Urteil des LG Frankfurt am Main vom 02.04.2017

LG Frankfurt: resolution, hypothetischer schaden, flug, tarif, vollstreckung, daten, fliegen, reisebüro, akkreditierung, agent

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Gericht:
LG Frankfurt 1.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2/01 S 105/08, 2-
01 S 105/08, 2/1 S
105/08, 2-1 S
105/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 280 BGB
(Luftverkehrsrecht: Haftung des Reisebüros als Agent der
Fluggesellschaft wegen Verstoßes gegen die IATA-
Resolutionen 824 und 830a bei Nichtantritt des bei einer
Rundreise gebuchten Rückfluges)
Tenor
Die Berufung gegen das am 28.02.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts
Frankfurt am Main (AZ 32 C 1706/07-84) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages erbringt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft, die Mitglied der IATA ist. Der Kläger ist
Inhaber eines durch die IATA akkreditierten Reisebüros und hat die Resolution 824
der IATA unterzeichnet. Bis September 2004 waren die die Flugreisen der
Beklagten vermittelnden Reisebüros – auch der Kläger – als Handelsvertreter für
die Beklagte tätig. Die Beklagte hat im September 2004 ihren Vertrieb umgestellt.
Die Parteien schlossen eine neue Vereinbarung über den Verkauf von
Flugscheinen der Beklagten (Bl. 163 f. d.A.), auf die Bezug genommen wird. Die
Akkreditierung als IATA-Reisebüro blieb durch den Wegfall der
Handelsvertreterstellung unberührt.
Der Kläger vermittelte in den Jahren 2004 und 2005 für eine Kundin Flugtickets für
deren Mitarbeiter, wobei die Beklagte als ausführender Luftfrachtführer
aufgetreten ist. Alle Flugtickets der Beklagten, die von Reisebüros über die IATA
gebucht werden, werden über die sog. BSP Abrechnung abgerechnet. Die Beklagte
nahm für im Jahre 2005 ausgestellte Flugtickets eine Nachberechnung vor, die zu
Nachbelastungen in Höhe der Klagesumme führte.
Ein Kunde des Klägers beabsichtigte, am 11.01.2005 von S nach M und am
12.01.2005 wieder zurück zu fliegen. Einen solchen Flug bot die Beklagte zum Preis
von Euro 1.342,00 ohne Steuern, Gebühren und Zuschläge an. Der Kläger buchte
für den Kunden zwei Flüge S-M-S und M-S-M zu einem Preis von insgesamt Euro
690,00 ohne Steuern, Gebühren und Zuschläge, von denen der Kunde jeweils nur
einzelne Abschnitte (Coupons) nutzte.
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Ein Kunde des Klägers beabsichtigte, am 18.02.2005 von H nach P zu fliegen.
Einen solchen Flug bot die Beklagte zu einem Preis von Euro 528,00 ohne Steuern,
Gebühren und Zuschläge an. Der Kläger buchte für den Kunden einen Hin- und
Rückflug zu einem Preis von Euro 110,00 ohne Steuern, Gebühren und Zuschläge.
Der Kunde ließ den Rückflug verfallen.
Der selbe Kunde des Klägers flog am 22.02.2005 von H über S nach M. Die
Beklagte bot einen solchen Flug zu einem Preis von Euro 966,00 ohne Steuern,
Gebühren und Zuschläge an. Der Kläger nahm Buchungen und Stornierungen vor
– wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 18.09.2007 dort Seite
4 f. (Bl. 118 f. d.A.) Bezug genommen – so dass die tatsächlich gebuchten
Flugtickets insgesamt Euro 399,00 ohne Steuern, Gebühren und Zuschläge
kosteten.
Wegen der weiteren Einzelheiten betreffend die Buchungen und wahrgenommenen
bzw. verfallenen Flüge wird auf das Vorbringen in der Klageerwiderung vom
18.09.2007, dort Seiten 2 bis 5 (Bl. 116 f. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat behauptet, er habe nicht gewusst, dass die Kunden nur Teile der
gebuchten Flüge hätten nutzen wollen. Die unterbliebene Inanspruchnahme der
Flüge habe auf der Entscheidung der Kunden nach erfolgter Buchung beruht. Er ist
der Ansicht, nach Wegfall der Handelsvertretereigenschaft sei er nur noch seinen
Kunden gegenüber verpflichtet, möglichst günstige Flüge zu vermitteln, während
eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber nicht bestehe. Der Beklagten sei kein
Schaden entstanden, weil er in dem Fall, dass die hier gegenständlichen Tarife bei
der Beklagten nicht buchbar gewesen wären, andere Fluggesellschaften, z.B. Air
France oder Swissair, ausgewählt hätte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 1.657,00 nebst Zinsen hieraus seit
dem 19.05.2006 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe bei der Buchung der Flugtickets
wissentlich fiktive Daten zur Umgehung des Tarifsystems der Beklagten
verwendet. Er habe damit Flugtickets zu einem nicht anwendbaren Tarif ausgestellt
und damit gegen vertragliche Vereinbarungen mit der Beklagten verstoßen. Er sei
vertraglich verpflichtet, bei der Buchung von Leistungen der Beklagten die
tatsächlich gewünschten Flugdaten zu verwenden. Hierzu habe er sich bei der
Akkreditierung als IATA-Reisebüro verpflichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung
von Wiederholungen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 28.02.2008 der Klage in
vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, da die gebuchten
Flüge voll bezahlt worden seien, sei durch das Freibleiben des Sitzes der Beklagten
kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Der Beklagten obliege der Beweis, dass
auch im Falle der Anwendung des regulären teureren Tarifes der jeweilige Flug
tatsächlich gebucht worden wäre. Auch erschließe sich dem Gericht nicht, dass der
Nichtantritt von Teilflugstrecken zu einer erkennbaren Verschiebung der
Kalkulationsgrundlagen führe. Die von der Beklagten geltend gemachte
Preisdifferenz zwischen den tatsächlich gebuchten Flügen und dem teureren Tarif
für die Einzelflüge sei als rein hypothetischer Schaden zu bewerten.
Gegen dieses ihr am 03.03.2008 (Bl. 261 d.A.) zugestellte Urteil hat die Beklagte
mit am 01.04.2008 (Bl. 288 d.A.) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung
eingelegt, die sie mit am 02.05.2008 (Bl. 309 d.A.) bei Gericht eingegangenem
Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin wiederholt, ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und
führt zur Begründung der Berufung weiter aus, das Amtsgericht habe § 816 Abs. 2
BGB rechtsfehlerhaft, insbesondere betreffend die Beweislast für die
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BGB rechtsfehlerhaft, insbesondere betreffend die Beweislast für die
Nichtberechtigung, angewandt. Das Gericht habe auch die Darlegungs- und
Beweiserleichterungen aus den §§ 252 Satz 2 BGB, 287 Abs. 1 ZPO verkannt,
insbesondere habe es unberücksichtigt gelassen, dass sich die Wahrscheinlichkeit
des entgangenen Gewinns auch aus dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ergeben
könne. Wegen der insoweit vorgebrachten Anknüpfungstatsachen wird auf die
Ausführungen auf Seite 22 bis 25 der Berufungsbegründung (Bl. 331 ff. d.A.)
Bezug genommen. Das Gericht habe vor allem nicht aufgrund fehlerhafter
Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO annehmen dürfen, der Vortrag des Klägers, er
hätte bei Anwendbarkeit höherer Tarife bei anderen Fluggesellschaften gebucht,
sei zugestanden. Außerdem hätte das Gericht auf eine Änderung der
Rechtsauffassung nach § 139 Abs. 2 ZPO hinweisen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 28.02.2008 (32 C 1706/07-
84) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verteidigt in der Sache das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingereichte
Berufung, hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens zu
Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung erkannt, dass dem Kläger
ein Kondiktionsanspruch gegen die Beklagte zusteht, weil ein Rechtsgrund für die
Nachbelastung mangels eines Schadens der Beklagten nicht bestand. Allerdings
liegt hier ein Fall einer Eingriffskondiktion im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt.
BGB vor, bei welcher der Schuldner das Bestehen des Rechtsgrundes zu beweisen
hat. Der bloße Umstand, dass die Beklagte ihren vermeintlichen
Schadensersatzanspruch bereits durch die Nachbelastung erfüllt hat, kann nicht
dazu führen, dass nunmehr eine andere Beweislastverteilung gilt, als bei einer
Verfolgung des Schadensersatzanspruches gegen den Kläger. In dieser
Konstellation wäre aber die Beklagte für den Eintritt eines Schadens darlegungs-
und beweisbelastet.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass ein
Schadenseintritt durch die Beklagte nicht hinreichend dargelegt wurde. Diese
Feststellung konnte das Amtsgericht auch ohne weiter gehenden Hinweis nach §
139 ZPO treffen. Eines Hinweises auf eine geänderte Rechtsauffassung bedurfte
es bereits deswegen nicht, weil das Amtsgericht von dem Hinweis der
Vordezernentin nicht abweicht. Wie sich aus den Ausführungen in den
Entscheidungsgründen ergibt, unterstellt das Amtsgericht zu Gunsten der
Beklagten das Bestehen ihres Schadensersatzanspruches dem Grunde nach, und
nimmt nur an, dass es an der Darlegung eines Schadenseintrittes fehlt.
Insoweit traf das Amtsgericht aber im Hinblick auf den eindeutigen Hinweis des
Klägers, auf den die Beklagte bereits in der Sache erwidert hatte, keine weitere
Hinweispflicht. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Beklagten von der
Erforderlichkeit eines Hinweises nach § 139 ZPO, dass der erstinstanzliche Vortrag
zu dem Schadenseintritt unzureichend ist, ausginge und das neue Vorbringen zum
Schadenseintritt nach § 531 ZPO berücksichtigt, wäre dies für die zu treffende
Sachentscheidung ohne Einfluss. Denn spätestens in dem angefochtenen Urteil
wäre der entsprechende Hinweis als erteilt anzusehen, jedoch hat die Beklagte
auch in der Berufungsbegründung den Schadenseintritt nicht hinreichend
dargetan.
Die Beklagten hätte zunächst darlegen müssen, dass eine gewisse
Wahrscheinlichkeit bestand, dass im Falle eines Unterbleibens der tatsächlich
stattgefundenen Buchung eine Buchung der Flüge bei ihr erfolgt wäre, ehe dann
der Kläger hätte darlegen und beweisen müssen, dass die Buchungen nicht bei der
Beklagten erfolgt wären. Zu dieser der Beklagten obliegenden Darlegung gehört
nicht nur die Angabe, dass die konkret betroffenen Strecken von der Beklagten
generell angeboten werden. Vielmehr hätte die Beklagte auch darlegen müssen,
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generell angeboten werden. Vielmehr hätte die Beklagte auch darlegen müssen,
dass im näheren zeitlichen Umfeld zu den tatsächlich erfolgten Flügen auch eine
Buchung auf den angebotenen Strecken möglich gewesen wäre. Wäre
beispielsweise am 11./12.01.2005 bei der Beklagten das Kontingent für die Strecke
S-M ausgebucht, so hätte der Kunde des Klägers bei der Beklagte keine
Alternativbuchung vornehmen können, so dass ein Schaden bereits dem Ansatz
nach nicht in Betracht kommt. Derartige Darlegungen fehlen aber weiterhin.
Letztlich kann dies aber dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung, weil
auch dem Grunde nach ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger, der sie
dazu berechtigen könnte, eine Nachbelastung zu Lasten des Klägers in Höhe der
Klageforderung vorzunehmen, nicht bestand.
Denn weder konnte die Beklagte aus § 280 BGB noch aus einer deliktischen
Anspruchsgrundlage heraus einen Anspruch gegen den Kläger herleiten.
Allerdings besteht zwischen den Parteien eine vertragliche Verbindung durch die
"Vereinbarung über den Verkauf von Lufthansa Flugscheinen" vom
30.12.2003/12.02.2004 (Bl. 163 f. d.A.). Eine Vertragsverletzung im Sinne des §
280 BGB ist jedoch nicht gegeben. Eine ausdrücklich im Vertrag festgelegte
Verpflichtung des Klägers, die durch das von der Beklagten beanstandete
Vorgehen verletzt sein könnte, existiert nicht.
Die einzige Verpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten, die im Vertrag
selbst begründet wird, besteht darin, den von der Beklagten erhobenen Nettopreis
beim Kunden einzuziehen und an die Beklagte abzuführen. Dieser Verpflichtung ist
der Kläger unstreitig nachgekommen. Denn es ist nicht streitig, dass die an die
Beklagte abgeführten Beträge den Preisen der faktisch gebuchten Flüge
entsprachen.
Soweit in Ziffer 4 des Vertrages eine Bezugnahme auf IATA Resolutionen erfolgt,
begründet dies keine Verpflichtungen des Klägers gegenüber der Beklagten, aus
denen eine Vertragspflichtverletzung abgeleitet werden könnte. Denn soweit man
aus der IATA Resolution 824 individuelle Rechte der Fluggesellschaft gegen den
Agenten ableitet, sind diese durch das beanstandete Vorgehen nicht tangiert,
während die Fluggesellschaften aus der IATA Resolution 830a wiederum keine
eigenen Rechte gegen den Agenten herleiten können.
Die IATA Resolution 824 berechtigt den Kläger, Dienste der Beklagten zu verkaufen
wie von der Fluggesellschaft autorisiert. Es handelte sich bei den von dem Kläger
für seine Kunden gebuchten Flügen unstreitig um von der Beklagten tatsächlich in
dieser Form angebotene Dienstleistungen.
Eine fehlende Autorisierung im Sinne eines vertraglichen Verbotes für den Kläger,
diese Buchungen vorzunehmen, ist ebenfalls nicht gegeben. Die Beklagte konnte
keine Vertragsunterlagen vorlegen, in denen sie ausdrücklich dem Kläger die
Vornahme derartiger Buchungen untersagt, bzw. in denen der Kläger sich zu
entsprechender Unterlassung verpflichtete.
Auch die übrigen Regelungen vermögen eine Vertragspflicht des Klägers nicht zu
begründen. Unabhängig von der Frage, ob die gebuchten Leistungen auch in
Anspruch genommen werden, sind der vermittelte Beförderungsvertrag und die
ausgestellten Verkehrsdokumente gültig gewesen. Auch stand die tatsächlich
erfolgte Buchung mit dem für den gebuchten Flug geltenden Tarif in Einklang, und
das eingezogene Entgelt entsprach dem Preis der tatsächlich gebuchten Leistung.
Soweit im Übrigen in der Resolution schriftliche Anweisungen und Vorgaben der
Fluggesellschaft erwähnt sind, hat die Beklagte nicht näher dargetan, in welcher
Weise sie dem Kläger konkrete und verbindliche Handlungsanweisungen erteilt
haben soll.
Die IATA Resolution 830a begründet bereits dem Grunde nach keine individuellen
Rechte der einzelnen Fluggesellschaft gegen den Agenten. Unabhängig von der
Frage, was die in der Resolution von der IATA ausgesprochene "Erinnerung"
rechtstechnisch überhaupt sein soll, kann diese allenfalls Rechte und Pflichten im
Verhältnis der IATA zu den Agenten und umgekehrt begründen. Auch wenn die
IATA hierbei zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder agiert,
führt dies nicht zur Begründung eines eigenen Rechts des einzelnen IATA-
Mitgliedes. Abgesehen davon ist ein Verstoß gegen die genannte Resolution nicht
erkennbar. Denn der Kläger hat für seine Kunden tatsächlich von der Beklagten
angebotene Flüge gebucht und hat dabei die Daten verwandt, die bei der Buchung
der konkreten Flüge anzugeben sind.
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Damit ist weder einer der in der Resolution ausdrücklich genannten Fälle
verwirklicht, noch liegt eine unvollständige oder unrichtige Reservierungsangabe
vor. Denn der Reservierungsvorgang für sich gesehen ist formal ordnungsgemäß.
Doch selbst wenn man in der von der Beklagten beanstandeten Vorgehensweise
des Klägers einen Verstoß gegen die Vorgaben der IATA Resolutionen 824
und/oder 830a sähe, würde dies nicht zur Annahme der Verletzung von
Vertragspflichten gegenüber der Beklagten führen. Denn in der Vereinbarung vom
30.12.2003/12. 02.2004 wird nicht hinreichend deutlich geregelt, dass bzw.
inwieweit welche Vorgaben welcher Resolutionen nicht nur externe
Handlungsanweisungen zur Wahrung des Funktionierens der Buchungssysteme
sein sollen, sondern darüber hinaus auch im Verhältnis der Vertragsparteien
zueinander einklagbare Rechte und Pflichten begründen sollen. Der Formulierung,
dass eine Zusammenarbeit auf der Grundlage der Resolutionen erfolgen soll,
genügt nicht für die Annahme, der Kläger habe vertraglich gegenüber der
Beklagten die Pflicht zur Einhaltung sämtlicher Vorgaben der Resolutionen
übernommen.
Dies vor allem deswegen, weil in der Präambel der Vereinbarung klargestellt ist,
dass der Kläger in erster Linie gegenüber seinen Kunden verpflichtet ist, während
zu der Beklagten nur ein Kooperationsverhältnis besteht. Soll in dieser
Konstellation eine vertragliche Pflicht gegenüber der Beklagten begründet werden,
die sich zu Lasten der Kunden des Klägers auswirkt – dies ist der Fall, weil der
Kläger seinen Kunden gegenüber zur bestmöglichen Beratung, d.h. auch zum
Hinweis auf den günstigsten buchbaren Tarif verpflichtet ist und er dieser Pflicht
auf der Grundlage der Beklagtenargumentation nicht nachkommen könnte – kann
dies nicht nur durch einen Pauschalverweis auf nicht näher spezifizierte
Resolutionen erfolgen.
Vielmehr bedürfte es einer konkret gefassten Regelung, die ausdrücklich die
entsprechenden Resolutionsinhalte zum verbindlichen und individuelle Rechte und
Pflichten begründenden Vertragsinhalt erhebt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in den
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil hier die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO
vorlagen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung fordert eine Entscheidung durch das
Revisionsgericht. Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte
als größte deutsche Fluggesellschaft eine Vielzahl von Verträgen mit Agenten mit
dem der Vereinbarung vom 30.12.2003/12.02.2004 entsprechenden Inhalt
geschlossen hat. Weiter geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der
von der Beklagten beanstandeten Vorgehensweise des Klägers um eine gängige
Praxis im Reisebürogewerbe handelt, deren Rechtmäßigkeit bisher – soweit dem
erkennenden Gericht bekannt – nicht obergerichtlich geklärt wurde.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.