Urteil des LG Hagen vom 01.07.2009

LG Hagen: warentest, stiftung, werbung, gewerblicher rechtsschutz, produkt, logo, unterlassen, verkehr, verbraucher, vergleich

Landgericht Hagen, 22 O 122/08
Datum:
01.07.2009
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 O 122/08
Normen:
§§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG
Sachgebiet:
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Rechtskraft:
Achtung: Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt; es ist somit nicht
rechtskräftig!!!
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr wie nachfolgend abgebildet für das
Panzerschloss 20 mm Durchmesser, ein Meter Länge, 1000 g Gewicht
mit dem Logo der STIFTUNG WARENTEST „GUT“ Test 6/2003 im Test
6 Panzerkabelschlösser, zu werben bzw. werben zu lassen:
Das eingefügte Bild/die eingefügte Illustration
kann nicht angezeigt werden!!!
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 200,00 Euro zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 20.000,00 Euro.
Tatbestand:
1
Bei dem Kläger handelt es sich um X, der gemäß § 2 seiner Satzung u. a.
Verbraucherinteressen wahrzunehmen hat.
2
Die Beklagte vertreibt u. a. Fahrerzubehörteile, namentlich auch Fahrradschlösser. Die
Beklagte warb in ihrer Broschüre "X Superangebote nur für Sie!" Nr. 8955 auf Seite 87
mit dem Logo der STIFTUNG WARENTEST, dem Qualitätsurteil "GUT", Test 6/2003,
mit dem Zusatz: "Im Test 6 Panzerkabelschlösser für das Panzerschloss 20 mm
Durchmesser ein Meter Länge und ca. 1000 g Gewicht, wie im Urteilstenor abgebildet.
3
Zusätzlich wird bzgl. der Werbeanzeige auf die Ablichtung Bl. 26 d. A. Bezug
genommen.
4
Die Stiftung Warentest hatte in ihrer Zeitschrift Test 6/2003 auf den Seiten 74 – 77 unter
der Überschrift "Gegen den Fahrradklau" einen vergleichenden Warentest für
Fahrradschlösser veröffentlicht. Untersucht und mit dem Qualitätsurteil "GUT" (2,2)
wurde auch das Schloss der Beklagten bewertet. Insoweit wird auf die Seiten 74 – 77
aus der vorbezeichneten Testzeitschrift Anlage K3 – in Ablichtung – Bezug genommen.
5
Im Test 7/2007 veröffentlichte die Stiftung Warentest auf den Seiten 80 – 83 erneut
einen Fahrradschlosstest unter der Überschrift "Bügel hilft gegen Diebstahl". Das im
Jahr 2003 untersuchte und mit "GUT" bewertete Panzerkabelschloss der Beklagten
wurde in diesen neuerlichen Test im Jahre 2007 nicht mehr einbezogen. Bzgl. dieses
Tests wird auf die Seiten 80 – 83 aus Test 7/2007 – in Ablichtung – auf das
Anlagenkonvolut K4 der Klageschrift Bezug genommen.
6
Der Kläger beanstandet, dass die maßgebliche Werbung der Beklagten wegen
veralteter Testergebnisse der Stiftung Warentest gegen das Irreführungsverbot verstoße
und mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 04.08.2008 ab. Wegen des weiteren Inhalts
des Schreibens wird auf die Ablichtung Bl. 22 ff. d. A. Bezug genommen.
7
Die Beklagte kam vorgerichtlich dem Unterlassungsbegehren des Klägers nicht nach.
8
Nunmehr nimmt der Kläger die Beklagte im Klagewege auf Unterlassung in Anspruch.
9
Der Kläger trägt vor:
10
Die Testergebnisse aus dem Jahre 2003 seien veraltet. Die Werbung mit veralteten
Testergebnissen der Stiftung Warentest verstoße gegen das Irreführungsverbot. Die
Bewertungskriterien im Test hätten sich in der neueren Untersuchung verändert, und
zwar maßgeblich in methodisch- und bewertungsrelevanten Punkten. Hinsichtlich der
Bewertung und Darstellung der Aufbruchsicherheit und der praktischen
Handhabungsprüfung bei der neuen Untersuchung sei eine grundlegende neue
Darstellung und Gewichtung vorgenommen worden.
11
Ein Test des Schlosses der Beklagten unter den aktuellen Testbedingungen von 7/2007
würde ein anderes Testqualitätsurteil ergeben, da sich die Prüfbedingungen, die
Bewertung, die Gewichtung und die Darstellung wie oben beschrieben verändert hätten.
12
Schließlich geht der Kläger davon aus, dass er für seine Abmahntätigkeit angemessene
Kosten von 200,00 Euro von der Beklagten verlange.
13
Der Kläger beantragt,
14
1.
15
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6
Monaten zu unterlassen,
16
im geschäftlichen Verkehr wie nachfolgend abgebildet für das Panzerschloss
20 mm Durchmesser 1 m Länge 1000 g mit dem Logo der STIFTUNG
WARENTEST "GUT" test 6/2003 im Test 6 Panzerkabelschlösser zu werben
bzw. werben zu lassen:
17
Das eingefügte Bild/die eingefügte Illustration
18
kann nicht angezeigt werden!!!
19
2.
20
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,00 Euro zu zahlen.
21
Die Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Die Beklagte meint, nicht irreführend geworben zu haben. Sie habe bei der
maßgeblichen Werbung den Zeitpunkt der Testveröffentlichung zutreffend
wiedergegeben. Die beworbene und angebotene Ware sei mit der seinerzeit geprüften
gleich und auch nicht durch neuere Entwicklungen technisch überholt. Für das konkret
beworbene Fahrradschloss lägen keine neueren vergleichbaren Prüfergebnisse vor.
Weder seinen neue technische Entwicklungen eingetreten noch lägen neue
Erkenntnisse vor, die eine andere Beurteilung des bereits geprüften Fahrradschlosses
rechtfertigten.
24
Sie bestreitet auch, dass das Testverfahren der Stiftung Warentest und die
Bewertungskriterien, nach denen die Stiftung Warentest ihr Qualitätsurteil abgegeben
hat, zwischen den beiden durchgeführten Tests in den Jahren 2003 und 2007 geändert
wurden. Auch sei keine grundlegend neue Darstellung und Gewichtung bei
Durchführung und Bewertung des Tests vorgenommen worden.
25
Wäre ihr Produkt im Jahre 2007 nochmals getestet worden, hätte sich kein anderes
Qualitätsurteil als "GUT" ergeben.
26
Schließlich bestreitet die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Abmahnkosten von
200,00 Euro.
27
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen Bezug genommen.
28
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X Projektleiter bei der
29
Stiftung Warentest.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom
27.05.2009, Bl. 91 ff. d. A., Bezug genommen.
30
Entscheidungsgründe:
31
Die Klage ist begründet.
32
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf, die beanstandete
Werbung zu unterlassen (§ 8 Abs. 1 UWG), denn sie ist irreführend im Sinne des § 5
Abs. 2 Nr. 1 UWG. Dabei steht zwischen den Parteien außer Streit, dass der Kläger
nach § 8 Abs. 3 Ziffer 3 UWG als Verbraucherschutzverband klagebefugt ist, diesen
Anspruch gerichtlich durchsetzen zu lassen.
33
Die Werbung mit Testergebnissen der Stiftung Warentest, deren Veröffentlichung einige
Jahre zurückliegt, ist dann nicht als irreführend anzusehen, wenn der Zeitpunkt der
Testveröffentlichung erkennbar gemacht wird und die angebotenen Waren den
seinerzeit geprüften gleich sind, technisch nicht durch neuere Entwicklungen überholt
sind und für solche Waren keine neueren Prüfungsergebnisse vorliegen (BGH GRUR
1985, 932).
34
Jedoch ist dann die Darstellung von Testergebnisses zu bestimmten Produkten
irreführend, wenn es einen neuen Test gibt, zu dessen Bedingungen der Werbende die
damaligen guten Testergebnisse nicht mehr erzielen würde und hierauf in der Werbung
nicht hingewiesen wird, da in diesem Falle nicht mit Warenangaben, die nur falsch
verstanden werden, geworben wird, sondern dem Kunden wichtige Informationen
vorenthalten werden (OLG Hamm, 4. Zivilsenat, Urteil vom 15.02.2007; 4 U 165/06).
35
Diesen Kriterien wird die maßgebliche Werbung der Beklagten, die allein auf den
Zeitpunkt der Testveröffentlichung im Jahre 2003 hingewiesen hat, nicht gerecht.
36
Denn nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen,
dass für die namentliche Produktgruppe neuere Prüfungsergebnisse vorliegen. Mit dem
Test aus Jahre 2007 hat es ein neues Testverfahren gegeben, dass sich im Vergleich zu
dem Vorgängertest im Jahre 2003 in entscheidenden methodischen und
bewertungsrelevanten Punkten verändert hat. Es ist weiter davon auszugehen, dass das
Fahrradschloss der Beklagten nicht dieselben Testergebnisse wie seinerzeit erzielt
hätte.
37
Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der nachvollziehbaren Aussagen des
Zeugen X, der seit Juli 2007 als Projektleiter für den Bereich "Testen von Sport- und
Freizeitgeräten" bei der Stiftung Warentest tätig ist und der das Projekt des Fahrradtests
im Jahre 2007 geleitet hat. Der Zeuge X hat angegeben, das Prüfprogramm für den
Fahrradschlosstest, welches es schon für das Jahr 2003 gab, für den Test im Jahre
2007 überarbeitet zu haben. Dabei sei ein neues, geändertes Prüfungsprogramm
entwickelt worden, das sich in der Auswertung niedergeschlagen habe. Teilweise
hätten sich Prüfungsmethoden geändert, teilweise auch die Inhalte. Bei dem neuen Test
habe es ein differenziertes Bild bei der Auswertung gegeben.
38
Bei dem Test im Jahre 2007 habe eine differenzierte Darstellung der Kriterien für die
39
Aufbruchsicherheit stattgefunden. Die Bewertung habe sich aufgespalten in die
Forschungskriterien für sogenanntes intelligentes Öffnen einerseits und gewaltsames
Aufbrechen andererseits. Diese Untergruppierung habe es bei dem Test im Jahre 2003
nicht gegeben. Dabei sei es nicht allein um die Darstellung der Testergebnisse
gegangen. Auch inhaltlich hätten sich die Testkriterien im Jahre 2007 geändert und
seien prozentual anders gewichtet in die Bewertung eingeflossen. Schließlich habe sich
bei dem neuerlichen Test im Jahre 2007 auch das Kriterium der Aufbruchzeit von fünf
auf drei Minuten verändert. Zwischenzeitlich habe es eine DIN-Norm gegeben, die die
Anforderungen von Prüfverfahren für Fahrradschlösser neu definierte. Zwar habe es
zum Zeitpunkt des Tests im Jahre 2007 lediglich einen entsprechenden Entwurf der
DIN-Norm gegeben. Da die Stiftung Warentest aber aktuell habe testen wollen, seien in
Anlehnung an den DIN-Norm-Entwurf bereits bestimmte Punkte berücksichtigt worden.
Nach den Angaben des Zeugen Hofmann haben sich im Vergleich zum Test des Jahres
2003 im Jahre 2007 weitere Bewertungskriterien geändert, und zwar beispielsweise bei
der Handhabung von Fahrradschlössern. Auch insoweit sei im Test des Jahres 2007
eine differenzierte Bewertung des Kriteriums vorgenommen worden, insbesondere
soweit es um das Befestigen eines Schlosses am Rad ging.
40
Abschließend folgt die Kammer auch der Einschätzung des Zeugen X, dass sich bei
einer Einbeziehung des Fahrradschlosses der Beklagten in dem Test des Jahres 2007
Änderungen in seiner Bewertung ergeben hätten, wenn auch der Zeuge
nachvollziehbar konkret nicht aufzeigen konnte, wie das Produkt der Beklagten letztlich
bewertungsmäßig abgeschlossen hätte, weil dafür die Parallelen der weiteren
getesteten Schlösser hätten hinzugezogen werden müssen.
41
Auf die mutmaßliche Abschlussnote des Produkts im Test kommt es nach Auffassung
der Kammer auch nicht an, wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls – wie hier – bei
maßgeblichen Kriterien wie Aufbruchsicherheit und Handhabung aufgrund eines
neuerlichen Tests eine differenzierte Betrachtung und Gewichtung erfolgt wäre.
42
Der verständige und kritische Verbraucher wählt ein beworbenes Produkt nicht allein
nach dem Gesamtergebnis eines Warentests aus. Vielmehr kann er davon ausgehen,
dass ihm keine wichtigen Informationen, wie z. B. veränderte, neuere und differenzierte
Testbedingungen und -verfahren, unterschlagen werden; er erwartet ein vollständiges
Bild über "die heutige Relevanz des werbend eingesetzten Testergebnisses" (OLG
Hamm a. a. O.). Bei der Produktinformation über Fahrradschlösser gilt dies
insbesondere für die Kriterien der Aufbruchsicherheit und Handhabung. Wenn sich
diese – wie hier – in einem neueren Test in ihrer Beurteilung nicht unmaßgeblich von
der in einem früher erfolgten Test unterscheiden, kann der Verbraucher erwarten, über
diesen Umstand informiert zu werden.
43
Unter diesen Umständen war es der Beklagten jedenfalls nicht erlaubt, ihr Produkt mit
dem Hinweis auf das Testergebnis der Stiftung Warentest des Jahres 2003 ohne
weitere Hinweise zu bewerben.
44
Danach stellt sich die beanstandete Werbung als irreführend dar und war entsprechend
zu untersagen.
45
Abmahnkosten in Höhe von 200,00 Euro kann der Kläger gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2
UWG beanspruchen, da die Abmahnung berechtigt war.
46
Die Höhe der Abmahnkosten hält die Kammer unter Berücksichtigung vergleichbarer
Fallgestaltungen für angemessen, § 287 ZPO.
47
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.
48