Urteil des LG Hagen vom 31.05.2001

LG Hagen: mangel, mietsache, vermieter, wasser, erwerb, verantwortlichkeit, gefahr, treppenhaus, toilette, vollstreckbarkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 18 U 200/00
31.05.2001
Oberlandesgericht Hamm
18. zivilsenat
Urteil
18 U 200/00
Landgericht Hagen, 9 O 155/00
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.09.2000 verkündete Urteil
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; es beschwert den Kläger in Höhe
von 8.817,36 DM.
Entscheidungsgründe:
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird
gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen)
Die Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gem. § 538 Abs. 1 BGB nicht zu.
1.
Nachdem im Rahmen des Berufungsverfahrens zunächst streitig war, an welcher Stelle im
Haus sich der Rohrbruch ereignet hat und ob Wasser in die Geschäftsräume des Klägers
eingedrungen ist, sind diese Fragen im Senatstermin durch die Anhörung der Parteien
geklärt worden.
Danach steht fest, daß es am 18. Januar 1997 in einem außerhalb der Wohnungen
gelegenen, früher als Toilette genutzten Raum zwischen der 1. und 2. Etage des Hauses
zu einem Rohrbruch gekommen ist. Das austretende Wasser floß von dort in einen anderen
früher als Toilette benutzten zwischen Erdgeschoß und 1. Etage gelegenen Raum, von dort
in einen zu den Geschäftsräumen des Klägers gehörenden Abstellraum. Von da aus
breitete sich das Wasser in die angrenzende Küche und den Geschäftsraum des Klägers
aus.
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Der Zeuge E hat glaubhaft angegeben, daß die Bruchstelle sich an einer Rohrverbindung
des senkrecht in dem Toilettenraum befindlichen Wasserrohrs zu einem waagerecht
verlaufenden Rohrstück befand. Die Stelle sei notdürftig durch den Beklagten selbst durch
Löten repariert worden, wie dieser ihm gegenüber bei der Besichtigung der Schadenstelle
am selben Tage erklärt habe. Der Vernehmung der übrigen zu dem Rohrbruch benannten
Zeugen bedurfte es daher nicht mehr.
Der Kläger räumt ein, daß er keine Kenntnis davon habe, wie es zu dem Wasserschaden
gekommen sei. Er habe die Bruchstelle selbst nicht gesehen. Er hat daher Vermutungen
angestellt und zur möglichen Schadensursache behauptet, die Wasserrohre seien schon
bei Abschluß des Mietvertrags marode und dringend erneuerungsbedürftig gewesen. Aus
dem Umstand, daß der Beklagte die Bruchstelle selbst gelötet habe, sei zu folgern, daß er
die Rohrverbindung auch bereits früher selbst unfachmännisch gelötet habe. Zum Beweis
dafür hat er sich auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen.
2.
Nach §§ 537, 538 Abs. 1, 1. Alt. BGB haftet der Vermieter, auch wenn ihn kein Verschulden
trifft, dem Mieter auf Ersatz des Schadens, der auf solche bereits bei dem Abschluß des
Mietvertrags vorhandenen Fehler der Mietsache zurückzuführen ist, die deren Tauglichkeit
zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern.
a)
Hier waren allerdings die Mieträume selbst nicht mangelhaft; denn die Bruchstelle befand
sich in einem im Treppenhaus befindlichen, heute nicht mehr benutzten Toilettenraum. Für
die Annahme eines Mietmangels ist es nicht erforderlich, daß sich die Gefahrenquelle für
einen späteren Schadenseintritt innerhalb der Mieträume befindet; es genügt vielmehr, daß
die Mietsache aufgrund ihrer räumlichen Beziehung zur Gefahrenquelle einer Gefahr
ausgesetzt ist, bei deren Verwirklichung ihr ein Fehler anhaftet, der ihre Tauglichkeit zum
vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert (RGJW 1921, 334; BGH NJW 1972, 944
= WM 1972, 658; OLG Hamm ZMR 1987, 267, 268; OLG Köln VersR 1965, 270; OLG Celle
NJW RR 1996, 521; MK/Voelskow BGB 3. Aufl. § 537 Rdnr. 7; Soergel/Heintzmann BGB
12. Aufl. § 537 Rdnr. 19). Allerdings muß es sich um eine begründete Gefahrbesorgnis
handeln. Haltlose Befürchtungen sind auszuscheiden (OLG Hamm a.a.O.). Da der Raum,
in dem sich der Rohrbruch ereignet hat, sich über den Geschäftsräumen des Klägers
befand, das austretende Wasser damit in die Geschäftsräume des Klägers fließen konnte,
steht allein die räumliche Entfernung der Annahme eines Fehlers nicht entgegen.
b)
Allein der Umstand, daß der Kläger Vermutungen zur Schadensursache anstellt, macht
sein Vorbringen nicht unsubstantiiert und steht der Zulässigkeit der Berufung nicht
entgegen (BGH NJW 1995, 1160 = VersR 1995, 433 = BB 1995, 540 = MDR 1995, 407;
BGH NJW 1995, 2111 = BB 1995, 1438 = MDR 1995, 738 = WM 1995, 1561). Es wird einer
Partei häufig nicht erspart bleiben, im Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie
keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich
hält und halten darf. Unzulässig ist ein Beweisantritt nur dann, wenn eine Partei ohne
greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich
Behauptungen "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH NJW RR 1991, 888, 891).
Danach hat der Kläger vorliegend einen Fehler der Mietsache bei Abschluß des
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Mietverhältnisses nicht substantiiert dargetan. Soweit er in der Berufungsbegründung
behauptet, die Rohre der Wasserleitung seien bereits bei Abschluß des Mietvertrages
dringend erneuerungsbedürftig gewesen, handelt es sich ersichtlich um eine Behauptung
"ins Blaue hinein". Das Mietverhältnis wurde im Jahre 1991 mit dem Voreigentümer
begründet. Insoweit fehlt es an jeglicher Anknüpfungstatsache, die eine Wahrscheinlichkeit
oder auch nur einen Verdacht für ein marodes Rohrleitungssystem zum damaligen
Zeitpunkt begründen könnten. Allein der Umstand, daß es sechs Jahre nach Abschluß des
Mietvertrages zu einem Rohrbruch kam, dessen Ursache unbekannt ist, kann nicht Anlaß
für die vom Kläger angestellte Vermutung sein. Das allgemeine Risiko, daß die
Verbindungsstelle eines Rohrs aufgrund ungeklärter Umstände nach mehreren Jahren
bersten kann, begründet keinen Mangel der Mietsache bei Beginn des Mietverhältnisses.
c)
Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden Nachweis geführt, daß der Mangel später infolge
eines Umstandes entstanden ist, den der Beklagte zu vertreten hat (§ 538 Abs. 1 2. Alt.
BGB).
Für Mängel die nach Vertragsschluß auftreten, haftet der Vermieter dann, wenn ihn ein
Verschulden trifft, d.h. bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten i.S.v. § 276 Abs. 1
BGB. Auch diese Voraussetzungen sowie die Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für den
Schadenseintritt muß grundsätzlich der Mieter beweisen (BGH NJW 1964, 33; OLG
Hamburg ZMR 1990, 11; OLG Hamm a.a.O.; Kraemer in Bub/Treier 3. Aufl. III B
Rdnr. 1385 a; MK/Voelskow § 538 Rdnr. 18; Staudinger/Emmerich 13. Aufl. § 538
Rdnr. 62).
Ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten käme in Betracht, wenn bei Arbeiten an der
Rohrleitung in dem Toilettenraum nach Erwerb des Hauses durch den Kläger im Jahre
1996 unsachgemäß gearbeitet worden wäre oder wenn etwa die Schäden durch die
schuldhafte Verletzung von Überprüfungspflichten innerhalb aus fachlicher Sicht
vorgesehener Zeiträume eingetreten wären. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt.
aa)
Die Behauptung, das Rohr sei infolge eines geöffneten Fensters eingefroren und aus
diesem Grund geborsten, hat der Kläger nicht aufrechterhalten. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat hat er entgegen seinen Angaben gegenüber dem Versicherer
(Bl. 87) und entgegen seiner erstinstanzlichen Behauptung erklärt, Frost könne nicht
ursächlich für den Rohrbruch gewesen sein, da zu dieser Zeit keine Frosttemperaturen
geherrscht hätten.
bb)
Die Behauptung, der Beklagte habe selbst an der Verbindungsstelle Lötarbeiten
durchgeführt, die nicht fachgerecht erfolgt seien und deshalb zum Bruch geführt hätten, hat
der Kläger nicht bewiesen.
Der Beklagte hat das bestritten. Der Antrag auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ist mangels Geeignetheit des Beweismittels
zurückzuweisen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Sachverständiger angesichts der
mittlerweile unstreitig durchgeführten Reparaturarbeiten in der Lage wäre, festzustellen, ob
der Beklagte selbst bereits vorher nicht fachgerecht Lötarbeiten an dieser Stelle
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durchgeführt hatte. Selbst wenn ein Gutachter dahingehende Feststellungen treffen könnte,
bliebe ungeklärt, wer diese Arbeiten durchgeführt oder veranlaßt hat. Der Beklagte hatte
das Haus etwa sechs Monate vor dem Schadensfall erworben. Wenn nicht fachgerechte
Lötarbeiten an dieser Stelle durchgeführt wurden, können diese auch in die Zeit vor dem
Erwerb des Hauses durch den Beklagten fallen. In diesem Fall haftet der Erwerber nicht
ohne weiteres für das Fehlverhalten des Voreigentümers.
cc)
Zwar gehen nach § 571 BGB Mietverträge über Grundstücke und Räume bei Veräußerung
des Mietgrundstücks auf den Erwerber über. Der Grundstückserwerber tritt in die sich aus
dem Mietverhältnis während der Dauer seines Eigentums ergebenden Verpflichtungen ein.
Zu diesen Verpflichtungen gehören auch Schadensersatzansprüche, die sich aus dem
Mietverhältnis ergeben. Beruht ein nach dem Eigentumswechsel aufgetretener Schaden
auf einem anfänglichen Mangel des Mietobjekts, so hat der Erwerber aufgrund der ihn aus
dem Mietverhältnis treffenden Garantiehaftung Schadensersatz zu leisten, auch wenn er
den Mangel nicht vertreten muß (BGHZ 49, 350 = NJW 1968, 438 = WM 1968, 438; BGH
WM 1973, 239). Etwas anderes gilt allerdings für die Verschuldenshaftung des § 538
Abs. 1, 2. Alt. BGB im Falle eines nach Vertragsschluß auftretenden Mangels. Der Vertrag
mit dem Veräußerer begründet keine neue Garantiehaftung des Erwerbers; die bei
Überlassung des Grundstücks vorhandenen Mängel sind nicht anfänglichen Fehlern der
Mietsache i.S.d. § 538 Abs. 1, 1. Alt. BGB gleichzustellen (MK/Voelskow § 571 Rdnr. 17;
Heile in Bub/Treier II Rdnr. 894; Wolf/Eckert/Ball 8. Aufl. Rdnr. 1406). Beruht daher der
nach dem Eigentümerwechsel eingetretene Schaden auf einem Mangel der Mietsache, der
nach Abschluß des Mietvertrages, aber vor der Veräußerung des Mietgrundstücks
aufgetreten ist, haftet der Erwerber ebenfalls nur, wenn er den Mangel als
Schadensursache vertreten muß (Wolf/Eckert/Ball a.a.O. Rdnr. 1405). Die Haftung wegen
eines schuldhaften Verhaltens des Vorbesitzers geht nicht ohne weiteres auf den Erwerber
über. Dieser ist nicht Rechtsnachfolger des Voreigentümers. Wenn also während der Zeit
vor Überlassung des Grundstücks der Vorbesitzer nicht fachgerecht Lötarbeiten an der
Verbindungsstelle durchgeführt hat oder hat durchführen lassen, hat der Beklagte dafür
nicht einzustehen. Selbst wenn daher der Sachverständige die behaupteten Feststellungen
treffen könnte, ließe sich daraus nicht auf eine Verantwortlichkeit des Beklagten schließen.
dd)
Zwar trifft den Erwerber eine Verkehrssicherungs- und Prüfungspflicht. Er muß sich nach
Überlassung des Grundstücks eingehend über dessen Zustand unterrichten. Dabei
festgestellte Mängel muß er umgehend beseitigen. (Staudinger/Emmerich § 571 Rdnr. 106;
Heile in Bub/Treier II Rdnr. 894). Daß vorliegend der Mangel, der zum Bruch der
Verbindungsstelle führte, erkennbar war, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist das
sonst ersichtlich. Die Anforderungen an den Erwerber als Vermieter hinsichtlich der
Überprüfungspflicht dürfen nicht überspannt werden. Ohne einen äußerlich erkennbaren
Anlaß ist ein Vermieter nicht verpflichtet, das Rohrleitungssystem einer genaueren Prüfung
zu unterziehen.
ee)
Allein der Umstand, daß sich der Rohrbruch in dem heute nicht mehr benutzten
Toilettenraum im Treppenhaus ereignet hat, begründet keine Verantwortlichkeit des
Beklagten. Zwar kann sich die Beweislast umkehren, wenn der Mangel allein zum
Risikobereich des Vermieters gehört (BGH NJW 2000, 2342; BGH NJW 1964, 33; OLG
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Hamm a.a.O.; Palandt/Weidenkaff BGB 60. Aufl./538 Rdnr. 17; Staudinger/Emmerich § 538
Rdnr. 62; MK/Voelskow § 538 Rdnr. 18). Das gilt allerdings nur, wenn feststeht, daß die
Mangelursache allein aus der Sphäre des Vermieters stammt und für den eingetretenen
Schaden kausal geworden ist. Die daraus resultierende Beweislastregelung entspricht dem
Rechtsgedanken des § 282 BGB.
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht der vom Kläger häufiger zitierten
Entscheidung des BGH (NJW 1964, 33) zu entnehmen. In dem dort entschiedenen Fall
stand fest, daß die Gefahr für die Beschädigung der Mietsache aus einem dem Einblick und
der Einwirkungsmöglichkeit des Mieters entzogenen Gefahrenbereich kam, für den der
Vermieter einzustehen hatte (so auch BGH NJW 1978, 2197, 2198). Im vorliegenden Fall
hatte der Beklagte das Haus erst sechs Monate vor dem Schadensfall erworben. Es ist
durchaus möglich, wegen der Kürze der Zeit zwischen Erwerb und Schadenseintritts
durchaus naheliegend, daß ein etwaiges Verschulden, falls ein solches festgestellt werden
kann, allein dem Vorbesitzer anzulasten ist. Für ein solches Verschulden des Vorbesitzers
hat der Erwerber nicht einzustehen. Aus diesem Grunde steht vorliegend nicht fest, daß die
Schadensursache allein in der Sphäre des Beklagten liegt. Für diesen Fall verbleibt es bei
der grundsätzlichen Beweislastverteilung, daß der Mieter die Pflichtverletzung des
Vermieters und die Ursächlichkeit für den Schadenseintritt beweisen muß. Diesen
Nachweis hat der Kläger nicht geführt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.