Urteil des LG Freiburg vom 12.12.2013

straftat, bewegliche sache, herausgabe, republik

LG Freiburg Beschluß vom 12.12.2013, 8 Qs 7/13
Beschlagnahme von ägyptischen Kulturgütern: Anordnung der Rückgabe an
den ägyptischen Staat bei Strafbarkeit eines Teilaspekts des
Gesamtgeschehens nach deutschem Recht
Leitsätze
Dem Verletzten durch die Straftat entzogen i. S. d. § 111k S. 1 StPO ist eine Sache
auch dann, wenn nur ein Teilaspekt des Gesamtgeschehens nach deutschem Recht
strafbar ist und die im Strafverfahren abgeurteilte Tat Teil eines einheitlichen
Lebenssachverhalts i. S. des § 264 StPO ist, der zur Entziehung der Sache geführt
hat.
Tenor
Die Beschwerde des Verurteilten B. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach
vom 11. Juni 2013 wird verworfen, soweit es sich um folgende drei Gegenstände
handelt:
- ein Miniaturobelisk
- eine rechteckige Nischenstele
- ein Statuenschrein
Bezüglich des vierten Gegenstandes (ein Schnurösengefäß) wird der genannte
Beschluss auf die Beschwerde des Verurteilten aufgehoben. Insoweit wird der Antrag
der Staatsanwaltschaft Freiburg - Zweigstelle Lörrach - vom 25. März 2013
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.
Gründe
I.
1 Der Beschwerdeführer reiste am 13. Februar 2009 am Grenzübergang Weil am
Rhein aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Fahrzeug führte
er 4 ägyptische Kulturgüter (1 Miniaturobelisk, 1 rechteckige Nischenstele, 1
Statuenschrein und 1 Schnurösengefäß) mit, die er über die Grenze bringen wollte,
ohne deren Einfuhr anzumelden. Hierdurch wollte er die Erhebung der
Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von mindestens 3.920 EUR umgehen. Bei der
Grenzkontrolle wurden die Kulturgüter jedoch aufgefunden und gemäß §§ 94, 98
StPO als Beweismittel sichergestellt.
2 Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 13. August 2012 wurde gegen
den Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung und versuchter
Steuerhinterziehung eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu
jeweils 45 EUR festgesetzt. Der Strafbefehl ist seit dem 30. August 2012
rechtskräftig.
3 Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Freiburg - Zweigstelle Lörrach - hat das
Amtsgericht Lörrach mit Beschluss vom 11. Juni 2013 gemäß § 111k StPO die
Herausgabe der noch sichergestellten 4 Kunstgegenstände an die Arabische
Republik Ägypten angeordnet.
4 Hiergegen wendet sich die mit Verteidigerschriftsatz vom 18. Juni 2013 eingelegte
und mit Schriftsatz vom 9. August 2013 begründete Beschwerde.
5 Die zulässig eingelegte Beschwerde hat in der Sache nur einen geringen
Teilerfolg.
II.
6 Das Amtsgericht Lörrach war auch nach rechtskräftigem Abschluss des
Strafverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft Freiburg - Zweigstelle Lörrach -
gemäß § 111k S. 3 StPO zur Entscheidung über die Herausgabe zuständig.
III.
7 Grundsätzlich sind beschlagnahmte Sachen, wenn sie für das Strafverfahren nicht
mehr benötigt werden, an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben. Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 111 k StPO vor. Hiernach soll eine
bewegliche Sache, die nach § 94 beschlagnahmt oder sonst sichergestellt oder
nach § 111c Abs. 1 beschlagnahmt worden ist und für Zwecke des Strafverfahrens
nicht mehr benötigt wird, dem Verletzten, dem sie durch die Straftat entzogen
worden ist, herausgegeben werden, wenn er bekannt ist und Ansprüche Dritter
nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind bezüglich der drei
Gegenstände Miniaturobelisk, rechteckige Nischenstele und Statuenschrein für die
Arabische Republik Ägypten als Verletzte erfüllt.
8 1. § 111 k StPO ist vorliegend grundsätzlich anwendbar. Die Vorschriften des
KulturgüterrückführungsG über die Rückgabepflicht und die Anhaltung von
Kulturgut stellen gegenüber § 111 k StPO keine lex specialis dar, das die
Anwendung von § 111 k StPO ausschlösse. Das KulturgüterrückführungsG regelt
nämlich den Umgang mit Kulturgütern auch für den Fall, dass die Gegenstände
nicht im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmt wurden.
9 2. Die Voraussetzungen des § 111 k S. 1 StPO liegen im Hinblick auf die drei
genannten Gegenstände auch vor.
10 a) Die Gegenstände wurden im Rahmen des Strafverfahrens gegen den
Verurteilten B. sowie die getrennt verfolgten J. B. und E. M. beschlagnahmt, als der
Verurteilte B. mit ihnen aus der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland
einreiste, ohne sie zu deklarieren. Sie werden für das Strafverfahren nicht mehr
benötigt.
11 b) Die Arabische Republik Ägypten ist bezüglich der drei genannten Gegenstände
Verletzte.
12 Gem. Art. 1 des ägyptischen Antikengesetzes gelten bewegliche Gegenstände als
„Antike“, wenn es sich um ein Erzeugnis der ägyptischen Kultur oder einer der
Nachfolgekulturen handelt, welches auf ägyptischem Boden vor mindestens 1000
Jahren seit dem Beginn der prähistorischen Zeit entstanden ist.
13 Nach den insoweit im Wesentlichen übereinstimmenden Gutachten sämtlicher im
Ermittlungsverfahren hinzugezogener Sachverständiger sind diese
Voraussetzungen für die drei genannten Gegenstände erfüllt.
14 Gem. Art. 6, 8 des ägyptischen Antikengesetzes sind diese Gegenstände
öffentliches Eigentum und können nur mit schriftlicher Erlaubnis verkauft werden.
Eine entsprechende Erlaubnis liegt nicht vor, wie die ägyptischen Behörden
mitteilten. Auch der Verurteilte hat das Vorliegen einer solchen Erlaubnis nicht
behauptet. E. M., der vor dem Verurteilten B. Besitz an den Gegenständen hatte,
wurde von der Staatsanwaltschaft Bern rechtskräftig wegen Verstoß gegen das
schweizerische KulturgütertransferG zu einer Geldstrafe 100 Tagessätzen à 30,-
CHF verurteilt, was den Schluss nahelegt, dass auch er eine Verkaufserlaubnis
der ägyptischen Behörden nicht behauptet hat bzw. eine solche eventuelle
Behauptung widerlegt wurde.
15 Ägypten ist daher Eigentümer der genannten drei Gegenstände.
16 c) Diese sind der Arabischen Republik Ägypten auch „durch die Straftat“ i. S. d. §
111 k StPO entzogen worden.
aa)
17 Aus den Ermittlungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:
18 Die Nischenstele und der Statuenschrein waren im November 2008 noch in
Ägypten und wurden dort vom Beschwerdeführer selbst fotografiert. Der
Beschwerdeführer hat allerdings behauptet, die Gegenstände vor der Übergabe in
Bern nie selbst gesehen zu haben, sondern im Auftrag eines A. F. bei E. M. in
Bern abgeholt zu haben, um sie dem Händler J. B. zu bringen. E. M. seinerseits
hatte bestritten, die Gegenstände in einem falsch deklarierten Container aus Italien
eingeführt zu haben und Kontakt mit einem A. F. zu haben (vgl. AS 1837). E. M.
wurde aber in der Schweiz durch Strafbefehl vom 15.03.2013 wegen der Einfuhr
aller vier hier streitigen Gegenstände in einem falsch deklarierten Container aus
Italien in die Schweiz rechtskräftig nach dem Schweizer KunstgütertransferG zu
einer Geldstrafe verurteilt.
19 Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass der
Beschwerdeführer auf irgendeine Weise in die im Zeitraum zwischen November
2008 und Februar 2009 erfolgte unerlaubte Ausfuhr der Kulturgüter aus Ägypten
verwickelt war, und zwar nach seiner eigenen Einlassung mindestens als
Transporteur, möglicherweise auch als Importeur. Dass die Verfahren gegen E. M.
und F. wegen Beteiligung an der Steuerhinterziehung von der Staatsanwaltschaft
Lörrach nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden (AS 1827 ff.), steht dem nicht
entgegen. Diese Einstellungen beruhen nicht etwa auf der Annahme, die
Kulturgüter seien rechtmäßig aus Ägypten exportiert worden, sondern auf der nicht
geklärten Art des Zusammenwirkens zwischen dem Beschwerdeführer einerseits
und den genannten anderen Personen andererseits. Die mehrfach vorgebrachte
Behauptung des Beschwerdeführers, er sei davon ausgegangen, dass es sich um
Fälschungen handele, ist bereits deshalb nicht überzeugend, weil er nach seiner
eigenen Einlassung für die Transporte teilweise nicht unbeträchtlich bezahlt wurde
und mit A. F., seiner Einlassung zufolge, schon seit vielen Jahren
zusammenarbeitet. A. F. wird seinerseits seit 2003 von Ägypten wegen der
unerlaubten Ausfuhr von Kulturgütern aus Ägypten mit internationalem Haftbefehl
gesucht.
20 Die nicht deklarierte Einfuhr der genannten Gegenstände in das Bundesgebiet ist
bei dieser Sachlage als Teil eines Gesamttatplans anzusehen, den der
Beschwerdeführer kannte und in dem er eine bewusste Rolle spielte. Eine
zollrechtliche Deklaration hätte nämlich zur zumindest vorläufigen Beschlagnahme
der Kulturgüter nach §§ 8, 16 KulturgüterrückführungsG geführt.
bb)
21 Bei Zugrundelegung dieses Sachverhalts wurden die drei genannten
Gegenstände Ägypten durch die Straftat entzogen, die Gegenstand des
Verfahrens war.
22 Zwar sind die genannten drei Gegenstände Ägypten nicht durch die materiell-
rechtlich abgeurteilte Straftat nach § 370 AO selbst abhanden gekommen. Hinzu
kommt, dass die - wie auch immer geartete, sich aber sowohl aus seiner
Einlassung als auch aus den auf seine Tatbeteiligung als Importeur hinweisenden
Indizien sicher ergebende - Beteiligung des Beschwerdeführers an der Ausfuhr
der Gegenstände aus Ägypten nach deutschem Recht materiell-rechtlich nicht
strafbar war. Das deutsche KulturgüterrückführungsG von 2007 enthält für eine
Strafbarkeit nach § 20 dieser Vorschrift nämlich Voraussetzungen, die vorliegend -
und auch in zahlreichen anderen Fällen des Verbringens von Kulturgütern aus
UNESCO-Vertragsstaaten in die Bundesrepublik, vgl. Bericht der
Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland vom 15.08.2013, S. 62 f.
(http://www.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BPA/BKM/2013-08-12--
bericht-kulturgutschutz.html) - nicht erfüllt waren. Eine Strafbarkeit nach § 246
StGB (Unterschlagung) oder § 259 StGB (Hehlerei oder Beihilfe dazu) scheiterte
an §§ 6, 7, StGB, da diese Taten nicht auf deutschem Boden begangen wurden
und der Beschwerdeführer kein deutscher Staatsangehöriger ist.
23 Das Verhalten des Beschwerdeführers, das Gegenstand des umfangreichen
Ermittlungsverfahrens war, stellt sich aber als einheitlicher Lebenssachverhalt i. S.
d. § 264 StPO dar. Ein Teilaspekt dieses Gesamtgeschehens war auch nach
deutschem Recht strafbar. Daher handelt es sich bei dem dem Verfahren
zugrundeliegenden Gesamtlebenssachverhalt um „die Straftat“ im Sinne des §
111 k S. 1 StPO.
24 Dahinstehen kann bei dieser Sachlage die Streitfrage, ob es sich bei der Straftat,
durch die die Gegenstände dem Verletzten i. S. d. § 111 k StPO entzogen wurde,
auch um irgendeine Straftat gehandelt haben kann, die in keiner Weise
Gegenstand des Verfahrens war (so OLG Düsseldorf NStZ 1984, 567; OLG Celle,
Beschluss vom 21.12.2001, 2 Ws 282/01, bei juris) oder ob die Straftat
Gegenstand des Verfahrens gewesen sein muss, in dem die Beschlagnahme
erfolgte (so LR/Schäfer, StPO, § 111 k, Rn. 7; SK/Wohlers, StPO, § 111 k, Rn. 58
zu § 98, Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 111 k, Rn. 6 sowie Gropp, Anmerkung
zu OLG Düsseldorf NStZ 1984, 567 in NStZ 1984, 568).
cc)
25 Die Gegenstände wurden Ägypten auch unmittelbar durch die Tat entzogen. Mit
dem Unmittelbarkeitskriterium sollen die Fälle ausgeschlossen werden, in denen
die beschlagnahmten Gegenstände nur noch Surrogate der ursprünglich
entzogenen Gegenstände sind. Durch die Rückgabe nach § 111 k StPO soll
nämlich an den Verletzten kein Schadensersatz geleistet werden, sondern
lediglich vermieden werden, dass der Staat sich durch die Rückgabe an den
letzten Gewahrsamsinhaber an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen
Zustands beteiligt.
26 d) Rechte Dritter stehen der Herausgabe nicht entgegen. Der Beschwerdeführer
hat nicht behauptet, weitergehende Rechte als den bloßen vorherigen Gewahrsam
an den Gegenständen zu haben. Solche sind auch nicht erkennbar. Die
Zollverwaltung hat der Herausgabe zugestimmt (AS 1983).
IV.
27 Bezüglich des Schnurösengefäßes sind die Voraussetzungen des § 111 k StPO
dagegen nicht erfüllt. Die Echtheit dieses Gefäßes wurde von den
Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Einig waren sich die Sachverständigen
darin, dass das Gefäß, wenn es echt ist, nicht aus Ägypten stammen dürfte,
sondern aus einer anderen Region des vorderen Orients. Zwar hat Ägypten ein
Gutachten vorgelegt, wonach es sich bei allen vier Gegenständen um ägyptische
Antiken handeln soll. Dieses ist aber nicht begründet und entkräftet daher die
Zweifel an der ägyptischen Herkunft nicht, die sich aus den teilweise sehr
ausführlich begründeten Gutachten ergeben, die im vorliegenden Verfahren
eingeholt wurden. Diesbezüglich war die Anordnung der Herausgabe an den
Verletzten daher aufzuheben und der entsprechende Antrag der
Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.
IV.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO. Der Wert des
Schnurösengefäßes betrug nach den in der Akte vorliegenden verschiedenen
Wertschätzungen jeweils unter 10 % des Gesamtwertes der vier Gegenstände,
sodass es nicht geboten war, die Kostenentscheidung zu quoteln.