Urteil des LG Giessen vom 01.04.2008

LG Gießen: grundstück, gemeinde, bebauungsplan, erdreich, naturschutz, genehmigung, vergütung, grünfläche, unterliegen, dokumentation

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Gericht:
LG Gießen 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 O 51/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 EEG, § 11 Abs 3
EEG, § 11 Abs 4 Nr 2 EEG
Zukünftige Zahlungpflicht für eine
Stromeinspeisungsvergütung: Voraussetzung des
Vorliegens einer Konversionsfläche bei beabsichtigter
Errichtung einer Photovoltaik-Freiflächenanlage auf einer
ehemaligen Windenergie-Nutzfläche
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin beabsichtigt, eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit 41
aufgeständerten Photovoltaikmodulen in der Gemeinde ... auf einem durch
Bebauungsplan ausgewiesenen Sondergebiet zu errichten. Im Bebauungsplan Nr.
3 vom 19.2.2007 "Photovoltaik – Freiflächenanlage im ... (Bl. 15 bis 42 d.A.) trägt
das Sondergebiet die Bezeichnung "Gemarkung ..., Flur ... Flurbezeichnung ...,
Flurstück ...". In dem Plan wird ausgeführt, das Gebiet könne als Konversionsfläche
angesprochen werden. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks und trug die
Kosten des Bebauungsplanverfahrens, das die Gemeinde ... durchgeführt hat, um
die von der Klägerin beabsichtigte Errichtung der Photovoltaikanlage zu
ermöglichen. Die Grundstücksfläche beträgt ca. 27.000 m².
Auf dem Grundstück wurden zuvor drei Windenergieanlagen betrieben, die
oberirdisch vollständig abgebaut sind. Lediglich die Fundamente mit einer Fläche
von jeweils ca. 85 m² befinden sich noch in ca. 60 bis 70 cm Tiefe auf dem
Gelände. Des Weiteren liegen noch mehrere Nieder- Mittelspannungsleitungen
sowie ein Kabelschacht im Erdreich, der für den Betrieb der Photovoltaikanlage
genutzt werden soll. Bei Errichtung der Windkraftanlagen wurde aufgrund eines
nordrhein-westfälischen Erlasses über die Grundsätze für Planung und
Genehmigung von Windenergieanlagen vom 03.05.2002, der im gesamten
Bundesgebiet Berücksichtigung findet, ein Sicherheitsabstand in Höhe des
dreifachen Durchmessers der Rotoren zwischen den Anlagen eingehalten.
Gegenwärtig wird die Fläche, auf der die Photovoltaikanlage betrieben werden soll,
als Weideland genutzt. Auf einer angrenzenden Fläche werden derzeit 5 weitere
Windenergieanlagen betrieben.
Das Investitionsvolumen für die Photovoltaikanlage beläuft sich auf ca. 300.000
Euro. Die Klägerin macht die Durchführung des Vorhabens vom Ausgang dieses
Rechtsstreites abhängig. Beide Parteien gehen davon aus, dass die Beklagte als
Betreiberin des örtlichen Stromnetzes nach dem gegenwärtigen Stand verpflichtet
ist, die geplante Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien
gem. § 4 EEG anzuschließen und den Strom abzunehmen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte müsse mit der Photovoltaikanlage
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte müsse mit der Photovoltaikanlage
erzeugten und in das von der Beklagten betriebene Netz eingespeisten Strom
nach Maßgabe der §§ 5, 11 Abs. 1, 3, 4 EEG mit 0,3549 Euro je Kilowattstunde
vergüten. Die Privilegierungstatbestände für die Vergütung von Solarstrom aus
sogenannten Freiflächenanlagen lägen vor. Insbesondere handele es sich bei dem
für das Vorhaben vorgesehenen Grundstück um eine wirtschaftliche
Konversionsfläche i.S.d. § 11 Abs. 4 Nr. 2 EEG. Die vormalige Nutzung, für die eine
vollständige Überbauung nicht zu fordern sei, wirke fort.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den für den Fall der Errichtung
der klägerischen Photovoltaikanlage auf dem Grundstück in ..., Gemarkung ..., Flur
... Flurstück Nr. ..., ... erzeugten und in das Netz der Beklagten eingespeisten
Strom entsprechend §§ 5, 11 Abs. 1, Abs. 5 EEG ab dem 01.01.2008 mit 0,3549
Euro je Kilowattstunde zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das zur Nutzung der Photovoltaikanlage
vorgesehene Gebiet sei keine Konversionsfläche i.S.d. § 11 Abs. 4 Nr. 2 EEG 2004,
so dass eine Vergütungsverpflichtung ihrerseits nicht bestehe. Hierzu führt sie an,
dass zuvor nur ein geringer Teil der Grundstücksfläche zur Gewinnung von
Windenergie genutzt worden sei und sich die vormalige Nutzung mit dem Abbau
der Windkrafträder nicht mehr auswirke.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die
Klageschrift, den Schriftsatz der Klägerin vom 29.2.2008 und den Schriftsatz der
Beklagten vom 31.1.2008, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, allerdings unbegründet.
Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) bezüglich einer
Vergütungspflicht der Beklagten nach § 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 11 EEG besteht.
Bisher ist die geplante Photovoltaikanlage zwar noch nicht errichtet, so dass weder
eine Abnahmeverpflichtung noch eine Vergütungspflicht entstanden sind. Jedoch
besteht bereits vor der Errichtung der Anlage und der Herstellung des
Netzanschlusses ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, das eine
ausreichende Grundlage für die Feststellung der gegenseitigen Rechte und
Pflichten bildet und das einem durch Eintritt in Vertragsverhandlungen
begründeten Rechtsverhältnis vergleichbar ist. Im Hinblick auf die erheblichen
Investitionskosten kann der Klägerin nicht zugemutet werden, die Anlage zu
errichten, ohne zuvor die streitige Frage der Vergütungshöhe geklärt zu haben,
von der die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Betriebes der Anlage abhängt (vgl.
BGH NJW-RR 2006, 1485).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Vergütungspflicht für Strom aus erneuerbaren
Energien gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. dem hier allein in Betracht kommenden §
11 Abs. 4 Nr. 2 EEG liegen nicht vor.
Strom aus solarer Strahlungsenergie ist unter Maßgabe des § 11 EEG zu vergüten.
Da die geplante Photovoltaikanlage nicht auf einem Gebäude oder einer
Lärmschutzwand angebracht werden soll, handelt es sich um eine sogenannte
Freiflächenanlage. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Nutzung von bislang
unbebauten Flächen für die Erzeugung von Solarenergie die Ausnahme bilden.
Deshalb wird das Entstehen einer Vergütungspflicht für Freiflächenanlagen
gegenüber Photovoltaikanlagen, die an Dächern und Fassaden befestigt sind, von
den besonderen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 und 4 EEG abhängig gemacht.
Die von der Klägerin angestrebte Vergütungshöhe scheitert jedenfalls daran, dass
es sich bei der genutzten Fläche um keine Konversionsfläche i. S. d. § 11 Abs. 4
Nr. 2 EGG handelt.
Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Anlage vor dem 1.1.2015 in
Betrieb genommen werden wird (§ 11 Abs. 3 EEG). Die Anlage soll auch im
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Betrieb genommen werden wird (§ 11 Abs. 3 EEG). Die Anlage soll auch im
Geltungsbereich eines Bebauungsplanes errichtet werden, der zu diesem Zweck
nach dem 1.9.2003 aufgestellt worden ist, wie der Bebauungsplan Nr. 3 vom
19.2.2007 "Photovoltaik – Freiflächenanlage im ..." zeigt. Die beplante Fläche ist
dort als Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO mit der Zweckbestimmung PV-
Freiflächenanlage ausgewiesen.
Bei der Fläche, auf der die Photovoltaikanlage errichtet werden soll, handelt es sich
aber nicht um eine privilegierte Fläche i.S.d. § 11 Abs. 4 EEG. Insbesondere ist sie
nicht als wirtschaftliche Konversionsfläche gem. § 11 Abs. 4 Nr. 2 EEG zu
qualifizieren.
Von den beiden in der Vorschrift genannten Arten vorheriger Nutzung scheidet
eine militärische Nutzung aus und kommt lediglich eine vorherige wirtschaftliche
Nutzung in Betracht. Das Gesetz enthält keine Definition des Begriffs der
Konversionsfläche. Aus den Gesetzesmaterialen lässt sich nur entnehmen, dass
der Gesetzgeber ehemalige Tagebaugebiete und Abraumhalden als typische
wirtschaftliche Konversionsflächen im Auge gehabt hat (Bericht des Ausschusses
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu den Änderungen durch das. 2.
EEG-ÄndG, BT-Drucks. 15/2864, S. 45). Diesen Flächen ist gemein, dass sie nach
Aufgabe ihrer vormaligen Nutzung brach liegen. Dabei handelt es sich nur dann
um eine Konversionsfläche, wenn die Auswirkungen dieser Nutzungsart noch
fortwirken. Eine lange zurückliegende Nutzung, die keine Auswirkungen mehr auf
den Zustand der Fläche hat, ist nicht ausreichend (Bericht des Ausschusses für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu den Änderungen durch das. 2. EEG-
ÄndG, BT-Drucks. 15/2864, S. 45; Reshöft/Steiner/Dreher, EEG-Handkommentar,
2. Auflage, 2005, § 11 Rn. 25; Altrock/Oschmann/Theobald, EEG-Kommentar, 2006,
§ 11 Rn. 65; Fischer/Lorenzen, Recht der Energiewirtschaft 2004, 209, 211).
Die Kammer neigt zwar der Auffassung zu, dass aufgrund der vorherigen Nutzung
des Geländes für eine Windenergieanlage eine vorherige wirtschaftliche Nutzung
der Fläche i.S.d § 11 Abs. 4 Nr. 2 EEG vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass bei
den Windkraftanlagen einen Sicherheitsabstand in Höhe des dreifachen
Durchmessers der Rotoren zwischen den Anlagen eingehalten wurde und die
vorherige Nutzung das Gelände auch im Übrigen nicht vollständig in Anspruch
genommen hat. Eine vollständige Überbauung kann im Rahmen von § 11 Abs. 4
Nr. 2 EEG nicht gefordert werden. Dies zeigt die Systematik des Gesetzes, das in §
11 Abs. 4 Nr. 1 EEG versiegelte Flächen besonders nennt. Abgesehen davon, dass
einzuhaltende öffentlichrechtliche Abstandserfordernisse die Art der Bebauung mit
prägen und zu deren Charakteristik gehören, und Abstandsflächen deshalb nicht
losgelöst von tatsächlich bebauten oder sonst tatsächlich genutzten Flächen
beurteilt werden können, zeigen auch die in den Gesetzesmaterialen genannten
Beispiele, nämlich Abraumhalden, Tagebaugebiete Truppenübungsplätze und
Munitionsdepots, dass der Gesetzgeber hier eine Nutzung meint, die das
Grundstück nicht lückenlos in Anspruch genommen hat, was im übrigen in der
Praxis auch kaum vorkommen dürfte.
Es fehlt allerdings eine Fortwirkung der ehemaligen wirtschaftlichen Nutzung.
Maßgeblich muss insoweit sein, ob die vormalige Nutzung den Charakter des
Gebietes weiterhin prägt und eine anderweitige Nutzung nicht stattfindet. Das ist
hier nicht der Fall.
Die oberirdischen Teile der Windkraftanlage sind zurückgebaut. Verbliebene
Fundamente befinden sich im Erboden in einer Tiefe von 60 bis 70 cm. Im Erdreich
verborgen sind ebenfalls noch vorhandene Leitungen und ein Kabelschacht.
Gemäß diesem von den Parteien mitgeteilten Sachverhalt kann nicht davon
gesprochen werden, dass die vormalige wirtschaftliche Nutzung das Gelände
weiterhin prägt. Deshalb sind die Windkraftanlagen trotz des Verbleibens von
Bestandteilen im Erdreich, was die Fortwirkung der bisherigen Nutzung anbelangt,
"restlos" zurückgebaut. Darüber hinaus wird das Grundstück auch in anderer Weise
genutzt, nämlich als als Weideland genutzte Grünfläche. Es dient also wieder
einem für den ländlichen Außenbereich typischen Nutzungszweck. Eine
landwirtschaftliche Nutzung ist – das ergibt die Systematik aus § 11 Abs. 4 Nr. 3
EEG – keine wirtschaftliche Nutzung i.S.d. Abs. 4 Nr. 2 1. Alternative.
Durch die Einschätzung der zuständigen Gemeinde, bei der beplanten Fläche
handele es sich um eine Konversionsfläche im Sinne des § 11 Abs. 4 Nr. 2 EEG, ist
das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht etwa präjudiziert. Das Erfordernis
eines Bebauungsplans, stellt gemäß § Abs. 4 EEG eine der dort erforderlichen
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eines Bebauungsplans, stellt gemäß § Abs. 4 EEG eine der dort erforderlichen
Voraussetzung dar. Das Gesetz räumt der den Plan aufstellenden Gemeinde aber
nicht die Befugnis ein, bindend über das tatsächliche Vorliegen einer
Konversionsfläche zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen der Klägerin (§ 91 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.