Urteil des LG Freiburg vom 10.06.2016

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LG Freiburg Urteil vom 10.6.2016, 1 O 396/15
Anwendbarkeit von Dienstvertragsrecht auf einen Fernüberwachungsvertrag
Leitsätze
1. Auf einen Fernüberwachungsvertrag, bei dem die Überwachungsgeräte an den Kunden vermietet werden, die
dieser selbst gar nicht nutzen kann, ist Dienstvertragsrecht anwendbar. Die Hauptleistung des
Sicherheitsunternehmens liegt in der Überwachung. An den Geräten selbst hat der Kunde regelmäßig kein
Interesse.
2. Ob diese Überwachung durch das Sicherheitsunternehmen automatisiert oder durch Personen erfolgt, ist für
die Qualifikation als Dienstvertrag unerheblich.
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 392,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von
9 Prozentpunkten hieraus seit dem 02.09.2015 und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 83,54 EUR zu
bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu 19/20, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/20 zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.151,90 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Klägerin ist ein Unternehmen der Sicherheitsbranche und macht vertragliche Zahlungsansprüche aus
einem Fernüberwachungsvertrag geltend, den sie mit der Beklagte Z. 1 geschlossen hat, die eine
Fahrradhandlung und Reparaturwerkstatt betreibt, und deren Gesellschafter die Beklagten Z. 2 und 3 sind.
2 Zur Überwachung des Ladengeschäftes schlossen die Parteien am 25.08.2015 in den Räumlichkeiten der
Beklagten einen „...-Mietvertrag mit Fernüberwachung“. Dort heißt es:
3 „Zwischen dem o.g. Mieter und ... Sicherheits GmbH wird ein Mietvertrag über die/das nachstehend
bezeichnete(n) Gerät(e) zu nachfolgenden Bedingungen geschlossen. ...“
4 Bei der „Mietdauer“ sind fünf Optionen von 24 Monaten bis 72 Monaten vorgesehen, jeweils im Abstand von
zwölf Monaten. Auf dem Formular ist das Kästchen bei 72 Monaten angekreuzt.
5 Sodann sind auf dem Vertragsformular Anzahl, Artikel und monatliche Mietgebühr ohne gesetzliche
Mehrwertsteuer einzutragen. Ein „Basispaket ...“ ist in Zeile 1 bereits voreingetragen. Dort wurde
handschriftlich ergänzt: „(1 Pir mit Kamera/1 LCD/1 SOS)“. In Zeile 2 ist eingetragen „1 Pir ohne Kamera“.
Die Preise sind jeweils nicht eingetragen. Die übrigen Zeilen sind gestrichen.
6 Darunter sind die Kosten jeweils als Nettobeträge, Mehrwertsteuer und Gesamtkosten ausgewiesen.
Danach sollte die monatliche Mietgebühr inklusive Mehrwertsteuer und Fernüberwachung 95,20 EUR
betragen. Außerdem wurde eine einmalige Einrichtungsgebühr von 297,50 EUR und die Kosten pro
Alarmbearbeitung je Alarm mit 11,90 EUR vereinbart. Die Zahlungen sollten halbjährlich geleistet werden.
7 Danach heißt es:
8
„Der Mietvertrag wird zunächst auf die oben genannte Zeit fest abgeschlossen, beginnend mit dem Datum
der Installation der Geräte in den auf dem beigefügten Alarmplan angegebenen Räumen/Objekten. Der
Mietvertrag verlängert sich stillschweigend um jeweils weitere zwölf Monate, wenn er nicht spätestens
sechs Monate vor Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer schriftlich gekündigt wird. Der Mieter erkennt durch
seine Unterschrift auch den umseitig abgedruckten „Vertragsinhalt Alarmanlagen-Mietvertrag mit
Fernüberwachung“sowie die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ an. Der Mieter/Unterzeichner wurde
über die verschiedenen Vertragslaufzeiten und der damit verbundenen Preisgestaltung aufgeklärt,
insbesondere verzichtet der Mieter/Unterzeichner auf den Geltungsbereich des § 309 BGB ...“
9 Im Beiblatt „Vertragsinhalt ...-Mietvertrag mit Fernüberwachung“ wird die Leistung der Klägerin wie folgt
beschrieben:
10 „Vertragsinhalt
11 Im Rahmen dieses ...-Mietvertrages sorgt die Firma ... Sicherheits GmbH, H.-Strasse ..., ... O.-R.
12 - für die Lieferung der gemieteten Geräte;
13 - für die Installation der gemieteten Geräte
14 - für die technische Instandsetzung der gemieteten Geräte während der Grundvertragslaufzeit
15 - für eine 24-Stunden-Hotline zur Beantwortung technischer Fragen;
16 - für die Einrichtung einer Notruf- und Serviceleitstelle, die 365 Tage und 24 Stunden am Tage besetzt ist;
17 - für die Alarmüberwachung und gegebenenfalls nach visueller Alarmvorüberprüfung für die
Benachrichtigung des Mieters, von ihm benannte Vertrauenspersonen, oder den erforderlichen öffentlichen
Institutionen. ...
18 Fernüberwachung und Instandsetzung
19 ... stellt dem Mieter eine Notruf- und Serviceleitstelle 365 Tage und 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Die
...-Technik wird während der Vertragslaufzeit, über eine vom Mieter bereitgestellte Datenkarte, auf diese
Notruf- und Serviceleitstelle aufgeschaltet. In der IP-Version zusätzlich über das Internet. Der Mieter stellt
dazu einen Internetanschluss zur Verfügung.
20 Sobald die Notruf- und Serviceleitstelle von ... eine Alarmmeldung empfängt, wird sie unverzüglich
versuchen, den Mieter, oder die von Ihm benannten Personen, telefonisch zu benachrichtigen. Bei einer
Alarmmeldung, erfolgt seitens der Notruf- und Serviceleitstelle zuerst eine ggf. visuelle
Alarmvorüberprüfung. Alarmmeldungen und ggf. Videobilder können ausschließlich von der Notruf- und
Serviceleitstelle empfangen werden.
21 Je nach Ereignis [sic!] dieser Überprüfung und der Natur des Vorfalls wird ... die Polizei oder sonstige
öffentliche oder private Dienste, deren Benachrichtigung zum Zeitpunkt der Alarmprüfung notwendig
erscheint, benachrichtigen. Sollte in der Notruf- und Serviceleitstelle eine Alarmmeldung eingehen, ohne
dass der Mieter, oder die von Ihm benannten Personen telefonisch erreichbar sind, ist ... berechtigt,
zunächst eine weitere Alarmmeldung abzuwarten, bevor über ein weiteres Vorgehen entschieden wird.
22 Bei einer Alarmierung der öffentlichen Institutionen durch ..., gilt der Mieter kostenrechtlich als Verursacher
des Einsatzes der öffentlichen Institutionen. Dies gilt auch und insbesondere für den Fall, dass dieser
Alarmierung ein Fehlalarm zugrunde liegt.
23 ... übernimmt während der Grundlaufzeit des ...- Mietvertrages die Gewährleistung für die
Funktionstüchtigkeit der gemieteten Anlage und deren Technik und lässt defekte Teile, für den Mieter
kostenfrei, reparieren oder austauschen, mit Ausnahme von Verbrauchsmaterial, wie Akkus und Batterien.
... kann für den Mieter den erforderlichen Akku oder Batterietausch in den Überwachungsgeräten
kostenpflichtig durchführen. Nimmt der Mieter dieses Angebot nicht an und tauscht Akku/Batterien selbst
aus, übernimmt ... keinerlei Gewährleistung auf Funktion dieser Geräte.
24 Nach der Grundlaufzeit des Vertrages, berechnet ... alle erforderlichen Reparaturen und Serviceeinsätze,
gemäß ihrer aktuellen Preisliste.“
25 Die Parteien vereinbarten einen Installationstermin für den 03.09.2015.
26 Die Beklagten riefen noch am selben Tag an und versuchten, den Vertrag zu stornieren. Den
Installationstermin sagten sie ab. Mit Fax vom 31.08.2015 erklärten sie schriftlich den Widerruf ihrer
Vertragserklärung unter Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit bei Haustürgeschäften. Die Klägerin bot die
Installation zum vereinbarten Termin an, im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom
03.09.2015 wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte keinen Termin angeboten habe und sich im
Annahmeverzug befinde. In der Replik vom 07.03.2016 bietet die Klägerin ausdrücklich an, einen
Installationstermin zu vereinbaren. Die Beklagten haben im Rahmen der Klageerwiderung vom 17.02.2016
die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.
27 Die Klägerin behauptete, zwar treffe es zu, dass der für sie vor Ort tätige Zeuge G. darauf hingewiesen
habe, dass es die Möglichkeit gebe, zusammen mit der Klägerin eine Werbepartnerschaft einzugehen. Diese
Werbepartnerschaft habe jedoch keinerlei Kosten Nachlass für die Beklagte zur Folge. Es gehe lediglich
darum, dass die Beklagte ihr Geschäftslogo auf der Homepage der Klägerin als Referenzkunde platzieren
könne, so dass potentiell interessierte Neukunden wichen hinsichtlich der Bestandskunden der Klägerin
orientieren könne. Für die Beklagte bestehe der Vorteil darin, mit ihrem Logo auf der Homepage der Klägerin
zu erscheinen, was Einbrecher abschrecken könne, überwachte Räumlichkeiten aufzusuchen.
28 Die Klägerin ist der Meinung, dass die getroffene Laufzeitvereinbarung wirksam sei und nicht gegen § 307
BGB verstoße. Es seien zwei Fallgruppen zu differenzieren: Zum einen könne eine Fernüberwachung in der
Form vereinbart werden, dass eine Dauerüberwachung rund um die Uhr erfolge (24 Stunden Voll-
Fernüberwachung). In diesem Fall stehe das mietvertragliche Element - die Zurverfügungstellung der
Technik - eindeutig im Hintergrund. Davon zu unterscheiden sei die vorliegende Fallgruppe, in der der
Hauptteil des Vertrages in der Zurverfügungstellung der Technik und ein lediglich äußerst nachrangiges
dienstvertragliches Element darin liege, dass sich die Klägerin einzig im Alarmfalle und auch nur dann für
wenige Minuten aus der Ferne auf die Anlage der Kunden aufschalte und in das Objekt hineinhöre bzw. -
sehe und auf verdächtige Einbruchshinweise untersuche. Während die Dauerüberwachung der im
Sicherheitsgewerbe überwiegend anzutreffende Standardfall sei, werde in Abweichung dazu von der
Klägerin lediglich die Technik vermietet und einzig im Alarmfall für wenige Sekunden die Anlage zur
Fernüberwachung durch einen Mitarbeiter genutzt. Deshalb sei insbesondere das Urteil des OLG München
vom 11.02.2015 - 7 U 3170/14 - nicht einschlägig, weil es dort um eine Fernüberwachung bis zu 24
Stunden täglich gegangen sei, während die Klägerin nur eine Fernüberwachung im Alarmfalle anbiete.
Dieser Unterschied sei vom Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 6. August 2015 - 20 S 59/13 und Urteil vom
16.10.2015 - 8 O 100/15) sowie vom Landgericht Waldshut-Tiengen (Urteil vom 29.01.2016 - 2 O 217/15)
zutreffend gewürdigt worden, die primär von Mietverträgen ausgegangen sein, auf die § 309 Nr. 9 a) BGB
nicht anzuwenden sei.
29 Die Klägerin
beantragt
,
30 1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 1.737,40 EUR zuzüglich Zinsen in
Höhe von jährlich neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.09.2015 aus 868,70
EUR, seit dem 02.03.2016 aus weiteren 868,70 EUR zu zahlen.
31 2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin am
32 01.09.2016 weitere 571,20 EUR,
01.03.2017
weitere
571,20 EUR,
01.09.2017
weitere
571,20 EUR,
01.03.2018
weitere
571,20 EUR,
01.09.2018
weitere
571,20 EUR,
01.03.2019
weitere
571,20 EUR,
01.09.2019
weitere
571,20 EUR,
01.03.2020
weitere
571,20 EUR,
01.09.2020
weitere
571,20 EUR,
01.03.2021
weitere
571,20 EUR
33 zu zahlen.
34 3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 612,80 EUR zu zahlen.
35 Die Beklagten
beantragen
,
36 die Klage abzuweisen.
37 Sie behaupten, der Vertreter der Klägerin habe das Angebot gemacht, sie als Werbe- und Referenzkunden
zu führen. Er habe den Vorschlag gemacht, dass die Beklagten nur die Hälfte der Kosten zahlen sollten und
die Einrichtung der Anlage ganz umsonst erfolge, dafür solle der Laden während der Vertragslaufzeit
Schauobjekt werden, in dem sich die lokale Geschäftswelt einen realen Eindruck über die Funktionsweise
und den Aufwand für die Aufschaltung der Anlage verschaffen könne. Daraufhin habe man den Vertrag
geschlossen, der diese Abrede jedoch nicht enthalten habe. Der Vertreter der Klägerin habe die Beklagten,
als er bemerkt habe, dass diesen der Preis zu hoch sei, bewusst über die Kosten der Anlage getäuscht und
ihn vorgespiegelt, sie würden durch ihre Rolle als Referenzkunden eine günstigere Leistung erhalten, als
dies dann tatsächlich der Fall war. Er habe sie bewusst arglistig getäuscht, um sie zu einem Rechtsgeschäft
zu bewegen, dass ihnen zuvor viel zu teuer gewesen sei.
38 Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 die Beklagten Z. 2 und 3 informatorisch
angehört. Für ihre Bekundungen wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
39 Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage auf zukünftige
Leistungen gemäß § 259 ZPO gegeben, weil aufgrund des Schreiben der Beklagten vom 31.08.2015 die
Besorgnis weiterer Leistungsverweigerung besteht.
II.
40 Sie ist jedoch weitgehend unbegründet.
41 Der Klägerin stehen die einmalige Einrichtungsgebühr und die „Mietgebühr“ für einen Monat aus dem
zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten zu. Weitere
Ansprüche bestehen nicht, weil die Beklagte den Vertrag noch im August wirksam zum 30.09.2015
gekündigt hat. Die vereinbarte Laufzeit von 72 Monaten ist gemäß § 307 Absatz 1 S. 1 BGB unwirksam.
Eine Kündigung war daher gem. § 621 Nr. 3 BGB bis zum 15. eines Monats zu dessen Ende möglich.
42 1. Der Vertragsschluss ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Vertrag ist auch nicht durch Anfechtung der
Beklagten gem. § 142 BGB nichtig. Der Vertrag war nicht aufgrund einer arglistigen Täuschung des
Mitarbeiters der Klägerin beim Vertragsschluss anfechtbar, vgl. § 123 BGB. Die Anhörung der Beklagten Z. 2
und 3 in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016 hat eine arglistige Täuschung nicht zur Überzeugung
des Gerichts ergeben. Zwar ist, wie auch von der Klägerseite zugestanden wurde, über einen
Werbepartnervertrags gesprochen worden. Wie das Gespräch genau abgelaufen ist und ob eventuell
Zusagen gemacht worden sind, konnten die Beklagten Z. 2 und 3 aber nicht mehr eindeutig sagen. In
welchem Maße eine Reduzierung stattfinden sollte und zu welchem Zeitpunkt die Werbepartnerabrede
getroffen werden sollte (beim Vertragsschluss oder erst später, s. S. 3 d. Protokolls der mündl. Verh. v.
28.04.2016), blieb unklar. Auch der Beklagte Z. 3 erklärte, er sei davon ausgegangen, dass der
Werbevertrag später noch käme (Prot., S. 5). Er konnte sich jedoch ebenfalls nicht erinnern, was dieser
Werbevertrag konkret habe enthalten sollen: „Auf jeden Fall ging es darum, dass es billiger wird. Er sagte
aber nicht, in welchem Rahmen.“
43 2. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag, § 611 ff. BGB.
44 Bei der Auslegung von Verträgen, §§ 133, 157 BGB, kommt es für die rechtliche Einordnung nicht auf die
von den Vertragspartnern gewählte Benennung, sondern auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages
bzw. den tatsächlichen Inhalt der wechselseitigen Rechte und Pflichten an (vgl. BGHZ 106, 341, 345; BGH,
Urteil vom 08.10.2009 - III ZR 93/09 -, Rn. 16, juris). Deshalb sind die von der Klägerin im Formularvertrag
vom 25.08.2015 verwandten und auf das Mietvertragsrecht Bezug nehmenden Formulierungen als solche
nicht entscheidend.
45 Die Hauptpflichten der Parteien bestehen in der Objektüberwachung auf der einen und der Zahlung des
Entgelts auf der anderen Seite. Die von der Klägerin angebotenen Hilfsmittel repräsentieren lediglich ein
bestimmtes Sicherheitsniveau der Überwachung. Sie sind für den Auftraggeber in keiner Weise selbständig
nutzbar. So können laut des Beiblattes „Vertragsinhalt ...-Mietvertrag mit Fernüberwachung“
Alarmmeldungen und ggf. Videobilder ausschließlich von der Notruf- und Serviceleitstelle der Klägerin
empfangen werden. Die zentrale Leistung, auf die es dem Kunden ankommt, ist die Überwachung und
Benachrichtigung im Alarmfall. Ein Fernüberwachungsvertrag hat seinen Schwerpunkt auch dann bei den
Überwachungsdienstleistungen, wenn der Verwender die Überwachungstechnik zur Verfügung stellt und
wartet, da dies letztlich nur Hilfstätigkeiten sind, mit denen die eigentliche Überwachungsleistung möglich
gemacht werden soll (BeckOGK/Weiler BGB § 309 Nr. 9 Rn. 37, Stand: 01.02.2016). Diese
Überwachungsleistung findet die gesamte Aktivierungszeit der Anlage über statt, weil ein Mitarbeiter die
Anlage im Hinblick auf einen möglichen Alarm überwacht und dann ggf. eingreift. Ohne die Serviceleistung
der Klägerin ist die Überwachungstechnologie für die Beklagten ohne Wert (vgl. OLG München, Urteil vom
11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, Rn. 61, juris). Das unterscheidet den hier vorliegenden Vertrag auch
maßgeblich von einem Mietvertrag über eine Telefonanlage, die intern selbständig und extern unter
Inanspruchnahme der Dienstleistungen eines beliebigen Telefonanbieters je nach Bedarf des Kunden nutzbar
ist. Insoweit überzeugt die Argumentation des Landgerichts Karlsruhe (a.a.O.), es handele sich um einen
Mietvertrag nicht. Vergleichbar ist der vorliegende Vertrag eher mit einem PayTV-Abonnement (BGH NJW
2008, 360, 364) oder einem Access-Provider-Vertrag (BGH NJW-RR 2011, 916). Die Zugangsgeräte -
Decoder oder Router - werden teilweise gestellt, teilweise auch vermietet. Sie stellen jedoch nur eine
untergeordnete Nebenleistung dar. An den Geräten hat der Kunde keinerlei Interesse. Sie ermöglichen
lediglich den Zugang zur begehrten Dienstleistung des Dienstanbieters.
46 Soweit die Klägerin einwendet, das dienstvertragliche Element sei zu vernachlässigen, weil die
Überwachungstätigkeit eines Mitarbeiters möglicherweise nur wenige Sekunden oder Minuten betrage,
wenn die Anlage Alarm gebe, im Übrigen aber die Anlage automatisch laufe, verkennt sie zum einen, dass
auch die Anlage auf den Alarm hin überwacht werden muss, zum anderen aber, dass es überhaupt nicht auf
die Tätigkeit von Personen, sondern den Charakter der Leistung ankommt. Auch eine Einwahl ins Internet
(BGH NJW-RR 2011, 916) oder Telekommunikationsverbindungen (BGH, Urteil vom 16.11.2006 - III ZR
58/06 -, Rn. 8, juris) werden als Dienstverträge qualifiziert, obwohl sie vollständig automatisiert ablaufen.
Wie der Dienstanbieter also seine Dienstleistung erbringt, ist unmaßgeblich. Zutreffend ist daher auch das
Beispiel im Urteil des Landgerichts Freiburg i.Br. vom 12.05.2016 (5 O 257/15) hinsichtlich der Überwachung
von Kleinkindern - wie diese Überwachung technisch gelöst wird (Fernüberwachung mit Babyfon
unterschiedlicher technischer Ausstattung) ist für den Dienstgeber nur im Hinblick auf das Sicherheitsniveau
maßgeblich, dass damit erreicht wird.
47 3. Bei der Laufzeitklausel handelt es sich um von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im
Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Dass es insgesamt fünf Laufzeitvarianten gibt, ändert daran - entgegen
der Auffassung der Klägerin - nichts. Bei Wahlklauseln steht das vorformulierte Vertragswerk des
Verwenders nämlich tatsächlich nicht zur Disposition. Wenn der Kunde mit dem Verwender einen Vertrag
abschließen will, so muss er dafür die vom Verwender vorformulierten Bedingungen akzeptieren, auch wenn
er die Wahl zwischen verschiedenen AGB des Verwenders hat. Der AGB-Charakter der einzelnen Klauseln
wird dadurch nicht berührt, weil die konkrete Klausel eben nicht im Einzelnen ausgehandelt wird
(BeckOGK/Lehmann-Richter BGB § 305 Rn. 163, Stand 01.02.2016; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl.
2016, § 305 Rn. 11; BGH NJW-RR 1986, 54; NJW 1992, 503; 2014, 206 Tz. 19; differenzierend BGH NJW
2003, 1313).
48 4. Die in den streitigen Klauseln vereinbarte Vertragslaufzeit ist nicht schon gem. § 309 Nr. 9 a) BGB
unwirksam, denn diese Vorschrift findet gem. § 310 Abs. 1 S. 2 BGB keine Anwendung auf Verträge
zwischen Unternehmern i.S. des § 14 BGB. Die Klägerin und die Beklagten haben den Vertrag in Ausübung
ihrer gewerblichen Tätigkeit abgeschlossen und damit als Unternehmer i.S. d. Vorschrift gehandelt. Eine
Übernahme für den geschäftlichen Verkehr aus allgemeinen Wertungsgrundsätzen scheidet bei der auf den
Schutz des Verbrauchers zugeschnittenen Vorschrift aus (s. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 309 Rn. 96).
49 5. Die Laufzeitklausel hält jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht stand.
50 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stellt eine Klausel, in der der Verwender missbräuchlich eigene
Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen
seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen,
eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders i.S.v § 307 Abs. 1 S. 1
BGB dar (BGH, Urteil vom 08.12.2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 14, juris).
51 Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders gemäß § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe
einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen.
Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist
der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt
begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (BGH, a.a.O., Rn. 15).
52 a. Die Klägerin hat - auch nach Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2016, S. 6
Ziff. 2 - keine Angaben darüber gemacht, welche Kosten sie für die einzelnen Komponenten im Einkauf zu
tragen hat. Die Angaben der Klägerin, sie könne selbst zum Wert der Anlage keine Angaben machen, weil
sie nicht sachverständig sei (S. 5 d. Schriftsatzes vom 09.05.2016), ist in zweifacher Hinsicht
unverständlich: Zum einen dürfte sie als Sicherheitsfirma, die sich die Komponenten beschaffen oder sie
selbst herstellen wird, über die Marktpreise von Überwachungstechnologie informiert sein. Zum anderen hat
das Gericht keine Auskünfte über den Wert verlangt. Es ging ausweislich des Hinweises im Protokoll um die
Identifizierung der einzelnen Komponenten und deren Preis für die Klägerin im Einkauf. Insoweit dürfte auch
das von ihr angebotene Sachverständigengutachten unbehelflich sein. Die Beklagten haben den von der
Klägerin behaupteten Wert der Anlage bestritten und einen Einkaufswert von 600 EUR bis maximal 800
EUR behauptet (s.S. 4 d. Schriftsatzes d. Bekl. v. 24.05.2016). Mangels Kenntnis der von der Klägerin
benutzten Komponenten und des Marktes für Sicherheitstechnik war den Beklagten eine genauere
Schätzung auch nicht möglich. Die Klägerin ist insoweit ihrer sekundären Darlegungslast, auf die sie in der
mündlichen Verhandlung hingewiesen worden war, nicht nachgekommen. Das Gericht legt deshalb der
Abwägung zu Gunsten der Klägerin einen Kaufpreis der Sicherheitstechnik von 800 EUR zugrunde. Diese
Kosten wären binnen eines Jahres durch das monatliche Entgelt der Beklagten amortisiert.
53 Ein schutzwürdiges Interesse an einer Vertragslaufzeit von sechs Jahre ist nicht zu erkennen. Erhebliche
Investitionen der Klägerin, die eine lange Vertragslaufzeit rechtfertigen würden, erfolgen nicht. Die von der
Klägerin genutzte Technik kann jederzeit abgebaut und anderweitig weiter verwendet werden. Da die
Überwachung der Einzelanlagen wenig personalintensiv und vor allem hinsichtlich der Auswirkungen auf die
Anzahl der notwendigen Mitarbeiter der Klägerin nicht erkennbar ins Gewicht fällt, ist auch insoweit eine
langfristige Bindung nicht notwendig. Weitere Gesichtspunkte, die eine lange Vertragslaufzeit rechtfertigen
könnten, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
54 b. Dem steht das schützenswerte Interesse des Kunden entgegen, nicht „ohne Not“ übermäßig lang an
einen Vertrag gebunden zu werden. Ein eigenes Interesse der Beklagten an einer langfristigen Bindung an
die Klägerin ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Die Beklagten haben gerade erst den Schritt in die
Selbständigkeit gemacht, es ist unklar, ob ihr Unternehmen erfolgreich sein wird oder scheitert (vgl. OLG
München, Urteil vom 11.02.2015 - 7 U 3170/14 -, Rn. 63, juris). Eine Bindung von sechs Jahren ist für sie
erkennbar nicht interessengerecht.
55 6. Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung über die Laufzeit gem. § 307 Abs. 1 BGB ist gem.
§ 306 Abs. 1 BGB, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. An die Stelle der unwirksamen Regelung
treten die gesetzlichen Bestimmungen, § 306 Abs. 2 BGB. Die Frage der Kündigungsmöglichkeit regelt sich
daher nach § 621 BGB, weil auf die zwischen den Parteien abgeschlossenen streitgegenständlichen Verträge
Dienstvertragsrecht anzuwenden ist (siehe oben).
56 Da das Entgelt "monatlich" zu entrichten ist, findet die Kündigungsfrist des § 621 Nr. 3 BGB Anwendung. Mit
dem Schreiben vom 31.08.2015 (Anlage K7) haben die Beklagten deutlich gemacht, dass sie sich vom
Vertrag lösen wollen. Das ist als Kündigung auszulegen. Somit ist der Verträge wirksam zum 30.09.2015
ordentlich gekündigt worden.
57 Die Beklagten schulden demnach ein Monatsentgelt. Sie schulden der Klägerin außerdem die einmalige
Einrichtungsgebühr. Die Leistung wurde für den Vertragsbeginn im September unmöglich, als die Beklagten
bereits in Annahmeverzug waren. Die Klägerin behält daher ihren Anspruch auf die Gegenleistung.
II.
58 Die Nebenansprüche der Klägerin ergeben sich aus §§ 280, 286 BGB.
III.
59 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich
aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
60 Dr. Bleckmann
Richter am Landgericht