Urteil des LG Hagen vom 09.05.2006

LG Hagen: einstweilige verfügung, schutz von minderjährigen, persönlichkeitsrecht, kunstfreiheit, kunstwerk, intimsphäre, bedürfnis, eingriff, menschenwürde, tod

Landgericht Hagen, 4 O 82/06
Datum:
09.05.2006
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 82/06
Tenor:
Die einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Hamm vom
05.04.2006 - 3 W 22/06 - wird bestätigt.
Die weiteren Verfahrenskosten werden der Verfügungsbeklagten
auferlegt.
Tatbestand:
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Die Verfügungsbeklagte führt als Veranstalter das Bühnenstück "Ehrensache" des
Autors Lutz Hübner auf. Weitere Aufführungen sind für den 31.05.2006 und
01./02.06.2006 geplant.
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Das Bühnenstück ist angelehnt an den sogenannten Hagener Mädchenmordfall, bei
dem die damals ...-jährige Tochter ... der Verfügungsklägerin Opfer eines
Totschlagsdelikts geworden ist. ...
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Die Verfügungsklägerin verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung ein
Aufführungsverbot aus eigenem und aus postmortalem Recht ihrer Tochter wegen
Verletzung der jeweiligen Persönlichkeitsrechte.
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Die Verfügungsklägerin trägt vor, in der Figur Ellena des Bühnenstücks sei ihre Tochter
wiederzuerkennen. Die Bühnenfigur stelle ihre Weiblichkeit freizügig zur Show, werde
als Schlampe und Hure dargestellt, die für sexuelle Kontakte mit flüchtigen Bekannten
aufgeschlossen sei, und trete als Diebin und Gewalttäterin gegenüber Mitschülerinnen
auf. Diese negative Zeichnung verletze das Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter und sei
nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt. Die Aufführung verletze zugleich ihr eigenes
Persönlichkeitsrecht, da elterliches Versagen suggeriert werde.......
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Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 28.02.2006 ist der Antrag vom 27.02.2006
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden.
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Das Oberlandesgericht Hamm hat im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom
05.04.2006 die einstweilige Verfügung erlassen und der Verfügungsbeklagten
aufgegeben, es zu unterlassen, in den städtischen Bühnen das Stück "Ehrensache" des
Autors Lutz Hübner aufzuführen.
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Gegen diesen Beschluss hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.
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Die Verfügungsklägerin beantragt,
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die einstweiligen Verfügung des Oberlandesgerichts Hamm vom 05.04.2006 zu
bestätigen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt,
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die einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Hamm vom 05.04.2006
aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, es sei weder vorgetragen noch im Beschuss des Oberlandesgerichts
Hamm festgestellt, weshalb das Lebensbild der Tochter der Verfügungsklägerin konkret
entstellt werde. Insoweit fehle ein ausreichender Tatsachenvortrag. Das Bühnenstück
knüpfe zwar an das tatsächliche Geschehen an, die Charaktere seien aber ausreichend
verfremdet. Die Bühnenfigur Ellena werde nicht nur als frühreifes, stark sexuell
ausgerichtetes, charakterlich und moralisch haltloses Mädchen dargestellt. Sie
verkörpere vielmehr eine, wenn auch auf dem Niveau der durch Unreife geprägten
plakativen Denk- und Ausdrucksart der Jugendlichen, selbstständige, sexuell offensiv
agierende Person. Der Kunstfreiheit sei deshalb bei der Güterabwägung der Vorrang
einzuräumen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Minderjährigenschutz mit
dem Tod ende. Schließlich greife ein vollständiges Aufführungsverbot zu weit. Ein
etwaiger Verfügungsanspruch betreffe nur einzelne zu beanstandende Passagen...........
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Entscheidungsgründe:
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Nach Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung des
Oberlandesgerichts Hamm zu bestätigen, §§ 925, 936 ZPO.
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Das Oberlandesgericht Hamm hat in dem Beschluss vom 04.06.2006,........., ausgeführt:
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"Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 567 ff., 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zum Erlass
der beantragten einstweiligen Verfügung gemäß § 935 ZPO. Ferner war der
Antragstellerin Prozesskostenhilfe für das Verfügungsverfahren zu bewilligen.
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Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr ein Verfügungsanspruch gegen den
Antragsgegner gemäß §§ 1004, 823 BGB zusteht. Jedenfalls in der vorliegenden
Fassung verletzt die von dem Antragsgegner zu verantwortende Aufführung des
Stückes "Ehrensache" von Lutz Hübner im städtischen Jugendtheater das von der
Antragstellerin wahrzunehmende postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer verstorbenen
Tochter ...., ohne dass sich der Antragsgegner auf Rechtfertigungsgründe berufen kann.
Insofern kann dahinstehen, ob die Aufführung auch in eigene Persönlichkeitsrechte der
Antragstellerin eingreift, .....
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Das Recht jedes Menschen auf Schutz vor Eingriffen gegen seine Menschenwürde
gemäß Art. 1 Abs. 1 GG wirkt anerkanntermaßen auch über den Tod hinaus und führt zu
einem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz
bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu
werden. Schutz genießt dabei insbesondere der sittliche, personale und soziale
Geltungswert vor groben Entstellungen seines Lebensbildes. Die nächsten
Angehörigen, wie im vorliegenden Fall die Antragstellerin als Mutter der verstorbenen ....
, sind berufen, den fortwirkenden Wert- und Achtungsanspruch zu schützen (vgl.
BVerfGE 30, S. 173; BGHZ 50, S. 133; OLG Hamm – 9. Zivilsenat –, NJW 2002, S. 609
m. w. N.).
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Das Bühnenstück "Ehrensache" beachtet diesen Wert- und Achtungsanspruch der
Verstorbenen nicht in dem gebotenen Maße. So besteht aufgrund der vorliegenden
Beschreibungen des Theaterstücks in den dazu herausgegebenen Informationsblättern
kein Zweifel, dass Personen, welche die Verstorbene kannten, diese in der Figur der
"Elena" unschwer wiedererkennen werden. Dem Bühnenstück liegt ersichtlich der
sogenannte "Hagener Mädchenmord" vom 31.05.2004 auf dem Parkplatz in Hagen-
Holthausen zu Grunde. Die wesentlichen Umstände des Geschehens, die auch durch
die Presseberichterstattung über die Straftat und über den daraufhin folgenden
Strafprozess in der Öffentlichkeit im Bekanntenkreis der Verstorbenen bekannt sind,
werden teilweise detailgenau wiedergegeben, wie sie auch in dem Strafurteil der 1.
großen Jugendkammer des Landgerichts Hagen gegen den für den Tod der ...
verantwortlichen Täter (im Bühnenstück "Cem" genannt) festgestellt wurden. So
schildert das Bühnenstück das Zusammentreffen von zwei Jugendlichen türkischer
Herkunft mit zwei jüngeren Mädchen, eine Fahrt nach Köln, einen Streit zwischen
"Elena" und "Cem", bei welchem "Elena" dem "Cem", der sie als Schlampe/Hure
bezeichnet, unter Hinweis auf einen zuvor ausgeführten ungeschützten
Geschlechtsverkehr provoziert und schließlich den Totschlag des Mädchens auf einem
Parkplatz mit 30 (laut Strafurteil mindestens 29) Messerstichen. Allein durch das
Verwenden anderer Namen und die Abänderung einiger Details wie etwa des Alters der
"Elena" mit 16 statt ...‘ Alter von ... Jahren bewirkt keine derartige Verfremdung, dass die
in dem Stück auftretenden Personen als Kunstfiguren ohne realen Bezug zu den
Beteiligten des "Hagener Mädchenmords" erscheinen könnten. In einem
Informationsblatt, welches für eine Aufführung desselben Bühnenstücks in der "Casa"
des Schauspiels Essen herausgegeben wird, wird die Grundlage des "Hagener
Mädchenmords" auch offen herausgestellt. Durch die Aufführung im – ... als früheren
Wohnort der Verstorbenen – benachbarten Hagen ist schließlich zu erwarten, dass der
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maßgebliche Bekanntenkreis der Verstorbenen das Theaterstück entweder besucht
oder sonst – etwa durch weitere Presseberichterstattung über die Aufführung – davon
Kenntnis erlangt.
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Durch die Darstellung der "Elena" wird das Lebensbild der verstorbenen ... entstellt und
ihr Wert- und Achtungsanspruch nicht gewahrt. Die Darstellung der Person beschränkt
sich, wie sich insbesondere aus den eidesstattlichen Versicherungen der Frau ... ergibt,
darauf, die Frühreife und starke sexuelle Ausrichtung der Verstorbenen sowie ihre
charakterliche und moralische Haltlosigkeit darzustellen. Das Negativbild dieser Person
wird verstärkt durch die Schilderung zusätzlicher unwahrer und die Persönlichkeit
negativ prägender Einzelheiten wie insbesondere die Darstellung als Ladendiebin,
welche auch ihre Begleiter zum Diebstahl vergeblich anzustiften versucht. Zudem wird
"Elena" quasi als Hure dargestellt, welche für die – vorgebliche – Bereitschaft zum
Geschlechtsverkehr von "Cem" Geld annimmt.
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Durch die Aufführung auf der von ihm betriebenen Jugendbühne "Lutz" greift der
Antragsgegner in das Recht der Verstorbenen ein. Dieser Eingriff wird durch das
Grundrecht der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht gerechtfertigt.
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Zwar besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei dem beanstandeten Bühnenstück um
ein Kunstwerk handelt, welches den grundgesetzlichen Schutz in Anspruch nehmen
kann. Diesen Schutz kann auch der Antragsgegner als Betreiber der Jugendbühne in
Anspruch nehmen. Das Bühnenstück stellt eine eigenständige schöpferische Leistung
des Autors dar, indem der zu Grunde liegende Kriminalfall nicht lediglich
dokumentarisch wiedergegeben, sondern dramaturgisch aufgearbeitet wird und so als
Ausgangspunkt dient, um die Problematik des Aufeinandertreffens von Personen aus
verschiedenen Kulturkreisen mit unterschiedlichen Ehrvorstellungen darzustellen.
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Die Kunstfreiheit wird jedoch trotz des Fehlens eines in Art. 5 Abs. 3 GG ausdrücklich
normierten Gesetzesvorbehalts nicht schrankenlos gewährt. Die grundrechtliche
Freiheitsverbürgung geht vielmehr vom Menschenbild des Grundgesetzes aus. Diesem
Menschenbild ist das Recht auf Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG als oberster
Wert zugeordnet. Die Kunst muss daher die Menschenwürde Betroffener achten. Im
Spannungsfall ist eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht einer durch ein
Kunstwerk nachteilig dargestellten Person und der Kunstfreiheit erforderlich (vgl.
BVerfGE 30, S. 173). Diese Abwägung fällt im konkreten Fall zu Ungunsten des
Antragsgegners aus.
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Zwar besteht kein Zweifel an der achtenswerten Zielsetzung des Bühnenstücks, welche
das Landgericht in den Gründen des angefochtenen Beschlusses beschrieben hat.
Andererseits fällt aber die betont negative Darstellung der Verstorbenen in der Person
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der "Elena", mag dies auch aus dramaturgischen Gründen und zur Verdeutlichung der
mit dem Theaterstück verbundenen Botschaft grundsätzlich gewollt sein, entscheidend
ins Gewicht. Die Wiedererkennbarkeit der Verstorbenen in der Person des Tatopfers tritt
für jeden Betrachter, der die Verstorbene persönlich kannte, offen zu Tage. Hinzu
kommt, dass charakterisierende Merkmale der "Elena" wie das aufreizende Auftreten
sowie das Ausführen des Geschlechtsverkehrs mit "Cem" bereits am Tage des ersten
Zusammentreffens zum Intimbereich einer Person gehören, bei dem ein besonders
starkes Bedürfnis besteht, dies nicht zum Gegenstand öffentlicher Darstellung und
Erörterung zu machen. Je weiter durch ein Kunstwerk die Intimsphäre einer Person
betroffen ist, um so größer ist das Bedürfnis nach Verfremdung gegenüber dem realen
Vorbild (vgl. KG, NJW-RR 2004, S. 1415). Auch kann nicht außer Acht bleiben, dass die
Tochter der Antragstellerin noch minderjährig war, wobei das Recht den besonderen
Schutz von Minderjährigen aufgrund ihrer Unreife zu achten hat und in zahlreichen
Vorschriften des Zivil- und Strafrechts auch achtet.
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Soweit das Landgericht zu einem anderen Abwägungsergebnis kommt, weil die dem
Bühnenstück zu Grunde liegende Straftat und die Lebensumstände des Tatopfers
bereits Gegenstand zahlreicher und wiederholter Medienberichterstattung waren,
vermag der Senat dem nicht zu folgen. Durch diesen Umstand wird das postmortale
Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen nicht gemindert. Vielmehr besteht gerade ein
schützenswertes Interesse zugunsten der Verstorbenen daran, dass in einem Zeitpunkt,
in welchem das Medieninteresse aufgrund des Abschlusses des Strafprozesses gegen
den Täter beendet war, die Erinnerung an diese Tat- und Lebensumstände nicht weiter
in der Öffentlichkeit und damit in ihrem Bekanntenkreis wach gehalten wird. Erst wenn
die Erinnerung soweit verblasst ist, dass eine Auffrischung der Erinnerung durch das
Aufführen des Theaterstücks bei dem maßgeblichen Personenkreis nicht mehr zu
erwarten ist, mag ein weniger strenger Maßstab gerechtfertigt sein.
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Für den Erlass der einstweiligen Verfügung besteht auch ein Verfügungsgrund, da
ansonsten eine fortlaufende Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts
der Verstorbenen zu erwarten ist. Durch jede weitere Aufführung des Bühnenstücks in
der vorliegenden Form wird der Eingriff in das Recht intensiviert. Die Antragstellerin hat
glaubhaft gemacht, dass für den 26.04., 04.05., 05.05., 09.05., 10.05., 31.05., 01.06. und
02.06.2006 weitere Aufführungen angesetzt sind.
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Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erfordert den Ausspruch eines
Aufführungsverbots des Bühnenstücks. Der Senat ist weder in der Lage noch dazu
berufen, festzulegen, in welcher abgeänderten Form das Bühnenstück in Hagen gezeigt
werden darf."
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Das erkennende Gericht schließt sich nunmehr den Wertungen und
Rechtsauffassungen des Beschwerde-/Berufungsgerichts an. Dabei hat sich das Gericht
im Rahmen der gebotenen Abwägungen zwischen Persönlichkeitsrecht und
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Kunstfreiheit insbesondere von dem vom Oberlandesgericht Hamm hervorgehobenen
Gesichtspunkt leiten lassen, dass das Bedürfnis nach Verfremdung gegenüber dem
realen Vorbild um so größer ist, je weiter die Intimsphäre einer Person durch das
Kunstwerk betroffen ist. Auf diesen Wertungsgrundlagen gibt das Vorbringen im
Widerspruchsverfahren keinen Anlass zu einer abändernden Entscheidung.
Ausreichender Tatsachenvortrag zur Begründung des Begehrens fehlt nicht. Die
Verfügungsklägerin hat mit Schriftsätzen vom 14.03. und 05.05.2006 die Dialoge
wiedergegeben und Szenen beschrieben, die nach ihrer Auffassung das
Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter verletzt.
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Die ausreichende Verfremdung ist unzweifelhaft nicht gegeben. Unstreitig und vom
Autor auch so gewollt orientieren sich die wesentlichen Handlungsstränge, wie im
Beschluss des Oberlandesgerichts näher ausgeführt, am realen Geschehen, nämlich
dem sogenannten Hagener Mädchenmordfall. Bekannte der Familie der
Verfügungsklägerin werden deren Tochter unschwer in der Figur der Ellena
wiedererkennen.
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Eine schwerwiegende Entstellung der Persönlichkeit der Tochter ... ist bereits durch die
Wortwahl "Hure" und "Schlampe" im Zusammenhang mit der Bühnenfigur Ellena zu
sehen. Mag die Figur der Ellena diese Bezeichnung in bestimmten Dialogen anders als
andere Bühnenfiguren selbst nur ironisierend gebrauchen, so bleibt doch für viele
Besucher der Eindruck haften, dass auch die ...-jährige Tochter der Verfügungsklägerin
ein sexuelles ausschweifendes Leben geführt hat. ... Das war bis hin zur Annahme von
Geld im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen nach unwidersprochenem Vortrag
der Verfügungsklägerin nicht der Fall. Gleiches gilt beispielsweise für die Szene, in der
Ellena einen Referendar bewusst durch Tragen eines extrem kurzen Minirocks und
eines die Brust kaum verhüllenden Tops bewusst unablässig reizend und damit
provozieren will. Zu dem engen Intimbereich, der nach Auffassung des OLG hier
besonderen Schutz erfahren soll, gehört auch die Szene, in der Cem rücklings auf dem
Boden liegt in Erwartung des Geschlechtsverkehrs mit Ellena, diese sich auch zunächst
breitbeinig über Cem stellt, sich dann aber abwendet mit den Worten "Sogar Huren
haben manchmal keinen Bock". Damit wird auch wie in der Diebstahlszene vielfach ein
Persönlichkeitsbild gezeichnet, das bezogen auf die Tochter der Verfügungsklägerin
entstellend ist und zugleich auch die Intimsphäre der Tochter auf der Bühne und damit
in der Öffentlichkeit ausbreitet. Dies rechtfertigt auch unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass es vorliegend um postmortalen Persönlichkeitsschutz geht, die
Abwägung zu Gunsten des Persönlichkeitsrechts. Angesichts der auszugsweise
wiedergegebenen Entstellungen der Persönlichkeit der Tochter der Verfügungsklägerin
insbesondere auch auf sexuellem Gebiet ist es unerheblich, dass die Figur der Ellena,
wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, auch positiv gezeichnet ist, nämlich
als starkes und selbstbewusstes junges Mädchen.
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Das Aufführungsverbot ist nach Auffassung des Gerichts in Übereinstimmung mit der
Beschwerdeentscheidung hier die allein in Betracht kommende Rechtsfolge. Die
Verfügungsbeklagte will das Bühnenstück in der vorliegenden Fassung aufführen.
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Eine Streichung sämtlicher Dialoge und Szenen, die das Persönlichkeitsbild der
Tochter der Verfügungsklägerin unzulässig entstellen, und eine anschließende
Aufführung der Fragmente mit Genehmigung des Autors, wie von der
Verfügungsbeklagten in dem Raum gestellt, kommt kaum ernsthaft in Betracht und ist
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nur theoretischer Natur.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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