Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 11.11.2009

LG Frankfurt(oder ): rechtlich geschütztes interesse, schutzwürdiges interesse, grundstück, grundbuchamt, pfändbarkeit, pfändung, ausschluss, inhaber, zwischenverfügung, räumung

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 9.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 T 40/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1030 BGB, § 1059 S 2 BGB, §
1060 BGB, § 1092 Abs 1 S 1
BGB, § 1092 Abs 1 S 2 BGB
Grundbuchverfahren: Zulässigkeit der gleichzeitigen Eintragung
eines Nießbrauchs und eines Wohnrechts für denselben
Berechtigten am gleichen Grundstück
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder)
- Grundbuchamt - vom 11.11.2009 aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, den
Antrag der Beteiligten vom 15.05.2009 unter Beachtung der Rechtsaufassung der
Kammer nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Eintragung eines
Wohnungsrechtes gemäß § 1093 BGB zusätzlich zu einem Nießbrauchrecht für
denselben Berechtigten unzulässig sei.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist eingetragener Eigentümer des verfahrensgegenständlichen
Grundstücks. Am 11.07.2008 schloss er mit den Beteiligten zu 2) und 3), seinen
Töchtern, vor dem Notar … zur Urkunden-Nr. 770/2008 einen notariellen
„Übertragungsvertrag mit GbR-Gründung“. Gegenstand des Vertrages sollte sein, dass
der Beteiligte zu 1) das Grundstück in einer aus den Beteiligten bestehende GbR
einbringt und die Beteiligten zu 2) und 3) hierdurch eine Zuwendung im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge erhalten. Der Beteiligte zu 1) soll allerdings ein
Nießbrauchsrecht sowie gleichzeitig ein Wohnungsrecht an dem Grundstück behalten.
Dahingehend regelt der notarielle Vertrag unter anderem folgendes:
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Unter dem 15.05.2009 beantragten die Beteiligten beim Amtsgericht Frankfurt (Oder)
durch ihren Bevollmächtigten unter Bezugnahme auf den beigefügten
Überlassungsvertrag vom 11.07.2008 zur einheitlichen Vollziehung gemäß § 16 Abs. 2
GBO die Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber sowie die Eintragung des
Wohnungsrechtes gemäß § 3 des Vertrages und im Rang danach die Eintragung des
auflösend bedingten Nießbrauchsrechts nebst Löschungsgrund gemäß § 2 des
Vertrages.
Mit Zwischenverfügung vom 10. 9. 2009 wies das Amtsgericht die Beteiligten unter
anderem darauf hin, dass es für die Eintragung eines Wohnungsrechts zusätzlich zu
einem Nießbrauch desselben Berechtigten an einem rechtlich geschützten Interesse
fehle. Dem widersprachen die Beteiligten mit Schreiben vom 23.9.2009 und verwiesen
darauf, dass sich das Wohnungsrecht auf das Einfamilienhaus ohne die vermietete
Einliegerwohnung beziehe, mit dem Nießbrauch dagegen die Vermieterstellung des
Veräußerers an der Einliegerwohnung erhalten bleiben solle.
Mit weiterer Zwischenverfügung vom 07.10.2009 bekräftigte das Amtsgericht nochmals
seine Rechtsauffassung zur fehlenden Eintragungsfähigkeit. Der Berechtigte könne
durch das unbeschränkte Nießbrauchrecht bereits alle Nutzungen ziehen.
Mit Beschluss vom 11.11.2009 hat das Amtsgericht sodann den Eintragungsantrag vom
19.5.2009 unter Hinweis auf eine fehlende Eintragungsfähigkeit eines Wohnungsrechtes
und eines Nießbrauchrecht für denselben Berechtigten zurückgewiesen. Mit Schriftsatz
vom 07.01.2010 haben die Beteiligten gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.
Sie führen u.a. ergänzend aus, dass der Nießbrauch im Gegensatz zu einem
Wohnungsrecht, dessen Übertragbarkeit nicht gestattet ist, pfändbar sei. Das
Amtsgericht - Grundbuchamt - hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss vom 11.11.2009 ist gemäß § 11
Abs. 1 RPflG i. V. m. § 71 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das Grundbuchamt durfte die beantragte Eintragung nicht unter Hinweis darauf
ablehnen, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Eintragung eines
Wohnungsrechtes gemäß § 1093 BGB zusätzlich zu einem Nießbrauch für denselben
Berechtigten fehle.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob für einen Nießbrauchsberechtigten
ein rechtlich geschütztes Interesse besteht, zusätzlich zu seinem Nießbrauch ein
Wohnungsrecht für sich im Grundbuch eintragen zu lassen. Die wohl überwiegende
Meinung lehnt dies unter Hinweis darauf, dass der Berechtigte eines Nießbrauchs durch
die Eintragung eines zusätzlichen Wohnungsrechts keine bessere Rechtsstellung
erwerbe und das Grundbuch von überflüssigen Eintragungen im Interesse der
Übersichtlichkeit freizuhalten sei, ab (OLGR Frankfurt 2008, 789; OLG Hamm FGPrax
1997, 168; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 1093, Rdn. 1; Münchener Kommentar -
Pohlmann, BGB, § 1060 Rdn. 1, 5. Aufl.; Demharter, GBO, 25. Aufl., Anhang zu § 44, Rdn.
28). Andererseits wird vertreten, dass die gleichzeitige Bestellung eines Nießbrauches
und eines Wohnungsrechtes möglich sei, da dies gesetzlich nicht ausgeschlossen ist und
bereits mit einer denkbaren Löschung oder Rangänderung des „umfassenden“
Nießbrauchsrechts oder dem Inhalt schuldrechtlicher Kausalgeschäfte das
Wohnungsrecht von Relevanz sein kann (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl.,
Rdn. 1237 Ziff. 10; Staudinger - Frank, BGB, § 1060 Rdn. 1, Stand 2009).
Die Kammer folgt der letztgenannten Auffassung. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass
der Nießbrauch gemäß § 1030 Abs. 1 BGB grundsätzlich das umfassende Recht
gewährt, die gesamten Nutzungen in Form von Sach- und Rechtsfrüchten sowie
Gebrauchsvorteilen zu ziehen, womit auch alle Rechte erfasst sind, welche dem
Nießbraucher als Inhaber eines Wohnungsrechtes zustehen. Allerdings besteht dennoch,
entsprechend der Auffassung der Beteiligten, ein entscheidender Unterschied zwischen
Nießbrauch und Wohnungsrecht in der Frage der Pfändbarkeit dieser Rechte. Eine
Pfändbarkeit des Wohnungsrechts nach § 1093 BGB besteht gemäß § 857 Abs. 3 ZPO
nämlich nur dann, wenn seine Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Da
das Wohnungsrecht bereits kraft Gesetzes nach § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht
übertragbar ist, ist es also nur dann gemäß § 857 Abs. 3 ZPO pfändbar, wenn die
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übertragbar ist, ist es also nur dann gemäß § 857 Abs. 3 ZPO pfändbar, wenn die
Überlassung ausnahmsweise gestattet ist, § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. AG Köln WuM
2003, 341). Dagegen kann der Nießbrauch bereits kraft Gesetzes gemäß § 1059 S. 2
BGB einem anderen überlassen werden, so dass er uneingeschränkt gemäß § 857 Abs.
3 ZPO pfändbar ist, wobei die Pfändbarkeit auch nicht durch einen vertraglichen
Ausschluss der Überlassung der Nießbrauchsausübung umgangen werden kann (BGHZ
95, 99). Dabei kommt es vor allem auch in Betracht, dass im Rahmen der Pfändung des
Nießbrauchs gemäß § 857 Abs. 4 ZPO eine gerichtliche Anordnung getroffen wird,
welche den Berechtigten verpflichtet, dass Grundstück zu räumen (vgl. näher BGH NJW
2006, 1124). Konkret ist der Nießbrauchberechtigte im Gegensatz zum Inhaber eines
nicht übertragbaren Wohnrechtes also nicht abschließend davor geschützt, dass im
Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Räumung erfolgt. Die Kammer hält dies für einen
entscheidenden Unterschied, welcher bereits in der gesetzlichen Ausgestaltung der
jeweiligen Rechte angelegt ist. Allein aus diesem Umstand folgt jedenfalls dann ein
schutzwürdiges Interesse des Berechtigten an der gleichzeitigen Eintragung eines
erstrangigen Wohnrechtes und eines zweitrangigen Nießbrauchs, wenn das Wohnrecht -
wie hier im notariellen Vertrag vereinbart - nicht übertragbar und damit der Pfändung
nicht unterworfen ist. Im Übrigen haben die Beteiligten auch in nachvollziehbarer Weise
dargelegt, dass mit dem Nießbrauch die Vermieterstellung des Beteiligten zu 1)
hinsichtlich der vermieteten Einliegerwohnung gewährleistet werden soll, was wiederum
allein mit einem zu seinen Gunsten bestellten Wohnungsrecht auch nicht möglich wäre.
Es besteht deshalb hier ein hinreichendes Interesse, sowohl einen Nießbrauch, als auch
ein Wohnungsrecht zu Gunsten des Beteiligten zu 1) im Grundbuch einzutragen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst: Da die Beschwerde Erfolg hat, fallen
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht an (§ 131 Abs. 1 KostO). Eine
Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1
FGG.
Die Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 131 Abs. 2 KostO i. V. m. § 30 KostO.
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