Urteil des LG Freiburg vom 25.02.2016

wiederaufnahme des verfahrens, ermittlungsverfahren, einstellung des verfahrens, überweisung

LG Freiburg Urteil vom 25.2.2016, 2 KLs 270 Js 21058/12; 2 KLs 270 Js 21058/12 - AK 24/14
Tenor
1. Der Angeklagte (…) wird wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen,
davon in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier
Monaten verurteilt.
2. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften:
§§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1, 339, 13 Abs. 1 u. 2, 49 Abs. 1, 52, 53, 56 Abs. 1 StGB
Gründe
I.
1
(…)
II.
2
Der Angeklagte war seit 1993 bei der Staatsanwaltschaft F. als auf Lebenszeit verbeamteter Staatsanwalt
mit der Verfolgung von Straftaten gemäß der - im Zeitraum 2005 bis Ende Juni 2012 bestehenden -
Zuständigkeit des dortigen Dezernats (…) der Allgemeinabteilung (…) betraut. Er war zuständig für
allgemeine Strafsachen, zunächst für die beiden Amtsgerichtsbezirke M. und S., ab dem Jahr 2008 nur noch
für den Amtsgerichtsbezirk M.. Zudem hatte er eine Sonderzuständigkeit für Sexualdelikte für das
Einzugsgebiet F.-L. inne. Ab Mai des Jahres 2009 war er zudem für Kapitaldelikte der Amtsgerichtsbezirke
M., S. und T. zuständig. Schon zuvor hatte er als Vertreter des Abteilungsleiters zahlreiche Kapitaldelikte
bearbeitet. In Ausübung dieser Tätigkeit war der Angeklagte verpflichtet, die auf das Dezernat (…)
eingetragenen Ermittlungsverfahren unter Beachtung der Vorschriften und Grundsätze der StPO
ordnungsgemäß zu führen und bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts und der sonstigen
gesetzlichen Voraussetzungen zeitnah Anklage zu erheben oder Strafbefehlsantrag zu stellen.
3
Bis zum 31.12.2010 bestimmte die Anordnung des baden-württembergischen Justizministeriums über die
Berichtspflicht der Staatsanwaltschaften in Strafsachen (BeStra) in Abschnitt III, dass der
Generalstaatsanwaltschaft alle Ermittlungsverfahren, die länger als ein Jahr anhängig sind, ohne dass von
der Staatsanwaltschaft eine vorläufige oder endgültige abschließende Verfügung getroffen worden ist,
unter kurzer Darlegung des Verfahrensganges mitzuteilen sind und ggf. jeweils nach sechs Monaten ein
Nachbericht vorzulegen oder die Art der Abschlussverfügung mitzuteilen ist. Mit Wirkung vom 01.01.2011
wurde die BeStra in Abschnitt III dahingehend abgeändert, dass die Staatsanwaltschaften der
Generalstaatsanwaltschaft in einer Liste jeweils bis zum zehnten eines Monats für jedes
Ermittlungsdezernat die Anzahl der Js-Verfahren mitzuteilen haben, die zu Monatsbeginn länger als ein
Jahr anhängig waren, ohne dass eine vorläufige oder endgültige abschließende Verfügung getroffen worden
war. Ergänzend hierzu ordnete der Leiter der Staatsanwaltschaft F. mit Verfügung vom 22.02.2011 an,
dass anstelle der früheren Berichte an den Generalstaatsanwalt die rückständigen Verfahren dem
Behördenleiter vorzulegen sind.
4
In Kenntnis dieser Umstände beging der Angeklagte in Ausübung seines Amtes aufgrund jeweils
gesonderten Willensentschlusses die folgenden Taten, wobei bei ihm weder eine überdauernde psychische
Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB noch eine psychische Erkrankung vorlagen, die seine
Leistungsfähigkeit aufgehoben hätte:
5
1. Ermittlungsverfahren (...) gegen S. M.
6
Der Angeklagte führte unter den Aktenzeichen
a) und b) zwei Ermittlungsverfahren gegen die
Beschuldigte S. M.
7
Gegenstand des am 19.08.2005 bei der Staatsanwaltschaft F. eingegangenen Verfahrens
a) war eine
Strafanzeige der Verlagsgruppe W. (…) vom 16.08.2005, die der Staatsanwaltschaft mit Schreiben des
Polizeipostens B. vom 17.08.2005 vorgelegt wurde. Gegenstand des Verfahrens war u.a. der - zutreffende
- Vorwurf, die Beschuldigte habe in 13 Fällen per Internet Warenbestellungen bei der Verlagsgruppe W.
unter acht der Beschuldigten zuzuordnenden Personenkonten aufgeben, die Ware jeweils zeitnah nach der
Bestellung durch Auslieferung an ihrer Anschrift (…) durch den Zulieferer D. erhalten und - wie jeweils von
Anfang an beabsichtigt - nicht bezahlt. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Bestellungen im
Gesamtwert von 1.066,08 EUR:
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- am 11.02.2005 unter „S. U.“ die Bestellung von Kinderbüchern im Wert von 97,82 EUR,
- am 04.02.2005 (zwei Bestellungen), am 06.02.2005 (zwei Bestellungen) und am 11.02.2005 insgesamt
fünf Bestellungen von DVDs, CDs und Haushaltswaren unter „S. S.“ im Gesamtwert von 209,32 EUR,
- am 21.02.2005 eine Bestellung unter „T. S.“ Waren im Wert von 31,91 EUR und eine Bestellung unter
„W. S.“ Haushaltswaren im Gesamtwert von 85,73 EUR,
- am 20.03.2005 unter „S. H.“ DVDs u.a. im Gesamtwert von 85,91 EUR,
- am 02.06. und 09.06.2005 zwei Bestellungen unter „M. U.“ DVDs u.a. im Gesamtwert von 204,69 EUR,
- am 22.06.2005 eine Bestellung unter „U. M.“ ein DVD-Video-Kombigerät u.a. im Gesamtwert von 196,78
EUR und eine Bestellung unter „M. S.“ ein weiteres DVD-Video-Kombigerät im Wert von 153,92 EUR.
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Dieses Verfahren
a) stellte der Angeklagte mit Verfügung vom 17.07.2006 im Hinblick auf ein Verfahren c),
das zum Verfahren
b) hinzu verbunden war, vorläufig gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein und nahm es trotz in
der Folgezeit unterbleibender Anklageerhebung im Bezugsverfahren
b) bis zum Eintritt der Verjährung der
verfahrensgegenständlichen Taten nicht wieder auf.
10 Gegenstand des am 11.04.2006 bei der Staatsanwaltschaft eingegangenen Bezugsverfahrens
b), der
hinzuverbundenen Verfahren
c), d), e) und f) sowie der weiteren ohne Verbindung zur Akte gelangten
Anzeigevorgänge waren insgesamt mindestens 176 Strafanzeigen mit einem Gesamtschaden von
mindestens 18.000,- EUR. Mit Schlussvermerk des Polizeipostens N. vom 27.11.2006 waren die
Ermittlungen abgeschlossen. Der damalige polizeiliche Sachbearbeiter PHM K. führte in dem
Schlussvermerk unter anderem aus, dass am 07.07.2006 aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts M.
die Container, in denen die Beschuldigte ihren Hausrat gelagert hatte, durchsucht worden seien. Dabei
habe eine Vielzahl von Gegenständen gefunden werden können, bei denen der dringende Verdacht
bestehe, dass diese illegal erworben worden seien. Auffallend sei die Vielzahl von Kinderspielzeug und
sonstigen Konsumartikeln gewesen, welche typischerweise bei Versandhäusern wie T. o.ä. bezogen werden
könnten. Nach den bisherigen Ermittlungen und den bei der Durchsuchung gemachten Feststellungen
könne davon ausgegangen werden, dass die Beschuldigte M. ihre gesamten Konsumartikel,
Kinderbekleidung u.a. auf illegale Art und Weise erworben habe. Bei der Durchsuchung sichergestellte
Waren hätten zum Teil verschiedenen Strafanzeigen zugeordnet werden können. Aufgrund der
Schriftstücke und Aufzeichnungen aus verschiedenen Beweismitteln habe festgestellt werden können, dass
die Beschuldigte von verschiedenen Firmen Waren geliefert bekommen habe. Auch entsprechende
Mahnungen hätten sich darunter befunden. Über die entsprechenden Einwohnermeldeämter habe
festgestellt werden können, dass die Beschuldigte seit M. 1994 insgesamt 18-mal ihren Wohnort
gewechselt habe. In einem am 18.10.2006 bei der Polizei eingegangen Anhörungsbogen habe die
Beschuldigte die Straftaten abgestritten und ihr monatliches Einkommen auf ca. 936 EUR (Hartz IV)
beziffert. Zusammen mit dem Schlussvermerk wurde der Staatsanwaltschaft ein bei der Durchsuchung
sichergestelltes Notizbuch vorgelegt. Hierzu führte PHM K. aus, dass darin verschieden Passwörter und die
dazu verwendeten Personalien sowie Listen mit noch zu erlangenden Gütern aufgeführt seien. Die
Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 23.05.2006 enthielt einen Eintrag. Die Beschuldigte M. war
durch Urteil des Amtsgerichts L. vom 17.07.2002 rechtskräftig wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 60
Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt worden.
11 Anhand der dem Angeklagten vorgelegten Ermittlungsakten bestand daher der - zutreffende - Verdacht,
dass die Beschuldigte S. M. zumindest in den nachfolgend aufgeführten Fällen unter verschiedenen
Aliaspersonalien gewerbsmäßig jeweils im Wissen um ihre Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit im
Internet Warenbestellungen aufgegeben, die bestellten Waren zeitnah nach Auslieferung durch die
Zulieferer D. bzw. H.an ihre zu den jeweiligen Tatzeiten aktuellen Wohnanschriften (…)
entgegengenommen und - wie bereits bei Bestellung beabsichtigt - nicht bezahlt hat. Den jeweiligen
Strafanzeigen der geschädigten Versandhäuser waren entsprechende Rechnungsunterlagen und
Ablieferungsnachweise beigefügt.
12 Im Einzelnen handelte es sich um folgende Bestellungen:
13
a) drei Bestellungen bei der Firma M. (…) jeweils von Babybekleidung im Gesamtwert von 250,22 EUR,
und zwar
14
- am 25. und 28.07.2005 unter „S. K.“ bzw. „M. K.“ an die Anschrift (…) und
- am 02.01.2006 unter „M. P.“ an die Anschrift (…),
15
b) elf Bestellungen bei der Firma T. (…) von Haushaltsartikeln unter sechs der Beschuldigten
zuzuordnenden Personenkonten, und zwar
16
- am 16. und 19.01.2006 unter „M. M.“ für 64,83 EUR und 5,99 EUR,
- am 31.01.2006 unter „W. M.“ für 39,90 EUR,
- am 07.02.2006 unter „E. M.“ für 70,82 EUR,
- am 13.03.2006 unter „E. S.“ für 93,88 EUR,
- am 23.03., 03. und 04.04.2006 unter „M. P.“ für 122,81 EUR, 111,84 EUR sowie 124,85 EUR,
- am 17.05.2006 und 18.05.2006 (2 Bestellungen) unter „S. M.“ für 13,90 EUR, 47,89 EUR und 16,19
EUR,
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jeweils an die Anschrift (…) im Gesamtwert von 712,90 EUR,
18
c) sechs Bestellungen bei dem Versandhaus B. (…) von Möbeln, Kinderbekleidung und Spielwaren unter
vier der Beschuldigten zuzuordnenden Personenkonten, und zwar
19
- unter „T. P.“ am 5.01.2006 im Wert von 89,95 EUR und am 09.01.2006 im Wert von 83,98 EUR,
- unter „S. K.“ am 09.01.2006 im Wert von 119,90 EUR,
- unter „W. S.“ am 16.01.2006 im Wert von 171,87 EUR und
- unter „E. Ü." am 16.01.2006 im Wert von 85,75 EUR und am 30.01.2006 im Wert von 66,98 EUR
20
jeweils an die Anschrift (…),
21
d) vier Bestellungen beim Versandhändler B. (…) und zwar
22
- mit Rechnungsdaten vom 15. und 16.12.2005 unter „L. K.“ im Wert von 59,00 EUR und 39,50 EUR und
- mit Rechnungsdaten vom 11. und 23.01.2006 unter „S. P.“ im Wert von 102,00 EUR und 8,00 EUR
23
jeweils an die Anschrift (…),
24
e) vier Bestelllungen beim Versandhaus B. (…) von Haushaltswaren, Bekleidung und Schmuck, und zwar
25
- am 25.01.2006 unter „E. K.“ im Wert von 73,25 EUR und 125,10 EUR (Lieferung in 2 Teilsendungen),
- ebenfalls am 25.01.2006 unter „G. P.“ ein Trauring mit Gravur „S.“ im Wert von 176,90 EUR und ein
Partnerband mit Gravur „S.“ im Wert von 57,45 EUR,
- am 21.04.2006 unter „S. P.“ im Wert von 64,20 EUR und 66,25 EUR (Lieferung in 2 Teilsendungen) und
- am 06.02.2006 unter „E. U.“ im Wert von 50,80 EUR,
26
jeweils an die Anschrift (…) und
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f) vier Bestellungen beim Versandhaus Q. (…) im Gesamtwert von 1.692,46 EUR, und zwar
28
- am 1.12.2004 unter „S. U.“ von Damenbekleidung im Wert von 107,40 EUR an die Anschrift (…),
- am 20.12.2004 unter „S. U.“ einer Waschmaschine einschl. Garantieverlängerung im Wert von 585,20
EUR, eines Kondenstrockners im Wert von 349,95 EUR, zwei Matratzen-Sets im Wert von 469,90 EUR
und Bettgarnituren im Wert von 18,99 EUR an die (…),
- am 11.01.2006 unter „W. P.“ eines Rucksacks im Wert von 65,94 EUR an die Anschrift (…) und
- am 09.01.2006 unter „M. P.“ von Kleidung im Wert von 72,58 EUR an die Anschrift (…).
29 Diese Straftaten waren mit Eingang der Formblattanzeigen und des polizeilichen Schlussvermerks vom
27.11.2006 bei der Staatsanwaltschaft F. seit dem 06.12.2006 anklagereif. Weitere Ermittlungshandlungen
erfolgten nicht mehr. Nachdem die Berichtspflicht nach Abschnitt III der BeStra durch die Verbindung von
älteren Verfahren zu neueren Verfahren bereits sachwidrig hinausgeschobenen worden ist, war das
Verfahren
b) zum 15.09.2007 der Generalstaatsanwaltschaft K. zu berichten. Zur Vermeidung des bereits
überfälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 30.10.2007 formularmäßig den Abschluss des
Ermittlungsverfahrens durch eine angeblich diktierte Anklage und verfügte die Aktenübersendung an das
Amtsgericht S., obwohl eine Anklage weder zum Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der
Folgezeit zur Akte bzw. zu Gericht gelangte. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings
nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den
Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem
späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
30 Aufgrund der Verfügung vom 30.10.2007 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
31 Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen die Beschuldigte M. zumindest wegen der
genannten Tatvorwürfe Anklage zu erheben. Spätestens ab Beginn des Jahres 2009 war das Unterlassen
der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und
stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht
abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger
Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen
Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO
resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand
einer Anklageerhebung nicht entgegen.
32 Infolge der Untätigkeit des Angeklagten trat wegen der den Verfahren
a) und b) zugrunde liegenden
Vorwürfen des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) im Laufe des Jahres 2011 Strafverfolgungsverjährung ein,
nachdem die Verjährung letztmalig durch die Übersendung eines schriftlichen Anhörungsbogens vom
13.09.2006 an die Beschuldigte M. unterbrochen worden war. Die Verfahren
a) und b) wurden nach der
Suspendierung des Angeklagten mit Verfügung der Staatsanwaltschaft F. vom 17.07.2012 wieder
aufgenommen und gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen Verjährung eingestellt. Durch die dauerhafte
Vereitelung der Strafverfolgung wurde die Beschuldigte M. zu Unrecht begünstigt. Aufgrund der gegebenen
Beweislage hätte eine ordnungsgemäße Anklageerhebung zumindest in den genannten Fällen zur
Verurteilung der einschlägig vorbestraften S. M. wegen Betrugs in 45 Fällen und zur Verhängung einer
sechs Monate deutlich übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe - aufgrund der Gewerbsmäßigkeit lagen
jeweils die Voraussetzungen eines besonders schweren Fall gem. § 263 Abs. 3 S. 1 u. 2 Nr. 1 StGB
(Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren) vor - geführt.
33 Dem Angeklagten war aufgrund der in dem polizeilichen Schlussvermerk vom 27.11.2006 mitgeteilten
Ermittlungsergebnisse bekannt, dass der Beschuldigten M. eine Vielzahl von Betrugstaten nachzuweisen
gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen die Beschuldigte Anklage zu erheben. Dem
Angeklagten sind die Verfahren gegen S. M. zum keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten
befanden sich ab Oktober 2007 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der
Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der
zum Schein erfolgten Anklageerhebung am 30.10.2007 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und
von ihm auch nicht mehr gefördert worden ist. Die Verjährungsfristen waren ihm bekannt. Ihm war auch
bekannt, dass jedenfalls ab Beginn des Jahres 2009 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter
keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot
rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung der
Beschuldigten M. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines
Unterlassens voraus. Dem Anklagten war auch bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der
Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im
Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren
Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt, zumal wenn dies zum Eintritt der Verfolgungsverjährung führt.
34
2. Ermittlungsverfahren
g) gegen L., W. und M.
35 Der Angeklagte führte unter dem Aktenzeichen
g) ein am 21.06.2006 eingegangenes
Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten W., das der Angeklagte mit Verfügung vom 06.10.2006 auf
den Beschuldigten M. L. und mit Verfügung vom 28.11.2006 auf den Beschuldigten R. M. erstreckte.
Gegenstand des Verfahrens war u.a. der Vorwurf der betrügerischen Verschiebung eines hochwertigen
BMW 730d, amtl. Kennzeichen (…), in die Ukraine. Das von R. M. gesteuerte Fahrzeug war am 12.03.2006
bei der Ausreise von Polen in die Ukraine festgestellt worden. Der Angeklagte fasste in einer Verfügung
vom 28.11.2006 die bisherigen Ermittlungserkenntnisse zusammen und stellte gegen den Beschuldigten L.
Antrag auf Erlass eines Haftbefehls, den das Amtsgericht F. am 01.12.2006 erließ.
36 In dem Haftbefehl wurde dem Beschuldigten L. - neben einer weiteren Fahrzeugverschiebung - zur Last
gelegt, er habe im März 2006 für den Zeugen B. A. einen Leasinganschlussvertrag für den genannten BMW
vermittelt, wobei die Zeugin F. den Leasingvertrag sowie das Fahrzeug habe übernehmen sollen.
Entsprechend dem Plan des Beschuldigten L. und seinem nicht näher identifizierten Mittäter habe die
Geschädigte F. den Übernahmevertrag im Vertrauen darauf, dass ihr das Fahrzeug ausgehändigt werde, am
08.03.2006 unterschrieben. Nachdem der Beschuldigte L. das Fahrzeug von dem Zeugen A. erhalten habe,
sei dem Plan des Beschuldigten L. entsprechend das Fahrzeug von dem Mitbeschuldigten R. M. in die
Ukraine zum Kauf überführt worden. Am 31.03.2006 habe die Zeugin F. von dem nicht identifizierten
Mittäter zur Täuschung über die ordnungsgemäße Abwicklung der Leasingübernahme ein nicht näher
bekanntes Fahrzeug erhalten, das ihr am gleichen Tag nach einer Fahrt nach S. entwendet worden sei. Der
Zeugin F. sei ein Schaden in Höhe von mehreren Tausend Euro entstanden.
37 Der Haftbefehl wurde seit dem 23.12.2006 vollzogen. Durch Beschluss des Landgerichts F. vom
01.02.2007 wurde die Beschwerde des Beschuldigten L. gegen den Haftbefehl als unbegründet
zurückgewiesen. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts K. vom 02.03.2007 wurde die weitere
Beschwerde des Beschuldigten als unbegründet verworfen. Am 11.05.2007 beantragte der Angeklagte
beim Amtsgericht F., den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. Dabei ging der Angeklagte
davon aus, dass das Oberlandesgericht eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus
gemäß § 121 Abs. 2 StPO nicht anordnen würde, da zwischenzeitlich keine weiteren
Ermittlungsergebnisse gegen den Beschuldigten L. vorlagen. Das Amtsgericht F. setzte mit Beschluss vom
14.05.2007 den Haftbefehl gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR, die Abgabe des
Reisepasses und eine wöchentliche Meldeauflage außer Vollzug. Der Beschuldigte L. wurde am 18.05.2007
aus der Untersuchungshaft entlassen.
38 Zum 21.06.2007 wurde das Verfahren nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des
fälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 29.06.2007 eine Einstellung nach §170 Abs. 2
StPO gegen die Beschuldigten W., L. und M.. Dabei war ihm bewusst, dass die Voraussetzungen für eine
Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vorlagen. Die Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des
Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle zum Registeraustrag zu veranlassen. Der
Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht mehr zu
bearbeiten. Daher verfügte er auch keine Einstellungsnachricht an die Verfahrensbeteiligten. Er nahm die
Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
39 Aufgrund der Verfügung vom 29.06.2007 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen. Seit diesem Zeitpunkt gelangten Schreiben von
Verfahrensbeteiligten nur noch lose und unpaginiert zur Akte.
40 Am 10.11.2008 wurde die frühere Zeugin S. F. von KHK S. als Beschuldigte kriminalpolizeilich vernommen.
In dieser Vernehmung räumte die Beschuldigte F. ihre Beteiligung an der Fahrzeugverschiebung des BMW
ein. Sie gab unter anderem an, dass sie auf Aufforderung von M. L. und H. B. den Leasingvertrag für das
Fahrzeug unterschrieben habe. Ihr sei von beiden gesagt worden, sie würden die Leasingraten bezahlen.
Dann hätte sie in S. eine Anzeige machen sollen. H. B. habe sie nach S. gefahren und sie habe auf
irgendeinem Revier eine Anzeige wegen des angeblichen Diebstahls des Fahrzeugs erstattet. Man habe ihr
3.000 EUR versprochen, die sie jedoch nicht erhalten habe. Es habe auch Ärger mit der Versicherung des
Fahrzeugs gegeben. Die Versicherung habe nicht gezahlt, weil nicht klar gewesen sei, wem das Fahrzeug
gehört habe. Auch S. H. habe mit der Fahrzeugverschiebung zu tun.
41 Am 08.12.2008 wurde der - gesondert verfolgte - H. B. als Beschuldigter von KHK S. kriminalpolizeilich
vernommen. Er räumte ein, dass er gemeinsam mit M. L. S. F. dazu gebracht habe, den Leasingvertrag für
das Fahrzeug zu übernehmen. Der BMW habe nach Russland geliefert werden sollen. Der - gesondert
verfolgte - S. H. sei zusammen mit S. F. bei einem BMW-Autohaus in B. gewesen. M. L. habe mit einem
Fotoshop-Programm für S. F. Gehaltsnachweise ausgestellt, ausweislich derer sie angeblich mehrere
Tausend Euro Gehalt pro Monat bezogen habe. M. L. habe mit der Fa. BMW im Hintergrund den
Leasingvertrag abgewickelt. Das Fahrzeug sei im Besitz von M. L. gewesen. Kurze Zeit später sei der
Wagen in F. abgeholt worden von einem Fahrer des S. H. und nach seiner Ansicht nach Russland gefahren
worden. S. F. habe das Fahrzeug in S. als gestohlen gemeldet. Er sei mit ihr gemeinsam in S. gewesen.
42 Diese Ermittlungserkenntnisse fasste KHK S. in einem Bericht vom 30.01.2009 zusammen, den er dem
Angeklagten Anfang Februar 2009 persönlich übergab. Außerdem fand am 05.05.2009 eine gemeinsame
Besprechung zwischen dem Angeklagten, KHK S. und KHK Erb statt, in der die neuen
Ermittlungsergebnisse zusammen mit einem weiteren Ermittlungsbericht vom 17.04.2009 erörtert
wurden. Aufgrund der vorliegenden Geständnisse hatte sich der dringende - tatsächlich zutreffende -
Verdacht erhärtet, dass die gesondert verfolgten S. H. und H. B. sowie der Beschuldigte L. im März 2006 in
B. gemeinsam die Vertragsübernahme eines geleasten Fahrzeuges BMW 730 von dem Vorbesitzer B. A. auf
die Beschuldigte F. initiierten und mittels von L. gefälschter Gehaltsnachweise durchführten, damit die
unverdächtig wirkende Beschuldigte F. den BMW 730 an L. übergeben und das Fahrzeug sodann bei der
Polizei in S. als gestohlen melden konnte. Nach Erhalt des betrügerisch erlangten Fahrzeuges übergab der
Beschuldigte L. dieses an den Mitbeschuldigten M. zur weiteren Überführung und Veräußerung in die
Ukraine. Für diese Hilfstätigkeiten waren der Beschuldigten F. insgesamt 3.000,- EUR versprochen worden.
Nachdem der BMW 730 in der Folgezeit durch M. in die Ukraine verbracht wurde, die Versicherung für den
angeblichen Diebstahlschaden indes nicht aufkam, verblieb ein Schaden in Höhe von 48.370,54 EUR bei
der BMW Financial Services als Leasinggeber.
43 Auf Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse wäre gegen den Beschuldigten L. Anklage wegen Betrugs in
Tateinheit mit Urkundenfälschung und gegen den Beschuldigten M. Anklage wegen Hehlerei zu erheben
gewesen. Darüber hinaus hätte die als Beschuldigte vernommene und geständige S. F. als weitere
Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens
g) eingetragen und wegen Beihilfe zum Betrug zum Nachteil des
Leasinggebers und wegen versuchten Betrugs zum Nachteil der Fahrzeugversicherung angeklagt werden
müssen. Aufgrund der seit Anfang 2009 gegebenen Beweislage wären die Beschuldigte L., M. und F.
entsprechend verurteilt worden, wobei zumindest hinsichtlich der Beschuldigten L. und M. schon im
Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens mit der Verhängung von Freiheitsstrafen zu rechnen
gewesen wäre.
44 Stattdessen unterließ es der Angeklagte auch in der Folgezeit, gegen die Beschuldigten L. und M. sowie
gegen S. F. - nach Erfassung als Beschuldigte - Anklage zu erheben. Spätestens ab September 2009 war
das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu
vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen
Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger
Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen
Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO
resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand
einer Anklageerhebung nicht entgegen.
45 Hinsichtlich des Beschuldigten M. trat am 01.12.2011 - fünf Jahre nach einem am 01.12.2006 erlassenen
Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts F. als letzter verjährungsunterbrechender Maßnahme - das
Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung ein. Hinsichtlich des Beschuldigten L. trat am 14.05.2012 -
fünf Jahre nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls durch Beschluss vom 14.05.2007 als letzter
verjährungsunterbrechender Maßnahme - das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung ein. Der
Haftbefehl gegen den Beschuldigten L. blieb bis zur Aufdeckung der Vorfälle im Juni 2012 bestehen. Die
Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten L. und M. mit Verfügungen der Staatsanwaltschaft F. vom
16.03.2013 wegen Verjährung gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
46 Hinsichtlich der Beschuldigten F., deren Tatbeitrag noch nicht verjährt war, entstand durch die Untätigkeit
des Angeklagten im Zeitraum von September 2009 bis Juni 2012 eine Verzögerung der Strafverfolgung von
mehr als zweieinhalb Jahren. Nachdem das Verfahren nach der Suspendierung des Angeklagten auf S. F. als
Beschuldigte erstreckt wurde, wurde das Verfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft F. vom
06.05.2013 aufgrund der lange zurückliegenden Tatzeit, des Geständnisses und der rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
47 Durch die dauerhafte Vereitelung bzw. die erhebliche Verzögerung der Strafverfolgung wurden die
Beschuldigten M., L. und F. zu Unrecht begünstigt.
48 Dem Angeklagten war aufgrund der in dem Ermittlungsbericht vom 30.01.2009 mitgeteilten Geständnisse
der Tatbeteiligten B. und F. und der gemeinsamen Besprechung vom 05.05.2009 bekannt, dass den
Beschuldigten L., M. und F. die betrügerische Fahrzeugverschiebung des BMW nachzuweisen gewesen
wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen die Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem
Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden
sich ab Juni 2007 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am
29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Er wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten
Verfahrenseinstellung vom 29.06.2007 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch
nicht mehr gefördert worden ist. Die Verjährungsfristen waren ihm bekannt. Ihm war auch bewusst, dass
jedenfalls ab September 2009 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen
mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger
Verzögerungen darstellte. Dabei war dem Angeklagten insbesondere bekannt, dass gegen den
Beschuldigten L. seit dem 01.12.2006 ein Haftbefehl bestand und dass der Beschleunigungsgrundsatz auch
bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in besonderer Weise zu beachten ist. Auch sah der
Angeklagte die Besserstellung der Beschuldigten L., M. und F. durch die pflichtwidrig unterbliebene
Anklageerhebung als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Selbst der Umstand, dass der Angeklagte
den Verteidiger des Beschuldigten L. am 23.12.2011 von der Freigabe der für den Beschuldigten L.
hinterlegten Kaution an die Sicherungsgeberin E. D. in Kenntnis setzte - wodurch sein Wissen um die
fehlerhafte, eine Strafverfolgung bereits seit geraumer Zeit verhindernde Verfahrensführung und das
Fortbestehen des Haftbefehls aktualisiert wurde -, hatte nicht zur Folge, dass die gebotene
Wiederaufnahme des Verfahrens und eine gegen die Beschuldigten L. und F. noch mögliche
Anklageerhebung erfolgte. Dem Angeklagten war auch bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung
der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im
Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren
Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt, zumal wenn dies - wie bei den Beschuldigten L. und M. - zum
Eintritt der Verfolgungsverjährung führt.
49
3. Ermittlungsverfahren
h) gegen S.
50 Der Angeklagte führte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion F. - Kriminalpol.-Außenstelle M. vom
11.04.2008 seit dem 16.04.2008 unter dem Aktenzeichen (...) Js 11219/08 ein Ermittlungsverfahren
gegen den Beschuldigten A. S. wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung. Gegenstand des
Verfahrens war der - zutreffende - Vorwurf, dass der Beschuldigte S., der im Altenpflegeheim (…) in B. als
Krankenpfleger gearbeitet hatte, dort am 10.02.2008 - nicht ausschließbar im Zustand verminderter
Schuldfähigkeit - zur Überführung eines unbekannten Diebes mehrere von ihm zerkleinerte Tabletten mit
den Wirkstoffen Levomepromazin, Clozapin und Haloperidol dem in einer Dose aufbewahrten Müsli der
geschädigten Krankenschwester L. F. untergemischt hatte, wobei er die erhebliche
Gesundheitsbeschädigung der unbekannten Zielperson billigend in Kauf genommen hatte und ihm bewusst
gewesen war, dass auch die Geschädigte F. das Müsli verzehren könnte. Nach Konsum des Müslis am
11.02.2008 hatte die Geschädigte F. über Schwindel geklagt und das Bewusstsein verloren, und hatte
wegen der durch die Tabletten verursachten Medikamentenvergiftung bis zum 18.02.2008 auf der
Intensivstation des Universitätsklinikums F. verbleiben müssen. Sie war in der Folgezeit mindestens ein
halbes Jahr krankgeschrieben gewesen.
51 Nach Eingang des rechtsmedizinischen Gutachtens und Gewährung von Akteneinsicht an den damaligen
Verteidiger des Beschuldigten S., Rechtsanwalt K., gelangte am 15.10.2008 als Anlage eines
Verteidigerschriftsatzes vom 14.10.2008 eine geständige Einlassung des Beschuldigten S. zur Akte. Der
Verteidiger regte eine Erledigung des Verfahrens im Strafbefehlsverfahren an und erklärte, sein Mandant
werde jede im Strafbefehlsverfahren festgesetzte Strafe akzeptieren. Obwohl das Verfahren nun - wie der
Angeklagte wusste - abschlussreif war, schloss er das Verfahren in der Folgezeit weder durch einen
Strafbefehlsantrag noch eine Anklageerhebung ab.
52 Das Verfahren wurde zum 16.04.2009 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des
fälligen Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 30.04.2009 den Abschluss des
Ermittlungsverfahrens durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag zum Amtsgericht S., obwohl ein
solcher weder zum Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der Folgezeit zur Akte bzw. zu
Gericht gelangte. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings nicht die Absicht, das
Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den Rückstandsbericht nicht
fertigen zu müssen. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt
ordnungsgemäß abzuschließen.
53 Aufgrund der Verfügung vom 30.04.2009 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
54 Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. Anklage zu erheben.
Spätestens ab Beginn des Jahres 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen
oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem
Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK
allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des
Beschuldigten als auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende
Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die
Arbeitsbelastung des Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche
Verzögerung der Strafverfolgung wurde der Beschuldigte S. zu Unrecht begünstigt.
55 Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens beantragte die
Staatsanwaltschaft F. am 20.08.2012 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten S. wegen
gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung,
der am 10.09.2012 durch das Amtsgericht S. erlassen und am 27.09.2012 rechtskräftig wurde (...). Als
bestimmender Strafzumessungsgrund wurde vom Amtsgericht die ungewöhnlich lange, vom Beschuldigten
S. nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt.
56 Dem Angeklagten war aufgrund des im Oktober 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten
bekannt, dass dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen
wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu
keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Ihm war aufgrund von Aktenanforderungen des Landgerichts F.,
zahlreicher Sachstandsanfragen der I.-Krankenkasse sowie der von ihm veranlassten Übersendung eines
Aktendoppels zur Aktenrekonstruktion durch den Verteidiger Rechtsanwalt K. am 30.05.2011 dauerhaft
und mit sicherem Wissen bewusst, dass er es pflichtwidrig unterließ, gegen den Beschuldigten S.
Strafbefehlsantrag zu stellen oder Anklage zu erheben. Die Akte befand sich ab April 2009 bis zum
27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller
seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten Anklageerhebung
am 30.04.2009 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch nicht mehr gefördert
worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab Beginn des Jahres 2010 jede weitere Verzögerung
der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden
Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die
Besserstellung des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere
Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die
Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu
erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen
schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
57
4. Ermittlungsverfahren
i gegen S. u.a.
58 Der Angeklagte führte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion O. - Kriminalpolizei Außenstelle L.
vom 07.11.2008 seit Registereintrag am 01.12.2008 unter dem Aktenzeichen
i) ein Ermittlungsverfahren
gegen die Beschuldigten S., St., M. und G. wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags bzw. der
gefährlichen Körperverletzung. Der Angeklagte war als Bereitschaftsstaatsanwalt mit dem Verfahren
befasst gewesen und hat das Verfahrens in der Folge in sein Dezernat übernommen. Gegenstand des
Verfahrens war u.a., dass der Beschuldigte S. am 11.10.2008 als Türsteher der Diskothek M. in M. nach
einer Auseinandersetzung mit den Mitbeschuldigten M. und G. diese nach deren Flucht verfolgt und im
Zuge eines Gerangels dem zwischenzeitlich unbewaffneten M. mit einem Messer hinten am Hals eine
Schnittverletzung mit 15 cm Länge und 4 cm Tiefe mit Durchtrennung von Muskeln und Gefäßen sowie
weitere Schnitt-/Stichverletzungen zugefügt hatte sowie diesem, als er am Boden lag, mit dem beschuhten
Fuß gegen die Stirn- bzw. Schläfenregion getreten und hierdurch ein Schädel-Hirn-Trauma mit
intercerebraler Blutung verursacht hatte.
59 Nach Vernehmung des Beschuldigten S. am 19.12.2008 übersandte der polizeiliche Sachbearbeiter mit
Schreiben vom 05.01.2009, das am 19.01.2009 bei der Staatsanwaltschaft einging, neben anderen
Unterlagen einen umfassenden Schlussbericht. Nach erneuter Bewilligung von Akteneinsicht an den
Verteidiger des Beschuldigten S., Rechtsanwalt Dr. Dr. H., nahm der Verteidiger mit Schriftsatz vom
27.01.2009 abschließend Stellung. Er wies u.a. darauf hin, dass sein Mandant in seiner Vernehmung
eingeräumt habe, dem Geschädigten mit einem Küchenmesser die durch die Rechtsmedizin festgestellten
Verletzungen zugefügt zu haben. Sein Mandant halte es auch für möglich, dass er aus Wut auch auf die
bereits am Boden liegende Person eingetreten und dabei möglicherweise die Verletzung an der Schläfe dem
Geschädigten zugefügt habe. Wenngleich auch von Seiten der Verteidigung nicht davon ausgegangen
werde, dass die Tatbestandsmerkmale des § 32 StGB voll umfänglich erfüllt seien, sei gleichwohl zu
berücksichtigen, dass der Beschuldigte dem Geschädigten die Verletzungen zugefügt habe, um sich aus
dessen Griff zu befreien. Ein Tötungsvorsatz sei nicht anzunehmen. Der Verteidiger regte abschließend an,
dass Verfahren wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung im Strafbefehlswege zu erledigen.
Damit war das Verfahren abschlussreif. Ohne dass weitere Ermittlungen durchgeführt wurden oder für eine
Anklageerhebung notwendig gewesen wären, unterließ der Angeklagte in der Folgezeit jedoch eine
Anklageerhebung bzw. einen Strafbefehlsantrag gegen den Beschuldigten S..
60 Das Verfahren wurde zum 01.12.2009 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung des
fälligen Rückstandsberichts stellte der Angeklagte das Verfahren gegen die Beschuldigten G. und M. mit
Verfügung vom 30.11.2009 gemäß § 154f StPO vorläufig ein. Das Verfahren gegen den Beschuldigten St.
stellte er mit Verfügung vom gleichen Tag nach § 170 Abs. 2 StPO ein und führte zur Begründung aus, die
schwerwiegenden Verletzungen seien dem Geschädigten durch den Beschuldigten S. beigebracht worden.
Hinsichtlich des Beschuldigten S. verfügte der Angeklagte am 30.11.2009 den Abschluss des
Ermittlungsverfahrens durch einen angeblich diktierten Strafbefehlsantrag, obwohl ein solcher weder zum
Zeitpunkt der Verfügung bereits diktiert war noch in der Folgezeit zur Akte bzw. zu Gericht gelangte. Der
Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung allerdings nicht die Absicht, das Verfahren endgültig nicht
mehr zu bearbeiten. Ihm ging es allein darum, den Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen. Er nahm
die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
61 Aufgrund der Verfügung vom 30.11.2009 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
62 Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. Anklage zu erheben.
Spätestens ab Mai 2010 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip
und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte
Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als
auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus
§ 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des
Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche Verzögerung der
Strafverfolgung wurde der Beschuldigte S. zu Unrecht begünstigt.
63 Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens am 10.07.2012 beantragte
die Staatsanwaltschaft F. am 27.08.2012 gegen den Beschuldigten S. den Erlass eines Strafbefehls wegen
gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, der
am 10.09.2012 vom Amtsgericht Ettenheim erlassen und am 27.09.2012 rechtskräftig wurde (…).
64 Dem Angeklagten war aufgrund des im Dezember 2008 abgegebenen Geständnisses des Beschuldigten S.
bekannt, dass ihm eine gefährliche Körperverletzung nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet
gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das
Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten. Die Akten befanden sich ab Dezember
2009 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung der Tat am 29.06.2012
kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein
erfolgten Anklageerhebung am 30.11.2009 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm auch
nicht mehr gefördert worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab Mai 2010 jede weitere
Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen
schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der
Angeklagte die Besserstellung des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung
als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen
die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu
erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen
schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
65
5. Ermittlungsverfahren
j und k) gegen P. K.
66 Der Angeklagte war zumindest seit 2006 bis Ende Juni 2012 für Ermittlungsverfahren gegen den mehrfach
wegen Betrugs vorbestraften Beschuldigten P. K. zuständig. In dieser Zeit ging bei der Staatsanwaltschaft
F. sukzessive eine Vielzahl von Strafanzeigen und polizeilichen Formblattanzeigen gegen den
Beschuldigten K. wegen gewerbsmäßigen Betrugs ein, die auf das Dezernat (...) des Angeklagten
eingetragen bzw. vom Angeklagten aus anderen Dezernaten übernommen und zu den bei ihm anhängigen
Verfahren verbunden wurden.
67 Unter dem Aktenzeichen
j) führte der Angeklagte aufgrund einer Strafanzeige der Polizeidirektion F. -
Verkehrspolizei, Ermittlungsdienst Umwelt - vom 27.04.2009 ein am 20.05.2009 bei der
Staatsanwaltschaft F. eingegangenes Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten K. und dessen
Ehefrau A. M. K. wegen einer Vielzahl von gewerbsmäßigen Betrugstaten in Bezug auf den Verkauf von
Nintendo-Spielkonsolen. In der polizeilichen Strafanzeige vom 27.04.2009, der entsprechende
Zeugenvernehmungen angeschlossen waren, wurde den Beschuldigten unter anderem vorgeworfen, in
insgesamt 89 Fällen über die Verkaufsplattform "Ebay" unter verschiedenen Mitgliedsnamen Nintendo-
Spielkonsolen und andere Artikel gegen vorherige Überweisung verkauft zu haben, wobei lediglich in 2
Fällen - davon in einem Fall beschädigt - die Ware geliefert worden sei. Der polizeiliche Sachbearbeiter
führte aus, mehrheitlich sei festzustellen gewesen, dass die Begehungsweise wie folgt ablaufe: Der in Ebay
eingestellt Artikel werde verkauft, obwohl er offensichtlich nicht im Eigentum der Beschuldigten stehe.
Nachdem der jeweilige Betrag auf dem Konto von A. K. eingegangen sei, werde stillgehalten. Nach
mehreren Kontakten (Mail/Telefon) werde dem Käufer erklärt, dass man selbst reingefallen sei. Die Ehefrau
habe eine größere Menge gekauft, bezahlt und nicht erhalten. Für den Schaden wolle man aufkommen,
man habe jedoch aufgrund der großen Verluste Zahlungsschwierigkeiten. In 48 Fällen seien nach
langwierigen Rückfragen der Käufer Teilbeträge zurückerstattet worden, wobei sich die Restschulden
jeweils auf Beträge zwischen 30 bis ca. 260 EUR belaufen hätten und die Käufer die Sache auf sich
beruhen ließen. Käufern, die mit einem Rechtsanwalt bzw. einer Strafanzeige gedroht hätten, sei der
Kaufpreis vollständig zurückbezahlt worden. Der Beschuldigte K. habe am 15.10.2007 und am 13.10.2008
beim Amtsgericht S. die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Insoweit bestehe zudem der Verdacht
einer falschen Versicherung an Eides Statt. Schließlich bestehe der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach
§ 14 GewO.
68 Im Einzelnen bestand zumindest in den nachfolgend genannten Fällen der - zutreffende - Verdacht, dass
der Beschuldigte K. zur Erschließung einer dauerhaften Einnahmequelle über die Verkaufsplattform "Ebay"
unter den Verkäufer-Mitgliedsnamen „(…)“ und "(…)" an 43 Geschädigte eine Spielkonsole Nintendo
verkaufte, die er - entsprechend seinem Tatplan - nach Eingang der Überweisungen per Vorkasse nicht
lieferte und hinsichtlich derer er nach Reklamation durch die Geschädigten - wie von Anfang an
einkalkuliert - nur einen Teilbetrag zurückerstattete, und zwar am
69
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 240,99 EUR, offener Restbetrag: 100,99 EUR),
15.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 238,79 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100,99 EUR),
02.03.2008 z.N. (…) (Überweisung: 229,99 EUR, offener Restbetrag: 159,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 219,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
19.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 227,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 225,61 EUR, offener Restbetrag: 75 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 228,57 EUR, offener Restbetrag: 158,57 EUR),
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 240,99 EUR, offener Restbetrag: 60 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230,99 EUR, offener Restbetrag: 70,99 EUR),
11.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 210,99 EUR, offener Restbetrag: 90,99 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 212,99 EUR, offener Restbetrag: 92,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231 EUR, offener Restbetrag: 111 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230 EUR, offener Restbetrag: 90 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 225,99 EUR, offener Restbetrag: 175,99 EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 232,99 EUR, offener Restbetrag: 67,99 EUR),
19.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 227,99 EUR, offener Restbetrag: 30 EUR),
18.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 239,99 EUR, offener Restbetrag: 139,99 EUR),
07.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
21.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 235,99 EUR, offener Restbetrag: 80 EUR),
14.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 231 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 238,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 250,04 EUR, offener Restbetrag: 100,04 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 211,99 EUR, offener Restbetrag: 111,99 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 236,31 EUR, offener Restbetrag: 136,31EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 228,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 229,98 EUR, offener Restbetrag: 129,98 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 237,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 230,99 EUR, offener Restbetrag: 60 EUR),
06.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 250,98 EUR, offener Restbetrag: 200,98 EUR),
25.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220 EUR, offener Restbetrag: 120 EUR),
14.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 244,32 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,49 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 226,35 EUR, offener Restbetrag: 176,35 EUR),
28.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 244,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
23.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 233,13 EUR, offener Restbetrag: 133,13 EUR),
22.02.2008 z.N. (…) (Überweisung: 220,99 EUR, offener Restbetrag: 100 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 160,99 EUR, offener Restbetrag: 110,99 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 170,98 EUR, offener Restbetrag: 120,98 EUR),
30.07.2008 z.N. (…) (Überweisung: 170,88 EUR, offener Restbetrag: 120,88 EUR).
70 Außerdem war Gegenstand des Verfahrens
j) der - zutreffende - Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der T.
GmbH durch Buchung von Reiseleistungen im Wert von 2.130,00 EUR am 22.12.2008 unter Täuschung
über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit. Das ursprünglich unter dem Aktenzeichen
l) am 30.06.2009
bei der Staatsanwaltschaft F. eingegangene Verfahren war am 25.01.2010 vom Angeklagten zum
Verfahren
j) verbunden worden. In der Strafanzeige des Polizeipostens B. vom 24.06.2009 wurde
ausgeführt, der Beschuldigte K. habe im Internet bei dem Reiseveranstalter einen 6-tägigen
Hotelaufenthalt an der Ostsee gebucht, die fällige Lastschrift sei jedoch nicht ausgeführt worden. Der
Beschuldigte sei bereits mehrfach wegen Betrugs polizeilich in Erscheinung getreten und dürfte sich seiner
Zahlungsunfähigkeit bereits bei Buchung der Reise bewusst gewesen sein.
71 Das Verfahren
j) wurde zum 20.05.2010 nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Am 18.05.2010
verfügte der Angeklagte die vorläufige Einstellung des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf
das Verfahren
k) und stellte in einem Vermerk klar, dass die Vorwürfe der falschen Versicherung an Eides
Statt und der Ordnungswidrigkeit zum Verfahren
k) übernommen würden. Mitteilungen an die
Verfahrensbeteiligten unterblieben. Der Angeklagte beabsichtigte, zu einem späteren Zeitpunkt die gegen
den Beschuldigten K. anhängigen Verfahren gemeinsam abzuschließen und die Vorwürfe in einer Anklage
zusammenzufassen. Die Akten des Verfahrens
j) nahm er als Beiakten zum Verfahren k).
72 Aufgrund der Verfügung vom 18.05.2010 wurde das Verfahren
j) von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
73 Das am 04.11.2009 aufgrund einer Strafanzeige des Polizeipostens B. vom 28.10.2009 bei der
Staatsanwaltschaft eingegangene Bezugsverfahren
k) hatte der Angeklagte mit Verfügung vom
18.05.2010 von Dezernat 350 Js auf sein Dezernat übernommen und zugleich Termin zur Vernehmung des
Beschuldigten K. auf 28.05.2010 bestimmt. Nach Hinzuverbindung weiterer Verfahren waren Gegenstand
des Verfahrens - neben weiteren Vorwürfen - mehrfache durch den Beschuldigten K. über die
Verkaufsplattform Ebay abgewickelte Versteigerungen eines nicht vorhandenen Smartphones Nokia N900,
und zwar
74
- am 19.12.2009 an den Geschädigten (…) für 356,60 EUR (urspr. Aktenzeichen 350 Js 7833/10)
- am 19.12.2009 an den Geschädigten (…) für 517,56 EUR (urspr. Aktenzeichen (...) Js 14661/10,
Strafanzeige des Polizeipräsidiums B. vom 18.01.2010) und
- am 22.12.2009 an den Geschädigten (…) für 524,46 EUR (urspr. Aktenzeichen 350 Js 11162/10,
Strafanzeige der Polizei H. vom 11.02.2010),
75 wobei die Lieferung jeweils plangemäß trotz Überweisung des Kaufpreises unterblieb. Wegen des Betrugs
z.N. des Geschädigten (…) war von der Dezernentin des Dezernats 350 bereits am 09.04.2010 ein
Strafbefehlsantrag zum Amtsgericht S. gegen A. M. K. über 20 Tagessätze zu je 40 EUR unterschrieben
worden, den der Angeklagte auf der Geschäftsstelle angehalten hatte, und das Verfahren zum Verfahren
k)
übernahm.
76 Zum 04.11.2010 wurde das Verfahren
k) nach Abschnitt III der BeStra berichtspflichtig. Zur Vermeidung
des Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 04.11.2010 die Einstellung des Verfahrens nach § 170
Abs. 2 StPO gegen die Beschuldigten P. K., A. K. und M. K. Als Begründung gab er an, dass sich nach den
durchgeführten Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten nach §
263 StGB ergeben hätten. Zwar hätten die Beschuldigten verschiedentlich Waren verkauft bzw. teilweise
versteigert und in einigen Fällen Waren nicht geliefert. Allerdings sei es lediglich in einigen Fällen zu
Unregelmäßigkeiten gekommen, weil die eigenen Lieferanten die von den Beschuldigten weiterverkauften
Waren ihrerseits nicht geliefert hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beschuldigten zum Zeitpunkt des
jeweiligen Weiterverkaufs die Kunden über ihre Lieferfähigkeit getäuscht hätten oder hätten täuschen
wollen. In einer Vielzahl von Fällen sei der jeweilige Kaufpreis - wenn auch teilweise verzögert -
zurückbezahlt worden. Auch dies zeige auf, dass die Beschuldigten ohne Betrugsabsicht gehandelt hätten.
Bei dieser Sachlage sei das Verfahren einzustellen. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass die von ihm
angegebene Begründung sachlich nicht zutreffend war und dass die Voraussetzungen für eine Einstellung
nach § 170 Abs. 2 StPO angesichts des bestehenden Tatverdachts nicht vorlagen. Die
Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle zum
Registeraustrag zu veranlassen. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht, das
Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Er verfügte zwar die Einstellungsnachrichten an Polizei,
Beschuldigte und Geschädigte, versah diese Verfügung aber mit dem Zusatz "nach Sichtung der unten
angeforderten Akten", so dass Einstellungsnachrichten unterblieben. Die Verfügung schloss mit der
Aktenanforderung von zwei Ermittlungsakten aus einem anderen Dezernat. Der Angeklagte nahm die
Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
77 Aufgrund der Verfügung vom 04.11.2010 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
78 Der Angeklagte unterließ es jedoch auch in der Folgezeit, das Verfahren
k) wieder aufzunehmen und
zumindest wegen der genannten Straftaten Anklage gegen den Beschuldigten K. zu erheben. Auch
unterließ er bewusst die Wiederaufnahme des vorläufig nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten Verfahrens
j),
was wegen der unterbliebenen Anklageerhebung im Bezugsverfahren
k) geboten gewesen wäre.
79 Spätestens ab April 2011 war das Unterlassen der Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip
und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte
Verbot rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als
auch dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus
§ 170 Abs. 1 StPO resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des
Angeklagten stand einer Anklageerhebung nicht entgegen. Durch die erhebliche Verzögerung der
Strafverfolgung wurde der Beschuldigte K. zu Unrecht begünstigt.
80 Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens erhob die
Staatsanwaltschaft F. im Verfahren
j) am 28.12.2012 Anklage zum Amtsgericht S. Im Verfahren k) erhob
die Staatsanwaltschaft nach Verbindung mit dem Verfahren
m) und weiteren Verfahren am 31.05.2013
Anklage zum Amtsgericht S. Nach Verbindung der Verfahren wurde der Beschuldigte K. durch Urteil des
Amtsgerichts S. vom 07.04.2014
im Verfahren j), rechtskräftig seit 29.04.2014, wegen Betrugs in 75 Fällen
sowie wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht erklärte zur
Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt,
wobei es die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - neben anderen Verzögerungsgründen - auch mit
den Einstellungsverfügungen vom 18.05.2010 im Verfahren
j) (Anklage vom 28.12.2012) und 04.11.2010
im Verfahren
m) (Anklage vom 31.05.2013) begründete. Bezüglich der oben genannten Taten aus dem
Verfahren
j) verhängte das Amtsgericht wegen Betrugs in 43 Fällen durch den Verkauf von Nintendo-
Spielkonsolen jeweils Einzelstrafen von einem Monat Freiheitsstrafe, soweit der offene Restbetrag bis
einschließlich 100 EUR betrug, und von zwei Monaten Freiheitsstrafe bei darüber hinausgehenden
Restbeträgen. Wegen des Betrugs zum Nachteil der T. GmbH durch Buchung von Reiseleistungen wurde
eine Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Bezüglich der genannten Taten aus dem
Verfahren
j) verhängte das Amtsgericht wegen Betrugs in drei Fällen durch den Verkauf von Smartphones
jeweils Einzelstrafen von drei Monaten Freiheitsstrafe.
81 Dem Angeklagten war aufgrund der Vielzahl der gleichartigen Vorwürfe und der vorgelegten Erkenntnisse
über die finanzielle Situation des Beschuldigten K. bekannt, dass dem Beschuldigten die Taten
nachzuweisen gewesen wären und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den Beschuldigten Anklage
zu erheben. Dem Angeklagten sind die Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt aus dem Blick geraten.
Die Akten befanden sich ab Mai 2010 bis zum 27.06.2012 in seinem Dienstzimmer und bis zur Aufdeckung
der Tat am 29.06.2012 kurzzeitig im Keller seiner Mutter. Der Angeklagte wusste, dass die Verfahren seit
der Einstellungsverfügung vom 18.05.2010 und der zum Schein erfolgten Einstellungsverfügung vom
04.11.2010 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlagen und von ihm auch nicht mehr gefördert worden
sind. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab März 2011 jede weitere Verzögerung der Anklageerhebung
unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Verstoß gegen das
Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung des
Beschuldigten K. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung als sichere Folge seines
Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung der
Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben und im
Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen schwerwiegenden, elementaren
Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
82
6. Ermittlungsverfahren
n) gegen S.
83 Der Angeklagte führte seit dem 05.03.2011 unter dem Aktenzeichen
n) ein Ermittlungsverfahren gegen
den Beschuldigten D. W. S. wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger
Personen. Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens war der - zutreffende - Vorwurf, dass der Beschuldigte
S. am Abend des 03.03.2011 in seiner Wohnung in S. seiner 16-jährigen Stieftochter zunächst drei
Beruhigungstabletten Oxazepam mit der Behauptung, dass diese lustig machten, verabreicht und mit
dieser zusammen Alkohol - auf die Geschädigte entfielen 13 bis 15 Liköre „Kleiner Feigling“ - konsumiert
hatte und ihr sodann in der Nacht auf den 04.03.2011 - als sie in einen tiefen Schlaf versunken war - unter
Ausnutzung dieses Zustandes den Slip ausgezogen hatte und mit seinem Finger in deren Vagina
eingedrungen war, wobei er von der Vagina der Geschädigten und dem Eindringen in diese Lichtbilder mit
seinem Mobiltelefon anfertigte.
84 Wegen dieses Vorwurfs beantragte der Angeklagte am 05.03.2011 als Bereitschaftsstaatsanwalt beim
Amtsgericht F. gegen den Beschuldigten Haftbefehl, der am gleichen Tag erlassen wurde (…). Der
Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt H., erklärte mit Schreiben vom 07.04.2011 für den
Beschuldigten, dass dieser die ihm im Haftbefehl zur Last gelegte Tat in vollem Umfang einräume. Durch
Beschluss des Amtsgerichts F. vom 19.04.2011 wurde der Haftbefehl gem. § 116 StPO außer Vollzug
gesetzt, wobei der fortbestehende dringende Tatverdacht auch mit dem umfassenden Geständnis des
Beschuldigten im Haftprüfungstermins vom 19.04.2011 begründet wurde. Der Beschuldigte wurde
angewiesen, sich zweimal wöchentlich bei der Polizei zu melden, das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland nicht ohne Erlaubnis der Staatsanwaltschaft zu verlassen und vorhandene Ausweispapiere
(Personalausweis und Reisepass) zu den Akten zu geben. Außerdem wurde ihm untersagt, ohne
ausdrückliches Einverständnis zu der Geschädigten Verbindung aufzunehmen.
85 Mit Schlussbericht des polizeilichen Sachbearbeiters KHK S. vom 09.06.2011, bei der Staatsanwaltschaft
eingegangen am 10.06.2011, war das Verfahren abschlussreif und die Tat des sexuellen Missbrauchs
Widerstandsunfähiger aufgrund des zweifachen Geständnisses des Beschuldigten sicher nachweisbar.
Gleichwohl unterließ es der Angeklagte in der Folgezeit, gegen den Beschuldigten S. die gebotene Anklage
zu erheben.
86 Zum 05.03.2012 wurde das Verfahren gegenüber der Behördenleitung berichtspflichtig. Zur Vermeidung
des Rückstandsberichts verfügte der Angeklagte am 02.03.2012 die Einstellung des Verfahrens nach § 170
Abs. 2 StPO mit der Begründung, dass sich der anfänglich bestehende Tatverdacht nicht hinreichend
erhärtet habe. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass die angegebenen Einstellungsgründe sachlich
unzutreffend waren und die Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vorlagen.
Die Einstellungsverfügung erfolgte aus Sicht des Angeklagten lediglich zum Schein, um die Geschäftsstelle
zum Registeraustrag zu veranlassen. Der Angeklagte hatte zum Zeitpunkt der Verfügung nicht die Absicht,
das Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Daher verfügte er auch keine Einstellungsnachricht an
die Verfahrensbeteiligten. Er nahm die Akten wieder an sich, um das Verfahren zu einem späteren
Zeitpunkt ordnungsgemäß abzuschließen.
87 Aufgrund der Verfügung vom 02.03.2012 wurde das Verfahren von der zuständigen Mitarbeiterin der
Serviceeinheit im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft F. als erledigt ausgetragen. Hierdurch wurde
es - wie der Angeklagte wusste - zugleich dauerhaft der durch die Rückstandsunterrichtung zu
gewährleistenden Dienstaufsicht durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft F. und der
Generalstaatsanwaltschaft K. entzogen.
88 Spätestens ab dem Zeitpunkt des Registeraustrags am 02.03.2012 war das Unterlassen der
Anklageerhebung unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt mehr zu vertreten und stellte
im Hinblick auf das aus dem Rechtsstaatsprinzip und der allgemeinen prozessualen Fürsorgepflicht
abzuleitende, in Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein normierte Verbot rechtsstaatswidriger
Verfahrensverzögerungen, das sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch dem öffentlichen
Strafverfolgungsinteresse dient, eine besonders schwerwiegende Verletzung der aus § 170 Abs. 1 StPO
resultierenden Pflicht zur zeitnahen Anklageerhebung dar. Die Arbeitsbelastung des Angeklagten stand
einer Anklageerhebung nicht entgegen. Trotz bestehenden, weiterhin außer Vollzug gesetzten Haftbefehls
und weiterer Sachstandsanfragen des Rechtsanwalts der Geschädigten vom 19.03. und 09.05.2012
erfolgte bis zur Entdeckung seiner Tat am 25.06.2012 keine Nachholung der gebotenen Anklageerhebung.
Hierdurch wurde die Strafverfolgung für einen erheblichen Zeitraum vereitelt. Der Beschuldigte wurde
durch die Verfahrensverzögerung einerseits begünstigt, andererseits bedeutete die Verzögerung für ihn in
Anbetracht des bestehenden Haftbefehls und der bestehenden Auflagen aus dem Beschluss des
Amtsgerichts F. vom 19.04.2011 zugleich eine besondere Belastung.
89 Erst nach Suspendierung des Angeklagten und Wiederaufnahme des Verfahrens erhob die
Staatsanwaltschaft F. gegen den Beschuldigten S. zeitnah Anklage zum Amtsgericht - Schöffengericht - F.,
das ihn mit Urteil vom 28.11.2012, rechtskräftig seit 04.12.2012, wegen sexuellen Missbrauchs einer
widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt zur
Bewährung, verurteilte (…). Das Gericht berücksichtigte im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich
strafmildernd, dass der Beschuldigte durch die lange Verfahrensdauer, die er nicht zu vertreten habe,
erheblich beeinträchtigt worden sei.
90 Dem Angeklagten war aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses des Beschuldigten S. bekannt, dass
dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen gewesen wäre und dass er verpflichtet gewesen wäre, gegen den
Beschuldigten Anklage zu erheben. Dem Angeklagten ist das Ermittlungsverfahren zu keinem Zeitpunkt
aus dem Blick geraten. Die Akte verblieb ab März 2012 bis zur Aufdeckung der Tat am 25.06.2012 im
Dienstzimmer des Angeklagten. Der Angeklagte wusste, dass das Verfahren seit der zum Schein erfolgten
Einstellungsverfügung am 02.03.2012 keiner behördlichen Kontrolle mehr unterlag und von ihm bereits
seit Juni 2011 nicht mehr gefördert worden ist. Ihm war auch bewusst, dass jedenfalls ab März 2012 jede
weitere Verzögerung der Anklageerhebung unter keinen Umständen mehr zu rechtfertigen war und einen
schwerwiegenden Verstoß gegen das Verbot rechtsstaatswidriger Verzögerungen darstellte. Dabei war
dem Angeklagten insbesondere bekannt, dass gegen den Beschuldigten seit dem 05.03.2011 ein Haftbefehl
bestand und dass der Beschleunigungsgrundsatz auch bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl in
besonderer Weise zu beachten ist. Auch sah der Angeklagte die Besserstellung bzw. besondere Belastung
des Beschuldigten S. durch die pflichtwidrig unterbliebene Anklageerhebung und den bestehenden
Haftbefehl als sichere Folge seines Unterlassens voraus. Dem Anklagten war zudem bewusst, dass ein
Verstoß gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, unter den Voraussetzungen des § 170 Abs. 1
StPO Anklage zu erheben und im Ermittlungsverfahren den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten, einen
schwerwiegenden, elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege darstellt.
III.
91
1. Feststellungen zur Person
92 (…)
93
2. Feststellungen zur Sache
94
2.1 Akteninhalt, Aktenführung, Abschlussverfügungen
95
a)
Zusammengefasst räumte der Angeklagte in der Hauptverhandlung den Gang und Verlauf der
betroffenen Ermittlungsverfahren ohne Einschränkung ein. Er habe in den gegenständlichen Strafverfahren
jeweils Verfügungen getroffen, die zum Austrag der jeweiligen Verfahren aus dem staatsanwaltschaftlichen
Register führten, jedoch die Verfahren nicht sachgerecht abschlossen, und habe die jeweiligen Verfahren
anschließend nicht mehr zum ordnungsgemäßen Abschluss durch eine Anklageerhebung gebracht. Zweck
der Verfügungen sei lediglich der Austrag des Verfahrens aus dem Register gewesen, da es ihm nicht
gelungen sei, die Verfahren innerhalb von 12 Monaten zu Ende zu bringen. Er habe die Erstellung eines
Rückstandsberichts vermeiden wollen, der nach diesem Zeitablauf fällig geworden wäre, obwohl im einen
oder anderen Fall durchaus nachvollziehbare Gründe für den unterbliebenen Verfahrensabschluss
vorgelegen hätten. Er habe Zeit gewinnen wollen, um die Verfahren dann, wenn es ihm möglich werden
würde, zum Abschluss zu bringen. Hinter der Art des von ihm zum Schein getroffenen
Verfahrensabschlusses - Anklage oder Einstellungsverfügung - habe keine Systematik gestanden. Es sei ihm
allein um den Verfahrensaustrag gegangen. Die Geschäftsstelle hätte ohne eine schriftliche Verfügung
keinen Registeraustrag vorgenommen. In den ihm vorgeworfenen Fällen sei es zu Fehlern gekommen, er
habe jedoch nicht die Absicht gehabt jemanden zu bevor- oder benachteiligen. In jedem einzelnen Fall habe
er die Erwartung gehabt, das Verfahren noch zum Abschluss zu bringen. Ab dem Zeitpunkt der von ihm
vorgenommenen Scheinverfügungen habe er die Akten, die sich bei in seinem Dienstzimmer befanden,
immer präsent gehabt.
96
b)
Neben der Einlassung des Angeklagten beruhen die bezüglich der Taten Nr. 1 bis 6 getroffenen
objektiven Feststellungen zu dem jeweiligen Inhalt der Ermittlungsakten sowie der jeweils genannten
Strafanzeigen und Schreiben, zu der Aktenführung durch den Angeklagten, den ergangenen gerichtlichen
Entscheidungen und den vom Angeklagten jeweils getroffenen Verfügungen auf den jeweiligen
Aktenbestandteilen, die als Urkunden in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.
97
c)
Die Aktenführung und Registerausträge wurden auch durch die Vernehmung der für den Angeklagten
zuständigen Servicemitarbeiterinnen bestätigt.
98 Die für den Angeklagten zuständig Servicemitarbeiterin D. gab als Zeugin an, sie habe mit dem
Angeklagten etwa zehn Jahre lang zusammen gearbeitet. Zur Einhaltung der Berichtspflichten habe sie
dem Angeklagten diejenigen Verfahren vorgelegt, die demnächst rückständig werden würden. Es sei
vorgekommen, dass der Angeklagte eine Einstellungsverfügung gefertigt habe und sich die Akten habe
wiedervorlegen lassen. Er sei dann schnell bei ihr vorbei gekommen und sie habe den Registeraustrag
gemacht. Ohne eine schriftliche Abschlussverfügung hätten sie und ihre Kolleginnen nie etwas
ausgetragen. An der Richtigkeit der Verfügung habe sie nie gezweifelt. Es habe auch Fälle - wie viele wisse
sie nicht - gegeben, in denen das Verfahren zunächst ausgetragen worden sei und die richtigen
Einstellungsgründe und Mitteilungen erst später gemacht worden seien. Es habe aber auch andere
Verfahren gegeben, die der Angeklagte wirklich aus den Augen verloren habe. Die Zeugin D. bestätigte,
dass sie in den Verfahren M. und K. den Registeraustrag vorgenommen habe. Im Verfahren S. habe dies
eine Vertreterin gemacht. Im Verfahren L. wisse sie nicht, wer den Austrag vorgenommen habe, da die
Verfügung nicht mehr vorhanden sei. Wer das Verfahren S. ausgetragen habe, wisse sie auch nicht. Wenn
bei den ausgetragenen Verfahren noch Post gekommen sei, beispielsweise in den Sachen K. oder M., habe
der Angeklagte zu ihr gesagt, sie solle ihm die Post geben, er sei "noch dran". Die Zeugin S. bestätigte, im
Verfahren S. in Vertretung von Frau D. den Registeraustrag gefertigt zu haben.
99
d)
Dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Registeraustrags jeweils die Absicht gehabt hätte, die
Verfahren dauerhaft nicht mehr zu bearbeiten, war vor dem Hintergrund seiner glaubwürdigen Einlassung
und der Angaben der Zeugin D. für die Kammer daher nicht festzustellen. Für die Einlassung des
Angeklagten, er habe alle Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt ordnungsgemäß erledigen wollen, sprach
insbesondere, dass er die Verfahrensakten in allen Fällen in seinem Zimmer aufbewahrte und dem
möglichen Zugriff der Servicemitarbeiter und Vorgesetzten nicht vorenthielt. Soweit Sachstandsanfragen
von Geschädigten oder Anzeigeerstattern eingingen - wie im Verfahren Mai von der Fa. B. -, teilte der
Angeklagte mit, dass die Ermittlungen noch andauern würden.
100 Dass der Angeklagte die Verfahren nicht als abgeschlossen ansah, fand schließlich auch Bestätigung durch
die Angaben des Zeugen H., des früheren Leiters der Staatsanwaltschaft F.. Dieser berichtete über die
Situation, als der Angeklagte im Verfahren S., das wegen mehrfacher Nachfragen des Rechtsanwalts der
Geschädigten Auslöser der Ermittlungen gegen den Angeklagten war, erstmals mit dem Vorwurf einer
unsachgemäßen Verfahrenseinstellung konfrontiert wurde. Der Angeklagte habe die Verfahrensweise nicht
abgestritten und spontan geäußert, er habe nicht gewollt, dass das Verfahren dauerhaft eingestellt bleibe,
er habe nur Zeit gewinnen wollen.
101
e)
Zu den Berichtspflichten für rückständige Verfahren wurden die Hinweise des Leiters der
Staatsanwaltschaft F. zur Berichtspflicht nach BeStra Abschnitt III und zur Fassung der Rückstandsberichte
vom 25.08.2000 und die Verfügung des Leiters der Staatsanwaltschaft F. vom 22.02.2011 verlesen.
102
2.2 Arbeitsbelastung des Angeklagten
103
a)
Der Angeklagte verwies im Zusammenhang mit den gegenständlichen Ermittlungsverfahren auf seine
deutliche Arbeitsüberlastung, die einer zeitnahen Erledigung der Verfahren entgegenstanden sei. Er habe
im Zeitraum von 2005 bis Mitte 2012 insgesamt 8626 Strafverfahren bearbeitet. Zusätzlich habe er ab
dem Jahr 2002 Aufgaben des damaligen Abteilungsleiters mitübernommen, nämlich die Betreuung des
Assessors und dessen Gegenzeichnung (von 2002 bis 2009); daneben habe er Studentenpraktika und die
Plädierkurse organisiert. Im Übrigen sei er nur mit 0,7 Arbeitskraftanteilen (AKA) bei der
Staatsanwaltschaft F. beschäftigt gewesen, was jedenfalls bis Ende 2007 nicht berücksichtigt worden sei.
In den beiden T-Verfahren sei die erste - sehr umfangreiche - Anklage am 27.12.2006 fertig gestellt
worden. Am 18.02.2008 habe er die umfangreiche Anklage für das zweite Verfahren fertig gestellt. Zwar
hätte er selbst nicht auf seine Überlastung hingewiesen, es hätte jedoch jeder von seiner starken
Belastung gewusst. Infolge der Entlastung 2008, als der Amtsgerichtsbezirk M. aus seiner Zuständigkeit
genommen wurde, habe er die Möglichkeit gehabt, die Rückstände aufzuarbeiten. Im Jahr 2009 sei eine
hohe Belastung entstanden, da er im Frühjahr einige zeitintensive Mordverfahren in Vertretung des
damaligen Abteilungsleiters bearbeitet habe. In diesem Jahr habe er über einen langen Zeitraum den
Abteilungsleiter vertreten müssen. Hinzugekommen seien die Hauptverhandlung im T-Verfahren und
mehrtägige Verhandlungen in Kapitaldelikten. Bis Ende April des Jahres 2010 seien die Eingangszahlen
nicht mehr so hoch gewesen, er habe auch keine ganz besonderen Verfahren wie 2009 bearbeitet. In
diesem Jahr habe er allerdings vier Wochen die Vertretung eines Kollegen übernommen. Bei dessen
Dezernat habe er 12 oder 13 berichtspflichtige Verfahren abgebaut. Er habe auch sonst rückständige
Verfahren abgebaut, um das Dezernat auf ein normales Niveau zu fahren. Er habe deshalb auch Akten
über das Wochenende mit nach Hause genommen und bearbeitet. Es habe dann eine Mordserie begonnen
die äußerst zeitintensive verdeckte Ermittlungen bis in den Herbst 2010 nach sich gezogen habe. Ab
Dezember 2010 habe er in seiner Freizeit eine überaus zeitintensive Tätigkeit als Fußballtrainer der ersten
und zweiten Mannschaft ausgeübt und habe nach Feierabend oder am Wochenende nicht mehr zu Hause
gearbeitet. Der Bestand offener Verfahren sei zum Ende des Jahres 2010 auf 194 angestiegen. 38
Verfahren aus dem Jahr 2009 habe er abgearbeitet. Zum Ende des Jahres 2011 habe er den offenen
Bestand trotz Vertretungen des Abteilungsleiters und neuer Kapitaldelikte auf 78 Verfahren abbauen
können. Zu Beginn des Jahres 2012 sei der Schwerpunkt seiner Arbeit auf drei Kapitaldelikten gelegen, die
im Vorjahr eingegangen seien.
104 Die Kammer hat daher geprüft, ob dem Angeklagten die Bearbeitung und Erledigung der betroffenen
Ermittlungsverfahren unter Berücksichtigung seiner individuellen Arbeitsbelastung und Leistungsfähigkeit
überhaupt möglich und zumutbar gewesen ist. Hätte bei dem Angeklagten eine über die Maßen hohe
Arbeitsbelastung vorgelegen, die ihm ein rechtzeitiges Tätigwerden tatsächlich unmöglich gemacht hätte,
wäre ein strafrechtlicher Vorwurf nicht begründbar gewesen.
105
b)
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Arbeitsbelastung des Angeklagten waren für die Kammer
zunächst die objektiven Verfahrenszahlen, wie sie sich aus den in die Hauptverhandlung eingeführten
Verfahrensstatistiken der Staatsanwaltschaft F. und den vom Angeklagten selbst gefertigten und
erläuterten Aufstellungen darstellten.
106 Der Angeklagte war seit dem 15.10.2003 mit einem Arbeitskraftanteil von 0,3 zu der so genannten T nach
O. abgeordnet. Die dort von ihm bearbeiteten sehr umfangreichen Strafverfahren waren im Wesentlichen
mit den Anklagen vom 27.12.2006 (66-seitig) und vom 18.02.2008 (42-seitig) abgeschlossen. Die jeweils
wenige Tage dauernden Hauptverhandlungen, an denen der Angeklagte als Sitzungsvertreter teilnahm,
fanden im Januar und Juli 2009 statt. Auch nach Abschluss der Verfahren bestand die Abordnung zu 0,3
Arbeitskraftanteilen formal fort. Bis zum Ende des Jahres 2007 wurde diese Abordnung jedoch bei der
Staatsanwaltschaft F. nicht berücksichtigt. Erst ab dem Jahr 2008 erfolgte eine deutliche Entlastung des
Angeklagten, der fortan nur noch einen Amtsgerichtsbezirk nebst Sonderzuständigkeiten zu bearbeiten
hatte.
107 Aus den Verfahrensstatistiken, die von dem Zeugen H. und dem Zeugen Oberstaatsanwalt M., dem
früheren Abteilungsleiter des Angeklagten (ab Mai 2009), näher erläutert wurden, ergibt sich, dass der
Angeklagte auf seinem Dezernat im Jahr 2007 1521 neue Verfahren und 1447 erledigte Verfahren zu
verzeichnen hatte. Das führte zu einem Bestand an offenen Verfahren zum Jahresende von 239. Der
Jahresdurchschnitt der Abteilungsdezernate (…) lag - bezogen auf 1,0 AKA - bei 1401 Eingängen.
108 Im Jahr 2008 wurden 1003 Verfahren auf das Dezernat des Angeklagten eingetragen und 1153 Verfahren
als erledigt ausgetragen. Der Bestand zum Jahresende betrug 89 offene Verfahren. Der
Abteilungsdurchschnitt (1,0 AKA) lag bei 1279 Eingängen.
109 Im Jahr 2009 gab es im Dezernat des Angeklagten 891 Eingänge und 814 Erledigungen, so dass der
Bestand zum Jahresende 166 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1246 Eingängen.
110 Im Jahr 2010 gab es im Dezernat des Angeklagten 855 Eingänge und 825 Erledigungen, so dass der
Bestand zum Jahresende 194 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1225 Eingängen.
111 Im Jahr 2011 wurden von dem Angeklagten bei 985 Eingängen 1101 Verfahren erledigt, so dass der
Bestand zum Jahresende 78 offene Verfahren betrug. Der Abteilungsdurchschnitt lag bei 1268 Eingängen.
112 im Jahr 2012 waren es bis zum Monat Juni noch 527 Verfahrenseingänge und 442 Erledigungen durch den
Angeklagten.
113 Berücksichtigt man im Jahr 2007, dass der Angeklagte bei der Staatsanwaltschaft F. bereits 8 % mehr
Eingangszahlen zu verzeichnen hatte als der Abteilungsdurchschnitt (bezogen auf 1,0 AKA) und dass er
zusätzlich zu 0,3 AKA an die Staatsanwaltschaft O. abgeordnet war, so lag seine Arbeitsbelastung nahezu
40 % über einer vollen Stelle. Nachdem zum 01.01.2008 die Zuständigkeit für den Amtsgerichtsbezirk S.
weggefallen war, lagen seine Eingangszahlen bei der Staatsanwaltschaft F. in den Jahren 2008 bis
einschließlich 2011 lediglich noch bei etwa 69 % (2010) bis 78 % (2008) im Vergleich zu den anderen
Abteilungsdezernaten. Daraus folgt eine deutliche Überbelastung im Vergleich zu anderen Dezernenten bis
zum Ende des Jahres 2007, die mit der Entlastung des Angeklagten ab dem Jahr 2008 jedoch im
Wesentlichen behoben wurde.
114 Wie der Angeklagte angegeben hat und Oberstaatsanwalt M. als Zeuge bestätigt hat, gingen mit dem
Wechsel des Abteilungsleiters im Mai 2009 Veränderungen in dem Aufgabenbereich des Angeklagten
einher. Die Assessorenbetreuung wurde von Oberstaatsanwalt M. übernommen. Dem Angeklagten wurde
auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin die Zuständigkeit für Kapitaldelikte aus den Amtsgerichtsbezirke M.,
S. und T. zugewiesen. Unverändert behielt er als Sonderzuständigkeit die Bearbeitung der Sexualdelikte
aus dem Bereich F.-Land und war zuständig für die Organisation und Durchführung des
Studentenpraktikums. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die Abordnung an die
Staatsanwaltschaft O. mit 0,3 AKA fortbestand, die Verfahren - wie der Angeklagte selbst eingeräumt hat -
mit der Hauptverhandlung im Juli 2009 abgeschlossen waren.
115 Die Kammer kam daher zu der Feststellung, dass sich allein anhand der objektiven Dezernatsstatistiken
eine Überbelastung jedenfalls ab dem Jahr 2008 nicht darstellen lässt.
116
c)
Unabhängig hiervon musste jedoch auch die individuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten in den Blick
genommen werden. Selbst wenn die Anzahl der ihm zugewiesenen Verfahren jedenfalls ab 2008 im
Vergleich nicht überdurchschnittlich hoch war, kann eine eingeschränkte individuelle Leistungsfähigkeit
einer Rechtspflicht zum Handeln möglicherweise entgegenstehen.
117 In diesem Zusammenhang hat die Kammer zunächst die eigene Einlassung des Angeklagten berücksichtigt.
Schon nach der eigenen Einlassung des Angeklagten wird deutlich, dass er ab 2008 entlastet wurde. Es
gab zwar immer wieder Phasen einer durchaus starken Belastung - wie in der ersten Jahreshälfte 2009 -,
der Angeklagte wurde dieser Arbeitsbelastung aber stets gerecht und konnte insbesondere in den Jahren
2008 und 2011 besonders viele Verfahren abschließen. Eine Überlastungsanzeige hat der Angeklagte zu
keinem Zeitpunkt erstattet.
118 Letzteres bestätigte der frühere Behördenleiter H. als Zeuge. Es sei allerdings klar gewesen, dass der
Angeklagte anfangs stark belastet gewesen sei. Man habe auch darauf reagiert und zum Jahreswechsel
2007/2008 die Abteilung (…) um eine halbe Stelle aufgestockt. Der Amtsgerichts Bezirk S. sei dann in ein
anderes Dezernat übertragen worden. Dies habe der Entlastung des Angeklagten gedient, wobei es
schwierig gewesen sei, die 0,3 AKA-Abordnung des Angeklagten zur T einzuschätzen.
119 Oberstaatsanwalt M., der im Mai 2009 die Leitung von Abteilung (…) übernommen hatte, erklärte, dass
mit der Übernahme der Abteilungsleitung die Kapitaldelikte zwischen dem Angeklagten und ihm aufgeteilt
worden seien. Der Angeklagte habe die Zuweisung von Kapitaldelikten, die er schon früher in Vertretung
des damaligen Abteilungsleiters Dr. G. häufig bearbeitet hatte, ausdrücklich gewünscht. Als er die
Abteilung übernommen habe, sei das T-Verfahren in O. weitestgehend abgeschlossen gewesen. Er habe mit
dem Angeklagten über seinen 0,7 Arbeitskraftanteil gesprochen. Dieser habe daraufhin erwidert, das
Verfahren sei fast abgeschlossen. Die Eingänge auf dem Dezernat des Angeklagten seien im Vergleich mit
anderen Dezernaten der Abteilung gering gewesen. Der geringere Arbeitskraftanteil des Angeklagten
sowie die Sexualdelikte seien bei der Geschäftsverteilung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt
worden, obwohl der Angeklagte signalisiert habe, dass die T-Verfahren abgeschlossen seien. Es sei ihm
nicht in Erinnerung, dass der Angeklagte jemals eine Überlastung erwähnt hätte. Der Angeklagte sei im
Gegenteil bereit gewesen, noch zusätzliche Aufgaben - wie etwa die Organisation des
Studentenpraktikums zu übernehmen. Kapitaldelikte habe es während seiner Zeit als Abteilungsleiter nur
wenige gegeben.
120 Der Zeuge M. berichtete außerdem, dass es Ende des Jahres 2010 zwischen dem Angeklagten und ihm ein
Streitgespräch gegeben habe, an dessen Verlauf er sich noch gut erinnere. Dabei sei es um die
Geschäftsverteilung zum Jahreswechsel gegangen. Er habe sich für eine zusätzliche Arbeitskraft mit einem
Arbeitskraftanteil von 0,5 stark gemacht hätte, die aber auch von einer anderen Abteilung beansprucht
worden sei. Der Angeklagte habe ihn nach einer Abteilungsleiterbesprechung angebrüllt und gesagt, er
verstehe nicht, warum er sich deshalb mit einer anderen Abteilung anlege, auf der eigenen Abteilung
würde sich doch keiner beschweren. In diesem Zusammenhang habe der Angeklagte auch geäußert, dass
er nicht überlastet sei - im Gegenteil - und keiner auf der Abteilung sei es.
121 Zusammenfassend gab der Zeuge M. an, er habe nicht den Eindruck gehabt, der Angeklagte sei überlastet
gewesen. Das hätten weder die Verfahrenszahlen noch die Dienststunden, die der Angeklagte abgeleistet
hätte, ergeben. Der Angeklagte sei weder als erster gekommen, noch als letzter gegangen. Üblicherweise
sei er morgens etwa gegen 9:00 Uhr gekommen und etwa gegen 17:00 Uhr wieder gegangen.
122 Insgesamt war die Aussage des Zeugen M. schlüssig und ersichtlich um Differenzierung hinsichtlich der
eigenen Erinnerung bemüht, so dass für die Kammer keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen
blieben.
123 Was die Bürozeiten des Angeklagten anging, gab D. als Zeugin an, der Angeklagte sei morgens gegen 8:00
Uhr gekommen. Genau könne sie das jetzt nicht mehr sagen. Gegen 16:00 Uhr, 16:30 Uhr sei er nach
Hause gegangen. Akten habe er immer mal mit nach Hause genommen. Sie habe ihm auch mal selbst
welche gebracht, als er mal krank gewesen sei. Zur Arbeitsweise des Angeklagten, mit dem sie ca. 10 Jahre
zusammengearbeitet hatte, gab sie an, dass der Angeklagte ein sehr gutes Ansehen in der Behörde gehabt
habe. Sie hätte nie an seinen Fähigkeiten als Staatsanwalt gezweifelt. Es habe zwar auch Phasen gegeben,
in denen etwas liegen geblieben sei - so z.B. während des Studentenpraktikums -, er habe das später aber
alles wieder erledigt und "runtergefahren". Der Angeklagte habe zwar auch mal launische Tage gehabt,
Veränderungen an ihm habe sie aber während der Zeit ihrer Zusammenarbeit nicht wahrgenommen. Von
Problemen habe er ihr gegenüber nicht berichtet.
124 Die Kammer hat schließlich berücksichtigt, dass der Angeklagten durchweg positiv dienstlich beurteilt
wurde. Aus Anlass seiner Bewerbung auf das Amt eines Staatsanwalts (Gruppenleiter) gab der damalige
Leiter der Staatsanwaltschaft F., Leitender Oberstaatsanwalt F., am 28.08.2006 eine dienstliche
Beurteilung über den Angeklagten ab. Darin kam er zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass der
Angeklagte einer der erfahrensten und belastbarsten Dezernenten der Behörde und die tragende Stütze
seiner Abteilung sei. Ihm könnten jederzeit umfangreichste und schwierigste Verfahren zugewiesen
werden, die er mit höchstem staatsanwaltschaftlichen-handwerklichen Geschick, mit größtem
Engagement, aber nie überschießenden Eifer, sondern mit einer ihm selbstverständlich objektiven Haltung
und mit reifem Verständnis für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Sinne der Durchsetzung des
staatlichen Verfolgungsanspruches erfolgreich zum Abschluss bringe. Er werde die gestellten
Anforderungen im Sinne der Beurteilungsrichtlinien für Richter und Staatsanwälte sogar teilweise
übertreffen.
125 Bei dem Angeklagten lagen im Tatzeitraum auch keine psychischen Erkrankungen vor, die seine
Leistungsfähigkeit eingeschränkt oder aufgehoben hätten. (…).
126
d)
Zusammengefasst war die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise davon
überzeugt, dass der Angeklagte seit 2008 weder objektiv noch subjektiv in einer Weise belastet war, die
ihm die Erledigung der sechs in Rede stehenden Ermittlungsverfahren unmöglich gemacht hätte. Zwar war
die Arbeitsbelastung phasenweise - wie im Frühjahr 2009 wegen aktueller Kapitalverfahren oder während
der Krankheitsvertretung eines Kollegen im Jahr 2010 - durchaus hoch, ohne dass dies für einen
Staatsanwalt jedoch besonders ungewöhnlich gewesen wäre. Spätestens ab Mitte 2009 lässt sich
insgesamt jedoch eine allenfalls durchschnittliche Belastung feststellen, der der Angeklagte subjektiv
durchweg gerecht wurde. Die täglichen Arbeits- und Bürozeiten wiesen keine Besonderheiten auf, zumal
der Angeklagte - wie er selbst eingeräumt hat - in seiner Freizeit ab Ende 2010 einer sehr zeitaufwändigen
Tätigkeit als (…)trainer nachging.
127
2.3. Einzelheiten zu den jeweiligen Taten
128 Rechtlicher Ausgangspunkt war bei allen Taten die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Unterlassen der nach
§ 170 Abs. 1 StPO gebotenen Anklageerhebung und die hierdurch unter Verstoß gegen das
Beschleunigungsgebot entstandene Verfahrensverzögerung derart gravierend waren, dass der
Rechtsverstoß den Vorwurf der Rechtsbeugung - also eine bewusste und schwerwiegende Entfernung von
Recht und Gesetz - begründete. Insoweit war zu berücksichtigen, dass es in zeitlicher Hinsicht keine
starren, gesetzlich vorgegebenen Fristen für den Abschluss von Ermittlungsverfahren gibt. Die
staatsanwaltschaftsinternen Berichtspflichten dienen lediglich der Kontrolle und Überprüfung, ob der
Beschleunigungsgrundsatz eingehalten wurde, besagen jedoch für sich genommen nichts über den
gebotenen Zeitpunkt der Verfahrensabschlusses aus. Es war daher unter Beachtung des
Zweifelsgrundsatzes auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen. Dabei war einerseits die
Arbeitsbelastung des Angeklagten zu berücksichtigen, andererseits mussten die Gewichtigkeit des
Strafvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens (vgl. auch § 198 Abs. 1 S. 3 GVG), das Alter des
Strafverfahrens, die Belastung des Strafverfahrens für den Beschuldigten und dessen Prozessverhalten und
sonstige Dringlichkeitskriterien, wie es insbesondere bei Haftsachen, auch wenn ein Haftbefehl außer
Vollzug gesetzt ist, der Fall ist, beachtet werden.
129 Dieser Maßstab galt insbesondere auch für die Taten Nr. 5 (K.) und Nr. 6 (S.), bei denen der Angeklagte
jeweils die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO verfügt hat. Abweichend von der in
Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft vertretenen Rechtsauffassung ging die Kammer jeweils nicht
von einer wirksamen, das Ermittlungsverfahren abschließenden und den Beschuldigtenstatus tatsächlich
beendenden strafprozessualen Maßnahme aus. Die Einstellungsverfügung blieb jeweils - abgesehen von
der Umgehung der Berichtspflicht gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft - ein rein behördeninterner
Vorgang, der weder den Beschuldigten noch den Geschädigten oder sonstigen Stellen (Polizei) mitgeteilt
wurde. Die Einstellungsverfügung hatte ausschließlich den Zweck, die Geschäftsstelle zum Austrag des
Verfahrens aus dem Register zu veranlassen, um den fälligen Rückstandsbericht nicht fertigen zu müssen.
Gegenüber Verfahrensbeteiligten und Anzeigeerstattern wurde auf Anfrage mitgeteilt, dass die
Ermittlungen noch andauern. Es lag daher nach Auffassung der Kammer jeweils keine prozessual wirksame
Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vor, an die allein sich der Vorwurf der Rechtsbeugung bzw.
Strafvereitelung hätte anknüpfen lassen können. Hinsichtlich der Tat Nr. 2 (L. u.a.) konnte allein an die
Einstellungsverfügung vom 29.06.2007 schon aus Verjährungsgründen kein strafrechtlicher Vorwurf
angeknüpft werden.
130 Im Einzelnen hat die Kammer zu den sechs gegenständlichen Taten die folgenden Aspekte in die Würdigung
mit einbezogen und berücksichtigt.
131
2.3.1. Tat Nr. 1 (Ermittlungsverfahren gg. S. M.)
132
a)
Der Angeklagte gab an, zum Zeitpunkt der Scheinverfügung vom 30.10.2007 sei er in einem
Mordverfahren mit der Hauptverhandlung beschäftigt gewesen. Da die Sitzung noch mehrere Tage
fortgesetzt worden sei, die Berichtspflicht jedoch fällig wurde, habe er die Verfügung getroffen. Er habe zu
diesem Zeitpunkt weit überschießende Eingänge im Vergleich zum Abteilungsdurchschnitt gehabt. Zwar
sei in dem T-Verfahren eine Anklage Ende 2006 abgeschlossen gewesen, es habe jedoch
Beschwerdeverfahren wegen Arrestbeschlüssen gegeben, die in einer Beschwerde zum
Bundesverfassungsgericht gemündet hätten. Das habe Zeitaufwand bedeutet, weil er Stellungnahmen
habe abgeben müssen. Bei dem zweiten T-Verfahren habe er Durchsuchungsanträge und
Rechtshilfeersuchen gefertigt. 2007 hätte sich die Zahl offener Verfahren zum Jahresende auf seinem
Dezernat auf 239 erhöht. Bei Abfassung der Verfügung habe er fest vorgehabt, das Verfahren später noch
abzuschließen. Im Verfahren M. habe er Sachstandsanfragen stets beantwortet, so habe er am 07.11.2008
eine Anfrage der Firma B. beantwortet. Auch im Jahr 2009 habe er eine Anfrage der Polizei wegen
sichergestellter Gegenstände beantwortet. Das Verfahren sei ihm auch immer präsent gewesen und er
habe stets geplant, es ordentlich abzuschließen. Auch die Verjährungszeitpunkte seien ihm immer präsent
gewesen. Eine Entlastung sei jedoch nicht in Sicht gewesen. Es seien auch immer weitere Verfahren
hinzugekommen, Er hätte auch Zweifel an der Täterschaft der Beschuldigten M. und der Nachweisbarkeit
der einzelnen Vorwürfe gehabt.
133
b)
Die Kammer war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich S. M. wie
festgestellt strafbar gemacht hat, weshalb sie bei rechtzeitiger Anklageerhebung wegen Betrugs in 45
Fällen verurteilt worden wäre.
134 Die Feststellungen der jeweiligen Bestellvorgänge beruhen auf den von den Versandhäusern ihren
Strafanzeigen jeweils beigefügten Rechnungen und den korrespondierenden Auslieferungsnachweisen der
Fa. D. und H..
135 Die Kammer hat darüber hinaus die Überzeugung gewonnen, dass es die Beschuldigte S. M. war, die die
gelieferten Waren bestellt hat.
136 Die Kammer hat die frühere Beschuldigte S. M. als Zeugin zu den Vorwürfen gehört. Sie stritt die Vorwürfe
durchweg ab. Sie gab an, sie habe ab dem Jahr 2004 in H. bei ihrem damaligen Ehemann D. M. gewohnt.
Im Dezember 2005 seien sie gemeinsam nach N. (…) gezogen. Im März 2006 sei ihr Ehemann ausgezogen.
Die ihr vorgeworfenen Bestellungen im Internet habe sie nicht getätigt. Sie habe überhaupt noch nie
etwas bei Versandhäusern über das Internet bestellt, sie würde in die Geschäfte gehen und dort etwas
einkaufen. So gebe es z.B. in F. auch einen W.-Laden. Sie behauptete, dass die neue Frau ihres
geschiedenen Ehemanns, C. M., hinter den Bestellungen stecken müsse. D. M. kenne seine jetzige Frau
schon seit 2005 und sei bereits ein Jahr vor der Trennung mit ihr zusammengewesen. C. M. benutze bei
Bestellungen schon länger den Namen "S. M." in betrügerischer Absicht.
137 Die Kammer hielt die Angaben der Zeugin S. M. für gänzlich unglaubwürdig und durch die Beweisaufnahme
widerlegt.
138 Der Zeuge D. M. schilderte die Ehe zur Zeugin S. M. dergestalt, dass er als LKW-Fahrer unter der Woche
berufsbedingt abwesend gewesen sei. Von den Bestellungen habe er fast nichts mitbekommen, da wisse er
keine Einzelheiten. Er habe sich aber gewundert, dass im Haus immer wieder neue Kartons waren, die
unter der Woche angekommen sein müssten. Sein Monatslohn sei schon nach 2-3 Tagen ohne sein Zutun
ausgegeben gewesen, so dass nicht einmal das Geld für die Miete übrig geblieben sei. Daher habe es die
vielen Wohnungswechsel gegeben. Auch habe er sich gewundert, dass so viele Familiennamen an ihrer
Klingel gestanden hätten. Seine Frau habe einen Computer gehabt, an den sie ihn nicht rangelassen habe.
Er selbst habe nie Waren entgegengenommen, da er die ganze Woche unterwegs gewesen sei. Am 18.
März 2006 sei er bei S. M. ausgezogen. 2008 habe er erneut geheiratet. Seine neue Frau habe er im
September 2006 kennengelernt. Im März 2006 habe er sie noch nicht gekannt.
139 Letzteres bestätigte die Zeugin C. M., die jetzige Ehefrau des D. M.. Sie gab spontan und ohne erkennbare
Motivation für einen Falschaussage an, sie sei im Oktober 2006 mit ihrem jetzigen Mann
zusammengekommen. Sie hätten auch später noch Rechnungen über Waren erhalten, die von S. M. auf
den Namen ihres geschiedenen Mannes bestellt worden wären. 2008 habe sie einen Anruf des B-Versandes
bekommen, da eine große Bestellung aufgegeben worden sei und der Versand vorher habe Rücksprache
halten wollten. Diese Bestellung sei auf ihren damals minderjährigen Sohn aufgegeben worden.
140 Neben den Aussagen der Zeugen D. und C. M. gab es weitere gewichtige Indizien für die Täterschaft von S.
M.
141 Die Bestellungen wurden ausweislich der jeweiligen Zustellungsnachweise von D. bzw. H. unter den
Anschriften (..) und (…) geliefert. Gemäß dem polizeilichen Vermerk von PHM K. vom 08.11.2006 war S. M.
ab dem 01.08.2004 unter der Anschrift in (…) und ab dem 01.12.2015 in (…) einwohnermelderechtlich
gemeldet. Außer ihrem früheren Ehemann - die beiden gemeinsamen Kinder waren 2001 u. 2004 geboren -
kam niemand anders als die Beschuldigte als Bestellerin der Waren in Betracht. Insoweit war festzustellen,
dass D. M. - wie sowohl er als auch S. M. bestätigten - im März 2006 ausgezogen ist. Wie POK G. in seinem
Vermerk vom 17.05.2006 festhielt, wurde D. M. am 18.03.2006 beim Einwohnermeldeamt (…)
abgemeldet. Unter der Anschrift in (…) wurden jedoch auch noch nach dem Auszug von D. M. ausweislich
der Rechnungsunterlagen der Firmen "T." und "B." nebst der entsprechenden (…) Nachweise im April und
Mai 2006 Waren zugestellt, die nur von S. M. entgegengenommen sein konnten.
142 Sämtliche Namen der verschiedenen Kundenkonten bei den Versandhäusern wiesen - teilweise mit
gewissen Verfremdungen - einen Bezug zur Beschuldigten S. M. auf. Wie S. M. als Zeugin bestätigte,
lautete ihr Geburtsname "U.", in erster Ehe führte sie den Namen "P.". "S." sei der Mädchenname ihrer
Mutter. Ausweislich der am 14.06.2006 von der Polizei gefertigten Lichtbilder waren an dem Klingelschild
und dem Briefkasten des Anwesens (…) die Namen M., P., U., S. und K. angebracht. Der Zeuge D. M. gab
hierzu an, er habe sich noch gewundert, als plötzlich so viele Namen an der Klingel gestanden hätten.
143 Am 07.07.2006 war der Hausrat von S. M., der sich nach der Wohnungsauflösung in einem Container einer
Spedition befand, aufgrund gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses durchsucht worden. Wie POK G. der
Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 10.10.2006 mitgeteilt hat, konnten bei der Durchsuchung u.a. drei
Rechnungen der Fa. "T." an E. M., M. M. und W. M. sichergestellt werden.
144 Außerdem wurden ausweislich des Durchsuchungsberichts von PHK K. vom 26.09.2006 im Hausrat von S.
M. mehrere Gegenstände sichergestellt, die zweifelsfrei Lieferungen der Fa. B. (Konto "T. P.": Glasvitrine -
Rechnung vom 05.01.2006, Anhänger "Delfin" - Rechnung vom 09.01.2006; Konto "S. K.": Kommode -
Rechnung vom 09.01.2016) und der Fa. "T." (Konto "M. P.": 2 Vorhang-Schals - Rechnung vom 27.03.2006;
Konto "E. S.": Lichterkette und Bratpfannenset - Rechnung vom 13.03.2006) zugeordnet werden konnten.
145 Schließlich war bei der Durchsuchung ein Notizbuch sichergestellt worden, das die Zeugin S. M. in der
Hauptverhandlung spontan und glaubhaft als ihr gehörend erkannte. In dem Notizbuch waren Passwörter
(z.B. "Kinder") und Kundendaten (Namen/Geburtsdaten: "S. S.", "S. S.") für verschiedene Versandhäuser
(…) sowie Listen von noch zu erwerbenden Waren notiert. Die Behauptung der Zeugin S. M., die Einträge
in dem Notizbuch habe sie nicht vorgenommen, hielt die Kammer für eine bloße Schutzbehauptung. Der
Zeuge D. M. gab an, das Notizbuch noch nie gesehen zu haben. Schon allein aufgrund des Inhalts des
Notizbuchs, von dem die Kammer davon überzeug war, dass er von der Zeugin S. M. stammte, war ihre
Behauptung, sie habe noch nie etwas im Internet bestellt, widerlegt.
146 Zu ihren Vermögensverhältnissen hat die Zeugin S. M. in der Hauptverhandlung angegeben, dass sie über
keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und nie gearbeitet habe. Damals (2005-2006) habe sie für
zwei Kinder Kindergeld und für ein Kind Bundeserziehungsgeld erhalten. Zusammen mit dem
Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") habe sie etwa 800 EUR zur Verfügung gehabt. Wie PHM K. der
Staatsanwaltschaft bereits mit Anzeige vom 02.08.2006 mitgeteilt hatte, hatte S. M. bereits am
21.04.2005 die eidesstattliche Versicherung über ihre Vermögensverhältnisse abgelegt und darin
angegeben, außer Bundeserziehungsgeld und Kindergeld über kein Einkommen zu verfügen.
147 Ausweislich der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 22.12.2015 ist die Beschuldigte S. M. im
Zeitraum von 2008 bis 2014 insgesamt 4-mal wegen Betrugs verurteilt worden. Zudem enthielt die
ursprüngliche bei den Akten befindliche Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 23.05.2006 eine -
zwischenzeitlich gelöschte - Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 2002 zu einer Geldstrafe.
148 In der Gesamtwürdigung stand für die Kammer - insbesondere im Hinblick auf die Aussage des Zeugen D.
M. und das Ergebnis der Hausratsdurchsuchung - außer Zweifel, dass die Beschuldigte M. die jeweils
anhand der Rechnungsunterlagen nachgewiesenen Bestellungen vorgenommen hat, wobei sie - wie sie
wusste - aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht annähernd in der Lage war, die Waren zu bezahlen.
149
c)
Zwar äußerte der Angeklagte Zweifel, ob zum damaligen Stand der Beschuldigten M. die Taten
nachzuweisen gewesen wären. Nach dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, die im
Durchsuchungsbericht vom 26.09.2006 und dem Schlussbericht vom 27.11.2006 - unter Vorlage der
jeweiligen Strafanzeigen und Bestellunterlagen - zusammengefasst waren, bestand jedoch ein derart
hoher Tatverdacht gegen die Beschuldigte S. M., dass der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt werden
konnte. Die Kammer war daher davon überzeugt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass ein
Tatnachweis - zumindest in den hier gegenständlichen Fällen - ohne weiteres zu führen gewesen wäre.
150
d)
Soweit die Anklage dem Angeklagten darüber hinaus geworfen hat, die damalige Beschuldigte S. M.
wegen des Vorwurfs der falschen eidesstattlichen Versicherung strafrechtlich nicht verfolgt zu haben,
ergab die Beweisaufnahme, dass S. M. keine unwahren Angaben gemacht hat, soweit sie im
Vermögensverzeichnis vom 21.04.2005 den Besitz eines Kraftfahrzeugs Mazda verneint hat. Die
Vernehmung des Zeugen D. M. ergab, dass das betreffende Fahrzeug tatsächlich in seinem Eigentum und
Besitz stand.
151
e)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer - ausgehend
davon, dass die Ermittlungen mit Eingang des polizeilichen Schlussberichts im November 2006 abschlussreif
waren - berücksichtigt, dass der Angeklagte Ende 2006 mit der Abfassung der umfangreichen Anklage im
ersten sog. T-Verfahren befasst war. Bis Ende 2007 bestand eine deutliche Überlastung des Angeklagten,
zumal es sich bei dem Ermittlungsverfahren gegen S. M. nicht um eine vorrangig zu bearbeitende
Haftsache gehandelt hat. Diese Situation änderte sich, als der Angeklagte ab 2008 entlastet wurde und die
Anklageerhebung im zweiten sog. T-Verfahren im Februar 2008 erfolgt war. In Anbetracht gesunkener
Eingangszahlen war der Angeklagte in der Lage, eine deutlich überschießende Anzahl von Verfahren zu
erledigen. Wie er selbst dargelegt hat, gelang es ihm im Laufe des Jahres 2008 19 Verfahren, die im Jahr
2007 eingegangen und älter als elf Monate waren, rechtzeitig vor Eintritt der Berichtspflicht
abzuschließen, wobei lediglich 4 Verfahren durch Strafbefehlsantrag bzw. Anklage abgeschlossen wurden.
Im Hinblick darauf, dass das Ermittlungsverfahren
b) gegen die Beschuldigte S. M. seit November 2006
nicht mehr bearbeitet worden ist, die Anzeige im Verfahren
a) bereits im August 2005 eingegangen war,
gegen die Beschuldigte gewichtige Vorwürfe im Raum standen, die die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
zur Folge gehabt hätten, hätten die Verfahren jedenfalls im Jahr 2008 zeitnah durch eine Anklageerhebung
abgeschlossen werden müssen. Selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten
stellte das Unterlassen der gebotenen Anklageerhebung spätestens ab Beginn des Jahres 2009 einen
besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen
Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
152
2.3.2. Tat Nr. 2 (Ermittlungsverfahren gegen L. u.a.)
153 a) Der Angeklagte gab an, man müsse das Verfahren in zwei Zeitabschnitte aufteilen. Im ersten Abschnitt
bis zu der Scheineinstellung am 29.06.2007 sei zunächst unklar gewesen, wer welchen Tatbeitrag
geleistet habe. Der Beschuldigte L. sei von einem Zeugen belastet worden. Es sei auch die Möglichkeit der
Beteiligung der Frau F. diskutiert worden. Dies sei jedoch nicht nachweisbar gewesen. Auch habe er an den
Aussagen von Herrn B. Zweifel gehabt. Trotz der Entscheidung des Oberlandesgerichts, das den Haftbefehl
gegen den Beschuldigten L. bestätigt habe, habe er später die Außervollzugsetzung des Haftbefehls
beantragt, weil ihm keine weiteren Erkenntnisse vorgelegen hätten. Nach sechs Monaten hätte die
Haftprüfung angestanden und er hätte eine weitere Haftzeit nicht begründen können. Aufgrund der
drohenden Jährigkeit des Verfahrens habe er dann am 29.06.07 die Verfahrenseinstellung verfügt.
Aufgrund einer laufenden Mordsache sei für ihn klar gewesen, dass er kurzfristig nicht zur
Weiterbearbeitung des Verfahrens kommen werde. Ihm sei jedoch klar gewesen, dass das Verfahren später
weiter bearbeitet werde. Bis auf die Scheinverfügung sei bis dahin nichts Besonderes gewesen. Er meine
sogar, dass in einem Rückstandsbericht Verzögerungsgründe darlegbar gewesen wären. Der zweite
Abschnitt beginne mit der Vorlage der Beweismittel im Januar 2008 und den neuen polizeilichen
Ermittlungsergebnissen und den Geständnissen der Tatbeteiligten F. und B. im Februar 2009. Ihm sei
anlässlich der gemeinsamen Besprechung mit der Polizei erstmals bekannt geworden, dass gegen den
Hauptbeschuldigten H. in Abteilung (…) bereits seit 2008 ein Verfahren anhängig war. Der zuständige
Dezernent habe ihm die Anklageschrift gegen H. zukommen lassen. Dies zeige, dass er sein Verfahren
nicht habe unter den Tisch kehren wollen. Das Jahr 2009 sei für ihn extrem arbeitsintensiv gewesen. In
dieser Zeit habe er vier Tötungsdelikte die Entführung eines Kleinkindes und übermäßig viel Vertretung für
den Abteilungsleiter, der kurz vor seiner Pensionierung stand und kaum noch im Dienst zu sehen war,
geleistet. Aufgrund dieser Arbeitsbelastung habe es sich nicht ergeben, die Sache wieder aufzunehmen. Er
habe die Wiederaufnahme geplant, deshalb habe er auch nicht beantragt, den Haftbefehl aufzuheben und
die Kaution zurückzugeben. Wegen der Arbeitsbelastung habe er die einzelnen Fristen nicht mehr
beachtet. Als schließlich die Akte in einer anderen Sache angefordert worden sei und eine Weile weg
gewesen wäre, sei die Sache mit Rückführung der Akte verjährt gewesen.
154
b)
Die Einlassung des Angeklagten zum Gang der Ermittlungen wurde von den Zeugen KHK E. und EKHK
S. bestätigt.
155 Der KHK E. gab an, er habe das Verfahren im Dezember 2006 bei dem Angeklagten eingereicht mit der
Bitte um eine Entscheidung bezüglich der weiteren Vorgehensweise. Der Angeklagte habe entscheiden
sollen, ob man bei dem Beschuldigten B. durchsuchen soll bzw. ob dieser überhaupt als Beschuldigte
anzusehen gewesen sei. Daraufhin sei keine Entscheidung durch den Angeklagten erfolgt. Auch nach einer
Nachfrage habe es keine Entscheidung gegeben. Im Januar 2008 habe er der Staatsanwaltschaft die bis
dahin angefallenen Beweismittel zur weiteren Prüfung vorgelegt. Im Jahr 2008 habe der Fall durch die
Geständnisse von H. B. und S. F. aufgeklärt und das Ergebnis dem Angeklagten präsentiert werden können.
Am 05.05.2009 seien die neuen Ermittlungsergebnisse gemeinsam mit dem Angeklagten und dem Kollegen
S. besprochen worden. Das Gespräch habe ca. eine halbe Stunde gedauert. Abschließend habe der
Angeklagte mitgeteilt, den Vorgang prüfen und entsprechend weiter bearbeiten zu wollen. Erst im Jahr
2013 habe er von Oberstaatsanwalt M. als nächstes den Auftrag zum Verfahrensabschluss bekommen.
156 Der EKHK S. gab dazu an, er habe dem Angeklagten den Bericht vom 30.01.2009, der die Geständnisse der
Beteiligten B. und F. enthielt, persönlich übergeben. Ob das Gespräch am 02.02.2009 oder am selben Tag
wie der Bericht war, wisse er nicht mehr. Aus dem Bericht gehe hervor, dass die Ermittlungen gegen Frau
F. eingeleitet bzw. fortgesetzt werden müssen. Es habe dann eine gemeinsame Besprechung mit KHK E.
und dem Angeklagten gegeben. Es seien zu dem Zeitpunkt zwei Geständnisse vorgelegen, der Fall sei
„rund“ gewesen.
157
c)
Die Kammer war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beschuldigten L.,
M. und F. - wie festgestellt - an der Fahrzeugverschiebung beteiligt waren und sich strafbar gemacht
haben.
158 Der Zeuge H. B. räumte in der Hauptverhandlung seine Tatbeteiligung unumwunden ein. Wie er bereits in
seiner damaligen Beschuldigtenvernehmung gestanden habe, habe er geholfen, den BMW in die Ukraine zu
verbringen. Gleichzeitig habe er den Kontakt zu Frau F. hergestellt, die das Fahrzeug geleast hatte. M. L.
habe Frau F. - u.a. durch Erstellung gefälschter Gehaltsnachweise - dabei geholfen, den Leasingvertrag für
das Fahrzeug zu übernehmen, während S. H. den Verkauf des Wagens organisiert habe. Er selbst sei mit
Frau F. nach S. gefahren, um den PKW dort als gestohlen zu melden. Letztlich sei die Versicherung des
Fahrzeugs für den Diebstahl nicht aufgekommen. Da er das ganze verschuldet habe, habe er
zwischenzeitlich für Frau F. die Schulden in Höhe von etwa 47.000 EUR gegenüber BMW bezahlt.
159 Ausweislich der Abrechnung der BMW Financial Services vom 30.06.2006 machte die Leasinggeberin
gegenüber S. F. einen Betrag in Höhe von 48.370,54 EUR als Ablösewert des Fahrzeugs geltend.
160 Die Zeugin S. F. konnte von der Kammer nicht persönlich vernommen werden. In ihrer polizeilichen
Vernehmung als Beschuldigte durch KHK S. vom 10.11.2008, deren Protokoll in der Hauptverhandlung
verlesen wurde, hatte sie nach Belehrung angegeben, über ihren Bekannten M. H. in Kontakt zu H. B. und
M. L. gekommen zu sein. Sie hätte den Leasingvertrag für einen BMW übernommen, ihr sei von beiden
zugesagt worden, dass sie die Leasingraten übernehmen würden. Dann habe sie in S. eine
Diebstahlsanzeige erstatten sollen. H. B. habe sie zu diesem Zweck nach S. gefahren und vor dem Revier
auf sie gewartet. Ihr seien für ihre Beteiligung 3.000 EUR versprochen worden. Eigentlich habe ihr M. H.
den Betrag versprochen, sie habe aber später mit ihm nichts mehr zu tun gehabt und habe sich wegen des
Geldes an H. B. gehalten. Letztlich habe sie kein Geld erhalten. Über H. B. habe sie auch den S. H.
kennengelernt. Wie das mit der Fahrzeugverschiebung von statten gegangen sei, wisse sie nicht. S. H.
habe aber schon etwas damit zu tun. Wer das Fahrzeug gefahren habe, wisse sie nicht. Mit der
Versicherung habe es Ärger gegeben. Die habe nicht gezahlt, weil nicht klar gewesen sei, wem das
Fahrzeug gehört habe.
161 KHK S. berichtete als Zeuge über die Beschuldigtenvernehmungen von H. B. vom 08.12.2008 und von S. F.
vom 10.11.2008 und bestätigte die geständigen Einlassungen. S. F. habe angekündigt, dass sie nach
Rücksprache mit ihrem damaligen Verteidiger, Rechtsanwalt M, "die Karten auf den Tisch lege". Die
Angaben von H. B. und S. F. seien glaubhaft gewesen und hätten sich mit den weiteren
Ermittlungserkenntnissen gedeckt.
162 Hinsichtlich der Tatbeteiligung von R. M. hatte der Angeklagte im Vermerk vom 28.11.2006 festgehalten,
dass das Fahrzeug BMW am 12.03.2006 von R. M. gesteuert bei der Ausreise von Polen in die Ukraine am
Grenzübergang Korczowa festgestellt wurde. Eine Rückreise mit dem Fahrzeug sei nicht festzustellen
gewesen. Insbesondere im Hinblick auf die Aussage des Zeugen B., dass das Fahrzeug in die Ukraine
verschoben werden sollte und von einem Fahrer des S. H. in F. abgeholt worden sei, war die Kammer davon
überzeugt, dass R. M. in die Tatpläne von Anfang an eingebunden war.
163 Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass H. B. wegen der Verschiebung des BMW durch Strafbefehl
des Amtsgerichts F. vom 19.04.2010 (…) wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung rechtskräftig zu einer
Freiheitsstrafe von acht Monaten - diese wurde zusammen mit weiteren Einzelstrafen in eine
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zu Bewährung einbezogen - verurteilt wurde. Nach den
tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls hatte H. B. im Februar 2006 in bewusstem und gewollten
Zusammenwirken mit den getrennt strafverfolgten S. H., M. H. und M. L. Frau S. F. überredet, den
Leasingvertrag mit der BMW Bank GmbH für den PKW BMW 730 d, amtliches Kennzeichen: (…), von dem
früheren Leasingnehmer B. A. zu übernehmen. Alleiniger Zweck dieser Übernahme war, was allen
Beteiligten auch bekannt war, dass das Fahrzeug im Wert von ca. 49.000 EUR anschließend mit
Einverständnis von S. F. zum Schein entwendet und nach Osteuropa verschoben werden sollte. S. F.
übernahm mit Vertrag vom 08.03.2006 den Leasingvertrag. Bereits am 12.03.2006 wurde das Fahrzeug
mit einem Originalschlüssel vom getrennt strafverfolgten R. M. über Polen in die Ukraine oder nach
Russland überführt. S. F. sollte als Gegenleistung 3000 EUR erhalten. Am 21.03.2006 fuhr H. B. S. F. nach
S. Dort erstattete sie bei der französischen Polizei Anzeige wegen Diebstahls und behauptete, das
Fahrzeug sei am 31.03.2006 entwendet worden. Der BMW Leasing GmbH ist ein Schaden i.H.v. 49.000
EUR entstanden.
164 Insbesondere angesichts der glaubwürdigen Geständnisse von H. B. und F. war die Kammer davon
überzeugt, dass sich M. L., R. M. und S. F. wie festgestellt strafbar gemacht haben.
165 Dieser Überzeugungsbildung der Kammer standen die Aussagen der Zeugen M. L. und S. H. nicht
entgegen.
166 Der Zeuge M. L. gab vor, sich an nichts mehr erinnern zu können. Zwar sei er mal mit Herrn B. in Hamburg
gewesen um ein Fahrzeug zu holen, ob das jedoch ein BMW gewesen sei, wisse er heute nicht mehr. Die
Namen F. und H. würden ihm etwas sagen, erinnern könne er sich nicht.
167 Der Zeuge S. H. äußerte, er könne sich nicht genau erinnern, was der Fall mit ihm zu tun hätte. Er sei zu
dem Zeitpunkt in Dubai oder Polen gewesen. Mit dem BMW habe er nichts zu tun gehabt. Der Zeuge B. sei
jemand, der immer andere Leute beschuldigen würde.
168 Die völlig vagen Angaben der Zeugen waren angesichts der detaillierten Angaben der Zeugen B. und F.
nicht überzeugend und ersichtlich von dem Willen getragen, die eigene Tatbeteiligung in Abrede zu stellen.
169
d)
Soweit die Anklage dem Angeklagten auch die Nichtverfolgung des möglichen Tatbeteiligten M. H. zur
Last legte, blieb dessen Rolle auch nach den vorliegenden Aussagen unklar. Insoweit kam die Kammer nach
der Beweisaufnahme nicht zu dem Ergebnis, dass gegen diesen erfolgreich eine Anklage hätte erhoben
werden können.
170
e)
Der Angeklagte wusste aufgrund der seit Dezember 2006 ergangenen Haftentscheidungen, dass gegen
den Beschuldigten L. ein dringender Tatverdacht bestand. Nach Eingang der Geständnisse der
Tatbeteiligten H. B. und S. F. hatte sich der Tatverdacht - wie dem Angeklagten spätestens nach der
Besprechung vom 05.05.2009 bekannt war - gegen die Beschuldigten L. und M. zur Gewissheit erhärtet.
Dem Angeklagten war daher ab diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Tat den Beschuldigten L., M. und F. mit
Sicherheit nachzuweisen gewesen wäre. Dies hat er letztlich auch eingeräumt.
171
f)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer
berücksichtigt, dass das Oberlandesgericht K. durch Beschluss vom 02.03.2007 den dringenden Tatverdacht
gegen M. L. bestätigt hat und der gegen ihn bestehende Haftbefehl in der Folge lediglich außer Vollzug
gesetzt war. Unabhängig von der Frage des Nachweises einer Tatbeteiligung der weiteren Beschuldigten,
wäre eine Anklageerhebung gegen den Beschuldigten L. somit bereits vor Eingang der späteren
Geständnisse möglich und geboten gewesen. Nachdem aufgrund der Geständnisse der Beschuldigten B.
und F. bereits im Februar 2009 weitere sichere Erkenntnisse hinzugekommen waren, die zudem in dem
gemeinsamen Gespräch mit den Beamten der Kriminalpolizei im Mai 2009 ausführlich besprochen wurden,
die Beweislage nunmehr einfach war, seit dem Erlass des Haftbefehls gegen den Beschuldigten L. bereits
rund zweieinhalb Jahre vergangen waren und der Beschleunigungsgrundsatz auch bei einem außer Vollzug
gesetzten Haftbefehl in besonderer Weise zu beachten ist, die Tat über drei Jahre zurücklag und der
Tatvorwurf im Hinblick auf die Höhe des entstandenen Schadens und die Straferwartung gewichtig war,
hätte der Angeklagte das Verfahren ab Mai 2009 mit höchster Priorität bearbeiten und gegen die
Beschuldigten L., M. und F. Anklage erheben müssen, zumal er - wie er selbst angab - in der Lage war,
allein in den Monaten Mai bis August des Jahres 2009 neun Verfahren zu erledigen, die im Jahr 2008
eingegangen und älter als elf Monate alt waren. Selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des
Angeklagten stellte das Unterlassen der gebotenen Anklageerhebung spätestens ab September 2009 einen
besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen
Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
172
2.3.3. Tat Nr. 3 (Ermittlungsverfahren gg. S.)
173
a)
Der Angeklagte gab an, für ihn sei aufgrund vielfältiger anderweitiger Inanspruchnahme vor Jährigkeit
des Verfahrens klar gewesen, dass er nicht rechtzeitig zum Verfassen des Rückstandsberichts zum
30.04.2009 und den darauf folgenden Tagen kommen würde. Als 2011 eine Aktenanforderung des
Landgerichts gekommen sei, habe er die Akte nicht mehr gefunden. Er habe dann am 30.05.2011 bei
Rechtsanwalt K. angerufen und um ein Aktendoppel gebeten. Die rekonstruierte Akte habe er dann auf
Anforderung des Landgerichts dorthin versandt. Er habe sich dann gedacht, der Zivilprozess am
Landgericht werde ja irgendwie ausgehen und es sei kein Problem, die Tat nachzuweisen. Er habe dann
den Zivilprozess abwarten wollen, um dessen Ergebnis in mögliche Bewährungsauflagen mit
einzubeziehen. Dazu sei es dann nicht mehr gekommen. Dass es in dieser Sache im November 2008 einen
Anklageentwurf Entwurf eines Referendars gegeben habe, sei ihm erinnerlich. Entwürfe von Referendaren
habe er jedoch nicht einfach so übernommen, ohne seinen eigenen Stil einzubringen.
174
b)
Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit
27.09.2012 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts S. vom 10.09.2012
(h) zur Überzeugung der
Kammer festgestellt werden. Aufgrund des im Oktober 2008 abgegebenen Geständnisses des
Beschuldigten S. war dem Angeklagten auch bewusst, dass dem Beschuldigte S. die Tat nachzuweisen
gewesen wäre.
175
c)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer
berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang der abschließenden Stellungnahme des Verteidigers und
des Geständnisses des Beschuldigten am 15.10.2008 abschlussreif waren. Schon zum Zeitpunkt des
vermeintlichen Verfahrensabschlusses am 30.04.2009 war das Verfahren bereits über sechs Monate lang
nicht gefördert worden war. Der Sachverhalt des Strafverfahrens war überschaubar und das Aktenvolumen
gering. Zudem hatte der Angeklagte, wie er selbst angab, im November 2008 den Entwurf einer
Anklageschrift eines Referendars korrigiert. Die Beweislage war angesichts des Geständnisses des
Beschuldigten denkbar einfach. Der Vorwurf gegen den Beschuldigten war gewichtig, wie die spätere
Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe belegt. Zwar handelte es sich nicht um eine unter besonderer
Beachtung des Beschleunigungsgebots zu bearbeitenden Haftsache. Dennoch stellte das Unterlassen der
Anklageerhebung unter Berücksichtigung der erhöhten Arbeitsbelastung des Angeklagten in den ersten
Monaten 2009 - selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab
Anfang 2010 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war. Dabei war auch zu sehen, dass der Angeklagte nach
eigenen Angaben im Jahr 2009 11 Verfahren erledigen konnte, die älter als 11 Monate waren.
176
2.3.4. Tat Nr. 4 (Ermittlungsverfahren gg. S. u.a.)
177
a)
Hierzu gab der Angeklagte an, er habe den Fall als Bereitschaftsstaatsanwalt bekommen und dann eben
- wie stets in solchen Fällen - zu Ende geführt. Der Verteidiger habe ein Geständnis vorgelegt. Als er die
Scheinverfügung am 30.11.2009 getroffen habe, sei er in einer Hauptverhandlung einer umfangreichen
Mordsache gewesen und der Bericht sei überfällig gewesen. Es sei ihm klar gewesen, dass er wegen des
laufenden Verfahrens und all der anderen Verfahren nicht dazu kommen werde, das Verfahren ordentlich
abzuschließen. Im Nachhinein sei er der Auffassung, dass in diesem Fall die Verzögerung begründbar
gewesen wäre.
178
b)
Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit
27.09.2012 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts E. vom 10.09.2012
(i) zur Überzeugung der
Kammer festgestellt werden. Aufgrund des im Dezember 2008 abgegebenen Geständnisses des
Beschuldigten S. war dem Angeklagten auch bewusst, dass dem Beschuldigten die Tat nachzuweisen
gewesen wäre.
179
c)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer
berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang der abschließenden Stellungnahme des Verteidigers im
Januar 2009 abschlussreif waren. Schon zum Zeitpunkt des vermeintlichen Verfahrensabschlusses am
30.11.2009 war das Verfahren bereits 10 Monate lang nicht gefördert worden war. Der Sachverhalt des
Strafverfahrens war überschaubar und das Aktenvolumen nicht übermäßig groß. Die Beweislage war
angesichts des Geständnisses des Beschuldigten einfach. Der Vorwurf gegen den Beschuldigten war
gewichtig, wie die spätere Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe belegt. Die Arbeitsbelastung des
Angeklagten stand einem Verfahrensabschluss nicht entgegen. Wie bereits dargelegt, konnte er im Jahr
2009 11 Verfahren abschließen, bei denen ein Rückstandsbericht drohte. Allein in den Monaten Januar bis
April 2010 konnte der Angeklagte - wie er selbst dargelegt hat - 18 Verfahren abschließen, die im Jahr
2009 eingegangen und älter als 11 Monate waren. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs gegen den
Beschuldigten S. sowie der einfachen Beweislage hätte der Angeklagte diesem Verfahren unbedingt
Vorrang einräumen müssen und können. Auch wenn es sich bei dem Ermittlungsverfahren gegen den
Beschuldigten S. nicht um eine Haftsache gehandelt hat, stellte das Unterlassen der Anklageerhebung -
selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab Mai 2010 einen
besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen
Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
180
2.3.5. Tat Nr. 5 (Ermittlungsverfahren gg. K.)
181
a)
Der Angeklagte gab an, er habe versucht, ein umfassendes Verfahren gegen den Beschuldigten K. zu
führen, weil der Beschuldigte unter Bewährung gestanden sei. Er habe dann eingehende Akten zu seinem
Verfahren hinzuverbunden, um ein Sammelverfahren zu führen. Die zunächst von ihm im Verfahren
(j) am
18.05.2010 vorgenommene Einstellung gemäß § 154 StPO sei seiner Ansicht nach sachgerecht erfolgt. Die
Akte habe er als Beiakte zum laufenden Verfahren genommen. Er habe sicherlich geplant gehabt, die
ausgeschiedenen Verfahrensteile möglicherweise mitzuverwerten. Als die Jährigkeit im Verfahren
(k) näher
gerückt sei, sei er nicht zu einem Verfahrensabschluss gekommen. Er habe am 04.11.2010 Urlaub gehabt,
sei trotzdem zu einer Sitzung beim Landgericht gewesen und als er von dieser Sitzung gekommen sei,
habe er gesehen, dass das Verfahren berichtet werden müsste. Dann habe er noch die Scheinverfügung
gemacht, um keinen Bericht schreiben zu müssen. Die Akte sei fortan in seinem Zimmer gelegen. Es sei ein
unübersichtliches Sammelsurium gewesen. Irgendwann habe er daraus ein Anklage machen wollen.
182
b)
Die Kammer, die der Einlassung des Angeklagten im Wesentlichen zu folgen vermochte, konnte sich
allerdings von der Ernsthaftigkeit der gemäß § 154 StPO durch den Angeklagten vorgenommenen
Einstellung vom 18.05.2010 nicht überzeugen. Auch diese Verfügung des Angeklagten blieb ein rein
interner Vorgang, ohne dass - wie es den Vorschriften entsprochen hätte - Mitteilungen über die
Einstellung versendet worden wären. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 154 Abs. 1 StPO in
Anbetracht der Vielzahl der Vorwürfe und der Höhe des Schadens im eingestellten Verfahren evident nicht
vor, was dem Angeklagten als erfahrenem Staatsanwalt bei näherer Prüfung zwingend aufgefallen wäre.
Seine Einlassung, diese Einstellung sei sachgerecht erfolgt und mithin ernst gemeint gewesen, vermochte
die Kammer daher nicht zu folgen. Die Kammer war daher davon überzeugt, dass der Angeklagte die
Verfügung, die zeitlich exakt mit der Jährigkeit des Verfahrens zusammenfiel, allein zum Zweck der
Registeraustrags traf.
183
c)
Die Strafbarkeit des Beschuldigten K. wegen der genannten Taten wurde durch das seit dem
29.04.2014 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts S. vom 07.04.2014
(j) festgestellt, durch das der
Beschuldigte wegen Betruges in 75 Fällen sowie wegen versuchten Betruges zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten verurteilt wurde. Ausweislich der Urteilsgründe waren
Gegenstand der Verurteilung u.a. auch die den Verfahren
(j) und (k) zugrunde liegenden Vorwürfe. Dem
Urteil war auch zu entnehmen, dass der Beschuldigte K. mehrfach wegen Betrugs, zuletzt durch Urteil des
Amtsgerichts S. vom 14.02.2005 wegen Betrugs in 14 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von 12 Monaten
verurteilt worden war. Aufgrund der Vielzahl der gleichgelagerten Vorwürfe, der klaren Beweislage -
insbesondere hatte der wegen Betrugs vorbestrafte Beschuldigte K. die eidesstattliche Versicherung
abgegeben - war dem Angeklagten nach Überzeugung der Kammer bewusst, dass dem Beschuldigten die
Taten nachzuweisen gewesen wären.
184
d)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer
berücksichtigt, dass es sich durch die Hinzuverbindung einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren um ein
recht unübersichtliches Verfahren handelte, dessen Abschluss einen gewissen Zeitaufwand erforderte.
Andererseits war die Beweislage im Hinblick auf die Aussagen der Geschädigten nicht besonders
kompliziert. In Anbetracht der Vielzahl der Tatvorwürfe und der Vorstrafen des Beschuldigten war mit der
Verhängung einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Zum Zeitpunkt der
Einstellungsverfügung vom 18.05.2010 im Verfahren
(j) lag ein Großteil der Taten bereits über zwei Jahre
zurück. Als die Berichtspflicht im Verfahren
(k) eintrat, war das erste Verfahren (j) bereits ein Jahr und
sechs Monate unbearbeitet. Eine besondere Arbeitsbelastung bestand zu diesem Zeitpunkt nicht,
insbesondere konnte der Angeklagte, wie er selbst dargelegt hat, im Zeitraum von Januar bis März 2011
neun Verfahren, die älter als 11 Monate waren, noch vor Eintritt der Berichtspflicht erledigen. Selbst bei
Anlegung großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten stellte das Unterlassen der gebotenen
Anklageerhebung spätestens ab April 2011 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der
unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
185
e)
Soweit die Anklage dem Angeklagten vorwarf, er habe ein weiteres Verfahren gegen den Beschuldigten
K. (...), das im Februar 2011 eingegangen ist, im Februar 2012 sachwidrig gem. § 154 Abs. 1 StPO
eingestellt, ist die Kammer unter Heranziehung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen, dass das
Unterlassen der Anklageerhebung bis zur Suspendierung des Angeklagten im Juli 2012 jedenfalls noch
keinen den erhöhten Anforderungen der Rechtsbeugung entsprechenden gravierenden Verfahrensverstoß
darstellte.
186
2.3.6. Tat Nr. 6 (Ermittlungsverfahren gg. S.)
187
a)
Der Angeklagte gab an, mit der Scheinverfügung habe er Zeit gewinnen wollen. Letztlich sei ihm der
Fall auch nicht mehr näher nachvollziehbar, da er zur Erstellung einer Anklage lediglich seinen eigenen
Haftbefehl hätte abschreiben müssen, um das Verfahren zu erledigen. Er habe im Oktober 2011 auch den
Anklageentwurf eines Referendars korrigiert. Am Freitagabend dem 02.03.2012 habe er die
Scheinverfügung gefertigt. Für den folgenden Montag sei im Kalender Studentenpraktikum vermerkt
gewesen, für den Dienstag Examensaufsicht, für den Mittwoch erneut Studentenpraktikum und für den
Donnerstag Plädierkurs. Da sei ihm klar gewesen, dass er in der darauf folgenden Woche nicht zum
Abschluss oder zu einem Rückstandsbericht in diesem Verfahren kommen würde. Aus diesem Grund habe
er die Scheinverfügung gefertigt. Dabei sei ihm bekannt gewesen, dass ein Geständnis vorgelegen habe. Er
habe sich gedacht, das habe jetzt noch ein paar Tage Zeit. Er habe die Akten tatsächlich auf seinen
Haftsachen-Stapel gelegt, auch habe er die nachfolgenden Sachstandsanfragen des Rechtsanwalts der
Geschädigten mit Sicherheit zur Kenntnis genommen. Zur abschließenden Bearbeitung sei er dann aber
nicht mehr gekommen, weil alles aufgeflogen sei. Die Akte habe immer auf seinem Fensterbrett gelegen.
Auch ein Polizeibeamter habe ihn in der Sache mal angerufen und er habe ihm mitgeteilt, die Akte liege
zum Diktat bereit.
188
b)
Der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt konnte durch Verlesung des seit
04.12.2012 rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts F. vom 28.11.2012
(n) zur Überzeugung der Kammer
festgestellt werden. Wie der Angeklagte eingeräumt hat, war ihm aufgrund der Geständnisse des
Beschuldigten bewusst, dass dem Beschuldigte die Tat nachzuweisen gewesen wäre.
189
c)
Bei der Bestimmung des strafrechtlich relevanten Unterlassungszeitpunkts hat die Kammer
berücksichtigt, dass die Ermittlungen mit Eingang des polizeilichen Schlussberichts im Juni 2011
abschlussreif waren. Es handelte sich bei dem Verfahren um einen einfach gelagerten Sachverhalt mit
klarer Beweislage. Der Beschuldigte hatte die Tat gestanden und sogar fotografisch festgehalten. Die
Erstellung der gebotenen Anklage hätte angesichts der einfachen Sach- und Rechtslage - wie der
Angeklagte selbst eingeräumt hat - nur wenig Arbeitszeit beansprucht. Die Arbeitsbelastung des
Angeklagten stand einer Anklageerhebung daher nicht entgegen. Bei dem Tatvorwurf handelte es sich um
einen Verbrechenstatbestand, weswegen der Angeklagte auch einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten
erwirkt hatte. Die Außervollzugsetzung des Haftbefehls war mit die Freizügigkeit des Beschuldigten
erheblich einschränkenden Auflagen, nämlich einer zweimal die Woche bestehenden Meldepflicht, der
Abgabe des Passes und der Auflage, das Bundesgebiet nicht ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft
zu verlassen, verbunden. Zum Zeitpunkt der Scheineinstellung am 02.03.2012 war das Verfahren bereits
ohne Grund über 8 Monate lang nicht gefördert worden, obwohl in Haftsachen der
Beschleunigungsgrundsatz auch dann in besonderer Weise zu beachten ist, wenn der Haftbefehl außer
Vollzug gesetzt wurde. Das Unterlassen der Anklageerhebung stellte daher - selbst bei Anlegung
großzügiger Maßstäbe zugunsten des Angeklagten - spätestens ab dem Zeitpunkt der Verfügung vom
02.03.2012 einen besonders schwerwiegenden Rechtsverstoß dar, der unter keinem rechtlichen oder
tatsächlichen Gesichtspunkte mehr zu vertreten war.
190
2.4. Subjektive Tatseite
191 Die jeweiligen Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten beruhen wesentlich auf seiner
eigenen Einlassung. Der Angeklagte wusste, dass er als Staatsanwalt gem. § 170 Abs. 1 StPO unter
Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zur Anklageerhebung verpflichtet ist. Wie der Angeklagte
zugegeben hat, bezweckte er mit seiner Vorgehensweise, dass die gegenständlichen Strafverfahren aus
dem staatsanwaltschaftlichen Register ausgetragen wurden und dadurch keiner behördlichen Kontrolle
mehr unterlagen. In der Folge der Austräge wusste der Angeklagte, dass die Verfahren unbearbeitet
blieben und durch keine Maßnahmen mehr gefördert wurden. Dabei waren ihm die länger werdenden
Zeiträume der unbearbeitet bleibenden Verfahren stets bewusst. Auch war ihm bekannt, dass sich zwei
Haftsachen mit lediglich außer Vollzug gesetzten Haftbefehlen unter den Verfahren befanden. Die
Verfahrensakten befanden sich kontinuierlich in seinem Dienstzimmer und sind ihm, wie er selbst
eingeräumt hat, nie aus dem Blick geraten. Zudem wurde das dauerhafte und wissentliche Unterlassen der
gebotenen Wiederaufnahme der Ermittlungen bzw. der Anklageerhebung durch den Eingang von
Sachstandsanfragen erneut in sein Bewusstsein gerufen. Auch wenn ihm dies an sich unerwünscht war, so
wusste der Angeklagte und sah als sichere Folge seines Unterlassens voraus, dass die Nichtbearbeitung der
Verfahren und die unterbliebene Strafverfolgung mit zunehmendem Zeitablauf zwangsläufig zu einer
Besserstellung der Beschuldigten führten. Aufgrund der dem Angeklagten stets erinnerlichen ganz
erheblichen Dauer der Nichtbearbeitung war ihm spätestens zu den von der Kammer jeweils angesetzten
Zeitpunkten bewusst, dass die massive Verzögerung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr zu
rechtfertigen war und einen schwerwiegenden Rechtsverstoß darstellte. Als langjährigem und erfahrenem
Staatsanwalt, der mit dem Führen von Rückstandslisten, dem Erstellen entsprechender Rückstandsberichte
und der Bearbeitung von Haftsachen vertraut war, war dem Angeklagten zudem bekannt, dass das
Legalitätsprinzip (§§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO), der Beschleunigungsgrundsatz und insbesondere die
besondere Beschleunigungspflicht bei Haftsachen zu den ganz elementaren Verfahrensnormen im
Ermittlungs- und Strafverfahren zählen.
192
2.5. Schuldfähigkeit
193 Die Feststellung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beruht auf dem widerspruchsfreien und
nachvollziehbaren Gutachten des forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. med. P., Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie.
194 Dem Sachverständigen lagen die Hauptakten sowie der Sonderband „Dienstakte“ vor. Er hat den
Angeklagten am 07.10.2014 ausführlich fachärztlich untersucht. Außerdem lagen ihm die medizinischen
Befunde von (…) vor. (…) An den für die Gutachtenerstattung wesentlichen Teilen der Hauptverhandlung -
insbesondere der Vernehmung der Zeugen aus dem beruflichen Umfeld des Angeklagten - war der
Sachverständige anwesend.
195 Anhaltspunkte oder Hinweise auf das Vorliegen einer überdauernden psychischen Erkrankung konnte der
Sachverständige nicht feststellen. (…)
196 Auch eine affektive Störung sah der Sachverständige nicht begründet. (…)
197 (…)
198 Zusammenfassend kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass Eingangsmerkmale für eine verringerte
Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit nicht plausibel zu begründen seien.
199 Die Kammer schloss sich dem nachvollziehbaren Gutachten des äußerst erfahrenen und fachlich
qualifizierten Sachverständigen aus eigener Überzeugung an. Gegen das Vorliegen einer für die
Schuldfrage relevanten psychischen Erkrankung bei dem Angeklagten sprach insbesondere auch, dass die
Zeugen aus seinem beruflichen Umfeld von keinerlei psychischen Auffälligkeiten berichteten und dass der
Angeklagte - wie auch aus der dienstlichen Beurteilung vom 28.08.2006 hervorgeht - als überaus erfahren
und belastbar beschrieben wurde.
IV.
200 Der Angeklagte hat sich somit - jeweils aufgrund neugefassten Willensentschlusses - in sechs Fällen, davon
in einem Fall (Nr. 2) in drei tateinheitlichen Fällen, als Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer
Rechtssache zugunsten einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig gemacht und jeweils durch dieselbe
Handlung als Amtsträger, der zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufen ist, wissentlich ganz oder
zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird,
wobei er es jeweils unterlassen hat, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, strafbar als Rechtsbeugung
in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in drei
tateinheitlichen Fällen, gemäß §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1, 339, 13 Abs. 1, 52, 53 StGB.
201
1. Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit
202 Die Kammer ist dabei davon ausgegangen, dass in allen sechs Fällen der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in
dem Unterlassen der jeweiligen Anklageerhebung lag.
203 Das Verhalten des Angeklagten beinhaltete jeweils sowohl Elemente eines aktives Tuns als auch eines
Unterlassens. Denn das Unterlassen der nach § 170 Abs. 1 StPO gebotenen Strafverfolgung wurde jeweils
nur dadurch ermöglicht, dass der Angeklagte durch eine aktive Verfahrensmanipulation gezielt die
Dienstaufsicht der Behördenleitung und der Generalstaatsanwaltschaft ausgeschaltet hat, wobei die
Kammer nicht feststellen konnte, dass der Angeklagte beim Scheinabschluss von vornherein mit dem Willen
gehandelt hat, das betreffende Verfahren endgültig nicht mehr zu bearbeiten. Ohne den sachwidrigen
Registeraustrag wäre es dem Angeklagten nicht möglich gewesen, die Verfahren unbemerkt über längere
Zeiträume nicht zu bearbeiten.
204 Ausschlaggebend dafür, dass die Kammer den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit im Unterlassen sah, waren
in allen sechs Fällen die sehr langen Zeiträume, in denen der Angeklagte nach dem Vorliegen der
Voraussetzungen anstatt Anklage zu erheben die Verfahren unbearbeitet liegengelassen hat. Dagegen
handelte es sich bei den Registerausträgen für sich betrachtet schon zeitlich um äußerst kurze Vorgänge.
Der Angeklagte hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Verfahren im Register wieder aufzunehmen und
ordnungsgemäß abzuschließen, so dass der Schwerpunkt beim Unterlassen dieser gebotenen Maßnahmen
lag.
205
2. Zu den Voraussetzungen der Rechtsbeugung gem. § 339 StGB
206
a)
Der Angeklagte war als Staatsanwalt tauglicher Täter einer Rechtsbeugung (vgl. BGH, Urteil vom
06.11.2007 - 1 StR 394/07, juris; OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1469; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 339 Rn. 6
m.w.N.; Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 339 Rn. 2; Mückenberger in
Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 2. Aufl., § 339 Rn. 11; Hilgendorf in Leipziger
Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 339 Rn. 20 unter Ablehnung von OLG Bremen, NStZ 1986,120).
207
b)
Voraussetzung des objektiven Tatbestands der Rechtsbeugung ist neben der Verletzung bindender
Rechtsnormen ein Angriff des Täters gegen grundlegende Prinzipien des Rechts, gegen die Rechtsordnung
als ganze oder gegen elementare Normen als Ausdruck rechtsstaatlicher Rechtspflege (st. Rspr. seit BGHSt
32, 357; 38, 381). Der Tatbestand erfasst nicht jede unrichtige oder unvertretbare Rechtsverletzung,
sondern setzt einen elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege voraus. Der Täter muss sich bewusst und
in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernen (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27.01.2016 - 5
StR 328/15, juris)
208 Auch ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch pflichtwidrige Verfahrensverzögerung kann
den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen, insbesondere dann, wenn die Bedeutung des
Beschleunigungsgebotes besonders hervorgehoben ist, wie beispielsweise in Haftsachen aufgrund Art. 2
Abs. 2 S. 2, 104 GG und Art. 5 Abs. 3, Abs. 4 MRK (vgl. BGHSt 47, 105, Rn. 11; OLG Karlsruhe, a.a.O.).
Darüber hinaus gilt dies aber auch bei "Weglegen" von Akten, unvertretbarem und sachwidrigen
Hinausschieben gebotener Entscheidungen und sonstigem Unterlassen (Fischer, a.a.O., § 339 Rn. 24).
209 Die Beachtung des Beschleunigungsgebotes und die aus § 170 Abs. 1 StPO sich ergebende Pflicht zur
Anklageerhebung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zählen zu den ganz elementaren
Grundsätzen im Strafverfahren. Vorliegend verstieß der Angeklagte spätestens zu den von der Kammer
jeweils festgestellten Zeitpunkten in schwerwiegender Weise gegen grundlegende Verfahrensvorschriften.
Dieser Verfahrensverstoß wirkte sich auch jeweils zugunsten der Beschuldigten aus.
210
c)
Der subjektive Tatbestand der Rechtsbeugung setzt mindestens bedingten Vorsatz hinsichtlich eines
Verstoßes gegen geltendes Recht sowie einer Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei voraus. Das
darüber hinausgehende subjektive Element einer bewussten Abkehr von Recht und Gesetz bezieht sich auf
die Schwere des Rechtsverstoßes, insoweit ist Bedeutungskenntnis im Sinn direkten Vorsatzes hinsichtlich
der Schwere des Rechtsverstoßes erforderlich (BGHSt 59, 144). Diese Voraussetzungen waren nach den
getroffenen Feststellung in allen sechs Fällen erfüllt. Insbesondere stand nicht entgegen, dass der
Angeklagte nicht die Absicht hatte, die Beschuldigten gezielt zu begünstigen. Denn in allen Fällen erkannte
der Angeklagte, dass die Besserstellung der Beschuldigten eine zwingende Folge der langen
Nichtbearbeitung der Verfahren war, was für die Tatbestandserfüllung ausreichend ist.
211
3. Zu den Voraussetzungen der Strafvereitelung im Amt gem. §§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1
StGB
212
a)
Die Sperrwirkung der Rechtsbeugung steht einer Verurteilung wegen Strafvereitelung im Amt nicht
entgegen, da die Voraussetzungen des § 339 StGB erfüllt sind.
213
b)
Objektiv liegt eine gänzliche Vereitelung i.S.d. § 258 Abs. 1 StPO nicht nur bei endgültiger -
tatsächlicher oder rechtlicher - Verhinderung der Aburteilung der Beschuldigten vor, sondern auch bei einer
Verzögerung auf geraume Zeit (BGH, Urteil vom 21.12.1994 - 2 StR 455/94, juris; Fischer, a.a.O., § 258
Rn. 8 m.w.N.). Vorliegend konnte in den Fällen Nr. 1 und 2 (L., M.) aufgrund der eingetretenen Verjährung
keine Strafverfolgung mehr erfolgen. In den übrigen Fällen Nr. 2 (F.) und Nr. 3 bis 6 wurde die
Strafverfolgung jeweils um derart lange Zeiträume verzögert, dass jeweils das Merkmal einer Verzögerung
auf geraume Zeit - unabhängig davon, ob man insoweit bereits einen an § 229 StPO orientierten Zeitraum
von drei Wochen ausreichen lässt (vgl. Fischer, a.a.O., § 258 Rn. 8; Stree/Hecker in Schönke/Schröder,
a.a.O., § 258 Rn. 14) - erfüllt ist.
214
c)
Der Angeklagte handelte in allen Fällen auch vorsätzlich. Subjektiv ist bei der Strafvereitelung nach §
258 Abs. 1 StGB in Bezug auf die Tathandlung und den Vereitelungserfolg direkter Vorsatz ("absichtlich
oder wissentlich") erforderlich, wohingegen bedingter Vorsatz hinsichtlich der Kenntnis der Vortat ausreicht
(BGH, NStZ 2015, 702). Der Täter muss also eine Besserstellung des Vortäters zumindest als sichere Folge
seines Handelns voraussehen (Fischer, a.a.O., § 258 Rn. 33 m.w.N.). Ein konkretisiertes Interesse des
Täters am Taterfolg ist dagegen nicht erforderlich, so dass eine Strafvereitelung im Amt auch begehen
kann, wer ohne Interesse an der Sache in der Absicht handelt, einen lästigen Fall loszuwerden oder eigene
dienstliche Versäumnisse zu verschleiern (Fischer, a.a.O., § 258a Rn. 6).
V.
215
1. Strafrahmenwahl
216 Bei der Strafzumessung war gem. 52 Abs. 2 S. 1 StGB zunächst jeweils von dem Strafrahmen des § 339
StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren vorsieht.
217 Die Kammer hat sodann jeweils geprüft, ob die Strafe gemäß § 13 Abs. 2 StGB gemildert werden konnte,
und kam im Ergebnis für die Taten Nr. 3 bis 6, nicht jedoch für die Taten Nr. 1 und 2 zu einer
Strafrahmenverschiebung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB.
218 Ob von der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2 StGB Gebrauch zu machen ist, ist
im Rahmen einer wertenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte zu entscheiden, wobei
vor allem diejenigen Umstände zu berücksichtigen sind, die etwas dazu aussagen, ob das Unterlassen im
Verhältnis zur Begehungstat weniger schwer wiegt oder nicht (vgl. BGH NStZ 2013, 340; NStZ-RR 2011,
334; NJW 1998, 3068).
219 Insoweit hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten mittlerweile längere
Zeit zurückliegen und der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren
und in der Hauptverhandlung die Aktenführung in den jeweiligen Verfahren sowie die Scheinverfügungen
zum Zwecke des Registeraustrags ebenso wie den Umstand, dass ihm die Verfahren stets präsent waren
und nicht in Vergessenheit geraten sind, unumwunden eingeräumt. Der Angeklagte war langjährig als
Staatsanwalt tätig und wurde ausweislich seiner dienstlichen Beurteilungen als engagiert, tatkräftig und
stets kollegial beschrieben, so dass er 2006 zum Gruppenleiter bzw. Ersten Staatsanwalt befördert wurde.
Zu sehen war auch, dass er infolge der teilweisen Abordnung an die Staatsanwaltschaft O. bis Ende 2007 -
in diesen Zeitraum fielen die Scheinverfügungen in den Fällen Nr. 1 u. 2 - erheblich überlastet war. Durch
die Presseberichterstattung der Bild-Zeitung über die Hauptverhandlung (Bezeichnung als "Deutschlands
faulster Staatsanwalt" in einem Artikel vom 20.11.2015) wurde er in erheblichem Maße diffamiert und
vorverurteilt. Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass dem Angeklagten bei einer Verurteilung
wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr beamtenrechtlich (§ 24
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG) das Ende des Beamtenverhältnisses mit erheblichen finanziellen Folgen - auch
im Hinblick auf seine Altersversorgung - droht.
220 Zu Lasten des Angeklagten war zu würdigen, dass eine Aburteilung der Beschuldigten in den Fällen Nr. 1
und 2 (L., M.) endgültig - bei Nr. 2 sogar hinsichtlich zwei Beschuldigter - vereitelt wurde und dass die
jeweils ab den von der Kammer angesetzten Zeitpunkten eingetretene Verzögerung in den Fällen Nr. 2 (F.)
und Nr. 3 und 4 mit über zwei Jahren und im Fall Nr. 5 mit deutlich über einem Jahr sehr lang war. In allen
Fällen hatten die zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren gewichtige Straftaten zum Gegenstand. Soweit
die Strafverfolgung nach Aufdecken des Verfahrensstillstandes fortgesetzt wurde (Nr. 3 - 6) und nach
Anklageerhebung bzw. Stellung eines Strafbefehlsantrags eine Verurteilung erfolgte, wurden durchweg
Freiheitsstrafen verhängt, wobei der Umstand der Verfahrensverzögerung in den Fällen Nr. 3, 5 und 6 vom
jeweiligen Gericht - für den Angeklagten vorhersehbar - ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt wurde.
Auch in den Fällen, in denen eine Verfolgung der Beschuldigten wegen Verjährungseintritts nicht mehr
möglich war (Nr. 1 u. 2), wäre die Verhängung von Freiheitsstrafen schon im Hinblick auf den jeweils hohen
(Gesamt-) Schaden zu erwarten gewesen.
221 Bei der Frage, ob das Unterlassen weniger schwer wiegt als eine Begehung durch positives Tun, hat die
Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte die betreffenden Ermittlungsverfahren nicht
einfach nur unbearbeitet gelassen, sondern sie durch eine aktive Manipulation gezielt der behördlichen
Kontrolle entzogen hat. Die Taten weisen somit jeweils eine deutliche Nähe zu einer durch positives Tun
begangenen Tat auf, wenngleich die Kammer - wie dargelegt - den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit beim
Unterlassen sieht. Ohne eine derartige aktive Manipulation des Angeklagten wäre es zu keiner erheblichen
Verzögerung der Ermittlungsverfahren gekommen, da die Berichtspflicht der betreffenden Verfahren den
Abteilungs- oder Behördenleiter zu geeigneten Maßnahmen, die Verfahren zeitnah abzuschließen,
veranlasst hätte. Zwar handelte es sich bei den gegenständlichen Ermittlungsverfahren im Vergleich mit
der Vielzahl der vom Angeklagten in den Jahren ordnungsgemäß bearbeiteten Verfahren nur um einen
ganz geringen Anteil; andererseits hat der Angeklagte über einen langen Zeitraum von 2007 - 2012
mehrfach von derartigen Scheinverfügungen zum Zwecke des Registeraustrags Gebrauch gemacht, so dass
nicht von einer bloß einmaligen Verfehlung gesprochen werden kann.
222 In der Gesamtwürdigung der vorgenannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war
die Kammer der Auffassung, dass in den Fällen Nr. 1 u. 2 - insbesondere angesichts der aktiven
Ausschaltung der behördlichen Kontrolle, des Gewichts der Taten und vor allem des Eintritts der
Strafverfolgungsverjährung - der Umstand, dass die Taten durch Unterlassen begangen wurden, die
Schuldschwere nicht entscheidend zu relativieren vermag. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2
StGB kam daher in diesen beiden Fällen - auch unter Berücksichtigung der genannten strafmildernden
Umstände - nicht in Betracht, so dass es bei dem Strafrahmen des § 339 StGB (Freiheitsstrafe von einem
bis zu fünf Jahren) zu verbleiben hatte.
223 In den übrigen Fällen Nr. 3 bis 6 kam es nach Fortführung der Verfahren zu einer Aburteilung der jeweiligen
Taten, so dass die Kammer unter maßgeblicher Berücksichtigung dieses Umstands eine
Strafrahmenverschiebung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB in der Gesamtwürdigung für angebracht hielt.
In diesen Fällen kam daher ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu drei Jahren neun Monaten zur
Anwendung.
224 Eine Strafrahmenverschiebung wegen verminderter Schuldfähigkeit nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kam nicht
in Betracht, da die Kammer - dem psychiatrischen Sachverständigen folgend - bei dem Angeklagten keine
psychische Erkrankung im Sinne eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB feststellen konnte.
225
2. Bemessung der Einzelstrafen und Gesamtstrafenbildung
226 Die Kammer hat die bereits bei der Frage der Strafrahmenwahl genannten für und gegen den Angeklagten
sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erneut umfassend gegeneinander abgewogen und hielt
folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
227 Nr. 1 (Mai) Freiheitsstrafe von einem Jahr
228 Im Hinblick darauf, dass die Tat Nr. 1 länger zurück liegt - die Tat war mit Verjährungseintritt im Jahr 2011
beendet -, war die Verhängung der Mindeststrafe ausreichend.
229 Nr. 2 (L. u.a.) Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat
230 Insoweit musste sich insbesondere strafschärfend auswirken, dass sich die Tat zugunsten von drei
Beschuldigten ausgewirkt hat.
231 Nr. 3 (S.) Freiheitsstrafe von sieben Monaten
232 Insoweit hat die Kammer strafschärfend insbesondere den langen Zeitraum des Unterlassens und die
Schwere des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Tatvorwurfs - vor allem in Hinblick auf die
erheblichen Tatfolgen für die Geschädigte - berücksichtigt.
233 Nr. 4 (S.) Freiheitsstrafe von sieben Monaten
234 Auch insoweit hat die Kammer den langen Zeitraum des Unterlassens und die Schwere des Tatvorwurfs in
Anbetracht der massiven Verletzungen des Geschädigten besonders in den Blick genommen.
235 Nr. 5 (K.) Freiheitsstrafe von acht Monaten
236 Straferhöhend musste sich insoweit die Vielzahl der Tatvorwürfe gegen den Beschuldigten und der
Umstand, dass der Angeklagte zwei Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten durch
Scheinverfügungen aus dem Register ausgetragen hat, auswirken.
237 Nr. 6 (S.) Freiheitsstrafe von sechs Monaten
238 Insoweit war zu Gunsten des Angeklagten der vergleichsweise kurze Zeitraum der Verfahrensverzögerung
zu sehen, andererseits handelte es sich um einen ganz gewichtigen Tatvorwurf.
239 Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer unter erneuter Würdigung der Person des Angeklagten und der
jeweiligen Taten unter Berücksichtigung der bereits genannten Strafzumessungsgesichtspunkte gem. § 54
Abs. 1 S. 2 StGB auf eine tat- und schuldangemessene
240
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten
241 erkannt. Insoweit war im Hinblick auf die sich teilweise überschneidenden Tatzeiträume und den engen
situativen Zusammenhang der Taten ein straffer Strafzusammenzug geboten.
242 Die Vollstreckung der Strafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
Angesichts dessen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, die ihm vorgeworfene Aktenführung
vollumfänglich eingeräumt hat und als zwingende Folge der Verurteilung aus dem Beamtenverhältnis
ausscheiden wird, war die Prognose günstig und es lagen zugleich besondere Umstände im Sinne des § 56
Abs. 2 StGB vor.
VI.
243 Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.