Urteil des LG Giessen vom 10.05.2007

LG Gießen: neue anlage, neuanlage, erbe, tod, besitz, bedürfnis, erblasser, generalvollmacht, nachlass, papiere

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
LG Gießen 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 T 134/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1960 BGB
Nachlasspflegerbestellung bei noch nicht entschiedener
Beschwerde im Erbscheinsverfahren und
Vorsorgevollmacht des Erblassers zugunsten eines
Erbprätendenten
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) haben außergerichtliche Kosten der Beteiligten zu 2) im
Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Beschwerdewert: 3.400,– Euro
Gründe
Die Beteiligten zur 1) und 2) streiten über die Erbfolge nach dem Erblasser. Mit
Beschluss vom 8.9.2003 wies das Amtsgericht einen Antrag der Beteiligten zu 1)
auf Erteilung eines Erbscheins zurück. Die gegen diesen Beschluss gerichtete
Beschwerde wies die Kammer mit Beschluss vom 3.5.2004 (7 T 392/03) zurück.
Über die gegen diese Entscheidung gerichtete weitere Beschwerde hat das
Oberlandesgericht Frankfurt bisher nicht entschieden.
Über einen von den Beteiligten zu 2) gestellten Erbscheinsantrag ist bisher im
Hinblick auf die anhängige weitere Beschwerde keine Entscheidung ergangen.
Die Beteiligten zu 2) haben am 2.2.2007 die Anordnung einer Nachlassbelegschaft
beantragt, weil über die Neuanlage von Wachstumsbriefen aus den Nachlass zu
entscheiden sei.
Mit Beschluss vom 2.3.2007 hat das Amtsgericht für die derzeit unbekannten
Erben des Erblassers gemäß § 1960 BGB Nachlasspflegschaft angeordnet und den
Nachlasspfleger bestellt. Sein Wirkungskreis umfasst die Sicherung und
Verwaltung des Nachlasses hinsichtlich sämtlicher bis zur Erteilung eines
Erbscheins fällig gewordener Wertpapiere, insbesondere der Wachstumsbriefe
KtoNr. ... und ... bei der ... Der Wirkungskreis schließt die Neuanlage und
Inbesitznahme der Papiere ein.
Gegen diese Anordnung richtet sich das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1), die
geltend machen, über eine über den Tod hinaus wirksame Generalvollmacht des
Erblassers zu verfügen und bereit zu sein, eine neue Anlage mit einem
Sperrvermerk, wonach eine Auszahlung nur an die letztendlich festgestellten
Erben erfolgen kann, vorzunehmen. Auf die von ihnen vorgelegte
Vorsorgevollmacht (Bl. 305 bis 308 d. A.) wird Bezug genommen.
Die gegen den Beschluss vom 20.3.2007 gerichtete Beschwerde ist zulässig (§§ 20
FGG, 11 Abs. 1 RpflG). Die Beteiligten zu 1) sind als Erbprätendenten zur Einlegung
der Beschwerde befugt (BayObLG, NJW-RR 2001, 297)
In der Sache das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß § 1960
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß § 1960
BGB liegen vor.
Es besteht ein Sicherungsanlass und ein Sicherungsbedürfnis.
Gegenwärtig ist unbekannt, wer Erbe des Erblassers geworden ist (§ 1960 Abs. 1 S.
2 BGB). Zwar kommen als Erben nach den gegenwärtig zur Verfügung stehenden
Erkenntnissen allein die Beteiligten zu 1) oder die Beteiligten zu 2) in Betracht.
Bekannt ist der Erbe im Sinne von § 1960 BGB bereits dann, wenn eine hohe
Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist (OLG
Köln, FamRZ 1998, 435; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2005, 442; Palandt, BGB,
66. Aufl. § 1960, Rz. 6). Allerdings ist allgemein anerkannt, dass der Erbe auch
dann unbekannt ist, wenn mehrere Erben in Betracht kommen und sich der
Tatrichter nicht ohne weitere Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe ist
(Palandt, a. a. O.; OLG Karlsruhe, Rpfleger 2003, 585; OLG Frankfurt, a. a. O.),
wobei Situationen gemeint sind, in denen weitere Sachaufklärung, z. B. bezüglich
der Testierfähigkeit, erforderlich ist. Nach der Auffassung der Kammer muss
entsprechendes auch gelten, wenn die Erteilung des Erbscheins allein von
Auslegungsfragen hängt, es aber zu einer abschließenden Entscheidung wegen
der Inanspruchnahme mehrerer Rechtszuge über Jahre nicht kommt und
inzwischen ein Sicherungsbedürfnis bezüglich des Nachlasses entsteht.
Das ist hier der Fall, weil mit dem Ende der Laufzeit der Wachstumsbriefe über die
weitere Verwendung und Neuanlage des Geldes entschieden werden muss.
Die von den Beschwerdeführern vorgelegte Vorsorgevollmacht, mit der ihnen von
dem Erblasser über den Tod hinaus Vollmacht erteilt ist, ihn unter anderem in
vermögensrechtlichen Angelegenheiten vertreten, beseitigt das Bedürfnis für die
Einrichtung einer Nachlasspfleger nicht.
Ein Bedürfnis kann zwar fehlen, wenn Nachlassangelegenheiten von einer
Bevollmächtigten Person zuverlässig erledigt werden, oder wenn der Erblasser eine
über den Tod hinaus wirkende Generalvollmacht erteilt hat (Münchener
Kommentar zum BGB, 4 Aufl. §§ 1960, Rz. 18; Palandt, a. a. O., Rz. 5; vgl. auch
OLG Karlsruhe a. a. O.).
Vorliegend kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten zu 1)
aufgrund der über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht zur weiteren Anlage des
Geldes in der Lage sind. Sie führen in der Beschwerdeschrift selbst aus, dass ihnen
bisher unbekannt war, dass zum Nachlass Wachstumsbriefe oder sonstige
Wertpapiere gehören und dass sie über solche Unterlagen nicht verfügen. Zwar
verweisen auch die Beteiligten zu 2), die nach ihrem Vorbringen allerdings
offensichtlich über die Einzelheiten der Wachstumsbriefe informiert sind, darauf,
diese Unterlagen nicht im Besitz zu haben. Ungeachtet der Frage, in wessen
Besitz die Wachstumsbriefe sind, ergibt dieses Vorbringen aber, dass die
Beschwerdeführer auch angesichts der ihnen erteilten Vollmacht rein tatsächlich
nicht in der Lage sind, eine Neuanlage vorzunehmen, weil sie nicht in Besitz der
Briefe sind. Da bisher nicht feststeht, dass sie Erben geworden sind, haben sie
rechtlich auch keine Möglichkeit, die Herausgabe der Briefe an sich geltend zu
machen. Eine solche Befugnis steht nur einem Nachlasspfleger zu, woraus sich ein
Bedürfnis für seine Bestellung rechtfertigt.
Da die Beschwerde bereits aus diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg hat, kann
dahinstehen, ob gegen einen Erfolg auch spricht, dass der bestellte
Nachlasspfleger nach dem Inhalt der Akte bereits eine Neuanlage vorgenommen
haben dürfte. Jedenfalls hat das Amtsgericht am 9.3.2007 Erklärungen des
Nachlasspflegers im Zusammenhang mit einer neuen Anlage der betroffenen
Papiere genehmigt. Jedenfalls momentan ist damit bezüglich einer Neuanlage
nichts mehr zu veranlassen.
Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das
Beschwerdeverfahren beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Für den Beschwerdewert hat sich die Kammer am Vorbringen der Beteiligten zu 2)
zur Höhe eines jährlichen Zinsverlustes orientiert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.