Urteil des LG Freiburg vom 15.11.2004

LG Freiburg: steuerberater, bulgarien, form, wissenschaft, kunst, ermittlungsverfahren, forschung, universität, doktortitel, dokumentation

LG Freiburg Urteil vom 15.11.2004, StL 1/04 - StV 8/02
Berufsgerichtliches Verfahren gegen einen Steuerberater: Verweis und Verhängung einer Geldbuße wegen hartnäckiger Festhaltung an einer
unzulässigen Schreibweise für einen im Ausland erworbenen Doktortitel
Tenor
Dem Steuerberater XY wird wegen schuldhafter Verletzung seiner beruflichen Pflichten ein Verweis erteilt. Außerdem wird gegen ihn eine Geldbuße
von 500,-- Euro verhängt.
Der Steuerberater hat die Kosten des berufsgerichtlichen Verfahrens zu tragen.
Angewandte Vorschriften: §§ 57 I, 43 III, 89, 90 StBerG.
Gründe
I.
1
Zu den persönlichen Verhältnissen hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
2
Der Steuerberater wurde am … in … geboren. Nach dem Abitur in ... absolvierte er eine Banklehre bei der ... Bank AG, Filiale ..., die er 1984 als
Bankkaufmann abschloss. Von 1984 an studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Dieses Studium schloss er 1990
als Diplomkaufmann ab. In der Folge bemühte er sich um eine externe Promotionsstelle und erhielt zunächst eine Zusage von der TU Chemnitz.
Sein dortiger Doktorvater musste jedoch seinen Platz im Zuge der Aufarbeitung seiner DDR-Vergangenheit räumen. Nachdem es dem
Steuerberater nicht gelang, in Deutschland einen anderen Doktorvater für sein Promotionsvorhaben zu finden, entschied er sich für ein
Promotionsstudium an der Universität für nationale und Weltökonomie Sofia/Bulgarien.
3
Der ... Berufsangehörige wurde nach Assistenzen unter anderem bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in ... am 12.
Februar 1999 durch den Finanzminister des Landes Baden-Württemberg zum Steuerberater bestellt. Seither ist er selbständig als Steuerberater
tätig. Seit September 2000 ist er Sozius bei ..., Rechtsanwälte und Steuerberater in ... Daneben ist er als Dozent an der ... tätig.
II.
4
Der Steuerberater beendete am 12. Dezember 1999 ein mehrjähriges Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität für nationale
und Weltökonomie Sofia/Bulgarien und wurde am 1. Februar 2000 durch die staatliche höhere Attestationskommission der Republik Bulgarien
zum Doktor promoviert. In der Folgezeit führte er bis Anfang 2004 den erworbenen Doktortitel abgekürzt als „Dr.“ und mit dem Zusatz (BG) für
Bulgarien. Er war der Auffassung, damit den Anforderungen des § 55b IV UG Bad.-Württ. genüge zu tun, wonach bei im Ausland erworbenen
Titeln eine Herkunftsbezeichnung verlangt wird. Nachdem der Steuerberater eine Abschrift der Promotionsurkunde bei der Steuerberaterkammer
Südbaden vorgelegt hatte, bat diese das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg um Mitteilung, ob und unter
welchen Bedingungen der Berufsangehörige den in Bulgarien erworbenen Titel führen dürfe. Das Ministerium teilte sowohl der
Steuerberaterkammer im April 2001 als auch dem Steuerberater im Juni 2001 mit, dass der Berufsangehörige den erworbenen akademischen
Grad als „doktor/VAK Sofia“ bzw. abgekürzt als „Dr/VAK Sofia“ führen dürfe. Weiter wurde dem Steuerberater der Hinweis auf die Dokumentation
der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in Zusammenarbeit
mit anderen Stellen gegeben, bei der unter der Internetadresse „www.anabin.de“ die zulässige Abkürzung des bulgarischen Doktorgrades mit
„D-r“ ausgewiesen wird.
5
Trotz dieser Belehrung änderte der Steuerberater nichts an der von ihm gewählten Form der Titelführung. Er erachtete die ihm mitgeteilte
Auffassung des Ministeriums nicht als verbindlich, sondern betrachtete sie als bloße Rechtsmeinung. Zudem fühlte er sich gegenüber
Berufsangehörigen in anderen Bundesländern und anderen EU-Ländern diskriminiert, die den in Bulgarien erworbenen Titel entsprechend der
von ihm gewählten Form führten. Diese Haltung des Steuerberaters zog einen umfangreichen Schriftwechsel zwischen dem Steuerberater, dem
Kultusministerium und der Steuerberaterkammer Südbaden in Zeitraum April 2001 bis zum Sommer 2004 nach sich. Schließlich änderte der
Steuerberater Anfang 2004 die bisherige Titelführung entsprechend den Vorgaben des Ministeriums.
6
Mit Verfügung vom 3. Juni 2004 wurde dann ein zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft K. unter dem Aktenzeichen ... eingeleitetes
Ermittlungsverfahren gegen den Steuerberater wegen des Verdachts des Missbrauchs von Titeln wegen geringer Schuld nach § 153 StPO
eingestellt. Die Einstellung erfolgte im Hinblick darauf, dass der Steuerberater mittlerweile den Titel als „doktor/VAK Sofia“ führte und seinen
Briefkopf wie auch das Kanzleischild entsprechend geändert hatte.
7
Der Steuerberater wusste, dass er einen akademischen Titel dadurch führte, dass er unter diesem auf seinem Briefkopf und dem Kanzleischild
firmierte. Spätestens nach der Belehrung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg wusste er weiterhin, dass
er diesen Titel nur in der Bezeichnung „doktor/VAK Sofia“ bzw. „D-r/VAK Sofia“ führen durfte. Zudem wurde er in der Folgezeit mehrfach durch die
Steuerberaterkammer Südbaden auf die zulässige Zitierweise hingewiesen. Ihm war damit auch bewusst, dass er sich berufsrechtswidrig
verhielt. Gleichwohl blieb der Berufsangehörige bis zum Januar 2004 anderer Rechtsauffassung und führte den Titel entgegen der ihm als
zulässig mitgeteilten Weise.
III.
8
Die Kammer ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme von dem unter II. dargestellten Sachverhalt überzeugt.
9
Der Steuerberater hat eingeräumt, den Titel in einer Form geführt zu haben, der der vom Ministerium mitgeteilten, ihm auch so bekannten
Zitierweise nicht entsprach. Damit war ihm sowohl bekannt, dass er anstelle des Länderkürzels „BG“ einen Hinweis auf die den akademischen
Grad verleihende Hochschule zufügen musste, als auch, dass die in Bulgarien übliche Abkürzung des Doktorgrades „D-r“ lautet. Er hat sich
weiter dahingehend eingelassen, dass er nach seiner Auffassung dem Titel entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des § 55b IV UG und dem
Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14. April 2000 eine Herkunftsbezeichnung („BG“) zugesetzt, und eine allgemein übliche Abkürzung
(„Dr.“) verwendet habe. Weiterhin verwies er auf eine entsprechende Handhabung in Nordrhein-Westfalen, da dort einem Berufsangehörigen die
Führung des in Bulgarien erworbenen Titels als Dr. rer. oec. (BG) genehmigt worden sei. Ferner sei es ihm in Österreich gestattet, den Titel als
„Dr. (BG)“ zu führen. Die Unzulässigkeit der von ihm gewählten Form der Titelführung sei damit vor diesem Hintergrund diskriminierend.
10 Soweit das Ministerium und die Steuerberaterkammer Südbaden ihn auf die Zitierweise als „doktor/VAK Sofia“ bzw. „D-r/VAK Sofia“ hingewiesen
hätten, handelte es sich nach der Auffassung des Steuerberaters um eine bloße Rechtsmeinung, der die durch § 55b IV UG gewährte
Gestaltungsfreiheit bei der Titelführung entgegenstehe. Er sei in dieser Hinsicht anderer Meinung gewesen. Zudem seien ihm durch die
Titelführung keinerlei Wettbewerbsvorteile entstanden, vielmehr habe er durch die Kennzeichnung „BG“ im Vergleich zu den Kollegen in anderen
Bundesländern und in Österreich einem Wettbewerbsnachteil erlitten. Nachdem sich jedoch das Verfahren und insbesondere der Schriftverkehr
mit dem Ministerium und der Steuerberaterkammer Südbaden immer weiter in die Länge gezogen habe, habe er schließlich, wenn auch „mit
einem Schlucken“ den Titel entsprechend der ministerialen Vorgaben geführt. Daraufhin sei dann auch das gegen ihn geführte strafrechtliche
Ermittlungsverfahren eingestellt worden.
IV.
11 Der Steuerberater hat sich nach den getroffenen Feststellungen wegen einer Verletzung seiner Berufspflichten nach §§ 57 I, 43 III, 89, 90 StBerG
schuldig gemacht.
12 Der Steuerberater führte einen im Ausland erworbenen Titel, ohne dass er einen die Herkunft des Grades bezeichnenden Zusatz anfügte. Die
zulässige Form der Titelführung ergibt sich aus § 55b IV UG in Zusammenhang mit dem klarstellenden Beschluss der Konferenz der
Kultusminister der Länder vom 14. April 2000 und unter Berücksichtigung der Regelung des § 55b III UG a.F. vom 10. Januar 1995. Sie wurde
dem Steuerberater mehrfach durch das Ministerium und die Steuerberaterkammer Südbaden mitgeteilt. Sofern er dennoch davon ausging
berechtigt zu sein, den Titel entgegen der ministerialen Vorgaben als „Dr. (BG)“ führen zu dürfen, handelt es sich um eine falsche Beurteilung des
Sachverhaltes und damit um einen Verbotsirrtum. Dieser Irrtum wäre ihm vor dem Hintergrund der eindeutigen Belehrung durch das Ministerium,
der wiederholten Hinweise der Steuerberaterkammer Südbaden, des Hinweises auf die Dokumentation der Zentralstelle der Ständigen
Konferenz der Kultusminister in Zusammenarbeit mit anderen Stellen und seiner Kenntnis der gesetzlichen Grundlage sowie des klarstellenden
Beschlusses der Konferenz der Kultusminister vom 14. April 2000 vermeidbar gewesen.
13 Zudem hätte dem Steuerberater die Möglichkeit offen gestanden, eine Klärung der Sachfrage verwaltungsgerichtlich herbeizuführen. Stattdessen
hat sein Verhalten zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Titeln geführt, das letztlich nicht wegen fehlender
Tatbestandsmäßigkeit oder fehlenden Verschuldens, sondern wegen geringer Schuld eingestellt wurde.
14 Der Berufsangehörige hat sich damit durch die Verwirklichung eines Straftatbestandes bewusst und gewollt berufsrechtswidrig verhalten, gegen
seine Verpflichtung zur gewissenhaften Berufsausübung und korrekten Verwendung von Titeln verstoßen und war wegen einer schuldhaften
Berufspflichtverletzung zu bestrafen.
V.
15 Aufgrund der Berufspflichtverletzung war gegen den Steuerberater eine berufsgerichtliche Maßnahme gemäß §§ 89, 90 StBerG zu verhängen.
16 Zugunsten des Steuerberaters ist zunächst zu würdigen, dass er eingeräumt hat, in Kenntnis der Auffassung des Ministeriums an seiner eigenen
Meinung hinsichtlich der Zulässigkeit der Titelführung festgehalten zu haben. Des Weiteren fiel mildernd ins Gewicht, dass sich ihm die
Rechtslage in Baden-Württemberg im Vergleich zur Handhabung in Nordrhein-Westfalen sowie seiner Titelführung in Österreich unterschiedlich
darstellte. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich das gesamte Verfahren über einen langen Zeitraum hingezogen hat.
17 Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass dem Steuerberater eine eindeutige Belehrung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und
Kunst Baden-Württemberg vorlag, welcher er die korrekte Form der Titelführung entnehmen konnte. Dass er diese als für sich unbeachtliche
Rechtsmeinung abtat, ohne insoweit eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung anzustreben, vermag als mangelnde Einsicht den ihm
gegenüber erhobenen Vorwurf eher zu verstärken denn abzumildern. Es ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass das
Wissenschaftsministerium keine rechtliche Handhabe hat, den Inhaber eines ausländischen Grades dazu zu zwingen, den Grad korrekt zu
führen. So bleiben allein strafrechtliche wie auch berufsgerichtliche Maßnahmen, um die korrekte Führung des Titels zu veranlassen, wenn – wie
im vorliegenden Fall zunächst – trotz anhaltender Belehrungen ein Einlenken nicht zu erzielen ist. Weiterhin darf nicht außer Acht gelassen
werden, dass der Steuerberater über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren den Titel entgegen der eindeutigen Belehrung durch das
Ministerium führte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er sich dadurch Wettbewerbsvorteile geschaffen hat.
18 Die Kammer hat vor diesem Hintergrund alle wesentlichen für und gegen den Steuerberater sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander
abgewogen und hält es im Ergebnis in Anbetracht der schuldhaften Pflichtverletzung für geboten, gem. § 90 I Nr. 2 und Nr. 3 StBerG auf einen
Verweis zu erkennen und gegen den Steuerberater gleichzeitig eine Geldbuße von 500,-- Euro zu verhängen. Die berufsgerichtlichen
Maßnahmen erscheinen in Anbetracht des nicht allzu gravierenden Pflichtenverstoßes ausreichend, um die Berufspflichtverletzung zu ahnden
und dem Steuerberater sein berufsrechtliches Fehlverhalten deutlich vor Augen zu führen.
VI.
19 Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 148 StBerG.