Urteil des LG Hagen vom 20.12.2007

LG Hagen: vergleich, auflösende bedingung, kaution, erfüllungs statt, aufrechnung, vermieter, rückzahlung, sicherheitsleistung, beendigung, abrede

Landgericht Hagen, 10 O 55/07
Datum:
20.12.2007
Gericht:
Landgericht Hagen
Spruchkörper:
10. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 O 55/07
Schlagworte:
Teilvergleich, Vorbehaltsurteil
Normen:
§ 302 ZPO
Tenor:
Der gerichtliche Vergleich der Parteien vom 2.8.2007 wird hinsichtlich
der Höhe der Zahlungsverpflichtung des Beklagten dahingehend
abgeändert, dass er lediglich einen Betrag von 94,76 € zu zahlen hat; im
Übrigen wird der Vergleich für vorbehaltlos erklärt, der Vorbehalt der
Entscheidung über die Gegenforderung des Beklagten fällt weg.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 73%, der Beklagte zu
27%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz nach Beendigung eines
Mietverhältnisses über Gewerberaum zum 1.7.2006 in Anspruch. Der Beklagte
schloss den betreffenden Mietvertrag mit dem Zeugen Y, der Kläger erwarb später
das Haus von der Erbengemeinschaft nach der Mutter des Zeugen Y.
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Der Kläger machte mit der Klage eine Vielzahl von streitigen Schadenspositionen im
Wert von insgesamt 8.670,89 € geltend. Der Beklagte erklärte hilfsweise die
Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung einer angeblich an Herrn Y
geleisteten Kaution von 5.100 DM in Höhe von 2.607,58 € samt Zinsen.
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Die Parteien haben sich durch Vergleich in der mündlichen Verhandlung vom
2.8.2007 darüber geeinigt, dass zur Abgeltung sämtlicher geltend gemachter
Schadenspositionen ein Betrag von 3100 € gezahlt wird und der Rechtsstreit lediglich
bezüglich der Aufrechnung anhängig bleibt.
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Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.720,66
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Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
15.12.2006 zu zahlen.
Er beantragt nunmehr,
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die Hilfsaufrechnung des Beklagten zurückzuweisen und den Vergleich vom
2.8.2007 für vorbehaltlos zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
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den Vergleich vom 8.2.2007 insoweit abzuändern, dass sich die Vergleichssumme
um 2607,58 € nebst 1,5% Jahreszinsen daraus seit dem 1.11.1996 verringert.
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Der Beklagte behauptet, er habe mit dem Zeugen T im Oktober 1996 nach Abschluss
des Mietvertrages vereinbart, dass die aufgrund des Mietvertrages geschuldete
Kaution in Höhe von 5.100 DM mit einem Zahlungsanspruch des Beklagten wegen
Architektenleistungen anlässlich des Umbaus der Räume gegen die Mutter der
Zeugen T und Y verrechnet werde; der Zeuge T habe hierbei für den Zeugen Y als
damaligen Vermieter des Beklagten gehandelt und sei dazu auch berechtigt
gewesen.
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Der Kläger bestreitet eine solche Abrede unter Verweis auf eine unstreitige spätere
Mitteilung des Zeugen Y anlässlich des Verkaufs des betreffenden Hauses, wonach
die Kaution gerade nicht gezahlt wurde.
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Der Beklagte ist außerdem der Ansicht, die Kaution sei ab dem 1.11.1996 mit dem
unstreitig bei Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist üblichen Zinssatz von
1,5% zu verzinsen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und Y; bezüglich
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 25.10.2007 verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Der Vergleich vom 2.8.2007 war für vorbehaltlos zu erklären, hinsichtlich der Höhe
der Zahlungsverpflichtung des Beklagten aber insoweit abzuändern, dass er lediglich
einen Betrag von 94,76 € in Raten wie im Vergleich bestimmt mit Verzinsungs- und
Gesamtfälligkeitsfolge bei Nichtleistung zu zahlen hat; im Übrigen entfällt seine
Zahlungspflicht aus dem Vergleich.
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Die Hilfsaufrechnung ist im Wesentlichen begründet. Die Forderung des Klägers aus
dem Vergleich vom 2.8.2007 verringert sich aufgrund der Hilfsaufrechnung bis auf
einen Betrag von 94,76 €. Nur insoweit entfällt der Vorbehalt der Entscheidung über
die Hilfsaufrechnung des Beklagten, unter dem der Vergleich geschlossen worden
war, im Übrigen – also in Höhe von 3.005,24 € - entfällt die Zahlungspflicht.
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Es handelt sich bei dem Vorbehalt um eine auflösende Bedingung nur bezüglich der
Höhe der Zahlungsverpflichtung, im Übrigen ist der Vergleich unbedingt geschlossen.
Ein solcher Vergleich ist zulässig; schließlich sind auch Teile eines Rechtsstreits
vergleichsfähig, die Gegenstand eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO sein
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können (Musielak/Lackmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Auflage 2007, §
794 ZPO Rn 17 m.w.N.).
Ebenso, wie nach Erlass eines Vorbehaltsurteils gem. § 302 ZPO im Nachverfahren
über die Berechtigung der (Hilfs-)Aufrechnung und damit über den Bestand des
auflösend bedingten Vorbehaltsurteils (vgl. Musielak/ Musielak, Kommentar zur
Zivilprozessordnung, 5. Auflage 2007, § 302 ZPO Rn 9 m.w.N.) entschieden wird, war
im Nachverfahren nach Teilvergleich über die Klageforderung über den Bestand des
Vergleichs in Hinblick auf die Hilfsaufrechnung zu entscheiden. Hierbei war die im
Vergleich zunächst titulierte Forderung zugrunde zu legen und zu prüfen, inwieweit
sie sich durch die Aufrechnung des Beklagten verringert. Anders als beim Endurteil
nach Vorbehaltsurteil, in dem die Klage abgewiesen wird, soweit keine
Vorbehaltloserklärung unter Aufrechterhaltung des Vorbehaltsurteils ergeht, war der
Vergleich entsprechend mit der Folge abzuändern, dass die Zahlungsverpflichtung
des Beklagten entfällt, soweit die Aufrechnungsforderung reicht. Das Endurteil stellt
die auflösende Bedingung für den betroffenen Teil des Vergleichs – vorliegend die
Zahlungsverpflichtung – dar, soweit die Aufrechnungsforderung bestätigt wird.
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Der im Vergleich zunächst titulierte Anspruch des Klägers ist durch die
Hilfsaufrechnung des Beklagten in Höhe von 2.607,58 € zuzüglich 1,5%
Jahreszinsen daraus vom 1.11.1996 bis zum 1.1.2007 erloschen.
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Es bestand ein Gegenanspruch des Beklagten in Höhe von 2.607,58 € auf
Rückzahlung der Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses am 1.7.2006.
Durch die Hilfsaufrechnung mit diesem Anspruch ist der im Vergleich titulierte
Anspruch gem. § 398 BGB erloschen, soweit der Gegenanspruch reicht.
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Der Beklagte hat die Kaution geleistet, und zwar durch Erlass einer Forderung in der
Kaution entsprechender Höhe zugunsten der Mutter der Zeugen T und Y, was der
Zeuge T in Vertretung des Zeugen Y gem. § 364 I BGB an Erfüllungs Statt
angenommen hat.
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Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Beweisaufnahme fest.
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Der Zeuge T hat ausgesagt, dass eine solche Verrechnungsabrede zwischen ihm
und dem Beklagten nach Abschluss des Mietvertrages im Oktober 1996 getroffen
wurde und dass der Zeuge Y ihm – dem Zeugen - insoweit freie Hand zur konkreten
Gestaltung der Abwicklung des Mietvertrages gegeben hatte.
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Die Aussage ist glaubhaft, insbesondere nachvollziehbar und detailreich, vor allem
auch zum Hintergrund der unübersichtlichen vertraglichen Beziehungen der Zeugen
und ihrer Mutter mit dem Beklagten angesichts der zunehmenden Unwilligkeit der
Mutter, ihre Angelegenheiten zu besorgen. Widersprüche des nachfolgenden
Verhaltens des Zeugen Y der Vereinbarung im Verhältnis zum Kläger können die
Glaubhaftigkeit nicht erschüttern, zum einen, weil der Zeuge T selbst bekundet hat,
sein Bruder habe möglicherweise nichts von der Abrede gewusst, was er als
Vertretener auch nicht musste, zum anderen, weil der Zeuge T beliebige denkbare
Gründe für sein späteres Verhalten haben kann.
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Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen T sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich
insbesondere nicht schon daraus, dass der Zeuge der Bruder des Zeugen Y ist,
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welcher dem Kläger mitgeteilt hatte, eine Kaution sei nicht gezahlt worden. Im
Gegenteil würde dieser Umstand bestenfalls nahe legen, dass der Zeuge nach
Möglichkeit keinen Widerspruch zu dieser Mitteilung aufkommen lassen will, um
seinen Bruder nicht etwaigen Regressansprüchen des Klägers auszusetzen, nicht
aber, dass der Zeuge den Beklagten entlasten möchte.
Die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen werden auch
nicht durch die Aussage des Zeugen Y erschüttert. Dieser hat schon nichts
Gegenteiliges bekundet.
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Durch die Verrechnungsabrede erlosch die Verpflichtung des Beklagten, die Kaution
zu zahlen. Die diesbezüglichen Willenserklärungen des Zeugen T wirkten auch für
und gegen den Zeugen Y gem. § 164 I 1 BGB, da dieser seinem Bruder freie Hand
gelassen und ihn somit gem. § 167 I BGB bevollmächtigt hatte; der Beklagte ging
auch davon aus, dass der Zeuge T im Namen seines damaligen Vermieters handelte
gem. § 164 I, II BGB. Die Vereinbarung ist gem. §§ 133, 157 BGB so auszulegen,
dass hierdurch ein Anspruch auf Rückzahlung der betreffenden Summe samt Zinsen
in gleicher Weise entstand, als wenn der Beklagte den Betrag gezahlt hätte. Dies
entspricht dem Sinn und Zweck der Abrede und wird auch vom Zeugen T so bestätigt.
Es ist nicht etwa davon auszugehen, dass die Rückgewähr nach Beendigung
dadurch erfolgen sollte, dass die ursprüngliche Forderung gegen die Mutter der
Zeugen T und Y neu begründet werden sollte.
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Die Vereinbarung ist auch nicht mangels wirksamer Vertretung der Mutter der Zeugen
T und Y durch den Zeugen T unwirksam.
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Zum einen hatte auch die Mutter der Zeugen laut glaubhafter Aussage des Zeugen T
beiden die Verwaltung der Immobilie und somit auch die Abwicklung des
diesbezüglichen Architektenvertrages mit dem Beklagten überlassen, so dass der
Zeuge T sie auch insoweit vertreten konnte. § 181 BGB beschränkt die Vollmacht für
eine Erklärung, nach der die Mutter der Zeugen das Architektenhonorar teilweise
nicht zahlen muss, schon deshalb nicht, weil ihr hierdurch lediglich ein rechtlicher
Vorteil zukommt.
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Zum anderen wäre ein entsprechender Erlassvertrag mit dem Beklagten hinsichtlich
der Forderung gegen die Mutter der Zeugen T und Y schon deshalb wirksam, weil es
sich um ein Geschäft zugunsten Dritter handelte; der Beklagte hätte zugunsten der
Mutter der Zeugen über einen Teil seiner Forderung ihr gegenüber verfügt.
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Ferner konnte der Beklagte Zinsen in Höhe von 1,5% pro Jahr aus der Kaution als
Schadensersatz wegen etwaiger Unterlassung der verzinslichen Anlegung gem. §
551 III BGB zur Aufrechnung stellen, die Vergleichsforderung ist auch insoweit gem. §
389 BGB erloschen.
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Die Verzinsungspflicht greift vorliegend auch ein, da die Verrechnungsabrede eine
Barkaution ersetzt, nicht etwa eine andere Art der Sicherheitsleistung. Sinn und
Zweck des § 551 III BGB, der nur für die Barkaution gilt, nicht für andere Formen der
Sicherheitsleistung wie die Verpfändung von Forderungen, fordern eine Anwendung
auch auf solche Vereinbarungen, die die Barkaution ersetzen. Der Beklagte kann
nicht schlechter stehen, nur weil er und der damalige Vermieter die Hin- und
Herzahlung von Beträgen vermieden haben. Somit hatte er einen Anspruch auf vom
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Vermögen des Vermieters getrennte Anlage der Sicherheit, die sich als im Vermögen
des Vermieter verbliebene Summe darstellte.
Eine Verzinsungspflicht gem. § 551 BGB besteht aber nur bis zum Ende des
Mietverhältnisses bzw. so lange fort, bis der Mieter die Kaution herausverlangen kann
(Staudinger/F, Neubearbeitung 2006, § 551 BGB Rn. 23), also bis zur Fälligkeit des
Rückzahlungsanspruchs. Dieser wird mangels vorherige Bezifferung etwaiger
Ersatzansprüche durch den Vermieter grundsätzlich 6 Monate nach Rückerhalt der
Mietsache fällig, also vorliegend am 1.1.2007.
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Da die Kautionsverrechnungsabrede im Oktober 1996 erfolgte, hat der Beklagte
Anspruch auf Verzinsung für 10 Jahre und 2 Monate. Wird ein Jahreszins von 1,5%
zugrundegelegt, ergibt sich hieraus ein Zinssatz von 15,25% von 2.607,58 € und
somit ein Betrag von 397,66 €. Um diesen Betrag ist die Vergleichssumme weiterhin
zu verringern und somit um insgesamt 3.005,24 €.
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Im Übrigen war die Hilfsaufrechnung nach dem zuvor Ausgeführten zurückzuweisen,
insoweit war der Vergleich bezüglich einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 94,76
€ samt Verzinsungs- und Gesamtfälligkeitsfolge bei Nichtleistung für vorbehaltlos zu
erklären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung
beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
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Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
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Bis zum 25.10.2007 auf 11.708,72 € = 8.670,89 € + 2.607,58 € + 430,25 € (1,5%
Zinsen aus 2.607,58 € für 11 Jahre (16,5%)), danach auf 3.041,09 € = 2.607,58 € +
433,51 € (1,5% Zinsen aus 2.607,58 € für 11 Jahre und 1 Monat (16,625%)), da die
nachträglich insgesamt bis 6.12.2007 berechneten von der Hilfsaufrechnung
erfassten Zinsen entgegen § 4 I ZPO den Streitwert erhöhen, weil sie nicht als bloße
Nebenforderungen geltend gemacht werden.
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