Urteil des LG Hagen vom 06.04.2005

LG Hagen: nummer, abrechnung, rückforderung, betriebskosten, bereicherungsanspruch, berechtigung, drucksache, analogie, form, rechtssicherheit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Hagen, 10 S 8/05
06.04.2005
Landgericht Hagen
10. Zivilkammer
Urteil
10 S 8/05
Amtsgericht Wetter, 3 C 284/04
§ 556 Abs. 3 S. 2 und 3; § 812 Abs. 1 S. 1; § 214 Abs. 2 S. 1 BGB.
Bürgerliches Recht
Bei Zahlung auf eine verspätet i.S.d. § 556 Abs. 3 BGB geltend gemachte
Nebenkostenforderung ist die Rückforderung ausgeschlossen.
Das Urteil des Amtsgerichts X (Ruhr) vom 07. Dezember 2004
(Geschäftsnummer: 3 C 284 / 04) wird wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden dem
Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO
Der Beklagte war Vermieter einer vom Kläger gemieteten Wohnung. Mit Schreiben vom 26.
Januar 2004 rechnete der Beklagte die Nebenkosten für die Abrechnungszeit vom 01.
November 2001 bis zum 31. Dezember 2002 ab und verlangte vom Kläger eine
Nachzahlung in Höhe von 185,89 €. Der Kläger beglich die Forderung, forderte aber die
Zahlung mit Schreiben vom 18. Februar 2004 unter Fristsetzung bis zum 03. März 2004
zurück. Mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 10. März 2004 mahnte er die Rückzahlung
unter Fristsetzung bis zum 19. März 2004 an, eine Zahlung darauf erfolgte nicht.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter
Bereicherung zustünde, weil die Geltendmachung des
Betriebskostennachzahlungsanspruches nach § 556 n.F. BGB ausgeschlossen gewesen
sei. Außerdem ist der Kläger der Ansicht, dass er die für die rechtsanwaltliche Mahnung
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des Beklagten entstandenen Kosten in Höhe von 3,70 €, die aus anteiligen Auslagen im
Sinne des § 26 BRAGO und dem entsprechenden Umsatzsteueranteils nach § 25 Absatz 2
BRAGO bestünden und nicht auf die Kosten dieses Verfahrens anzurechnen wären, ersetzt
verlangen könnte.
Der Kläger beantragte erstinstanzlich,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 185,89 € nebst 5 Prozentpunkten
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2004 sowie als Nebenforderung einen
Betrag von 3,70 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Das Amtsgericht X (Ruhr) gab der Klage mit Urteil vom 07. Dezember 2004
(Geschäftsnummer 3 C 284 / 04) statt und ließ die Berufung dagegen zu.
Im Übrigen wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angegriffene Urteil Bezug
genommen.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 16. Dezember 2004 zugestellt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Beklagte mit der am 07. Januar 2005 eingegangenen und am 13. Januar
2005 begründeten Berufung und beantragt,
unter Abänderung des am 07. Dezember 2004 verkündeten Urteils des Amtsgerichts X
(Ruhr) – Geschäftsnummer 3 C 284 / 04 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die gegenerische Berufung zurückzuweisen.
Begründung gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ZPO
I.) Die zulässige Berufung ist begründet.
1.) Die Berufung ist zulässig. Dass der Wert des Beschwerdegegenstandes von 185,98 €
die Grenze des § 511 Absatz 2 Nummer 1 ZPO nicht übersteigt, schadet nicht, weil der
Vorderrichter die Berufung nach § 511 Absatz 2 Nummer 2 ZPO zugelassen hat. Im
Übrigen ist die Berufung form- und fristgerecht erhoben sowie begründet worden.
2.) Die Berufung ist begründet, weil der geltend gemachte Bereicherungsanspruch nicht
besteht. Die Zahlung des Klägers auf den Anspruch aus einer Betriebskostenabrechnung,
dessen Geltendmachung nach § 556 Absatz 3 Satz 3 n.F. BGB ausgeschlossen war, kann
nicht gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zurückgefordert werden, weil die
Rückforderung nach § 214 Absatz 2 Satz 1 BGB analog ausgeschlossen ist.
a.) § 556 Absatz 3 Sätze 2 und 3 BGB sind für den streitgegenständlichen
Abrechnungszeitraum gemäß Art. 229 § 3 Absatz 9 EGBGB anwendbar. Danach ist eine
vermieterseitige Geltendmachung von etwaigen Ansprüchen aus der Abrechnung der
Betriebskosten ausgeschlossen, wenn die Abrechnung mehr als zwölf Monate nach Ende
des Abrechnungszeitraumes erfolgte. Der Kläger und Berufungsbeklagte ist der
Auffassung, dass ein Rechtsgrund nicht (mehr) besteht, weil die Geltendmachung
ausgeschlossen war. Dem hat sich der Vorderrichter angeschlossen; im Wesentlichen mit
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der Begründung, dass der Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses nicht denen der
Zahlung auf eine verjährte Forderung angeglichen habe, bei denen eine Rückforderung
nach § 214 Absatz 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Die Kammer schließt sich der
Begründung nicht an, weil § 214 Absatz 2 Satz 1 BGB analog anzuwenden ist.
bb.) Die Zahlung auf die verspätet vorgelegte Nebenkostenabrechnung ist mit der Zahlung
auf eine verjährte Forderung vergleichbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahlung
auf eine Abrechnung von tatsächlich angefallenen Betriebskosten erfolgte und dem Kläger
diese zu Gute kamen; die Berechtigung der Forderung steht vorliegend nicht im Streit.
Daher ist der vorliegende Fall gerade mit dem des § 214 Absatz 2 Satz 1 BGB
vergleichbar, denn eine Forderung soll zur Schaffung von Rechtssicherheit nach gewisser
und bestimmter Zeit nicht mehr geltend gemacht werden können.
Der Zweck der Regelung des § 556 Absatz 3 Satz 3 n.F. BGB liegt in dem Schaffen einer
Abrechnungssicherheit sowie in der Vermeidung von Streit (Bundesgerichtshof, Urteil vom
17. November 2004 [Geschäftsnummer VIII ZR 115 / 04] unter Hinweis auf die
Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 14 / 4553, dort Seite 37). Gerade die Vermeidung
von Streitigkeiten ist aber nur dann gewährleistet, wenn eine Zahlung auf eine verfristete
Abrechnung nicht zurückverlangt werden kann.
II.) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nummer 10, 97 Absatz 1 ZPO. Die
Revision war nach § 543 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ZPO zuzulassen, weil die Fragen der
Wirkung des Ausschlusses des § 556 Absatz 3 Satz 3 BGB auf eine erfolgte Zahlung und
der Analogie des § 214 Absatz 2 Satz 1 BGB grundsätzliche Bedeutung haben.