Urteil des LG Giessen vom 25.04.2007

LG Gießen: zwangsverwaltung, weisung, mieter, eigentümer, prozessführungsbefugnis, gerichtsverfahren, liquidator, hinterlegung, beschlagnahme, beendigung

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Gericht:
LG Gießen 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 T 62/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 152 Abs 1 Halbs 2 ZVG, §
153 ZVG, § 155 ZVG
Aufhebung der Zwangsverwaltung: Entfallen der
Beschlagnahmewirkung; Prozessführungsbefugnis des
Zwangsverwalters nach Antragsrücknahme
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung über den Antrag des Zwangsverwalters vom 27.07.2006 auf
Erteilung einer Weisung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten der
Gläubigerin zu 1) sind nicht zu erstatten.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Mit Beschluss vom 19.4.2002 hat das Amtsgericht die Zwangsverwaltung des o. g.
Grundbesitzes auf Antrag der Beteiligten zu 1) wegen eines dinglichen Anspruchs
auf 613.550,25 Euro Grundschuldkapital nebst Zinsen und Kosten des Verfahrens
angeordnet. Zum Zwangsverwalter wurde Rechtsanwalt ... bestellt. Mit Beschluss
vom 27.5.2002 hat das Amtsgericht den Beitritt der Beteiligten zu 2) wegen
persönlicher Ansprüche in Höhe von insgesamt 119.812,08 Euro zugelassen. Mit
Beschluss vom 2.4.2003 wurde der Teilungsplan (Bl. 151 – 157 d. A.) festgestellt
und der Zwangsverwalter angewiesen, Zahlungen nach Maßgabe des
Teilungsplanes an die Berechtigten zu leisten.
Mit Schreiben vom 8.5.2003 hat die Beteiligte zu 1) die Aufhebung des Verfahrens
beantragt. Mit Beschluss vom 23.12.2003 hat das Amtsgericht das
Zwangsverwaltungsverfahren aufgehoben, soweit es von der Beteiligten zu 1) aus
dem Anordnungsbeschluss vom 19.4.2002 betrieben wird.
Mit Schreiben vom 23.1.2004 haben die Beteiligten zu 2) beantragt, die
Zwangsverwaltung einzustellen. Auf einen entsprechenden Hinweis des
Amtsgerichts haben sie mit Schreiben vom 9.6.2004 die Aufhebung des
Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 14.7.2004 hat das Amtsgericht das
Zwangsverwaltungsverfahren von den Beteiligten zu 2) betrieben aus dem
Beitrittsbeschluss vom 27.5.2004 aufgehoben und festgestellt, dass das Verfahren
damit insgesamt aufgehoben ist.
Unter dem 4.8.2004 hat der Zwangsverwalter beantragt, den Beschluss vom
14.7.2004 dahingehend zu ergänzen, dass der Zwangsverwalter weiterhin
berechtigt bleibt, Forderungen aus der Zeit der Zwangsverwaltung in eigenem
Namen fortführen zu können. Er hat zur Begründung ausgeführt, dass der
ehemalige Mieter und jetzige Eigentümer des Anwesens der
Zwangsverwaltungsmasse noch Mietzahlungen in Höhe von 42.131,39 Euro
schulde und er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ohne eine
Ermächtigung im Aufhebungsbeschluss von ihm bereits eingeleitete
Zahlungsprozesse nicht mehr fortführen könne. Auf eine Anfrage des
Amtsgerichts haben die Beteiligten zu 1) und 2) mitgeteilt, dass gegen die
beantragte Änderung des Beschlusses keine Einwände bestünden
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beantragte Änderung des Beschlusses keine Einwände bestünden
beziehungsweise dieser zugestimmt werde. Der Nachtragsliquidator der
Schuldnerin hat hingegen mit Schreiben vom 24.8.2004 ausgeführt, dass das
Zwangsverwaltungsverfahren nunmehr beendet sei und das
Zwangsverwaltungsverfahren nicht dazu da sei, dass der ehemalige
Zwangsverwalter Forderungen aus der Zeit der Zwangsverwaltung im eigenen
Namen nach Beendigung der Zwangsverwaltung fortführen kann.
Mit Beschluss vom 10.11.2004 (Bl. 246 d. A.) hat das Amtsgericht beschlossen,
dass der Zwangsverwalter berechtigt bleibt, die geschuldeten Mieteinnahmen des
ehemaligen Mieters und jetzigen Eigentümers in Höhe von 42.131,39 Euro aus der
Zeit der Zwangsverwaltung in eigenem Namen beizutreiben. Das Amtsgericht hat
ferner in einem gleichlautenden Schreiben vom gleichen Tag an die Schuldnerin,
die Gläubiger und den Zwangsverwalter ausgeführt, dass der Verwalter die
Beitreibung nur nach Weisung der Gläubiger fortführen dürfe und er einen etwaigen
Überschuss im Rahmen des Teilungsplanes auszuschütten hätte.
Nach Abschluss des Zivilverfahrens gegen den Mieter, mit dem dieser zur Zahlung
von 42.131,39 Euro verurteilt wurde, hat der Zwangsverwalter unter dem
27.7.2006 das Amtsgericht um Weisung gebeten, wie der Betrag verteilt werden
soll und ob der Teilungsplan noch in seiner ursprünglichen Ausführung greife, da er
nicht wisse, wer aus dem zwischenzeitlichen Verkauf der Immobilie in welcher Höhe
befriedigt worden sei. Die Beteiligte zu 1) hat den Überschuss für sich gefordert,
die Beteiligten zu 2) haben für eine Auskehrung an die Schuldnerin plädiert. Der
Liquidator der Schuldnerin hat mitgeteilt, dass sein Amt mit Verfahrensaufhebung
beendet sei und er deshalb zur Entgegennahme des Geldes nicht berechtigt sei.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 (Bl. 329, 330 d. A.) hat das Amtsgericht den
früheren Zwangsverwalter angewiesen, den vorhandenen Überschuss zu Gunsten
der Schuldnerin zu hinterlegen. Es hat zur Begründung Folgendes ausgeführt: eine
Auskehrung an die Gläubiger sei nicht mehr statthaft, nachdem das Verfahren
durch Antragsrücknahme beendet worden war. Nur bei einer Verfahrensaufhebung
infolge Zuschlags wäre der Überschuss an die Gläubiger auszuzahlen gewesen.
Die in dem Schreiben des Amtsgerichts vom 10.11.2004 enthaltenen
Ausführungen würden lediglich eine Meinungsäußerung darstellen, die keine
Bindungswirkung entfalten könne. Außerdem würden der Beteiligten zu 1) keine
dinglichen Ansprüche mehr zu stehen, da die zu ihren Gunsten eingetragenen
Grundschulden aufgrund Löschungsbewilligung bereits im Jahre 2004 gelöscht
worden seien. Da der Nachtragsliquidator mitgeteilt habe, nicht
empfangsberechtigt zu sein, käme nur eine Hinterlegung des Überschusses zu
Gunsten der Schuldnerin in Betracht.
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 4.12.2006 (Bl.
335, 336 d. A.) Erinnerung eingelegt. Sie hat u. a. vorgetragen, sie habe einen
persönlichen Schuldtitel gegen das Vorstandsmitglied der Schuldnerin, ... Damals
sei nur deshalb die Zustimmung zur Fortführung des Rechtsstreits gegen den
Mieter gegeben worden, um bei positivem Ausgang des Verfahrens die Erlöse
erhalten zu können. Andernfalls hätte keinen Grund zur Fortführung des
Rechtsstreits bestanden.
Auch die Beteiligten zu 2) haben mit Schriftsatz vom 18.12.2006 gegen den
Beschluss vom 29.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, statt der
Hinterlegung die Auszahlung an den Liquidator anzuordnen.
Sowohl die Beteiligte zu 1) als auch die Beteiligten zu 2) haben vorläufige
Zahlungsverbote erwirkt (s. Bl. 341, 342, 312, 343, 355 d. A.).
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) ist als sofortige Beschwerde zulässig (vgl.
Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 153 Rz. 5.2) und hat auch in der Sache mit der Maßgabe
Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist und die Sache zur
erneuten Entscheidung über die von dem Zwangsverwalter erbetene Weisung
zurückzuverweisen ist.
Das Amtsgericht hat den Zwangsverwalter zu Unrecht gemäß § 153 Abs. 2 S. 1
ZVG angewiesen, den verbleibenden Restbetrag zu Gunsten der Schuldnerin zu
hinterlegen.
Mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung enden die Aufgaben des
Zwangsverwalters und die Beschlagnahmewirkungen entfallen. Ab diesem
Zeitpunkt stehen somit nach Berichtigung vorrangiger Ansprüche im Sinne des §
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Zeitpunkt stehen somit nach Berichtigung vorrangiger Ansprüche im Sinne des §
155 ZVG die verbleibenden und bereits gezogenen Nutzungen den
Grundstückseigentümern zu (Stöber, a. a. O., § 161 Rz. 5.2; LG Heilbronn, Rpfleger
1996, 37). Endet die Zwangsverwaltung, wie hier, durch Antragsrücknahme, so
erlischt mit dem Aufhebungsbeschluss auch die aus § 152 Abs. 1, 2. Hs. ZVG
abgeleitete Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters auch für anhängige
Prozesse, sofern das Versteigerungsgericht nicht eine Fortdauer im
Zusammenhang mit der Aufhebung erkennbar bestimmt, Eine solche Anordnung,
dass die Beschlagnahmewirkung in derartig begrenzter Weise aufrechterhalten
bleiben soll, ist möglich, wenn aus dem Recht des Gläubigers weiter protestiert
werden soll (BGH NZI 2004, 54). Das Vollstreckungsgericht kann daher den
Aufhebungsbeschluss in diesem Umfange einschränken (BGH a. a. O.).
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht den Aufhebungsbeschluss vom
14.7.2004 mit Beschluss vom 10.11.2004 dahin eingeschränkt, dass der
Zwangsverwalter berechtigt bleibt die geschuldeten Mieteinnahmen beizutreiben.
Im Wege der Auslegung ergibt sich, dass insoweit auch die Beschlagnahmewirkung
aufrechterhalten bleiben sollte.
Da ... gegen den sich das Verfahren auf Zahlung von 42.131,39 Euro richtete,
bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses am 10.11.2004 Eigentümer
des betreffenden Anwesens war, hätte, wenn nicht den Gläubigern, ihm der
Verfahrensüberschuss zugestanden. Denn wenn während das
Zwangsverwaltungsverfahren das Eigentum gewechselt hat, tritt an die Stelle des
früheren Eigentümers als Schuldner der neue Eigentümer und dieser hat jetzt den
Überschuss zu beanspruchen (Stöber, a. a. O., § 161 Rz. 5.7). Das von den
Zwangsverwalter weiterbetriebene Gerichtsverfahren wäre sinnlos, wenn der
ausgeurteilte Betrag an denjenigen, der die Zahlung erbringen muss, gezahlt
werden müsste.
Zwar nimmt die überwiegende Rechtsmeinung an, dass die Rücknahmeerklärung
aus sich heraus rechtsgestaltend wirkt und der anschließende
Aufhebungsbeschluss nur noch klarstellende Bedeutung hat (OLG Köln VersR
1994, 113, 114; LG Heilbronn a. a. O.; Stöber a. a. O., § 161 Rz. 2.3). Danach
endet die Beschlagnahme mit dem Eingang der Rücknahmeerklärung bei Gericht.
Würde man dieser Auffassung folgen, so hätte der nur deklaratorisch wirkende
Beschluss vom 14.7.2004 in Verbindung mit der Ergänzung vom 10.11.2004 eine
Beschlagnahme nicht teilweise aufrechterhalten können.
Dennoch haben die am Verfahren Beteiligten nach Sinn und Zweck
übereinstimmend gewollt, dass der Zwangsverwalter das gegen den Mieter
eingeleitete Gerichtsverfahren weiterführt mit dem Ziel, den Erlös an die Gläubiger
im Rahmen des Teilungsplanes auszuschütten. Aus welchem Grunde sollten sonst
die Gläubiger das Risiko des Prozessausgangs tragen und auch die Vergütung des
Zwangsverwalters, ohne die Aussicht zu haben, einen etwaigen Überschuss aus
dem Verfahren erzielen zu können. Rechtlich ist dieses Ziel, wenn von einer
Unwiderruflichkeit der Rücknahmeerklärung ausgegangen wird (vgl. Stöber a. a. O.,
§ 161 Rz. 3.6), dadurch zu erreichen, dass die Zwangsverwaltung insoweit teilweise
erneut angeordnet wird.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, weil nicht der Schuldnerin der
vorhandene Überschuss zusteht. Über die von dem Zwangsverwalter unter dem
27.07.2006 beantragte Weisung mit der angesprochenen Problematik, ob der
Teilungsplan vom 02.04.2003 auch nach Veräußerung des Grundbesitzes mit einer
möglicherweise erfolgten Löschung der eingetragenen Grundschuld zugunsten der
Gläubigerin zu 1) noch gilt, hat das Amtsgericht nicht entschieden. Dies
rechtfertigt die Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Gerichtskosten fallen mangels eines Gebührentatbestandes nicht an (vgl. GKG-KV
Nr. 2240,2241). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Gläubigerin zu
1) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Beteiligten des
Zwangsverwaltungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der
Zivilprozessordnung gegenüber stehen (vgl. für das
Zwangsversteigerungsverfahren BGH, Beschluss v. 21.09.2006, V ZB 76/06).
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 3, Abs. 2 ZPO zuzulassen. Der Frage,
ob eine (zunächst vollständige) Rücknahmeerklärung bzw. der Antrag auf
Aufhebung des Verfahrens oder auch ein ggf. nur deklaratorisch wirkender ...
Aufhebungsbeschluss im Nachhinein noch eingeschränkt werden kann, kann eine
grundsätzliche Bedeutung nicht abgestritten werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.