umzuwandelnden Barmer Eisen- und Blechwarenfabrik N H & Co. KG darlehensweise
zurücküberwiesen wurden. Der Zeuge P hat glaubhaft und nachvollziehbar bekundet,
dass er aus den vorgefundenen Unterlagen die Daten der Rücküberweisungen vom 20.
und 26. April 1995 entnehmen konnte. Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage hat die
Kammer nicht.
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Demnach sind die Einlagezahlungen jedoch unter Umgehung der
Kapitalaufbringungsregeln durch Hin- und Herzahlen umgangen worden. Für eine
solche Umgehung genügt, dass die Inferenten durch die Weiterleitung des
Einlagebetrags bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mittelbar in gleicher Weise
begünstigt werden, wie durch eine unmittelbare Leistung an sie selbst, was
insbesondere bei der Leistung an ein von den Inferenten beherrschtes Unternehmen der
Fall ist, vgl. BGHZ 125, 141, 144 = NJW 1994, 1477; BGHZ 153, 107, 111 = NZG 2003,
168 = NJW 2003, 825; BGHZ 170, 47, 53 = NZG 2007, 144.
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Von einer entsprechenden Vor-Absprache der Inferenten bei Begründung der
Einlageschuld ist hier aufgrund des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs mit der
Weiterleitung der Einlagemittel, die etwa 8 bis 14 Tage nach Einlageeinzahlung
erfolgte, auszugehen, vgl. BGHZ 152, 37 45 = NZG 2002, 3774; BGHZ 153, 107, 109 =
NZG 2003, 168 = NJW 2003, 825.
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Letztlich haben sich die Gründungsgesellschafter durch das hier vorliegende
Darlehensmodell die Aufbringung zusätzlicher Eigenmittel zur Anschubfinanzierung der
Betriebs-Kommanditgesellschaft erspart, was bei verständiger wirtschaftlicher
Betrachtung einer direkten Rückzahlung der Einlagemittel an den Inferenten zur
Darlehensgewährung an die Kommanditgesellschaft gleichkommt.
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Daher hindert die insoweit unzulässige Verwendungsabsprache die Erfüllungswirkung
der Bareinlage, so dass eine Barleistung zur freien Verfügung des Geschäftsführers der
GmbH unter diesen Voraussetzungen nicht vorlag.
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2. Der Beklagte ist auch nicht nach der seit dem 01.09.2009 durch das MoMiG in Kraft
getretenen Neuregelung des § 19 Abs. 5 GmbHG von seiner Einlageverpflichtung
befreit worden. Zwar ist gem. § 3 Abs. 4 EGGmbHG die Neuregelung der §§ 19 Abs. 4
und 5 GmbHG auch auf Einlageleistungen, die vor dem 1.11.2008 bewirkt worden sind,
anwendbar. Jedoch liegen hier die besonderen Voraussetzungen des § 19 Abs. 5
GmbHG nicht vor.
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Denn nach dieser Vorschrift wäre der Beklagte nur dann von seiner
Einlageverpflichtung befreit, wenn die Leistung durch einen vollwertigen
Rückgewähranspruch gedeckt wäre, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose
Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Vorliegend haben die Inferenten
jedoch bezüglich der Darlehensabrede keinerlei gesonderte Vereinbarung getroffen.
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Der Zeuge P bekundete auf die Frage, ob das Darlehen jederzeit zurückgefordert hätte
werden können, lediglich, dass bereits aufgrund der Personenidentität der
Gesellschafter natürlich ein solcher Beschluss hätte gefasst werden können. Dass aber
eine Vereinbarung der jederzeitigen Fälligkeit bzw. der Berechtigung einer jederzeitigen
fristlosen Kündigung getroffen wurde, vermochte der Zeuge nicht zu bestätigen.
Demnach ist zur Überzeugung der Kammer allenfalls ein unbefristeter Darlehensvertrag
i.S.d. § 607 ff. BGB a.F. zustande gekommen, der nach § 609 Abs. 1, 2 BGB eine
Kündigungsfrist – und damit Fälligstellungsfrist – von drei Monaten begründet hätte.
Mithin lag kein jederzeit fällig werdender Darlehensrückzahlungsanspruch vor, der eine
vollwertige Rückgewähr der Einlageleistung i.S.d. § 19 Abs. 5 GmbHG darstellen
würde.
Im Übrigen fehlt die nach § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG erforderliche Offenlegung der
vereinbarten darlehensweisen Rückgewähr gegenüber dem Registergericht, die nach
herrschender Auffassung in der Rechtsprechung Wirksamkeitsvoraussetzung der
Lockerungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG ist, vgl. BGH NZG 2009, 944 Rz 2; NJW
2009, 2375 Rz 16; auch Q GmbHR 2009, 505, 511; Bormann/Urlichs GmbR Sonderheft
Oktober 2008, 37, 44; Bormann/Kauka/Ockelmann Kap 4 Rz 64.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 2 ZPO.
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