Urteil des LG Freiburg vom 19.11.2008
LG Freiburg (stgb, treu und glauben, leistung, daten, firma, geschütztes rechtsgut, erschleichen, technisches gerät, auslegung, entgelt)
LG Freiburg Urteil vom 19.11.2008, 7 Ns 150 Js 4282/08 - AK 136/08
Betrugsstraftaten: Aufladen einer Handykarte am Ladeterminal ohne Entrichtung des hierfür fälligen Entgelts
Leitsätze
Wer sich außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten berechtigt (hier: wegen Reinigungsarbeiten) in einem verschlossenen Ladenlokal aufhält und in
der Absicht, das fällige Entgelt nicht zu entrichten, an einem dort aufgestellten computergesteuerten Terminal unter Eingabe seiner zutreffenden
Telefondaten seine Prepaid-Telefonkarte auflädt, begeht zwar keinen Betrug oder Computerbetrug nach §§ 263, 263a StGB, macht sich jedoch
wegen Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB strafbar.
Tenor
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Breisach vom 03.07.2008 aufgehoben.
Die Angeklagte wird wegen Erschleichens von Leistungen in 86 Fällen zu einer
Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 8,-- Euro
verurteilt. Ihr wird gestattet, diese Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 40,-- Euro zu bezahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn sie mit mehr als
einer Rate in Verzug gerät.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I.
1
Durch Urteil des Amtsgerichts Breisach vom 03.07.2008 wurde die Angeklagte vom Vorwurf des Computerbetrugs in 86 Fällen freigesprochen.
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung ein. Die Berufung der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung
der Angeklagten erstrebt, hatte insoweit Erfolg, als die Angeklagte wegen Erschleichens von Leistungen in 86 Fällen verurteilt wurde.
II.
2
Die Angeklagte wurde 1981 geboren. (wird ausgeführt).
3
Die Angeklagte ist wie folgt vorbestraft:
4
Am 29.03.2007 verurteilte sie das Amtsgericht Staufen – 5 Cs 330 Js 6073/07 – wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5,--
Euro.
5
Nach den Feststellungen des Strafbefehls meldete die Angeklagte am 06.09.2004 telefonisch von M. aus ihren Festnetzanschluss zur Täuschung
über den Anschlussinhaber auf den Namen ihres am 13.05.2001 geborenen Sohnes um, wobei sie bewusst wahrheitswidrig das falsche
Geburtsdatum 13.05.1982 angab. Im Vertrauen auf die Richtigkeit ihrer Angaben wurde die Freischaltung dieses Telefonanschlusses nach der
Ummeldung aufrechterhalten. Im Zeitraum vom 12.09.2005 bis zum 11.11.2005 entstanden Telefongebühren in Höhe von mehr als 1.700,-- Euro,
die die Angeklagte vorgefasster Absicht entsprechend nicht bezahlte.
III.
6
Seit Oktober 2007 arbeitete die Angeklagte in der Reinigungsfirma des B. als Aushilfskraft. Sie wurde ausschließlich im Raiffeisen Markt in V.
eingesetzt. Dort putzte die Angeklagte entweder in Begleitung von Herrn B. oder allein. Manchmal wurde sie von ihrem Lebensgefährten und
dem einjährigen Sohn begleitet.
7
Im Verkaufsraum des Raiffeisen Marktes befinden zwei Terminals zum Laden von Prepaid-Karten der Firma Transact Elektronische
Zahlungssysteme GmbH (nachfolgend: Firma Transact), für die Netzbetreiber T-Mobile (D1) und Vodafone (D2). Die Angeklagte fand heraus, wie
diese zu bedienen sind. Durch Eingabe des Aufladebetrages (D1) bzw. durch Eingabe der Handynummer und des Aufladebetrages (D2)
erreichte sie, dass der gewählte Aufladebetrag durch die Firma Transact bei D1-Karten dem Prepaid-Konto automatisch gutgeschrieben wurde
und bei D2-Karten der Ausdruck eines Beleges mit einem elektronischen Cash Code am Terminal erfolgte. Mittels des Cash Codes lud die
Angeklagte dann telefonisch durch einen Anruf bei der Vodafone-Hotline den entsprechenden Betrag auf ihr Prepaid-Konto D2.
8
Auf diese Weise lud die Angeklagte auf Grund jeweils neu gefassten Willensentschlusses in 86 Fällen im Zeitraum vom 20.11.2007 bis zum
29.01.2008 entsprechende Prepaid-Karten auf, wobei sie wusste, dass hierfür ein Entgelt zu entrichten war, und sie die Absicht hatte, dieses
nicht zu entrichten. Die Firma Transact stellte dem Raiffeisenmarkt, ihrem Vertragspartner, die Aufladebeträge in Höhe von insgesamt 2.195,--
EUR in Rechnung, so dass dem Raiffeisenmarkt ein Gesamtschaden in dieser Höhe entstand.
9
Im Einzelnen nahm die Angeklagte auf diese Weise folgende Einzelleistungen unbefugt und unentgeltlich in Anspruch:
10
1. Am 20.11.2007 um 18:32 Uhr: 25 EUR (D2)
2. Am 20.11.2007 um 18:35 Uhr: 25 EUR (D2)
3. Am 20.11.2007 um 18:38 Uhr: 30 EUR (D1)
4. Am 22.11.2007 um 14:45 Uhr: 30 EUR (D2)
5. Am 22.11.2007 um 18:35 Uhr: 25 EUR (D2)
6. Am 22.11.2007 um 18:39 Uhr: 25 EUR (D2)
7. Am 22.11.2007 um 18:18 Uhr: 25 EUR (D2)
8. Am 27.11.2007 um 18:38 Uhr: 15 EUR (D2)
9. Am 27.11.2007 um 18:39 Uhr: 25 EUR (D2)
10. Am 29.11.2007 um 18:29 Uhr: 25 EUR (D2)
11. Am 29.11.2007 um 18:30 Uhr: 30 EUR (D2)
12. Am 29.11.2007 um 19:18 Uhr: 30 EUR (D1)
13. Am 11.12.2007 um 18:27 Uhr: 25 EUR (D2)
14. Am 11.12.2007 um 18:28 Uhr: 25 EUR (D2)
15. Am 11.12.2007 um 18:30 Uhr: 25 EUR (D2)
16. Am 13.12.2007 um 19:10 Uhr: 25 EUR (D2)
17. Am 13.12.2007 um 19:11 Uhr: 25 EUR (D2)
18. Am 13.12.2007 um 19:17 Uhr: 25 EUR (D2)
19. Am 18.12.2007 um 18:18 Uhr: 25 EUR (D2)
20. Am 18.12.2007 um 19:19 Uhr: 25 EUR (D2)
21. Am 18.12.2007 um 18:20 Uhr: 25 EUR (D2)
22. Am 20.12.2007 um 18:31 Uhr: 25 EUR (D2)
23. Am 20.12.2007 um 18:33 Uhr: 30 EUR (D1)
24. Am 20.12.2007 um 18:36 Uhr: 25 EUR (D2)
25. Am 20.12.2007 um 18:55 Uhr: 25 EUR (D2)
26. Am 27.12.2007 um 18:28 Uhr: 25 EUR (D2)
27. Am 27.12.2007 um 18:36 Uhr: 25 EUR (D2)
28. Am 27.12.2007 um 18:40 Uhr: 30 EUR (O2)
29. Am 02.01.2008 um 18:45 Uhr: 25 EUR (D2)
30. Am 02.01.2008 um 18:51 Uhr: 25 EUR (D2)
31. Am 02.01.2008 um 18:53 Uhr: 30 EUR (D1)
32. Am 02.01.2008 um 18:54 Uhr: 25 EUR (D2)
33. Am 02.01.2008 um 18:58 Uhr: 25 EUR (D2)
34. Am 02.01.2008 um 19:03 Uhr: 30 EUR (D1)
35. Am 08.01.2008 um 18:27 Uhr: 25 EUR (D2)
36. Am 08.01.2008 um 18:28 Uhr: 25 EUR (D2)
37. Am 08.01.2008 um 18:29 Uhr: 30 EUR (D1)
38. Am 08.01.2008 um 18:30 Uhr: 25 EUR (D2)
39. Am 08.01.2008 um 18:33 Uhr: 25 EUR (D2)
40. Am 08.01.2008 um 18:34 Uhr: 25 EUR (D2)
41. Am 08.01.2008 um 18:36 Uhr: 25 EUR (D2)
42. Am 08.01.2008 um 18:39 Uhr: 30 EUR (D1)
43. Am 08.01.2008 um 18:40 Uhr: 25 EUR (D2)
44. Am 08.01.2008 um 18:43 Uhr: 25 EUR (D2)
45. Am 10.01.2008 um 18:39 Uhr: 25 EUR (D2)
46. Am 10.01.2008 um 18:39 Uhr: 25 EUR (D2)
47. Am 10.01.2008 um 18:54 Uhr: 25 EUR (D2)
48. Am 10.01.2008 um 18:56 Uhr: 25 EUR (D2)
49. Am 15.01.2008 um 18:57 Uhr: 25 EUR (D2)
50. Am 15.01.2008 um 18:58 Uhr: 25 EUR (D1)
51. Am 15.01.2008 um 19:28 Uhr: 25 EUR (D2)
52. Am 15.01.2008 um 19:31 Uhr: 25 EUR (D2)
53. Am 15.01.2008 um 19:33 Uhr: 25 EUR (D2)
54. Am 15.01.2008 um 19:35 Uhr: 25 EUR (D2)
55. Am 15.01.2008 um 19:36 Uhr: 25 EUR (D2)
56. Am 15.01.2008 um 19:39 Uhr: 25 EUR (D2)
57. Am 15.01.2008 um 19:45 Uhr: 25 EUR (D2)
58. Am 17.01.2008 um 19:08 Uhr: 25 EUR (D2)
59. Am 17.01.2008 um 19:13 Uhr: 25 EUR (D2)
60. Am 17.01.2008 um 19:14 Uhr: 30 EUR (D1)
61. Am 17.01.2008 um 19:26 Uhr: 25 EUR (D2)
62. Am 17.01.2008 um 19:27 Uhr: 25 EUR (D2)
63. Am 17.01.2008 um 19:29 Uhr: 25 EUR (D2)
64. Am 17.01.2008 um 19:33 Uhr: 25 EUR (D2)
65. Am 17.01.2008 um 19:42 Uhr: 25 EUR (D2)
66. Am 17.01.2008 um 19:49 Uhr: 25 EUR (D2)
67. Am 17.01.2008 um 19:52 Uhr: 25 EUR (D2)
68. Am 17.01.2008 um 19:59 Uhr: 25 EUR (D2)
69. Am 24.01.2008 um 18:30 Uhr: 25 EUR (D2)
70. Am 24.01.2008 um 18:38 Uhr: 25 EUR (D2)
71. Am 24.01.2008 um 18:39 Uhr: 25 EUR (D2)
72. Am 24.01.2008 um 19:21 Uhr: 25 EUR (D2)
73. Am 29.01.2008 um 19:06 Uhr: 25 EUR (D2)
74. Am 29.01.2008 um 19:07 Uhr: 30 EUR (D1)
75. Am 29.01.2008 um 19:08 Uhr: 25 EUR (D2)
76. Am 29.01.2008 um 19:10 Uhr: 25 EUR (D2)
77. Am 29.01.2008 um 19:11 Uhr: 25 EUR (D2)
78. Am 29.01.2008 um 19:12 Uhr: 25 EUR (D2)
79. Am 29.01.2008 um 19:13 Uhr: 30 EUR (D1)
80. Am 29.01.2008 um 19:14 Uhr: 25 EUR (D2)
81. Am 29.01.2008 um 19:21 Uhr: 25 EUR (D2)
82. Am 29.01.2008 um 19:21 Uhr: 25 EUR (D2)
83. Am 29.01.2008 um 19:31 Uhr: 25 EUR (D2)
84. Am 29.01.2008 um 19:33 Uhr: 30 EUR (D1)
85. Am 29.01.2008 um 19:40 Uhr: 25 EUR (D2)
86. Am 29.01.2008 um 19:43 Uhr: 25 EUR (D2)
11 Auf den Gesamtschaden des Raiffeisenmarktes in Höhe von 2.195,-- EUR hat die Angeklagte bisher Zahlungen von insgesamt rund 600,-- EUR
geleistet.
IV.
12 Die Angeklagte hat ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Sie ließ sich dahingehend ein, dass sie „all die Betrügereien“, d. h. die
widerrechtlichen Baraufladungen auf ihre Mobiltelefone für das D1-Netz und die Baraufladungen für das D2-Netz einräume. Das Geständnis ist
glaubhaft, weil es mit den Transaktionsberichten der Firma Transact übereinstimmt.
V.
13 Die Angeklagte hat sich nicht wegen Computerbetrugs in 86 Fällen gemäß §§ 263a Abs. 1, 53 StGB strafbar gemacht. Vorliegend käme die
unbefugte Verwendung von Daten in Betracht, da die Angeklagte durch Knopfdruck an den Aufladeterminals Mobiltelefonguthaben abgerufen
hat, welche ihren Guthabenkonten entweder sofort (D1) oder nach Angabe des Cash Codes bei der Hotline (D2) gutgeschrieben wurden.
Fraglich ist, ob dieses Vorgehen eine unbefugte Verwendung von Daten im Sinne des § 263a StGB darstellt.
14 Nach einer Ansicht ist das Merkmal der Unbefugtheit computerspezifisch auszulegen. Hierbei wird eine Einwirkung auf den
Datenverarbeitungsprozess verlangt. Vorliegend erfolgte das Aufladen am Terminal auf Knopfdruck. Der darauf folgende automatische Vorgang
als solcher konnte durch die Angeklagte dabei nicht beeinflusst werden, so dass nach dieser Auffassung keine Einwirkung auf ein
Computerprogramm vorliegt.
15 Einer anderen subjektivierenden Auffassung nach ist jede Datenverwendung unbefugt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des über
die Daten Verfügungsberechtigten widerspricht (vgl. BGHSt 38, 120). Die Angeklagte hat zum einen die Rufnummern ihrer Mobiltelefone durch
Eingabe am Terminal (D1) bzw. durch einen Anruf bei der Hotline (D2) verwendet. Bezüglich ihrer eigenen Rufnummern war sie
verfügungsberechtigt, so dass dies keine unbefugte Verwendung von Daten darstellte. Des Weiteren hat die Angeklagte den Knopf am Terminal
bedient, welcher der Firma Transact einen Aufladeauftrag durch den Raiffeisenmarkt signalisierte. Sie hat sich insofern die im Terminal
abgespeicherten Daten zu Nutze gemacht und deren Übermittlung durch Knopfdruck aktiviert. Hinsichtlich dieser Daten war die Angeklagte nicht
verfügungsberechtigt, so dass hierin dieser Auffassung nach eine unbefugte Nutzung von Daten zu sehen wäre.
16 Nach herrschender Meinung ist das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ betrugsspezifisch auszulegen. Unbefugtheit liegt demnach dann vor, wenn
die Verwendung der Daten gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte und als schlüssige Vorspiegelung der
Verwendungsbefugnis zu deuten wäre. Anlass der Regelung ist die fortschreitende Ersetzung der menschlichen Arbeitskraft durch den
technischen Fortschritt. Hierzu wäre vorliegend erforderlich, dass diejenige Person, welche den Terminal bediente, jedes Mal von der Firma
Transact auf ihre Berechtigung hierzu überprüft worden wäre. Vorliegend war es aber so, dass die Firma Transact keine solche Prüfung vornahm,
sondern jeden scheinbar vom Vertragspartner Raiffeisenmarkt vorgenommenen bzw. autorisierten Aufladevorgang automatisch zuließ. Die
Angeklagte nahm dabei in dem Sinne eine Täuschungshandlung vor, dass sie einem gedachten Menschen anstelle des Ladeterminals einen
ordnungsgemäßen Geschäftsabschluss mit dem Raiffeisenmarkt, insbesondere das Bezahlen als Gegenleistung für die Aufladung des
Guthabenkontos, vorspiegelte.
17 Diese Konstellation ist grundsätzlich mit einem vom BGH entschiedenen Fall des Scheckkartenmissbrauchs vergleichbar. Hier nutzte der Täter
seine eigene EC-Karte, um an einem Automaten des Kreditinstitutes trotz des Wissens um sein nicht ausreichend gedecktes Konto und seine
Unfähigkeit, den Kredit zurückzahlen zu können, Geld abzuheben. Dazu hat der BGH in seiner Entscheidung vom 21.11.2001 (BGH NStZ 2002,
545 = NJW 2002, 905) u.a. folgendes ausgeführt:
18
„Die Auslegung des Merkmals der "unbefugten" Datenverwendung ist allerdings nicht unstreitig (vgl. zum Streitstand Tiedemann in LK
11. Aufl. § 263a Rn 41 f. mwN.). Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch
die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden,
die dadurch entstanden war, dass der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz
von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüber hinaus war nicht beabsichtigt (vgl. Gesetzentwurf der
Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität <2. WiKG>, BTDrucks. 10/318 S. 19;
Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 10/5058 S. 30). Dem entspricht eine betrugsnahe oder betrugsspezifische Auslegung, wie
sie auch von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird (so schon BGHSt 38, 120 f; OLG Düsseldorf
NStZ-RR 1998, 137 Cramer a.a.O. Rn 11, 19; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 263a Rn 13; Günther in SK-StGB § 263a Rn 18;
Tröndle/Fischer a.a.O. § 263a Rn 8; Bernsau, Der Scheck- und Kreditkartenmissbrauch durch den berechtigten Karteninhaber S. 167
f.,174). Danach ist nur eine solche Verwendung von Daten "unbefugt", die täuschungsäquivalent ist. Ob allerdings eine
Betrugsäquivalenz für die Abhebung von Geld am Geldautomaten mit der Abhebung am Schalter gegeben ist, ist ebenfalls streitig
(bejahend Lackner/Kühl a.a.O. § 263a Rn 14; Tiedemann a.a.O. Rn 51; Tröndle/Fischer a.a.O. § 263a Rn 8a; ablehnend Günther a.a.O.
§ 263a Rn 19; Zielinski, Anmerkung zu BGHSt 38, 120 in CR 1992, 221 f - jeweils mwN -). Bejaht wird eine Betrugsäquivalenz
insbesondere mit der Begründung, dass in beiden Fällen von einer schlüssigen Miterklärung auszugehen sei, dass das Konto gedeckt
oder ein gewährter Kredit zurückgezahlt werde. Dabei wird aber zur Begründung der Täuschungsqualität der Abhebung am
Geldautomaten auf einen fiktiven Bankangestellten abgestellt, der die Interessen der Bank umfassend wahrzunehmen hat. Zu Recht
wird demgegenüber darauf hingewiesen, dass eine Vergleichbarkeit nur mit einem Schalterangestellten angenommen werden kann,
der sich mit den Fragen befasst, die auch der Computer prüft (Altenhain JZ 1997, 752, 758). Der Computer prüft aber nicht die Bonität
des berechtigten Karteninhabers, sondern lediglich, ob sich dieser im Rahmen des Verfügungsrahmens bewegt.“
19 Der Vergleich des vorliegenden Falles mit der Entscheidung des BGH ergibt zwar den Unterschied, dass hier eine Dreieckskonstellation vorliegt.
Es besteht jedoch die Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen dem Täter ein Betrag gutgeschrieben bzw. ausgezahlt wird, ohne dass das
Computerprogramm eine Prüfung bezüglich der Person und ihrer Befugtheit in dem Sinne vornimmt, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die
Abwicklung des Geschäfts, nämlich Entrichtung des für die Guthabenaufladung jeweils erforderlichen Betrags an der Kasse des
Raiffeisenmarktes bzw. die Bonität des Bankkunden vorliegen. Nach dieser herrschenden Ansicht ist damit das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“
vorliegend nicht erfüllt.
20 Die Kammer ist dieser herrschenden Ansicht gefolgt. Nun wurde allerdings die Vorschrift des § 263a StGB in das Strafgesetzbuch eingeführt, um
Lücken im Vermögensschutz zu schließen. Es galt, neue Manipulationsformen zu bekämpfen, deren Besonderheit im Vergleich zum Betrug (§
263 StGB) darin besteht, dass nicht ein Mensch getäuscht und zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung veranlasst, sondern der Schaden
durch die Manipulation eines Datenverarbeitungsvorgangs herbeigeführt wird. Dementsprechend übernimmt § 263a StGB die Struktur des
Betrugstatbestandes, ersetzt aber die Täuschungshandlung durch verschiedene Möglichkeiten der Computermanipulation. Um die Struktur- und
Wertgleichheit mit dem Betrug sowie die Auffangfunktion des § 263a StGB zu wahren, muss man eine der Täuschungshandlung gemäß § 263
StGB vergleichbare Tathandlung fordern. Gegen die subjektivierende Auslegung spricht, dass sie zu einer nahezu uferlosen Ausweitung des
Tatbestandes führen würde. Durch entsprechende Ausgestaltung von AGB könnte ein Vertragsbruch und damit der Tatbestand des § 263a StGB
beliebig herbeigeführt werden. Der Computerbetrug würde reines Vertragsunrecht einbeziehen und zu einer allgemeinen Computeruntreue
herabgestuft.
21 Die Angeklagte hat sich jedoch wegen Erschleichens von Leistungen in 86 Fällen gemäß §§ 265a, 53 StGB strafbar gemacht, denn sie hat
jeweils die Leistung eines Dienstleistungsautomaten erschlichen.
22 Als Leistung eines Automaten wird die selbsttätige und zwangsläufige Erbringung einer Leistung durch ein technisches Gerät bezeichnet,
welches über ein mechanisches oder elektronisches Steuersystem verfügt und durch Einbringung des vorgeschriebenen Entgelts oder mittels
eines Codes oder einer Wertkarte in Funktion gesetzt wird.
23 Bei dem Ladeterminal für die Baraufladung von Prepaid-Karten für Mobiltelefone handelt es sich um einen Dienstleistungsautomaten i.S.d. §
265a StGB. Dieser ist vom Warenautomaten abzugrenzen. Ein Automat ist jedes technische Gerät, das dadurch, dass mit der Entrichtung des
vorgesehenen Entgelts ein Mechanismus oder ein elektronisches Steuerungssystem in Gang gesetzt wird, selbständig bestimmte Gegenstände
abgibt oder sonstige, nicht in der Herausgabe von Sachen bestehende Leistungen erbringt. Bei Letzteren spricht man daher von
Dienstleistungsautomaten. Grundsätzlich ist es zwar so, dass Geräte, die nicht vom Kunden selbst, sondern nur unter Beteiligung des Personals
des Betreibers oder anderer autorisierter Personen genutzt werden, nicht unter § 265a StGB fallen. Vorliegend war jedoch die Besonderheit
gegeben, dass die Ladeterminals vom Personal nach Entrichtung des Entgelts an der Kasse bedient wurden bzw. diese die anschließende
Bedienung durch den Kunden überwachten. Im Falle der Angeklagten war es allerdings so, dass sich diese hierüber hinweggesetzt hat, indem
sie die Terminals selbstständig außerhalb der Ladenöffnungszeiten in Gang setzte. Die Angeklagte erreichte durch Knopfdruck die Aufladung
ihrer Guthabenkonten. In dieser Situation muss § 265a StGB anwendbar bleiben, denn die Terminals stellen im konkreten Anwendungsfall für die
Angeklagte einen vollautomatischen Leistungsautomaten ohne Zwischenschaltung weiterer Personen dar.
24 Die Angeklagte hat sich die Leistungen jeweils auch erschlichen. Es ist allerdings streitig, wann ein Erschleichen i.S.d. § 265a StGB vorliegt.
25 Einer sehr weiten Auffassung nach erfüllt schon jede unbefugte unentgeltliche Inanspruchnahme dieses Tatbestandsmerkmal. Die Angeklagte
hat, indem sie in dem Wissen, den jeweils erforderlichen Betrag nicht an der Kasse des Raiffeisenmarktes bezahlt zu haben, den Aufladevorgang
durch Knopfdruck am Terminal in Gang gesetzt und diese Handlung mehrfach wiederholt. Die Inanspruchnahme der Leistung war unbefugt,
denn die Leistung sollte nach Treu und Glauben nur dann erbracht werden, wenn zuvor das Entgelt an der Ladenkasse entrichtet worden war.
Die Angeklagte hatte jedoch für keine der Baraufladungen von Guthaben bezahlt.
26 Nach einer anderen Auffassung ist zudem eine Umgehung oder Ausschaltung von Kontrollen oder Sicherheitsvorkehrungen erforderlich.
Vorliegend waren an den Terminals selbst keine Kontrollmechanismen angebracht. Zu beachten ist allerdings, dass der Verkaufsraum nach
Ladenschluss verschlossen wurde und die Angeklagte nur in ihrer Funktion als Reinigungskraft überhaupt Zugang zum Kassenbereich hatte.
Insofern war allein schon in dem Verschließen des Raums eine Sicherheitsvorkehrung zu sehen.
27 Jedenfalls kommt man zu dem Ergebnis, dass hier ein Erschleichen im Sinne von § 265a StGB vorliegt, wenn die Differenzierung dieser
Auffassung zu Grunde gelegt wird. Demnach ist das Umgehen von Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen gleichzustellen mit einem Vorgehen,
bei dem sich der Täter in äußerlich erkennbarer Weise mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt. Nach dieser inzwischen herrschenden
Meinung setzt § 265a StGB eine betrugsähnliche Handlung voraus, die über die innere Willensrichtung des Täters hinaus ein manipulatives
äußeres Verhalten verlangt. Es handelt sich bei § 265a StGB demnach um einen Auffangtatbestand des Betrugs, wobei das Erschleichen der
Leistung als Täuschungssurrogat zu sehen ist. Diese Weiterentwicklung wird von der Rechtsprechung insbesondere in den Fällen des
„Schwarzfahrens“ anerkannt (vgl. BayObLG v. 04.07.2001; MüKo § 265a Rn. 37, Fn. 163). Begründet wird diese Erweiterung mit der
Auffangfunktion des Tatbestandes. § 265a StGB sei gerade für die Fälle geschaffen worden, in denen ein menschlicher Täuschungsadressat
nicht vorhanden sei. Insoweit sei ein potentieller Empfänger des Anscheins der Ordnungsmäßigkeit ausreichend. Auf die Überwindung einer
Kontrolle oder Sperreinrichtung könne es deshalb nicht entscheidend ankommen. Der Abbau von Kontrollmaßnahmen durch Personal solle nicht
zu einer Strafbarkeitslücke führen.
28 Dieses Verständnis des Tatbestandmerkmals „Erschleichen“ muss auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Denn es liegt eine
vergleichbare schutzwürdige Interessenlage vor. Der technische Fortschritt macht solche computerisierten Leistungserbringungsmechanismen
erforderlich. Indem die Angeklagte scheinbar ordnungsgemäß - die nicht erfolgte Bezahlung war weder durch das Computerprogramm des
Terminals noch durch einen fiktiven von der Firma Transact als Empfänger des Aufladeauftrags zwischengeschalteten Mitarbeiter äußerlich
erkennbar - ihre Guthabenkonten auflud, realisierte sie das Merkmal „Erschleichen“ i.S.d. § 265a StGB, denn im Bedienen des Terminals war die
konkludente Erklärung enthalten, das erforderliche Entgelt sei im Voraus an der Ladenkasse entrichtet worden. Hierin ist vorliegend die
täuschungsäquivalente Handlung zu sehen.
29 Der verfassungsrechtlich garantierte Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) wird von dieser Auslegung nicht verletzt. Diesbezüglich hat das
BVerfG in seiner Entscheidung vom 09.02.1998 (NJW 1998, 1135) in den „Schwarzfahrerfällen“ folgendes ausgeführt:
30
„Die Vorschrift des § 265a StGB enthält vier Auffangtatbestände zum Betrug (§ 263 StGB) und wurde 1935 geschaffen, um den
Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die bei der Feststellung der Betrugsmerkmale Täuschung, Irrtumserregung und
Vermögensschädigung bei Inanspruchnahme von Massenleistungen ohne Entrichtung des geforderten Entgelts auftraten. Geschütztes
Rechtsgut ist das Vermögen. Dieses soll nach dem Zweck des Gesetzes nicht durch den Missbrauch des Vertrauens, das der Betreiber
durch das uneingeschränkte Anbieten seiner Leistung an das gesamte Publikum vorgeleistet hat, straflos beeinträchtigt werden können.
Da das Tatbestandsmerkmal „Erschleichen" schon im Hinblick auf seine Funktion der Lückenausfüllung für sich genommen eine weite
Auslegung zulässt, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die herrschende Auffassung im Schrifttum sowie die
überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung unter dem Erschleichen einer Beförderung jedes der Ordnung widersprechende
Verhalten versteht, durch das sich der Täter in den Genuss der Leistung bringt und bei welchem er sich mit dem Anschein der
Ordnungsmäßigkeit umgibt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verliert der Tatbestand des § 265a StGB in der
Tatmodalität des Erschleichens dadurch auch nicht jegliche Konturen. Es ist von Verfassungs wegen insbesondere nicht geboten, über
das bloße Erwecken eines Anscheins hinaus etwa die Überlistung einer Kontrollmöglichkeit oder eine täuschungsähnliche Manipulation
zu verlangen. Wäre beispielsweise ein "Anscheinsempfänger" vorhanden, läge eine Täuschung vor; damit wäre der Tatbestand des
Betruges im Sinne des § 263 StGB in Betracht zu ziehen. Auch in der vom Beschwerdeführer beanstandeten Auslegung erfüllt das
Tatbestandsmerkmal des Erschleichens seine rechtsstaatliche Garantiefunktion. So wird nicht jede unbefugte Entgegennahme einer
Leistung als Erschleichen bezeichnet werden können, etwa dann, wenn die Sperreinrichtung eines Automaten versagt oder wenn vom
Täter Gewalt angewendet wird. Dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 265a StGB vergleichbare Fallgestaltungen im Auge
hatte, ergibt sich ungeachtet der Unterschiede im Einzelnen auch aus der Aufnahme der Tatmodalität der Zutrittserschleichung in die
Vorschrift.“
31 Da eine weite Auslegung des Begriffs des „Erschleichens“ in der Tatbestandsvariante der Beförderungserschleichung verfassungsrechtlich
unbedenklich ist, ist dies auch in den Fällen des Automatenmissbrauchs nicht anders zu beurteilen. Wegen der Schutzbedürftigkeit des
Rechtsverkehrs vor Manipulationen in diesem Bereich und vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Technisierung der Gesellschaft ist das
Verhalten der Angeklagten als strafwürdig anzusehen und damit diejenige Auslegung gerechtfertigt, die eine Strafbarkeitslücke in diesem
Bereich vermeidet. Nur so wird § 265a StGB seiner Auffangfunktion gerecht. Die Angeklagte hat somit nach allen Auffassungen das
Tatbestandmerkmal des „Erschleichens“ verwirklicht.
32 Vorliegend ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt, denn die Angeklagte hatte nicht nur Vorsatz bezüglich aller Merkmale des objektiven
Tatbestandes, sondern handelte auch in der Absicht, das Entgelt für die Aufladung der Guthabenkonten ihrer Mobiltelefone nicht zu entrichten.
Die Angeklagte wusste von Anfang an, dass vor dem Start des Aufladevorgangs das entsprechende Entgelt zu entrichten ist und sie dem, in allen
86 Fällen, nicht nachgekommen war. Sie stellte fest, dass die Aufladung ersichtlich ohne Kontrolle für sie scheinbar unbegrenzt möglich war. Sie
wollte auch den Anschein der Ordnungsmäßigkeit erwecken, um weiterhin ihre Guthabenkonten aufladen zu können.
VI.
33 Bei der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie ein umfassendes Geständnis abgelegt und alsbald
mit der Schadenswiedergutmachung begonnen hat. Auch war zu sehen, dass die Tat nun fast ein Jahr zurückliegt.
34 Auf der anderen Seite durfte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Angeklagte erst im März 2007 wegen einer ähnlich gelagerten
Tat bestraft worden war und schon rund acht Monate später wieder straffällig wurde. Auch hat sie in einer Vielzahl von Einzelfällen innerhalb
eines Zeitraums von mehr als 2 Monaten einen nicht unerheblichen Schaden von insgesamt fast 2.200,-- Euro verursacht.
35 Bei Abwägung insbesondere der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Kammer unter Berücksichtigung des Strafrahmens des
§ 265a StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) für jede der 86 einzelnen Taten jeweils die Verhängung einer Einzelstrafe von 30
Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.
36 Nach nochmaliger Abwägung der oben genannten Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Person der Angeklagten und der
86 Taten, die in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, hat die Kammer aus den insgesamt 86 Einzelstrafen unter Erhöhung
der Einsatzstrafe von 30 Tagessätzen gemäß §§ 53, 54 StGB eine
37
Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 8,-- Euro
38 gebildet. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde im Hinblick auf die finanzielle Situation der Angeklagten auf 8,-- Euro festgesetzt. Gemäß §
42 StGB konnte Ratenzahlung bewilligt werden.
VII.
39 Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.