Urteil des LG Hagen vom 27.07.2010

LG Hagen (sicherheit, höhe, örtliche zuständigkeit, sachliche zuständigkeit, zpo, vergütung, vorschrift, rückgabe, zahlung, durchführung)

Landgericht Hagen, 21 O 83/10
Datum:
27.07.2010
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 O 83/10
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für folgende Bauvorhaben eine
Sicherheit gemäß § 648 a BGB in Verbindung mit §§ 232 ff. BGB zu
stellen:
a)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 819,59 Euro,
b)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 1.438,69 Euro,
c)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 1.544,56 Euro,
d)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 17.421,91 Euro,
e)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 2.985,75 Euro
f)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 4.295,46 Euro,
g)
für das Bauvorhaben eine Sicherheit in Höhe von 2.181,91 Euro,
wobei die Sicherheit auch durch eine Garantie oder ein sonstiges
Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum
Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers
geleistet werden kann.
2.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 651,80 Euro
(vorgerichtliche Anwaltskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19.06.2010
(Klagezustellung) zu zahlen.
3.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 92 % und die
Klägerin 8 % (§§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO).
4.
Dieses Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung nach § 108
ZPO in Höhe von 33.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Klägerin wurde von der Beklagten, einer Bauunternehmung und Bauträgerin, im
Jahre 2009 bei verschiedenen in der Klageschrift und im Urteilstenor im einzelnen
bezeichneten Bauvorhaben nach näherer Maßgabe entsprechender schriftlicher
Nachunternehmerverträge und einzelner Nachträge mit der Durchführung von
Elektroinstallationsarbeiten jeweils zu verschiedenen Pauschalpreisen beauftragt, aus
denen ihr nach Ausführung der Arbeiten und einzelner Nachträge nach ihrer Darstellung
unter Berücksichtigung von bisher geleisteten Akontozahlungen der Beklagten noch
verschiedene in der Klageschrift im einzelnen angeführte restliche
Vergütungsansprüche zustehen, für die sie mit vorliegender Klage gemäß § 648 a BGB
nunmehr zuzüglich eines 10 %-igen Zuschlages Sicherheit beansprucht. Nachdem sie
unter anderem mit Schreiben vom 19.04.2010 und 02.06.2010 vergeblich die Beklagte
zur Stellung entsprechender Sicherheiten aufgefordert und ihren weitergehenden
Klageantrag zu 2. auf Rückgabe einer Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 895,00
Euro im Kammertermin zurückgenommen hat, beantragt die Klägerin
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die Beklagte zu verurteilen,
3
1.
4
ihr für folgende Bauvorhaben eine Sicherheit nach § 648 a BGB in Verbindung
mit §§ 232 ff. BGB - wie erkannt - zu stellen sowie
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2.
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an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 651,80 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem
19.06.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und der Klägerin im übrigen die Kosten der teilweisen
Klagerücknahme aufzuerlegen.
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Sie bestreitet nicht, der Klägerin bei den hier streitgegenständlichen Bauvorhaben mit
der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten zu Pauschalpreisen und einzelnen
Nachträgen beauftragt zu haben, rügt jedoch zunächst mit Blick auf die in den
Nachunternehmerverträgen jeweils enthaltene Angabe "Gerichtsstand ist T" die "örtliche
Zuständigkeit" des angerufenen Landgerichts I und trägt im wesentlichen mit näheren
Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 26.07.2010 vor, die nach den einzelnen
Verträgen geschuldeten Werkleistungen der Klägerin seien teilweise noch nicht
vollständig erbracht, teilweise nicht abgenommen und fällig und/oder teilweise mit
Mängeln behaftet, weshalb ihr bei dem Bauvorhaben H-Straße in E ein Schaden in
Höhe von 2.016,00 Euro entstanden sei. Zudem beanstandet sie teilweise die Höhe der
Forderungen, da Einbehalte nicht berücksichtigt worden seien. Auch habe sie die
Nachtragsforderung von 449,00 Euro bei dem Bauvorhaben vollständig ausgeglichen
und der Geschäftsführer der Klägerin den Werkvertrag für das Bauvorhaben I-Straße I ,
eines noch nicht verkauft) Ende April 2010 mündlich gekündigt. Schließlich, so
behauptet die Beklagte, hätten die Parteien im Vorfeld der Beauftragung über das
Thema Sicherheiten gesprochen und im Rahmen der Verhandlungen über den
Bauvertrag vom 03.06.2009 betreffend das Bauvorhaben I-Straße vereinbart,
gegenseitig für die gesamte Geschäftsbeziehung auf Sicherheiten zu verzichten. Zwar
sei ihr, der Beklagten, bewusst, dass die Rechte nach § 648 a BGB nach Abs. 7 dieser
Vorschriften nicht wirksam ausgeschlossen werden könnten, doch halte sie das
klageweise Vorgehen vor dem Hintergrund der getroffenen Absprache für treuwidrig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig. Auch wenn es in den jeweiligen Nachunternehmerverträgen
jeweils heißt "Gerichtsstand ist T", ist dadurch die sachliche Zuständigkeit des für T
örtlich zuständigen Landgerichts I nicht ausgeschlossen.
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Die danach zulässige Klage ist gemäß § 648 a Abs. 1 und Abs. 2 BGB auch begründet.
Danach kann die Klägerin als Werkunternehmerin von der Beklagten als Bestellerin
Sicherheit für die "auch in Zusatzaufträgen vereinbarte" und nach ihrer bislang
unwidersprochenen Darstellung noch offenen Vergütung aus den verschiedenen
Bauvorhaben zuzüglich eines Zuschlages von 10 % in dem beantragten und
zuerkannten Umfang beanspruchen, und zwar unabhängig davon, ob die einzelnen
Werkleistungen der Klägerin jeweils abgenommen (vgl. § 648 a Abs. 1 Satz 3 BGB)
und/der - wie die Beklagte behauptet - teilweise mit Mängeln behaftet sind und ob ihr
daraus etwaige Gegenansprüche zustehen, sofern diese nicht rechtskräftig festgestellt
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und unstreitig sind (§ 648 a Abs. 1 Satz 4 BGB), woran es vorliegend fehlt. Zugleich
stellt § 648 a Abs. 1 BGB klar, dass Sicherheit nach dieser Vorschrift nicht nur für die
bisher von der Klägerin erbrachten, sondern auch für alle von ihr nach dem Vertrag noch
zu erbringenden Leistungen (vgl. dazu nur BGHZ 146, 24, 31 f. m. w. N.) einschließlich
aller etwaiger auch nach Kündigung noch zustehender Vergütungsansprüche
beanspruchen kann. Daraus folgt zugleich, dass etwaige vertragliche Einbehalte für die
Höhe der Sicherheit nach § 648 a BGB ohne Belang sind. Aus diesem Grunde sind die
dahingehenden Einwendungen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit schon nach
dem Wortlaut des § 648 a BGB nicht zu berücksichtigen, sondern in dem Rechtsstreit
über die Berechtigung der einzelnen Vergütungsforderungen zu klären.
Soweit die Beklagte in einem Fall (hier: Bauvorhaben Zahlung der Nachtragsforderung
von 449,00 Euro einwendet, ist dieser an sich nach § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB
berücksichtigungsfähige Einwand ("und noch nicht gezahlte Vergütung"...) vorliegend
deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin selbst hinsichtlich dieses Bauvorhabens
Zahlungen von 1.841,10 Euro gegen sich gelten lässt und die Beklagte unter Einschluss
der von ihr gezahlten 494,00 Euro eine höhere Zahlung nicht behauptet.
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Soweit die Beklagte schließlich behauptet, dass die Parteien anlässlich der
Verhandlungen über den Bauvertrag vom 03.06.2009 betreffend das Bauvorhaben I-
Straße wechselseitig auf Sicherheiten verzichtet hätten, wäre ein solcher von der
Klägerin im Übrigen bestrittener Verzicht, wie auch die Beklagte selbst richtig erkennt, in
jedem Falle nach § 648 a Abs. 7 BGB unwirksam. Auch vor diesem Hintergrund ist
entgegen der Auffassung der Beklagten das jetzige Verlangen der Klägerin nach
Sicherheit schließlich auch nicht etwa treuwidrig im Sinne von § 242 BGB und
unzulässig. Dies schon deshalb nicht, weil eine etwaige Unkenntnis der Beklagten als
Formkaufmann der schon bei Abschluss der behaupteten Verzichtsvereinbarung seit
längerem geltenden Vorschrift des § 648 a Abs. 7 BGB und damit ein etwaiges
Vertrauen auf die Wirksamkeit der behaupteten Abrede keinen Schutz verdient und im
übrigen der Einwand der Beklagten im Ergebnis auf eine Umgehung der Vorschrift des
§ 648 a Abs. 7 BGB hinausliefe und der nach § 648 a Abs. 7 BGB unwirksamen Abrede
über § 242 BGB zum Erfolg verhelfen würde, was der Gesetzgeber gerade aus gutem
Grunde gemäß § 648 a Abs. 7 BGB verhindern wollte. Dies gilt erst Recht, wenn der
Beklagten bewusst war, dass die Rechte nach § 648 a BGB nicht ausgeschlossen
werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht sie im Gegensatz zur
Klägerin auch nicht jetzt etwa mit "leeren Händen" dar. Als Bestellerin ist die Beklagte
nach Beginn der Bauarbeiten gegenüber der vorleistungspflichtigen und
abrechnungspflichtigen Klägerin vor unberechtigten Forderungen und/oder
Überzahlungen ausreichend unter anderem auch dadurch geschützt, dass sie
Zahlungen nur für tatsächlich ausgeführte und abgerechnete Arbeiten schuldet und sie
sich ungeachtet der behaupteten Verzichtsabrede in den jeweiligen
Nachunternehmerverträgen jeweils das Recht vorbehalten hat, jegliche
Abschlagsforderungen - auch bei nachgewiesenen Arbeiten - in Höhe eines
Sicherheitsbetrages von 10 % zu kürzen und von Schlusszahlungen als Sicherheit für
etwaige Gewährleistungsansprüche 5 % einzubehalten, wovon die Beklagte nach
Darstellung der Klägerin auch unwidersprochen durchaus Gebrauch gemacht hat. Auch
von daher hält es die Kammer nicht für treuwidrig, wenn die Klägerin ihrerseits für die
von ihr bisher jeweils erbrachten Leistungen und nach den Verträgen noch ausstehende
Vergütung Sicherheit nach § 648 a BGB fordert und insoweit von ihrem gesetzlich
unabdingbaren Klagerecht Gebrauch macht, wie es dem Willen des Gesetzgebers nach
dem Forderungssicherungsgesetzes entspricht, um bis zur oftmals langjährigen Klärung
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der Berechtigung ihrer jeweiligen Vergütungsansprüche im Zahlungsprozess
ausreichend gesichert zu sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269 ZPO, wobei der Wert des
zurückgenommenen Klageantrags zu 2. auf Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft
mit 875,00 Euro bemessen worden ist (vgl. BGH WUM 2006, 215; BGH NJW-RR 1994,
758 m. w. N.), weil mit Rückgabe der Bürgschaft jegliche Inanspruchnahme daraus
verhindert wird, während der Klageantrag zu 1. nur Sicherheit aber noch keine
Befriedigung bietet und deshalb, wie von der Klägerin selbst angegeben, mit 1/3 der zu
sichernden Forderungen von insgesamt 30.687,87 Euro = 10.229,29 Euro angesetzt
worden ist.
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Die weitere Nebenentscheidung beruht auf § 709 ZPO.
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