Urteil des LG Freiburg vom 05.02.2004

LG Freiburg: juristische person, gebühr, rechtsform, gesellschafter, eugh, eigenkapital, formvorschrift, notariat, erwerbszweck, gemeinde

LG Freiburg Beschluß vom 5.2.2004, 4 T 25/04
Leitsätze
1. Ein Vertrag, mit dem ein Gesellschafter in eine GmbH Gegenstände einbringt, der unter Hinweis auf § 272 Abs.2 Nr. 4 HGB bestimmt, dass die
Einbringung als Zuzahlung auf das Eigenkapital erfolgt und dass ein Geschäftsanteil für die Einbringung nicht ausgegeben wird, fällt nicht in den
Regelungsbereich der Richtlinie des Rates 69/335/EWG v.17.7.1969.
2. § 272 Abs.2 Nr. 4 HGB stellt kein Formerfordernis auf, der eine Gesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann (Art. 10
Buchstabe c der Richtlinie des Rates 69/335/EWG v.17.7.1969).
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 09.12.2003 (15a UR II 14/03) wird als unbegründet
zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I. Mit Vertrag vom 14.12.2001 hat die b.AG & Co. KG mit Sitz in F., die auch Gesellschafterin der Beteiligten Ziffer 1 ist, im Wege der
Einzelrechtsnachfolge die Versorgungsanlagen für die Gasversorgung in der Gemeinde G. sowie für die Stromversorgung im Ortsteil W. der
Gemeinde G. in die Beteiligte Ziffer 1 eingebracht. Hierbei handelte es sich um verschiedene Grundstücke sowie weitere, der b. AG & Co. KG
zustehende Gegenstände und Rechte. In der Präambel des Vertrages ist unter Hinweis auf § 272 Abs.2 Nr. 4 HGB bestimmt, dass die
Einbringung als Zuzahlung durch die Gesellschafterin badenova in das Eigenkapital erfolgt. § 5 Abs.1 regelt, dass ein Geschäftsanteil für die
Einbringung nicht ausgegeben wird.
2
Hierfür hat das Notariat insgesamt EUR 6.418,06 Kosten angesetzt.
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Die Beteiligte Ziffer 1 hat gegen den Kostenansatz Erinnerung eingelegt, weil das Bundesverfassungsgericht mit Entscheidung vom 19.03.2003
(2 BvL 9/98 u. a.) entschieden habe, dass die Höhe einer Gebühr sich am Aufwand zu orientieren habe. Außerdem habe der EuGH für den
Bereich des notariellen Kostenrechts in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten entschieden, dass eine Gebühr nur dann als solche zulässig
sei, wenn ihre Höhe die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteige.
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Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht Freiburg die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Gründe der
Entscheidung wird Bezug genommen.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 vom 12.01.2004, mit welcher sie ihre Erwägungen wiederholt und vertieft. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.
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II. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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1. Artikel 10 Buchstabe c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17.07.1969 (im folgenden Richtlinie) bestimmt, dass abgesehen von der
Gesellschaftssteuer die Mitgliedsstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei
andere Steuern oder Abgaben auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft,
Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, erheben. Diese
Bestimmung findet ihr Rechtfertigung darin, dass die betreffenden Abgaben zwar nicht auf die Kapitalzuführung als solche, wohl aber wegen der
Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalansammlung, erhoben werden, so dass die
Beibehaltung auch dieser Abgaben die Erreichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden würde (EuGH, Urteil vom 29.09.1999
8
- C 56/98 - „ Modelo I“ - Rdnr.24).
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2. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine der Ausübung der Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft
auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann. Der Einbringungsvertrag unterliegt nämlich als solcher im Gegensatz zur Auffassung der
Beteiligten Ziffer 1 keiner Formvorschrift.
10 Die im Vertrag in Bezug genommene Bestimmung des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB stellt hierfür keine Formvorschrift auf. Vielmehr handelt es sich um
eine Vorschrift über die Anfertigung von Bilanzen von Kapitalgesellschaften. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB bestimmt nämlich lediglich, dass als
Kapitalrücklage auszuweisen ist der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB
rechnet „andere Zuzahlungen“ dem Eigenkapital zu und zwingt zur Einstellung in die Rücklage. Als andere Zuzahlungen sind alle freiwilligen
Zahlungen der Gesellschafter zu verstehen, die die Gesellschafter zweckbestimmt und gewollt ohne Gewährung von Vorzügen seitens der
Gesellschaft erbringen. Maßgeblich ist die zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Vereinbarung
(Ebenroth/Boujong/Joos/Wiedmann, HGB § 272 Rdnr. 21). Damit ist die bilanzielle Behandlung "anderer Zuzahlungen" i.S.v. § 272 Abs.2 Nr.4
HGB von den Regelungen des Einbringungsvertrags abhängig. Der Vertrag wird damit jedoch als solcher nicht formbedürftig.
11 § 272 Abs.2 Nr.4 HGB stellt nicht einmal eine Bedingung für die Ausübung und Fortführung der Tätigkeit der Gesellschaft dar, so dass es nicht
darauf ankommt, dass es sich hier weder um eine Formalität noch um eine Eintragung im dargelegten Sinne handelt.
12 Die Formbedürftigkeit des Vertrages resultiert lediglich aus § 313 BGB a.F. Jene Vorschrift wendet sich jedoch, soweit ihre tatbestandlichen
Voraussetzungen erfüllt sind, an alle Teilnehmer des Rechtsverkehrs. Es handelt sich nicht um eine Formalität, der eine Gesellschaft auf Grund
ihrer Rechtsform unterworfen werden kann.
13 Der hier zu beurteilende Vorgang unterfällt deshalb von vorneherein nicht dem Regelungsbereich der Richtlinie.
14 Angesichts des klaren Wortlauts der Richtlinie wie auch der zitierten Rechtsprechung des EuGH ist die von der Beteiligten Ziffer 1 angeregte
Vorlage an den EuGH nicht veranlasst.
15 3. Der Beteiligten Ziffer 1 ist insoweit zuzustimmen, als sie die Gebühren, die nach § 10 LJKG für die Tätigkeit der Notare im Badischen
Rechtsgebiet zur Staatskasse erhoben werden, den vom BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine zulässige
Gebührenerhebung unterwerfen will (vgl. zuletzt BVerfG NVwZ 2003, 715). Gemessen an diesen Anforderungen verstößt die Erhebung der
angesetzten Gebühr für die Beurkundung der dargestellten Erklärungen jedoch nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.
16 a. Nach der Rechtssprechung des BVerfG (aaO.) bestehen gegen die Erhebung von Gebühren, die wie die Beiträge als sogenannte
Vorzugslasten zu den „klassischen“ Abgabenarten und zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit gehören, keine grundsätzlichen Bedenken,
denn sie sind dem Grunde nach durch ihre Ausgleichsfunktion sachlich besonders gerechtfertigt. Die rechtmäßige Erhebung einer solchen
Gebühr setzt allerdings voraus, dass sie nicht nur dem Grunde nach durch Regelungen der Verfassung gerechtfertigt ist - was vorliegend der Fall
ist, da das Kostenrecht im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Gebührenrechts der Notare gemäß § Art. 74 Nr. 1 GG
Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist (vgl. BVerfGE 47, 285) -, sondern auch dass sie ihrer Höhe nach durch zulässige
Gebührenzwecke, die der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung erkennbar verfolgt, legitimiert ist. Die Gebühr ist ein anerkanntes
abgabenrechtliches Instrument, mit dem zulässigerweise unterschiedliche Zwecke verfolgt werden können. Danach ist u.a. die Kostendeckung
ein legitimer Gebührenzweck. Mit Gebühren wird nämlich regelmäßig die besondere Zweckbestimmung verfolgt, Einnahmen zu erzielen, um
spezielle Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen ganz oder ganz teilweise zu decken.
17 Vorliegend ist nach den zutreffenden Darlegungen der Beschwerde allerdings nicht nur eine Deckung, sondern eine Überdeckung gegeben.
Dies ist jedoch unschädlich, weil nach der Rechtssprechung des BVerfG ein weiterer Gebührenzweck der Ausgleich von Vorteilen sein kann, die
dem einzelnen aufgrund einer ihm zurechenbaren öffentlichen Leistung zufließen. Wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, empfängt
einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, die durch die Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen.
18 b. Um eine derartige Vorteilsabschöpfung geht es vorliegend, weil der Beteiligten Ziffer 1 staatliche Leistungen mit einem nach § 36 Abs. 2 KostO
zu bemessenden Wert zugeflossen sind. Zu beachten ist nämlich, dass die Gebühren aus notarieller Tätigkeit im Wesentlichen freiberuflichen
Notaren zukommen und diesen Notaren aus verfassungsrechtlichen Gründen ein angemessenes Einkommen gewährleistet sein muss, auch
wenn hierbei nicht auf jedes einzelnes Urkundsgeschäft, sondern auf die Gesamttätigkeit des Notars und bei Anwaltsnotaren auf den auf das
Notariat entfallenden Anteil abgestellt wird (vgl. BVerfGE 47, 285; BVerfG NJW 1996, 1463). Vorliegend ist der Beteiligten Ziffer 1 durch die
Tätigkeit eines beamteten Notars ein Vorteil zugeflossen, der durch die angesetzte Gebühr abgeschöpft wird.
19 c. Den einschlägigen Bestimmungen der KostO lässt sich entnehmen, dass die Inanspruchnahme der Dienste eines freien Notars dieselben
kostenrechtlichen Konsequenzen hat wie die Inanspruchnahme der Dienstleistungen eines Notars, dem die hierfür entstehenden Gebühren nicht
selbst zufließen. Die vom BVerfG hervorgehobenen Grundsätze der Normenklarheit und -wahrheit sind somit eingehalten. Im Übrigen ist darauf
hinzuweisen, dass die konkrete historische Ausgestaltung des Notariats in Baden verfassungsrechtliche Anerkennung gefunden hat (Art. 138
GG).
20 4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde sind nicht gegeben, da die von der Beteiligten Ziffer 1 aufgeworfenen
verfassungsrechtlichen Fragen in der höchstrichterlichen Rechtssprechung beantwortet sind ( vgl.a. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.08.2003 -
14 Wx 75/02) und grundsätzliche Fragen sich auch im übrigen nicht stellen.