Urteil des LG Freiburg vom 12.02.2003

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LG Freiburg Beschluß vom 12.2.2003, 4 T 308/02; 4 T 309/02
Kostenstundung im Insolvenzverfahren: Abweisung wegen der Möglichkeit der Ansparung eines Kostenvorschusses
Leitsätze
1. Wird die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a InsO beantragt, darf dieser Antrag nicht mit der Begründung abglehnt werden,
der Antragsteller könne die Verfahrenskosten ansparen.
2. Ihm kann deshalb auch nicht zur Abwendung einer Abweisung mangels Masse (§ 26 InsO) aufgegeben werden, nach Ablauf der Ansparzeit einen
entsprechenden Vorschuss zu leisten.
Tenor
1. Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Freiburg vom 05.11. und vom 02.12.2002 (8 IK 110/02) werden
zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Beschwerdeführer hat am 05.08.2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auf Erteilung von Restschuldbefreiung sowie Stundung
sämtlicher Verfahrens- und Gerichtskosten nach den § 4a InsO gestellt. Das Amtsgericht hat dem Stundungsantrag zunächst entsprochen, da der
Schuldner nach seinen Angaben derzeit nicht in der Lage sei, den erforderlichen Kostenvorschuss zu erbringen. Auf die sofortige Beschwerde
des Vertreters der Staatskasse hat das Amtsgericht am 05.11.2002 den Stundungsbeschluss vom 07.08.2002 aufgehoben, den Antrag des
Schuldners, ihm die Kosten des Insolvenzverfahrens zu stunden, als unbegründet zurückgewiesen und dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet,
bis zum 31.01.2003 zur Deckung der Verfahrenskosten einen Vorschuss in Höhe von 1.000,00 EUR einzuzahlen. Gehe der Vorschuss nicht
fristgerecht ein, werde der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Amtsgericht am
02.12.2002 den Beschluss dahingehend abgeändert, dass lediglich ein Vorschuss in Höhe von 800,00 EUR verlangt werde. Das Amtsgericht hat
dies damit begründet, dass wegen Hinzukommens eines unterhaltsberechtigten Kindes monatlich lediglich nur noch EUR 200,00 zur Verfügung
stünden, weshalb der Kostenvorschuss zu reduzieren sei. Von einer Vorlage der Akten an das Landgericht wegen des weitergehenden
Rechtsmittels hat es abgesehen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit einer zweiten Beschwerde: Das Amtsgericht hat den Rechtsmitteln
nicht abgeholfen und die Akten der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verfahrensakte
Bezug genommen.
II.
2
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung der Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a Abs. 1 InsO wendet, ist
sein Rechtsmittel zulässig (§ 4d Abs. 1 InsO). Es ist jedoch nicht begründet. Die Beschwerde gegen die Vorschussanforderung ist demgegenüber
unzulässig.
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Nach § 4a Abs. 1 InsO werden dem Schuldner, sofern er eine natürliche Person ist und einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, auf
Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht
ausreichen wird, um diese Kosten zu tragen.
4
Die Kosten des Insolvenzverfahrens im Sinne der genannten Vorschrift sind die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren, die Vergütung und
die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54 InsO). Weitere
Auslagen, insbesondere die Vergütung des im Verfahren der Restschuldbefreiung eingesetzten Treuhänders fallen hierunter nicht (vgl.
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.03.2001 zum Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze, BT-Drucksache
14/5680 Seite 20; LG Berlin, ZInsO 2001, 718; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung [Stand Juli 2002] § 26 InsO Rdnr. 12; FK-
InsO/Schmerbach, 3. Auflage § 26 InsO Rdnr. 6a; MünchKom InsO/Haarmeyer § 26 InsO Rdnr. 15; Uhlenbruck, InsO 12.A. § 4a InsO Rdnr. 4).
Hiervon zu unterscheiden ist der Umfang der in § 4a Abs. 1 InsO angeordneten Stundung, die über die genannten Kosten des
Insolvenzverfahrens hinausgeht.
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Voraussetzung der Stundung ist, dass das Vermögen des Schuldners, also die spätere Insolvenzmasse, nicht ausreichend ist, um die Kosten des
Verfahrens zu decken. Die Stundungsmöglichkeit des § 4a InsO ist also lediglich als ultima ratio in den Fällen vorgesehen, in denen ansonsten
eine Abweisung mangels Masse nach § 26 Abs. 1 InsO erfolgen müsste. Vorrangig ist somit das Vermögen des Schuldners heranzuziehen. Da
nach § 35 Abs. 1 InsO auch der Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens zur Masse gehört, ist vor der Gewährung einer Stundung zu
prüfen, ob das in diesem Zeitraum vom Schuldner erlangte pfändbare Einkommen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichen wird (BT-
Drucksache aaO. Seite 20). In der Literatur wird vorgeschlagen, das laufende Arbeitseinkommen zumindest für ein halbes Jahr in die Prognose
aufzunehmen (vgl. FK/Kohte aaO. § 4a InsO Rdnr. 10). Geht man hiervon aus, wird die Insolvenzmasse im genannten Zeitraum mindestens EUR
1.200,00 betragen, aus welcher Summe vorrangig die Kosten des Insolvenzverfahrens zu berichtigen sind (§ 53 InsO). Die im vorliegenden Fall
voraussichtlich entstehenden Kosten des Verfahrens - wie ausgeführt insbesondere ohne die Vergütung des Treuhänders - werden unter dem
genannten Betrag liegen. Folglich hat das Amtsgericht zu Recht die Stundung der Verfahrenskosten nach § 4a InsO abgelehnt.
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Soweit das Amtsgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt hat, bis zum 30.06.2003 zur Deckung der Verfahrenskosten einen
Vorschuss in Höhe von EUR 800,00 einzuzahlen, ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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a) Nach § 26 Abs. 1 InsO weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das Vermögen des Schuldners
voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag
vorgeschossen wird. Die dem Schuldner bzw. seinen Gläubigern nach § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO eingeräumte Möglichkeit, die Verfahrenskosten
vorzufinanzieren, dient einerseits dazu, eine Abweisung mangels Masse zu vermeiden, andererseits unter Umständen auch dazu, die
Möglichkeit zu schaffen, Ansprüche gegen den Schuldner oder gegen Dritte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchsetzen zu können
(MünchKom/Haarmeyer aaO. § 26 Rdnr. 27). Die Anforderung eines solchen Vorschusses ist jedoch entgegen der früheren Rechtslage nicht
mehr selbstständig anfechtbar. Sie kann auch nicht mehr in Rechtskraft erwachsen und hat keine Bindungswirkung für den endgültigen
Abweisungsbeschluss. Überprüfbar ist sie erst im Rahmen eines Rechtsmittels nach § 34 InsO gegen den Abweisungsbeschluss (§§ 6,34 InsO;
vgl. MünchKom/Haarmeyer aaO. § 26 InsO Rdnr. 28; Uhlenbruck aaO. § 26 InsO Rdnr. 35).
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Lediglich fürsorglich weist der Unterzeichner darauf hin, dass auch für die Prüfung der Frage, ob das Vermögen des Schuldners voraussichtlich
nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken, der beschriebene enge Kostenbegriff gilt. Im übrigen sieht die Insolvenzordnung
das vom Amtsgericht bezweckte Ansparen der Verfahrenskosten durch den Schuldner vor Eröffnung des Verfahrens nicht vor. Die dadurch
bewirkte Verzögerung des Verfahrens würde auch dem Ziel der neuen Insolvenzordnung einer rechtzeitigen und leichteren Eröffnung des
Insolvenzverfahrens widersprechen (vgl. Allgemeiner Teil der Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung,
Bundestagsdrucksache 12/2443, abgedruckt in Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze Seite 21; vgl.a. OLG Celle NJW-RR 2001,702).
Dementsprechend und mit vergleichbarer Zielsetzung hat der Gesetzgeber auch das hiermit in sachlichem Zusammenhang stehende
Stundungsverfahren nach § 4a InsO einfach und mit der Möglichkeit einer beschleunigten Entscheidungsfindung ausgestaltet (vgl. BT-
Drucksache 14/5680 aaO. S. 12).
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b) Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung vom 02.12.2002 ist nicht etwa nach § 6 GKG zulässig. Nach dieser
Vorschrift ist gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts auf Grund dieses Gesetzes von der Zahlung eines Kostenvorschusses
oder von einer Vorauszahlung abhängig gemacht wird, und wegen der Höhe des Vorschusses oder der Vorauszahlung die Beschwerde
gegeben. Eine in diesem Sinne beschwerdefähige Entscheidung hat das Amtsgericht jedoch nicht getroffen.
10 aa) Die Vorschrift des § 65 GKG über die Vorauszahlung und den Vorschuss in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ist bereits
tatbestandlich nicht gegeben. Eine derartige Entscheidung wollte das Amtsgericht nicht treffen. Zu Recht versteht der Beschwerdeführer die
Entscheidung auch nicht in dem genannten Sinne.
11 bb) Allerdings hat derjenige, der eine Handlung beantragt, die mit Auslagen verbunden ist, einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden
Vorschuss zu zahlen (§ 68 Abs. 1 GKG). Das Gericht soll die Vornahme der Handlung von der vorherigen Zahlung des Vorschusses abhängig
machen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG). Nach § 68 Abs. 3 GKG kann bei Handlungen, die von Amts wegen vorgenommen werden, ein Vorschuss zur
Deckung der Auslagen gefordert werden, ohne dass allerdings die Handlung hiervon abhängig gemacht werden dürfte. Diese Vorschrift gilt auch
im Insolvenzverfahren (vgl. Hartmann, Kostengesetze 32. Auflage § 68 GKG Rdnr. 7 ff.; Markl/Meyer, Gerichtskostengesetz 4. Auflage § 68 GKG
Rdnr. 23; AG Göttingen NJW 1999, 1642, 1643). Einen Vorschuss im Sinne der genannten Vorschriften hat das Amtsgericht jedoch ersichtlich
nicht angefordert. § 68 GKG betrifft nämlich lediglich Auslagen im Sinne des Gerichtskostengesetzes (vgl. Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz
Teil 9). Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Vollstreckungsgericht demgegenüber dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, zur
Deckung der "Verfahrenskosten" einen Vorschuss in der genannten Höhe einzuzahlen. Der Begriff der Verfahrenskosten ist gegenüber der
Auslagen umfassender und im vorliegenden Fall auf die Voraussetzungen des § 26 InsO bezogen.
12 Im Unterschied zur Regelung der §§ 6, 68 GKG hat das Amtsgericht, soweit es nicht um von Amts wegen vorzunehmender Handlungen geht, die
Handlung auch nicht von der Zahlung des Vorschusses abhängig gemacht, vielmehr lediglich für den Fall der Nichtzahlung eine Entscheidung
angekündigt, nämlich dass der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen werde. Dies ist das Gegenteil der im Falle des § 68 Abs. 1 GKG
ermöglichten Verhaltensweise des Gerichts. Schließlich geht es vorliegend überhaupt nicht um eine Handlung im Sinne von § 68 GKG.
13 Eine i.S. v. § 6 GKG anfechtbare Entscheidung liegt deshalb nicht vor.
14 Die sofortigen Beschwerden des Schuldners waren deshalb mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zurückzuweisen.