Urteil des LG Hagen vom 03.08.2010

LG Hagen (höhe, fahrzeug, kollision, sohn, reparatur, fahrstreifen, kennzeichen, ersatz, veränderung, gutachten)

Landgericht Hagen, 6 O 438/09
Datum:
03.08.2010
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 438/09
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts I vom 1.6.2010 bleibt aufrecht-
erhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen,
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ersatzansprüche aus einem Schadensereignis vom 6.7.2009.
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Der Sohn der Klägerin befuhr mit einem BMW Coupé 320i mit dem amtlichen
Kennzeichen HA – XX XX am Schadenstag die T-Straße B-T-Straße Brücke auf dem
rechten von zwei geradeausführenden Fahrstreifen. Die Beklagte zu 2) befuhr die linke
der beiden Fahrstreifen mit einem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HA –
XX YY. Sie wechselte von dem linken auf den rechten Fahrstreifen und es kam zu einer
Kollision zwischen beiden Fahrzeugen. Das Fahrzeug BMW 320i wurde durch die
Kollision im Bereich vorne links beschädigt. Nach dem Anprall drehte sich das
Beklagtenfahrzeug über 3 Fahrspuren und kam am Bordstein der Bushaltestelle zum
Stehen.
3
Das Fahrzeug BMW Coupé 320i war bereits am 1.6.2008 sowie am 6.3.2009 in
Verkehrsunfälle verwickelt, bei denen es jeweils zu einem Anstoß vorne links nach
Fahrstreifenwechsel kam.
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Die Klägerin macht einen Sachschaden am beschädigten KfZ in Höhe von 6.083,95
Euro netto, Sachverständigenkosten in Höhe von 975,80 Euro, Wertminderung in Höhe
von 340,00 € sowie eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro,
insgesamt mithin einen Betrag von 7.424,75 Euro geltend.
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Die Staatsanwaltschaft I führte in dem Ermittlungsverfahren 600 Js 251/10 wegen des
Verdachts einer Vielzahl von gestellten Verkehrsunfällen am 31.5.2010 eine
Hausdurchsuchung bei der Klägerin durch.
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Die Klägerin behauptet, das KfZ BMW Coupé 320i stehe in ihrem Eigentum. Ihr
Ehemann habe das Fahrzeug gekauft, es sei jedoch – unstreitig – auf die Klägerin
zugelassen. Im Innenverhältnis betrachteten die Eheleute das Fahrzeug als der Klägerin
gehörend, obwohl es allein von dem gemeinsamen Sohn genutzt werde, dem es nicht
zum Geschenk gemacht worden sei. Der Sohn sei jedoch gehalten, die laufenden
Kosten des KfZ zu tragen. Etwaige in der Person des Ehemannes oder Sohnes
bestehende Ansprüche seien jedoch an die Klägerin abgetreten worden. Das Fahrzeug
sei aus Eigenmitteln des Ehemannes der Klägerin bezahlt worden.
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Die Klägerin behauptet ferner, dass sämtliche Vorschäden nach den jeweiligen
Schadensereignissen ordnungsgemäß beseitigt worden seien. Wegen der Einzelheiten
bezieht sich die Klägerin auf eine Reparaturbestätigung vom 6.8.2008 nebst
Vermessungsprotokoll vom 2.7.2008, verschiedene Rechnungen vom 13.6., 27.6. und
3.7.2008 eine Reparaturbestätigung vom 9.4.2009, Ersatzteilrechnungen vom 10.3. und
20.3.2009 sowie eine Reparaturbestätigung des Sachverständigen K. Wegen der
Einzelheiten wird auf Bl. 128 – 136 d. A. Bezug genommen. Die Klägerin behauptet
weiter, dass die jeweiligen Schäden vom 1.6.2008 sowie 6.3.2009 ordnungsgemäß und
fachgerecht gemäß der damaligen Gutachten instand gesetzt worden seien. Zur
Darlegung der jeweiligen Reparaturmaßnahmen bezieht sich die Klägerin auf
Ersatzteillisten und Arbeitsschritte aus Sachverständigengutachten, die jeweils in den
Schriftsatz vom 26.7.2010 integriert wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 161a
und 162 d. A. Bezug genommen.
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Die Kammer hat die Klage auf die mündliche Verhandlung vom 1.6.2010 durch
Versäumnisurteil vom gleichen Tage abgewiesen. Das Urteil wurde den Beklagten
gegen Empfangsbekenntnis am 8.7.2010, der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am
27.6.2010 zugestellt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin mit bei Gericht am
1.7.2010 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
9
Die Klägerin beantragt nunmehr,
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die Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 1.6.2010 als
Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 7.424,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2009 zu zahlen,
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festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr
jeden weiteren Schaden aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis
auf Nachweis des Anfalls zu ersetzen, insbesondere Mehrwertsteuer auf
Reparaturkosten, Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten während
nachgewiesener Reparaturdurchführung nach Maßgabe der Klageforderung zu
1) zu Grunde liegenden Gutachtens,
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die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie wegen
vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte U, T und N für die
Schadensregulierung (weitere) 661,16 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.8.2009.
13
Die Beklagten beantragen,
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das Versäumnisurteil des Landgericht I vom 1.6.2010 aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagten behaupten, dass es sich um ein manipuliertes Unfallereignis handelt, da
der Sohn der Klägerin die Kollision in Kauf genommen und auf eine Abwehrreaktion
verzichtet habe. Die Klägerin bestreitet eine unfallbedingte Veränderung der vorderen
Achsgeometrie. Allein die schwache Anstoßspur am linken Vorderrad sei nicht
geeignet, eine Veränderung der Achsgeometrie hervorzurufen, wie sie von der Klägerin
behauptet werde. Schließlich sei auch eine Schrammspur an der Frontschürze nicht
dem hier streitgegenständlichen Schadensereignis zuzuordnen, da sich in Höhe der
Verschrammung die Räder des Beklagtenfahrzeugs befänden. Darüber hinaus seien
die Kratzspuren zu weit in Richtung Fahrzeugmitte anzutreffen, so dass sie bei der
gegebenen Unfallkonstellation nicht durch das Beklagtenfahrzeug hätten erzeugt
werden können. Ferner seien auch die auf dem Lichtbild 11 schräg verlaufenden
Kratzspuren nicht durch die streitgegenständliche Kollision hervorgerufen worden, da
das allein denkbar schadensverursachende Bauteil – der rechte Außenspiel – nicht eine
so scharfkantige Kratzspur verursachen würde. Die Beklagten sind vor diesem
Hintergrund der Auffassung, dass allein leichte Kratzspuren am Kotflügel im vorderen
Bereich eine Spaltmaßverengung zwischen Fahrertür und Kotflügel hinter der Türkante
nicht hätten hervorrufen können. Die Beklagten behaupten insoweit, dass es sich um
einen Reparaturmangel aus den vorangegangen Schäden handele. Dementsprechend
sei auch der Lackschaden an der Türvorderkante nicht auf das hier
streitgegenständliche Schadensereignis zurückzuführen. Die Beklagten behaupten
ferner, dass auch die Kontaktspur an der Schwellerdabdeckung (Lichtbild 18 des
Gutachten K), nicht auf dem Unfallereignis beruhe, da dieser Anstoßbereich durch das
Beklagtenfahrzeug nicht erreicht werde. Ein allenfalls möglicher Radkontakt würde
jedoch zu anderen Spuren führen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klägerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Ersatz der von ihr
behaupteten Schäden an dem Kraftfahrzeug BMW Coupé 320i mit dem amtlichen
Kennzeichen HA – XX XX.
18
Die Klägerin hat, nachdem die Beklagten die Kausalität zwischen dem
Schadensereignis sowie den hier geltend gemachten Schäden substantiiert bestritten
hat, nicht hinreichend konkret zu Art und Umfang der unstreitig vorhandenen
Vorschäden sowie deren Reparatur vorgetragen. In einer solchen Fallgestaltung muss
der Anspruchsteller im Einzelnen zu der Art des unstreitigen Vorschadens sowie dessen
behaupteter Reparatur vortragen (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 13.8.2007 – 12 U
180/06).
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Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Die Klägerin hat bereits
nicht hinreichend substantiiert zu Art und Umfang der jeweiligen Vorschäden
vorgetragen. Soweit sie diese lediglich durch die Arbeitsaufstellungen der
Privatgutachten zu den Schadensereignissen vom 1.6.2008 und 6.3.2009 versucht hat
darzustellen, genügt dies nach Auffassung der Kammer nicht, da sich hieraus kein
hinreichend aussagekräftiges Bild von den jeweiligen Schäden ergibt, und nicht deutlich
wird, aufgrund welcher konkreten Beschädigung bzw. aufgrund welchen konkreten
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Schadensbildes ein Austausch oder eine Instandsetzung erforderlich war bzw. gewesen
wäre. Insbesondere in Hinblick auf die von den Beklagten in diesem Rechtsstreit
substantiiert vorgetragenen nach ihrer Auffassung nicht kompatiblen Schäden wäre ein
in dieser Weise substantiierter Vortrag erforderlich gewesen. Auf diese Anforderungen
haben die Beklagten mit den Schriftsätzen vom 21.12.2009 und 18.5.2010 jeweils unter
Benennung von Rechtsprechungsnachweisen hingewiesen. Die Kammer hat sowohl in
der mündlichen Verhandlung vom 1.6.2010 sowie 3.8.2010 im Rahmen der Erörterung
der Sach- und Rechtslage deutlich gemacht, dass die Rechtsauffassung der Beklagten
diesbezüglich zutreffend sei.
Die Klägerin hat darüber hinaus nicht hinreichend substantiiert zu den jeweiligen
Reparaturen vorgetragen. Die mit Schriftsatz vom 10.5.2010 unter Beweisantritt gestellte
Behauptung, die Vorschäden seien sach- und fachgerecht repariert worden, genügt
nicht den Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag. Die
Beweiserhebung würde insoweit auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
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Nach Auffassung der Kammer genügt auch der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom
26.7.2010 nicht den Anforderungen an einen die jeweiligen Reparaturwege hinreichend
substantiiert beschreibenden Vortrag. Die den jeweiligen Privatgutachten entnommenen
Aufstellungen stellen keine hinreichende Grundlage für eine Vernehmung der
diesbezüglich benannten Zeugen dar, da es keine zusammenhängende aufeinander
aufbauende Darstellung der jeweiligen Arbeitsschritte gibt und sich die Vernehmung der
benannten Zeugen insoweit als Ausforschungsbeweis darstellt. Diesen Mangel kann
auch die Berufung der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht
beheben. Darüber hinaus wurde nicht konkret vorgetragen, ob die jeweils
durchgeführten Reparaturen durch den Austausch von Neu- oder Gebrauchtteilen oder
lediglich im Wege der Instandsetzung durchgeführt worden sind. Diese Anforderungen
an eine substantiierte Darlegung der Reparatur von Vorschäden waren auf der
Grundlage der von den Beklagten zitierten Rechtsprechungsnachweise zum einen
Gegenstand der Erörterungen im Termin am 1.6.2010. Dies wurde darüber hinaus auch
im Termin vom am 3.8.2010 erörtert.
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Die Klägerin hat aufgrund des unzureichenden Vortrags keinen Anspruch auf Ersatz der
von ihr behaupteten Schäden, da eine hinreichend sichere Abgrenzung von Schäden,
die auf dem aktuellen oder auf den vorherigen Schadensfällen beruhen, nicht möglich
ist. Dies gilt auch für grundsätzlich zum streitigen Schadensereignis kompatible
Schäden, da aufgrund des nicht hinreichenden Vortrags der Klägerin nicht festgestellt
werden kann, ob diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf dem Unfallereignis
beruhen.
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Die Klägerin kann aus diesem Grunde auch nicht die Feststellung bezüglich der
weiteren auf die Sachschäden am Fahrzeug bezogenen Ersatzpflicht der Beklagten
verlangen.
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Mangels schlüssig vorgetragenen Hauptanspruchs kann die Klägerin weder
vorgerichtlich Anwaltskosten noch Zinsen ersetzt verlangen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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