Urteil des LG Freiburg vom 24.11.2016

nebenkosten, vergütung, übereinstimmung, fahrtkosten

LG Freiburg Urteil vom 24.11.2016, 3 S 148/16
Leitsätze
Zur Bestimmung der erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall, wenn der Geschädigte
und der von ihm mit der gutachterlichen Feststellung des Schadens beauftragte Sachverständige keine konkrete
Gebührenvereinbarung getroffen haben.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 02.06.2016 - 2 C 2235/15 - im
Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 26,72 nebst 5
Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 10.06.2015 zu bezahlen.
II. Das in I. näher bezeichnete Urteil des Amtsgerichts ist nach Maßgabe der erfolgten Abänderung vorläufig
vollstreckbar.
III. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 32 %, die Klägerin zu 68 %.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte restliche Schadensersatzansprüche
(Gutachterkosten) aus einem Verkehrsunfall geltend, den ein Versicherungsnehmer der Beklagten
alleinverschuldet hat.
2 Die Reparaturkosten am beschädigten Fahrzeug betragen nach den sachverständigen Feststellungen der
Klägerin 1953,50 EUR netto. Die vom Geschädigten mit der Schadensermittlung beauftragte Klägerin, an die
entsprechende Ansprüche abgetreten wurden, stellte am 13.11.2014 folgendes in Rechnung:
3
Honorar
345,00 EUR
Porto/Telefon
17,00 EUR
Fahrtkosten 59km x 1,05 EUR
61,95 EUR
Originalfotos 15 x 2,30 EUR
34,50 EUR
Fotos in Gutachtendoppel 15 x 1,50 EUR 22,50 EUR
Schreibkosten Originalseite 5 x 2,70 EUR 13,50 EUR
Schreibkosten Kopie 5 x 1,20 EUR
6,00 EUR
Zwischensumme
500,45 EUR
19% MwSt.
95,09 EUR
Summe
595,54 EUR
4 Die Beklagte zahlte hierauf nach ihrer Ansicht angemessene 511,31 EUR. Die Differenz war Gegenstand des
erstinstanzlichen Verfahrens.
5 Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Gutachtens zur Frage der üblichen Vergütung mit der
Erwägung stattgegeben, unter Zugrundelegung des Tableaus der BVSK Honorarbefragung 2015 ergäben
sich zwar Überschreitungen bei den berechneten Nebenkosten, doch läge das berechnete Gesamthonorar
insgesamt noch im Rahmen der Empfehlung der BVSK 2015.
6 Mit ihrer vom Amtsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Ihre Einwendungen gegen die
grundsätzliche Erforderlichkeit der geltend gemachten Nebenkosten hat sie
dahingehend konkretisiert, dass nicht klar sei, ob der Sachverständige bei seiner Fahrstrecke mehrere
Fahrzeuge besichtigt habe und die Erforderlichkeit der Anfertigung bestimmter Lichtbilder durch den
Sachverständigen bestritten werde. Im Übrigen seien die Seiten 1 - 5 des Schadensgutachtens als - lediglich
auszufüllendes - Muster in der EDV des Sachverständigen hinterlegt. Die Kammer hat den erstinstanzlich
tätigen Sachverständigen im Kammertermin ergänzend angehört (§ 411 Abs.3 ZPO).
7 Im Übrigen wird nach § 540 Abs. 2 iVm § 313 a Abs. 1 ZPO auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.
II.
8 Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten
noch 26,72 EUR verlangen.
1.
9 Die Klägerin ist unstreitig aktivlegitimiert. Sie hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus
abgetretenem Recht. Die abgetretene Forderung ist hinreichend bestimmt. Ein den Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs vom 21.06.2016 (VI ZR 475/15, VI ZR 476/15, VI ZR 477/15 - zitiert, wie alle anderen
Entscheidungen, soweit nicht anders angegeben, nach juris) vergleichbarer Fall einer iSd § 305 c Abs.1 BGB
überraschenden und damit unwirksamen Abtretungsklausel liegt nicht vor.
2.
10 Die Beklagte ist grundsätzlich zur Erstattung von Sachverständigenkosten verpflichtet. Die Kammer geht
mit einer verbreiteten Rechtsprechung (vgl. OLG München, Urteil vom 26.02.2016 - 10 U 579/15 -) davon
aus, dass die Bagatellschadensgrenze bei 750,00 EUR anzusetzen ist, d. h., dass darunter eine
Beauftragung eines eigenen Sachverständigen durch den Geschädigten nicht erforderlich ist und er deshalb
keine Erstattung der Kosten durch den Schädiger bzw. die Versicherung des Schädigers erhält. Aufgrund der
hier vorliegenden Schadenshöhe durfte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadens in
Auftrag gegeben werden, die hierfür aufgewendeten Kosten sind ersatzfähig, soweit sie erforderlich waren.
3.
11 Nach welchen Grundsätzen in Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Schadensbemessung
durchzuführen ist, hat in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine weitgehende Klärung erfahren (BGH,
Urteil vom 11.02.2014 - VI ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13; Urteil vom 26.04.2016 - VI
ZR 50/15):
12 Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249
Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf
Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen
Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte
ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur
Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten
zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der
wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist
deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des
Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1
BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines
verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens
zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des
ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für
die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung,
welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten,
insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn
bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung
des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu
machen. Der Geschädigte muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten
Sachverständigen betreiben, ihm obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots jedoch grundsätzlich eine
gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später
berechneten Preise.
4.
13 Hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten im Sinne des § 249 Abs.
2 S. 1 BGB ist der Geschädigte grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Maßgeblich ist nämlich allein,
ob der in seiner Person entstandene Schadensersatzanspruch die vereinbarten und / oder in Rechnung
gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Dies hängt davon ab, ob sich die vom
Sachverständigen berechneten Kosten nach schadensrechtlichen Grundsätzen im Rahmen des zur
Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten. Dies gilt auch, wenn der
Geschädigte keine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe der Gutachterkosten getroffen und daher §
632 Abs. 2 BGB in dessen Verhältnis zum Gutachter mit der Folge Anwendung findet, dass die übliche
Vergütung als vereinbart anzusehen ist. Über Gebührenansprüche im Verhältnis
Geschädigter/Sachverständiger hatte die Kammer nämlich ebenso wenig zu entscheiden, wie über
möglicherweise sonstige vertragliche Ansprüche des Geschädigten aus dem Gutachtensauftrag (BGH, Urteil
vom 09.10.2007 - VI ZR 27/07; Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15).
14 Gelingt der Nachweis der Erforderlichkeit, sind die geltend gemachten Sachverständigenkosten in voller
Höhe zu erstatten. Liegen die berechneten und geltend gemachten Sachverständigenkosten
unter den
erforderlichen Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, die gegebenenfalls nach § 287 ZPO geschätzt
werden können (hierzu unter 6.), steht dem Geschädigten allerdings im Hinblick auf das
Bereicherungsverbot nur ein Anspruch in Höhe der tatsächlich vereinbarten bzw. in Rechnung gestellten
Kosten zu.
15 Eine Beweiserleichterung ergibt sich für den Geschädigten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
unter folgenden Voraussetzungen: Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt
der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung
seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des
ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die
geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und
der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand
bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur
Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm
schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil
vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Präzisierend führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom
26.04.2016 (VI ZR 50/15; ebenso Urteil vom 19.07.2016 - VI ZR 491/15) aus, nicht die Höhe der vom
Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung
mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte
Aufwand bilde einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249
Abs. 2 S. 1 BGB.
5.
16 Für den vorliegenden Fall ergibt sich nach diesen Grundsätzen Folgendes:
17 Die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung
aufgestellt hat, - tatsächliche Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten in Übereinstimmung mit
der Preisvereinbarung - , sind im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Geschädigte die
Rechnung nicht selbst beglichen, mithin keinen eigenen Aufwand gehabt hat. Eine der beglichenen
Rechnung vergleichbare Indizwirkung, tritt bei einer Abtretung der Schadensersatzforderung
erfüllungshalber an den Sachverständigen nicht ein (BGH, Urteil vom 19.07.2016 - VI ZR 491/15).
Abgesehen davon haben Sachverständiger und Geschädigter hier auch keine Preisvereinbarung getroffen.
Die Indizwirkung hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten greift infolgedessen nicht
ein.
18 Wird - wie hier - keine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen, ist die übliche Vergütung in
jedem Fall zu erstatten. Für die Feststellung, ob der geltend gemachte Betrag üblich ist, gilt § 287 ZPO.
Mangels konkreter Honorarvereinbarung kommt es entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hier nicht darauf
an, ob der Geschädigte möglicherweise deutlich überhöhte Gutachterkosten erkennen konnte (vgl. nur KG,
Urteil vom 30.04.2015 - 22 U 31/14; LG Mannheim, Urteil vom 05.02.2016 - 1 S 119/15).
6.
19 Falls nicht im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte eine abweichende Beurteilung gebieten, schätzt die Kammer
im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage der
BVSK-Befragung 2015 (a), soweit es die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen
Nebenkosten auf der Grundlage des § 287 ZPO betrifft, zieht die Kammer allerdings im Wesentlichen die
Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran,
wobei nicht verkannt wird, dass genau die in diesem enthaltenen Kostenansätze in der BVSK
Honorarbefragung 2015 teilweise vorgegeben waren (b).
a)
20 Der von der Kammer ergänzend angehörte Sachverständige L. hat aufgrund einer von ihm getätigten
Umfrage bei verschiedenen Sachverständigenbüros dargelegt, dass es eine einheitliche Abrechnungspraxis
im Landgerichtsbezirk nicht gibt, auch wenn sich eine knappe Mehrheit der befragten Sachverständigen an
dem Tableau der BVSK Honorarbefragung orientiert. Die Kammer folgt diesen überzeugenden Ausführungen.
Nachdem sich somit eine einheitliche Abrechnungspraxis im Bezirk nicht feststellen lässt, schätzt die
Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage
der BVSK-Befragung 2015. Sie stellt dabei auf den Mittelwert aus HB I und HB III der BVSK
Honorarbefragung 2015 ab, was ausreichend ist um die Extremwerte zu eliminieren (so auch LG Stuttgart,
Urteil v. 28.07.2016 - 5 S 333/15).
21 Für die Anwendung der BVSK 2015 als Schätzungsgrundlage für das Grundhonorar, die auch von anderen
Gerichten insoweit herangezogen wird, spricht zum einen, dass deren Datenerhebung hier in zeitlicher
Hinsicht am nächsten zum Unfallzeitpunkt liegt und zum anderen aber auch, dass sich ein Großteil der vom
gerichtlichen Sachverständigen befragten Sachverständigen(büros) hieran orientiert.
b)
22 Soweit die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Nebenkosten auf der
Grundlage des § 287 ZPO im Einzelfall erforderlich wird, zieht die Kammer allerdings in Übereinstimmung
mit der vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15) gebilligten Rechtsprechung des
Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2014 - 13 S 41/13) weitgehend die Bestimmungen des
Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran.
23 Im Einzelnen:
24 Bei Schätzung der Kosten für Originalfotos (2,00 EUR), den 2. Abzug von Fotos (0,50 EUR) und einer
Zweitschrift (Fotokopie) je Seite (0,50 EUR) orientiert sich die Kammer direkt an den Bestimmungen des
JVEG, wobei zu beachten ist, dass Kosten für den 2. Abzug nur zu erstatten sind, wenn die Fotos nicht Teil
des schriftlichen Gutachtens selbst sind (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG), weil dann die entsprechenden
Aufwendungen schon nach § 7 Abs. 2 JVEG ersetzt werden (zur Problematik: Schneider, JVEG, 2.Aufl., § 7
Rn 44, § 12 Rn 44f).
25 Was die Höhe der Fahrtkosten betrifft, hält die Kammer die Regelung des JVEG nicht für geeignet, da sich
diese nicht an den tatsächlichen Kosten orientiert, sondern an der Höhe der steuerlichen Anerkennung
privat genutzter Fahrzeuge (BT-Drs. 15/1971, S. 177, 232). Vielmehr ist es angemessen, diese anhand der
von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen und in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung verschiedener Landgerichte (u.a. LG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2014 - 13 S 41/13; LG
Stuttgart, Urteil v. 28.07.2016 - 5 S 333/15; LG Bochum, Urteil vom 31.05.2016 - 9 S 36/16), die der
Bundesgerichtshof gebilligt hat (Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15), auf 70 ct/km zu schätzen.
26 Für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens (Schreibkosten) schätzt die Kammer die erforderlichen Kosten
aus Praktikabilitätsgründen nicht nach der Zahl der Anschläge (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG) sondern, wie auch in
früheren Fassungen des JVEG vorgesehen, nach Seitenanzahl, wobei 1,80 EUR pro Seite angemessen
erscheinen (ebenso etwa im Ergebnis LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 - 3 S 289/15).
27 Hinzu kommen kann eine Pauschale für Portoauslagen, Telefonkosten etc. die nur dann näherer Begründung
bedarf, wenn sie den von der Kammer auch ansonsten für eine Unkostenpauschale - ohne Einzelnachweis -
noch als maximal angemessen angesehenen Betrag von 20,00 EUR übersteigt.
28 Halten sich die geltend gemachten Nebenkosten in diesem Rahmen, sind auch diese grundsätzlich zu
ersetzen. Liegen die tatsächlich geltend gemachten Nebenkosten darunter sind nur diese zu ersetzen.
Liegen sie darüber, ist zu differenzieren, ob die Parteien eine Gebührenvereinbarung getroffen haben oder
nicht, oder ob für die Erforderlichkeit gar eine Indizwirkung streitet, weil der Geschädigte die in
Übereinstimmung mit der Vereinbarung erstellte Rechnung auch tatsächlich beglichen hat (s.o.).
7.
29 Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige hat hier für seine Tätigkeit eine Pauschale und
zusätzlich bestimmte Nebenkosten abgerechnet. Dies legt die Kammer so aus, dass damit zum Ausdruck
gebracht wird, dass die Ingenieurleistung mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll und daneben lediglich
Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen verlangt wird. Dies entspricht nach den überzeugenden
Ausführungen des von der Kammer vernommenen gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen auch einer im
hiesigen Bezirk mehrheitlich verbreiteten Praxis. Lediglich zwei der von ihm befragten
Sachverständigenbüros rechnen mit Pauschalpreisen ab.
30 Die Kammer teilt in der vorliegenden Konstellation daher nicht die Ansicht, wonach es lediglich auf die
Gesamtsumme der Sachverständigenrechnung ankommt. Es ist vielmehr eine Einzelbetrachtung
anzustellen, differenziert nach Grundhonorar und aufwandsbezogenen Nebenkosten (LG Bremen, Urteil
vom 02.09.2016 - 3 S 289/15 mwN; LG Bochum, Urteil vom 31.05.2016 - 9 S 36/16), da die Nebenkosten
nicht losgelöst von den üblicherweise tatsächlich ersatzfähigen Aufwendungen berechnet werden können
(BGH, Urteil v. 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Dementsprechend werden „überhöhte“ Nebenkosten nicht
durch ein „unterdurchschnittliches“ Grundhonorar kompensiert oder umgekehrt. Zudem entspricht es
allgemeiner Ansicht, dass Nebenkosten selbstverständlich - von Pauschalen abgesehen - nur zu erstatten
sind, wenn diese im konkreten Fall tatsächlich auch angefallen sind. Auch im Bereich der
Unfallersatzwagenvermietung vertritt die Kammer in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass bei
tatsächlich aus dem konkreten Mietvertrag oder der Rechnung ersichtlichen niedrigeren Kosten für die
betreffenden Nebenleistung nur diese maßgeblich sind (etwa Urteil vom 23.10.2012 - 3 S 262/11 Rdz 44 bei
juris) und insoweit keine „Gesamtbetrachtung“ zu erfolgen hat. Mit anderen Worten kann der
Sachverständige vom Geschädigten nicht höhere Nebenkosten für einzelne Positionen verlangen, als die von
ihm vereinbarten oder in Rechnung gestellten. Damit kann aber auch der Geschädigte vom Schädiger keine
höheren Kosten im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen. Auch aus den Erläuterungen zum BVSK-
Tableau 2015 und den dort enthaltenen „Vorgaben“ zu den Nebenkosten ergibt sich, dass diese keineswegs
verbindlich sind, und es jedem Sachverständigen freisteht, niedrigere oder - bei betriebswirtschaftlicher
Notwendigkeit - auch höhere Nebenkosten zu verlangen.
8.
31 Unter Beachtung der dargelegten Grundsätze ergibt sich damit folgende Berechnung der üblichen
Vergütung:
32
Grundhonorar (wie berechnet, da unter
Mittelwert von HB I / HB III [365,50])
345,00 EUR
Porto/Telefon
17,00 EUR
Fahrtkosten 59km x 0,70 EUR
41,13 EUR
Originalfotos 15 x 2,00 EUR
30,00 EUR
Fotos in Gutachtendoppel 15 x 0,50 EUR 7,50 EUR
Schreibkosten Originalseite 5 x 1,80 EUR 9,00 EUR
Schreibkosten Kopie 5 x 0,50 EUR
2,50 EUR
Zwischensumme
452,13 EUR
19% MwSt.
85,90 EUR
Summe
538,03 EUR
33 Die Beklagte zahlte hierauf 511,31 EUR, weshalb sich ein restlicher Anspruch der Klägerin iHv 26,72 EUR
ergibt.
34 Die „überhöhten“ Nebenkosten werden nicht durch ein „unterdurchschnittliches“ Grundhonorar
kompensiert (s.o.).
35 Ob es bei Vorliegen einer Preisvereinbarung im Einzelfall für die Frage des Ersatzes der Kosten für die
Sachverständigenbeauftragung darauf ankommt, ob die vereinbarten Kosten wesentlich überhöht sind und
dies für den Geschädigten erkennbar war, kommt es vorliegend nicht an, da Geschädigter und
Sachverständiger keine Preisvereinbarung getroffen haben.
36 Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, dass möglicherweise eines der im Gutachten berechneten
„Diagonalfotos“ nicht nötig gewesen wäre. Nach Ansicht der Kammer steht damit aber nicht fest, dass der
Sachverständige im Rahmen seines ihm zustehenden Ermessens, nicht berechtigt gewesen wäre, auch
mehrere Diagonalfotos (Gesamtansichten des Fahrzeugs von verschiedenen Seiten) zu fertigen und zu
berechnen.
37 Da die Fotos nicht Bestandteil des fünfseitigen Gutachtens sind und daher auch nicht bei den Kosten nach §
7 Abs.2 JVEG berücksichtigt sind, waren diese mit 0,50 EUR entsprechend § 12 Abs.1 Nr. 2 JVEG
anzusetzen.
38 Angesichts der Entfernung zwischen Sachverständigenbüro und Besichtigungsort sind die in Rechnung
gestellten Entfernungskilometer nicht zu beanstanden. Für die Vermutung der Beklagten, der
Sachverständige habe vielleicht mehrere Aufträge gleichzeitig erledigt, sieht die Kammer angesichts der
Umstände des konkreten Einzelfalls (Besichtigung in einem kleinen Ort [B...], Besichtigung noch am Tag des
telefonischen Auftragseingangs) keine Anhaltspunkte.
39 Schließlich macht die Kammer die Schätzung der erforderlichen Schreibkosten nicht davon abhängig, ob und
in welchem Umfang im Gutachten Textbausteine oder eine hinterlegte „Maske“ Verwendung finden.
III.
40 Die Nebenforderungen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten ab Rechtshängigkeit.
IV.
41 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i.V.m. § 26 Nr.8 EGZPO.
42 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Schadensschätzung
beruht auf einer einzelfallbezogenen Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs und eines eingeholten Sachverständigengutachtens.