Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 13.03.2017

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Gericht:
LG Frankfurt (Oder) 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 O 164/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 94 BGB, § 95 BGB, § 100 BGB,
§ 823 Abs 1 BGB, § 946 BGB
Energieversorgung: Eigentumserwerb des
Grundstückseigentümers an Anlagenteilen des
Fernwärmeversorgers nach Beendigung der Wärmelieferung
durch Verbindung mit einer eigenen Heizanlage
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen
Sicherheitsleistungen in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Unterlassung von Nutzungen.
Die Klägerin betreibt ein Versorgungsunternehmen und ein Verteilungsnetz über das
Wärmeenergie geliefert wird. An dem Unternehmen war u. a. auch die Beklagte als
Gesellschafter beteiligt.
Zwischen der Gemeinde …, deren Rechtsnachfolger die Beklagte ist, und der Klägerin
wurde am … 1995 ein Wärmeversorgungsvertrag geschlossen. Die Laufzeit des
Vertrages wurde zunächst bis zum 31. Dezember 2003 festgelegt. Später wurde der
Vertrag mehrfach durch die Parteien geändert und sollte letztlich eine Laufzeit bis zum
31.12.2007 haben. Der Wärmeversorgungsvertrag sollte sich jeweils um fünf Jahre
verlängern, wenn er nicht spätestens neun Monate vor Ablauf der Vertragszeit schriftlich
gekündigt wird. Zwischen den Parteien bestand ferner Übereinkunft darüber, dass die
Beklagte ihren Wärmebedarf zunächst ausschließlich durch die
Wärmeversorgungsanlage der Klägerin deckt. Auch war klar zwischen den Parteien
verabredet, dass die Beklagte für die Erneuerung des Verteilungsnetzes auf ihrem
Schulgelände bis zur Übergabestation (Heizkeller …) einen Baukostenzuschuss leisten
soll. Die Klägerin schloss in der Folgezeit auch die neue Sporthalle auf dem Schulgelände
unter Leistung des Baukostenzuschusses der Beklagten für die neu eingebrachten
Rohrleitungen und die Wärmeübergabestation an ihr Verteilernetz im Jahre 2000 an.
Über das Eigentum an diesen Anlageteilen besteht zwischen den Parteien Streit.
Der Wärmelieferungsvertrag wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom … 2007 zum
nächst möglichen Termin gekündigt. Über die Wirksamkeit der Kündigung streiten die
Parteien vor einem weiteren Gericht, weil nach Ansicht der Klägerin die Kündigung auch
nicht einem mit gemeinsamer Prokura ausgestatteten Mitarbeiter der Klägerin
ordnungsgemäß zugegangen wäre und die Klägerin zu dieser Zeit einen Geschäftsführer
nicht gehabt habe. Erst nach Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft zum 31.
Dezember 2007 sei wieder ein Geschäftsführer ordnungsgemäß eingesetzt gewesen.
Erst ab diesem Zeitpunkt hätte also eine Kündigung wirksam zugestellt werden können.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte dürfe die klagegegenständlichen Anlageteile
nicht nutzen und behauptet hierzu, dass die Beklagte am … Dezember 2007
eigenmächtig und unbefugt die der Klägerin gehörende Fernwärmeheizleitung im …-
Heizkeller/Kriechkeller von der neuen Heizleitung/Verteilernetz-Heiztrasse, gebaut im
Baujahr 2000, die bis zur neuen Mehrzweck… gelegt worden sei, abgekoppelt habe. Dies
habe eine Begehung am 2. Januar 2008 vor Ort ergeben. Die Klägerin nimmt an, dass
die im Jahre 2007 im …heizkeller neu eingebaute eigene Gasheizanlage der Beklagten
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die im Jahre 2007 im …heizkeller neu eingebaute eigene Gasheizanlage der Beklagten
an die im Jahre 2000 von der Klägerin eingebauten Heizleitungen/Verteilernetz
Heiztrasse angebunden worden seien. Damit betreibe die Gemeinde die Beheizung der
neuen Mehrzweck… somit nicht mehr mit Heizwasser der Klägerin, sondern mit
Heizwasser aus der gemeindeeigenen Gasheizanlage. Sie nutze dafür rechtswidrig die
Heiztrasse der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, die Nutzung der von der Hausanschlussstation im
Heizungsraum im Keller des … mit Grundschulanteil im …, Ortsteil … geradlinig in
Deckenbefestigung durch den ca. 1,3 Meter hohen Keller in südöstlicher Richtung
verlaufende Wärmeleitung (bestehend im flachen Keller aus ca. 72 Metern nahtlosem
Stahlroh, DIN 2448, DN 100, d. h. 108 mal 3,6 mm, mit 100% Wärmedämmung gemäß
Heizanlagenverordnung, mit Mantel aus Isogenopakfolie und im Bereich des … aus ca.
120 Metern voll isoliertem Wärmerohr DN 100, Fabrikat Premant,
Mantelrohraußendurchmesser 225 Millimeter, zusammengefügt aus Stangen zu 6
Metern) die nach ca. 26 Metern die Kellermauer des … in den …hof durchbricht, dann
geradlinig ca. 44,5 Meter in 1 Meter Erdtiefe in Richtung …halle verläuft, dann im
weiteren Verlauf im rechten Winkel nach Südwesten abbiegt und mit ca. 5 Metern
Abstand ca. 8 Meter parallel zur Mauer der …halle verläuft, dann im rechten Winkel nach
Südosten abbiegt und nach ca. 5 Metern in ca. 0,5 Metern Tiefe die Fundamentmauer
ca. 9,6 Meter entfernt von der südwestlichen Gebäudeecke der …halle, zum nicht
unterkellerten Heizraum der …halle durchbricht und im Heizraum in der
Wärmeübergabestation mündet, zu unterlassen.
2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, die Nutzung der im Heizraum der ….,
Ortsteil … ca. 9,6 Meter von der südwestlichen Gebäudeecke der …halle entfernt
befindlichen Wärmeübergabestation mit einer Leistung von 400 KW des Fabrikats Ferroli,
bestehend aus der Fernwärmeübergabestation, der hauszentralen Netztrennung und er
hauszentralen Gebäudeheizung zu unterlassen.
3. Bei Verstoß gegen das vorgenannte Verbot in Ziffer 1 und 2 wird der Beklagten ein
Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die betreffenden Leitungen und
Wärmeversorgungseinrichtungen in das Eigentum der Beklagten übergegangen seien.
Spätestens nachdem die Klägerin mit Schreiben vom … Dezember 2007 ausdrücklich
zum Ausbau der Anlage erfolglos aufgefordert worden sei (vgl. Schreiben Blatt 96 der
GA), sei ihr Eigentumsrecht hieran untergegangen.
Es müsse auch der Verlauf der im Klageantrag benannten Leitungen bestritten werden.
Schließlich sei das Unterlassungsbegehren sittenwidrig. Denn die Beklagte habe
unstreitig 70 % der Erneuerungskosten des Fernwärmeleitungssystems mitfinanziert.
Die übrigen 30 % seien bei der Klägerin buchtechnisch längst abgeschrieben worden. Die
Klägerin habe somit auch gar keinen wirtschaftlichen Verlust erlitten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin stehen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt heraus Ansprüche auf
Unterlassung von Nutzungen der in das Grundstück der Beklagten eingebrachten
Leitungen und Heizungsanlageteilen, insbesondere nicht aus §§ 823, 1004, 100 BGB, zu.
Denn es ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Klägerin das Eigentum an den von
ihr mit Unterstützung der Beklagten in deren …gelände eingebrachten Anlageteile aus
mehreren Gründen verloren hat; Ansprüche auf Nutzungen aus Eigentum daher nicht
bestehen können.
Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass die Beklagte nach tatsächlicher Beendigung
der Fernwärmelieferung durch die Klägerin die entsprechenden Anlageteile durch eigene
Beheizung mit nutzt. Damit kann dahinstehen, wer ursprünglich Eigentümer der
entsprechenden Heizungsanlageteile werden sollte, wobei für das Eigentum der Klägerin
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entsprechenden Heizungsanlageteile werden sollte, wobei für das Eigentum der Klägerin
der vorübergehende Zweck des befristeten Vertrages über Wärmelieferung sowie § 10
der AVB Wärmeverordnung grundsätzlich sprechen würde. Daran kann aber heute nicht
mehr festgehalten werden.
a.
Die Klägerin war nach faktischer Stilllegung unabhängig davon, ob der Vertrag über die
Wärmelieferung der Parteien wirksam gekündigt worden ist oder nicht und ob es in dem
Wärmelieferungsvertrag eine ausdrückliche Regelung zur Entfernung von Leitungen nach
Einstellung der Fernwärmelieferung gegeben hat oder nicht, gleichwohl verpflichtet,
spätestens nach ausdrücklicher Aufforderung des Eigentümers (hier mit Schreiben vom
…. Dezember 2007) die entsprechenden Anlageteile zu entfernen. Etwas anderes gilt
nur in dem Falle des § 3 Abs. 4 der AVB Wärmeverordnung, wenn der
Grundstückseigentümer die Grundstücksbenutzung auf berechtigtes Verlangen des
Unternehmers noch innerhalb der dort geregelten Zeit zu dulden hat. Ein solches
berechtigtes Verlangen ist weder dargelegt worden, noch im Streitfall ersichtlich. Das
Schreiben der Beklagten vom …12.2007 war unmissverständlich auf eine tatsächliche
Beendigung des Nutzungsinteresses gerichtet, zumal zuvor eine Kündigung des
Vertrages mit der Klägerin erklärt worden war.
Soweit die grundsätzlich vom Grundstückseigentümer zu duldenden
Fernwärmeleitungen dann funktionslos werden, endet regelmäßig die Duldungspflicht, so
dass der Grundstückseigentümer die Entfernung der Leitungen gemäß § 1004 Abs. 1 S.
1 BGB verlangen kann (vgl. BGH v. 24. Januar 2003, V ZR 175/02; nach juris). Dabei
kommt es - wie gesagt- nicht auf die Wirksamkeit einer Kündigung an, weil diese für den
Abwehranspruch aus § 1004 BGB ohne Belang ist (vgl. BGH a. a. O.). Erfüllt der Halter
der Fernwärmeleitungsanlage seine Pflicht zu deren Entfernung nicht, kann der
Grundstückseigentümer die zur Beseitigung notwendigen Arbeiten selbst durchführen
und veranlassen, wobei es dann zu Ausgleichszahlungen auf beiden Seiten im Sinne des
§§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB kommen kann. Diese sind hier aber nicht streitgegenständlich.
b.
Soweit der Grundstückseigentümer die beweglichen Anlageteile mit seiner Anlage
verbunden hat, wovon im Streitfall auszugehen ist, ist gemäß §§ 946 ff BGB eine
Verbindung derart erfolgt, dass das Verteilernetz, das von der Klägerin im Jahre 2000 bei
der Beklagten eingebaut wurde und soweit es innerhalb des …geländes der Beklagten
liegt, nunmehr wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist. Daran ändert
auch ein ursprünglicher Scheinbestandteil an diesen Anlageteilen nichts, weil selbst ein
Verbindungsverbot des Eigentümers, sollte es ausdrücklich ausgesprochen worden sein
oder ein fehlender Erwerbswille der Beklagten zu keinem anderen Ergebnis führt. Die von
der Beklagten vorgenommene Verbindung ist Tathandlung und keine
rechtsgeschäftliche Verfügung und insoweit auch nicht widerrechtlich (vgl. Ellenberger in
Palandt, 68. Aufl., Rz. 9). Mit der tatsächlichen Verbindung des Verteilernetzes an die
eigene Hausleitung unter Abtrennung vom Verteilernetz der Klägerin - wie sie selbst
vorgetragen hat- ist das Eigentum hieran untergegangen. Der Klägerin verbleibt auch
hier allenfalls ein Ausgleich für einen Rechtsverlust durch § 951 BGB.
Soweit die Klägerin in dem insoweit nachgelassenen Schriftsatz vom …. März 2009
nunmehr ausdrücklich bestritten hat, dass die Beklagte ihr eigenes internes
Versorgungsnetz betreibt und nur die Beklagte dazu etwas sagen könne, wie sie die
Anlagen technisch miteinander verbunden habe, kommt es darauf aus Rechtsgründen
nicht an. Denn die Klägerin ist aufgrund des von ihr gestellten Klageantrages
darlegungs- und beweispflichtig für den Umstand der tatsächlichen Nutzung der von ihr
errichteten Anlagen. Sie kann hierzu auch sehr wohl selbst Aussagen treffen und hat
dies auch getan. Denn sie hat u. a. mit Schriftsatz vom …. Juli 2008 vortragen lassen,
dass eine Begehung am …. Januar 2008 vor Ort ergeben hat, dass die Beklagte ihre
eigene in den jeweiligen …gebäuden aufgestellte Wärmeerzeugungsanlage an die in
dem Eigentum der Klägerin stehenden Anlageteile angeschlossen hat, nachdem sie
diese vom Verteilernetz der Klägerin abgetrennt hatte.
Zudem ist sie gemäß § 14 und § 16 der Fernwärmeverordnung berechtigt, ihre Anlage
und die Kundenanlage zu überprüfen und dafür auch die Räume des Kunden zu
betreten. Das Bestreiten der Klägerin war daher nicht nur widersprüchlich zu dem bisher
vorgetragenen Sachverhalt, sondern auch unzulässig i. S. d. § 138 ZPO.
Letzten Endes kommt es auf die Art und Weise der tatsächlichen Nutzung durch die
Beklagte aber auch nicht mehr an, weil die Beklagte dann jedenfalls ein eigenes
Beseitigungsinteresse aus § 1004 BGB hat und schon deswegen ein gleichzeitiger
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Beseitigungsinteresse aus § 1004 BGB hat und schon deswegen ein gleichzeitiger
Anspruch auf Nutzungsunterlassung nicht bestehen kann.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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