Urteil des LG Freiburg vom 01.04.2010

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LG Freiburg Urteil vom 1.4.2010, 3 S 318/09
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 25.09.2009 - 53 C 1299/09 - wie
folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der Rechtsanwälte Dr. L. und Kollegen in Höhe eines
Teilbetrages von EUR 568,40 aus der Kostennote vom 12.03.2009 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit 12.04.2009 freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu ¼, die Beklagte zu ¾.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere
Partei ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO).
2
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.01.2005 rechtsschutzversichert; unstreitig liegen dem Vertrag die
allgemeinen Bedingungen der Beklagten mit dem Stand vom 01.01.2007 (ARB 2007) zugrunde. Während einer
längeren Weltreise des Klägers wurde dessen Kreditkarte durch einen Dritten missbräuchlich verwendet. Das
Konto des Klägers wurde insgesamt mit EUR 4.559,34 belastet. Seine Bank, die D., forderte ihn mit Schreiben
vom 12.01.2009 zum Ausgleich des Kreditkartensaldos auf (damaliger Saldo EUR 3.925,58) und drohte für den
Fall der Nichtzahlung mit der Kündigung der Geschäftsverbindung. Der Kläger wandte sich daraufhin an seine
jetzigen Prozessbevollmächtigten. Diese baten die Beklagte um Deckungszusage, die mit Schreiben vom
10.02.2009 erteilt wurde. Die Klägervertreter haben am 05.02.2009 die D.-Bank angeschrieben, die daraufhin
ohne Weiteres die Erstattung der missbräuchlichen Umsätze erklärt und den weiteren Bestand der
Geschäftsbeziehungen bestätigt hat.
3
Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von EUR 14.559,34 (davon EUR 10.000,00 für die Abwehr der
Kündigung) hat der Kläger von der Beklagten sodann Befreiung von den entstandenen Anwaltskosten in Höhe
von EUR 899,40 abzüglich einer Selbstbeteiligung von EUR 150,00 verlangt. Die Beklagte hat die Übernahme
der Kosten unter Berufung auf § 5 Abs. 3 Nr. 3 b ARB mit der Begründung abgelehnt, nachdem der Kläger voll
obsiegt habe, stünde ihm kein Anspruch zu.
4
Die angesprochene Klausel lautet:
5
„Der Versicherer trägt nicht ... Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung oder
Einigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten
Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende
Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist.“
6
Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine einverständliche Erledigung i. S. v. § 5
ARB liege auch dann vor, wenn eine Partei schlicht nachgegeben oder von der Verfolgung der Ansprüche ganz
oder teilweise abgesehen habe. Ein Erfordernis ausdrücklicher Kostenübernahme sei nicht erforderlich. Da
somit ein Unterliegen des Klägers nicht gegeben sei, bestünde kein Anspruch darauf, dass die Beklagte irgend
welche Kosten übernimmt.
7
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Er beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 25.09.2009 (53 C 1299/09) abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, den Kläger von der Forderung der Rechtsanwälte Dr. L. & Kollegen in Höhe von 749,90
EUR entsprechend der Kostennote vom 12.03.2009 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit 12.04.2009 freizustellen.
9
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
10
die Berufung zurückzuweisen.
11 Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
12 Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
13 Der mit der Klage geltend gemachte Freistellungsanspruch folgt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
aus §§ 4, 5 Abs. 1a, 2a ARB (2007).
14 In der Rechtsprechung ist auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.01.2006 (NJW 2006,
1281) im Einzelfall umstritten, ob § 5 Abs. 3 Nr. 3 b ARB wirksam und auf außergerichtliche
Vergleiche/Erledigungen ohne Kostenregelung anwendbar ist (vgl. etwa LG Hagen NJW RR 2008, 478 und
zuvor schon LG Aachen, Urteil v. 16.12.2005 - 6 S 4/06 -; LG München I RuS 2008, 512 und VersR 2009, 254;
aA LG Hamburg VersR 2009, 1529; grundlegend: Schneider, VersR 2004, 301ff; Heither NJW 2008, 2743ff).
15 Auf die Entscheidung der in den zitierten Entscheidungen diskutierten Streitfragen kommt es vorliegend jedoch
nicht an. Die Kammer teilt nämlich die Ansicht, dass § 5 Abs. 3 Nr. 3 b ARB (2007) jedenfalls dann keine
Anwendung findet, wenn dem Versicherten kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegen den
Gegner zur Seite steht (LG Bremen NJW-RR 2007, 1404 m.w.N.). In einem solchen Fall kann der
Versicherungsnehmer keine § 5 Abs. 3 Nr. 3 b ARB (2007) entsprechende Kostenregelung durchsetzen. Er hat
über mögliche Kostenerstattungsansprüche damit auch nicht verfügt. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass sich
die D.-Bank vor der Einschaltung der klägerischen Prozessbevollmächtigten in Verzug befunden oder eine
Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) begangen hat. Die Belastung des Kreditkartenkontos erfolgte
offensichtlich aufgrund eines Missbrauchs der entsprechenden Daten durch unbekannte Dritte. Dies konnte die
D.-Bank zunächst nicht wissen. Eine detaillierte Beschreibung des Vorfalls ist mit Anwaltsschreiben vom
05.02.2009 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die D.-Bank nicht mit einer Leistungspflicht in Verzug. Die
Tatsache, dass sie den Kläger zuvor zum Kontoausgleich aufgefordert und falls dies nicht erfolgt, die
Kündigung der Geschäftsbeziehungen angekündigt hatte, stellt keine Pflichtverletzung dar, da sie zu diesem
Zeitpunkt - noch vor der Schilderung der Hintergründe im Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom
05.02.2009 - keine ausreichende Veranlassung hatte, davon auszugehen, dass die Belastung nicht doch durch
den Kläger veranlasst worden war. Jedenfalls lag der Anspruchsberühmung der D.-Bank vor näherer
Überprüfung und mindestens bis zum 05.02.2009 eine vertretbare rechtliche Beurteilung zugrunde, so dass
gegen diese kein Ersatzanspruch des Klägers wegen der entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht (BGH
NJW 2009, 1262).
16 Lediglich hilfsweise ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger jeglicher Verfügung über eventuelle
Kostenerstattungsansprüche gegenüber der D.-Bank enthalten hat. Selbst wenn entgegen der oben vertretenen
Rechtsauffassung materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche gegen die D.-Bank bestehen würden, würde
die Beklagte das Risiko der Realisierbarkeit dieser Ansprüche zu übernehmen haben (Schneider a.a.O. unter II
4 c; LG München a.a.O.).
17 Der Freistellungsanspruch des Klägers besteht allerdings lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang. Soweit es die Abwehr der Kündigung betrifft, fehlt es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für
die Bemessung des Gegenstandswertes. Selbst wenn der Kläger, wie von ihm mit Schriftsatz vom 25.01.2010
behauptet, bei Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch die D.-Bank gezwungen gewesen wäre, seine
Weltreise zu unterbrechen und kurzfristig nach Deutschland zurückzukehren, um ein anderes Konto nebst
Kreditkarte zu eröffnen, würden hierdurch nicht Kosten in Höhe von EUR 10.000,00 entstehen. Warum es dem
Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, ein Konto von Mittelamerika aus zu eröffnen - ebenso wie er von dort
auch einen Anwalt beauftragen konnte -, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Die Kammer geht im Rahmen ihres
Ermessens daher von einem Gegenstandswert für die Kündigungsabwehr in Höhe von EUR 4.000,00 aus (§ 23
Abs. 3 Satz 2 RVG).
18 Es ergibt sich damit insgesamt ein Gegenstandswert von EUR 8.559,34 und folgende Abrechnung:
19
Geschäftsgebühr 1,3
583,70 EUR
Auslagenpauschale
20,00 EUR
Zwischensumme
603,70 EUR
zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer
114,70 EUR
Zwischensumme
718,40 EUR
abzüglich Selbstbeteiligung
150,00 EUR
Freistellungsanspruch
568,40 EUR
20 Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Die
Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S.2 ZPO. Die Kammer hat die Revision
zugelassen, da die kontrovers diskutierte Frage der Anwendbarkeit der genannten Klausel grundsätzliche
Bedeutung hat.