Urteil des LG Frankfurt am Main vom 02.04.2017

LG Frankfurt: due diligence prüfung, rücktritt vom vertrag, corporate governance, erwerb, berechnung der frist, beginn der frist, entlastung, staatliche beihilfe, wesentliche veränderung

1
2
Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-05 O 208/09,
3/05 O 208/09, 3-5
O 208/09, 3/5 O
208/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 119 Abs 2 AktG, § 243 AktG,
§ 246 Abs 4 S 2 AktG, § 249
AktG
Aktienrecht: Nebeninterventionsfrist bei einer
Nichtigkeitsklage; Hauptversammlungszuständigkeit bei
Erwerb einer Beteiligung
Leitsatz
1. Auch bei einer Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG kann ein Streithelfer auf Seiten der
Kläger gem. § 246 IV S. 2 AktG nur binnen eines Monats nach Bekanntmachung der
Klageerhebung beitreten.
2. Ist voraussehbar, dass es durch den vorgesehenen Erwerb einer Beteiligung zu einer
wesentlichen Veränderung der Unternehmensstruktur kommt, d.h. einer erheblichen
Änderung der Kapitalstruktur, insbesondere der Erhöhung des Verschuldungsgrades
sowie wegen des erforderlichen Einstiegs des Rettungsfonds SoFFin zu Änderungen der
Leitungsstruktur, ist für die Frage des Beteiligungserwerbs eine ungeschriebene
Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben.
Tenor
Der Beitritt des Streithelfers zu 7) wird zurückgewiesen.
Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 000000 zu Top 2 –
Entlastung der im Geschäftsjahr 2008 amtierenden Mitglieder des Vorstandes für
diesen Zeitraum - und zu Top 3 – Entlastung der im Geschäftsjahr 2008
amtierenden Mitglieder des Aufsichtsrats für diesen Zeitraum - werden für nichtig
erklärt.
Die Beklagte hat die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits und die
außergerichtlichen Kosten der Kläger und ihrer Streithelfer, mit Ausnahme des
Streithelfers zu 7) zu tragen.
Der Streithelfer zu 7) hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteils ist (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine deutsche Großbank.
Am 31. August 2008 wurde bekanntgegeben, dass zwischen der Beklagten und
der XXX (im Folgenden X) vereinbart worden sei, dass die Beklagte die X-Tochter Y
Bank für N,N Milliarden Euro übernehme. Danach sollte im ersten Schritt die
Beklagte von der X NN,N Prozent Anteile an der Y erwerben, diese erhielte dafür
NNN,N Millionen neu emittierte Z-Aktien im Wert von N,N Milliarden Euro. Darüber
hinaus sollte die Beklagte N,N Milliarden Euro in bar an die X zahlen, wovon
3
4
5
6
7
8
9
10
11
hinaus sollte die Beklagte N,N Milliarden Euro in bar an die X zahlen, wovon
maximal NNN Millionen Euro jedoch nur als vorsorgliche Deckung für einen Trust
zur Risikoabdeckung spezieller forderungsbesicherter Wertpapiere (asset-backed
securities) dienen. Des Weiteren sollte die mit N,N Milliarden Euro bewertete Z-
Fondstochter C. an die X übertragen werden.
In einem zweiten Schritt sollte die Y durch die Beklagte übernommen werden, die
Beklagte sollte dafür die restlichen Y-Anteile von der X erwerben. Die X sollte dafür
Z-Aktien im Wert von N,N Milliarden Euro erhalten; Ziel ist eine Beteiligungsquote
der X an der Z von knapp NN Prozent. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
die Mitteilung der Beklagten vom 31.8.2009 (Anlage K 3 Sonderband Anlagen zur
Klage) verwiesen. Der genaue Wortlaut der Vereinbarung zwischen der Beklagten
und der X wurde – auch nicht in der streitgegenständlichen Hauptversammlung –
bekannt gegeben. Eine Zustimmung der Hauptversammlung hierzu wurde nicht
eingeholt.
Gerichtskundig bestellte der Vorsitzende der erkennenden Kammer mit Beschluss
vom 30.9.2008 - 3-05 O 253/08 – auf gemeinsamen Antrag der Beklagten und der
Y gem. §§ 10, 60 UmwG einen Verschmelzungsprüfer.
Im Zuge der Insolvenz des amerikanischen Bankhauses L im September 2008
kam es allgemeinkundig zu erheblichen Verwerfungen auf den Finanzmärkten.
Wegen dieser Verwerfungen beschloss der Deutsche Bundestag das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz, welches am 18.10.2008 in Kraft trat.
Es zielt auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit von Finanzinstituten mit Sitz in
Deutschland und der Vermeidung einer allgemeinen Kreditklemme ab.
Hauptbestandteil ist ein Rettungsfonds – SoFFin - bei der neuen
Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA), einer Anstalt des öffentlichen Rechts,
die bei der Deutschen Bundesbank angesiedelt ist, jedoch getrennt von dieser
organisiert ist (vgl. hierzu z. B. Wienecke/Fett NZG 2009, 8, m.w.Nachw.). Dieses
Gesetz wurde in der Folgezeit durch weitere Gesetze und Rechtsverordnungen
weiter entwickelt und ergänzt.
Am 3.11.2008 teilte die Beklagte mit, dass sie das von der Bundesregierung
hierdurch ins Leben gerufene Programm zur Stärkung der Eigenkapitalbasis nutze
und der SoFFin der Beklagten eine stille Einlage in Höhe von N,N Milliarden EUR zur
Verfügung stelle, die jährlich mit 9 % verzinst werde. Die Dividende für 2009 und
2010 werde ausgesetzt. Die stille Einlage werde zu 100 Prozent als Kernkapital
angerechnet, womit die Eigenkapitalquote (Tier 1) auf etwa zehn Prozent gestärkt
werde. Die Rückzahlung der stillen Einlage erfolge zum Nominalwert. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Mitteilung der Beklagten vom 3.11.2008 (Anlage
K4 Sonderband Anlagen zur Klage) Bezug genommen.
In Folge der Verwerfungen auf den Finanzmärkten nach der Insolvenz des
Bankhauses L musste die Y am 27.11.2008 ihren für 2008 geschätzten Verlust für
das 2 Quartal von NNN Mio. EUR auf N Milliarden EUR korrigieren, und für das 3.
Quartal auf N,N Milliarden EUR und später noch einmal für das 2. Halbjahr 2008 auf
N,N Milliarden EUR.
Nach einer Nachverhandlung der Beklagten und der X wurde zwischen diesen am
27.11.2008 vereinbart, dass die Beklagte den 40-prozentigen Restanteil an der Y
bereits im Januar 2009 übernehme und hierfür N,N Milliarden EUR bar zahle. Durch
eine weitre Zahlung von NNN Mio. EUR der Beklagten würden die Ansprüche der X
aus dem im August 2008 vereinbarten Rettungsschirm abgegolten. Die für Anfang
2009 vorgesehen Hauptversammlung über die beabsichtigte Verschmelzung
entfalle. Wegen der weitren Einzelheiten wird auf die Nachricht der Beklagten vom
27.11.2008 (Anlage K5 Sonderband Anlagen zur Klage) verwiesen. Auch hierzu
wurde eine Zustimmung der Hauptversammlung nicht eingeholt.
Am 9.1.2009 kam es zu einer weiteren Änderung der Verträge zwischen der
Beklagte und der X, wie sich aus dem Bericht des gerichtlich bestellten
Sachkapitalerhöhungsprüfer – identisch mit dem von der Kammer bestellten
Verschmelzungsprüfer – vom 9.1.2009 (dort Seite 7 Mitte) ergibt. Eine Mitteilung
der Beklagten hierzu erfolgte nur vorab in einer Mitteilung vom 8.1.2009 (Anlage
B14, Sonderband Anlage zur Klageerwiderung I). Eine unmittelbare Mitteilung zum
Inhalt dieser Vereinbarung erfolgte nicht. Eine Zusammenfassung des Inhalts ist
im Prüfbericht enthalten.
Aus dem Prüfbericht ergibt sich weiter, dass in engen und zeitlichen
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Aus dem Prüfbericht ergibt sich weiter, dass in engen und zeitlichen
Zusammenhang mit der Ergänzung der Transaktionsvereinbarung der SoFFin
folgenden Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung von Beklagten
und Y Dresdner Bank zugestimmt hat:
- Der Beklagten wird durch den SoFFin eine zweite Tranche in Höhe von NN
Mrd. EUR als Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Die Beklagte wird danach der
Übernahme der Y eine Kernkapitalquote von etwa 10 % erreichen.
- Die Kapitalmaßnahmen sollen durch die Übernahme von Aktien in Höhe von
25 % plus eine Aktie und durch stille Einlage erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Ablichtung zur Akte gereichten
Prüfbericht (Anlage K7 Sonderband Anlagen zur Klage) verwiesen.
Seit dem 12. Januar 2009 ist die Beklagte alleiniger Eigentümer der Y und hält 100
Prozent der Aktien. Es erfolgte gem. § 62 UmwG eine Verschmelzung mit
Verschmelzungsvertrag vom 27.3.2009 ohne Einschaltung der Hauptversammlung
der Beklagten. Diese Verschmelzung der Y auf die Beklagte ist am 11.5.2009 in
das Handelsregister eingetragen worden.
Am 7. Mai 2009 hat der Kommissar für Wettbewerb der EU-Kommission die zweite
staatliche Beihilfe vom Januar 2009 und den Einstieg des Staates mit einem Anteil
von 25 Prozent und 1 Aktie genehmigt. Die EU-Kommission erlaubte die
Staatshilfe für die Beklagte mit der Auflage, dass die Tochtergesellschaft H
verkauft werde. Außerdem muss sich die Bilanzsumme der Beklagten auf NNN
Mrd. EUR verkleinern. Zukäufe sind in den nächsten 3 Jahren generell
ausgeschlossen.
Am 15./16.5.2009 fand die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt.
Über die Hauptversammlung erstellte der Notar H. eine notarielle Niederschrift zu
UR-NR. XX/09. Wegen des Gegenstands der Tagesordnung, zu der auch zu TOP 2
und 3 die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2008
gehörte und dem Ablauf dieser Hauptversammlung wird auf das in Ablichtung zur
Akte gereichte notarielle Protokoll des Notars H. (Anlage B 12, Sonderband
Anlagen zur Klageerwiderung) und der dort enthaltenen Anlage 1 und 2 –
Veröffentlichung der Einladung im elektronischen Bundesanzeiger -) verwiesen.
Die Kläger zu 1) bis 3) haben die bekannt gemachte Tagesordnung um die
Tagesordnungspunkte 17-19 ergänzen lassen, wobei sich TOP 17 auf den
Vertrauensentzug gegenüber dem Sprecher der Vorstands PP gem. § 84 Abs. 3
AktG im Hinblick auf sein Verhalten in Zusammenhang mit dem Erwerb der
Beteiligung an der Y Bank durch die Beklagte und Top 19 auf die Bestellung von
Sonderprüfern gem. § 142 Abs. 1 AktG zur Prüfung von Vorgängen der
Geschäftsführung beim Erwerb der hundertprozentigen Beteiligung der Beklagte
an der Y Bank von der X S. bezogen.
Die Kläger zu 1) bis 3) nahmen an dieser Hauptversammlung als Aktionäre ebenso
wie ihr Verfahrensbevollmächtigter als Vertreter teil und legte Widerspruch gegen
alle Beschlussfassungen dieser Hauptversammlung zu Protokoll des Notars ein.
Der Geschäftsführer der Klägerin zu 4) nahm ebenfalls an dieser
Hauptversammlung teil. Ausweislich des Protokolls legte der Kläger zu 4)
Widerspruch gegen die Beschlussfassungen ein.
Zu TOP 3 und 4 hatte die Hauptversammlung die Entlastung der Mitglieder des
Vorstandes und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2008 beschlossen, die auf
Betreiben der Kläger zu 1) bis 3) zur Abstimmung gestellten Anträge zu TOP 17 –
19 wurden abgelehnt.
Die Kläger zu 1), 3) und 4) und der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger zu 1) bis
3) sowie weitere Aktionäre der Beklagten hielten auf der Hauptversammlung
mehrere Redebeiträge und stellten Fragen an die Verwaltung.
Die Kläger und ihre Streithelfer machen geltend, der Entlastung von Vorstand und
Aufsichtsrat stehe entgegen, dass bei der im Entlastungszeitraum stattgefunden
Übernahme kaufmännische Sorgfaltpflichten nicht beachtet worden seien. Diese
Übernahme sei ein wirtschaftliches Desaster gewesen, habe zu einer
wirtschaftlichen Schieflage der Beklagten geführt; nur durch den Einstieg des
staatlichen Rettungsfonds SoFFin habe eine Insolvenz verhindert werden können.
Es sei zudem unterlassen worden, für die Übernahme der Y die Zustimmung der
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Es sei zudem unterlassen worden, für die Übernahme der Y die Zustimmung der
Hauptversammlung einzuholen. Diese Übernahme stelle keine
Geschäftsführungsmaßnahme dar, sondern hierfür bestehe eine – ungeschriebene
– Hauptversammlungszuständigkeit. Ein Rücktritt vom Vertrag sei pflichtwidrig
unterlassen worden. Jedenfalls habe der Vorstand gestellte Fragen nicht oder nicht
ausreichend beantwortet, so dass die Entlastungen auch aus dem Gesichtspunkt
der Informationsrechtsverletzung anfechtbar seien.
Dies bezieht sich nach Auffassung der Kläger zu 1) bis 3) auf die Fragen:
und nach Auffassung der Klägerin zu 4) auf die Fragen:
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
Die Klägerin zu 4) ist weiter der Auffassung, dass die Beschlussfassungen dieser
Hauptversammlung nichtig seien. Die Hauptversammlung sei unter Verstoß gegen
§ 121 Abs. 3 S. 2 AktG einberufen worden. Die Fristberechnung für die Anmeldung
und des Nachweises des Anteilbesitzes seien unzutreffend vorgenommen worden.
Auch die Bekannt gemachten Bedingungen für eine Stimmrechtsvertretung
entsprächen nicht der Satzung, da in der Satzung Ausnahmen für Vollmachten an
Kreditinstitute und gleich gestellte Institute oder Unternehmen nicht enthalten
seien.
Auch für die mitgeteilten Bedingungen für die Ausübung des Stimmrechts durch
einen Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft gebe es keine Gesetz- oder
satzungsmäßige Grundlage.
Die Kläger und ihre Streithelfer beantragen,
die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 15./16.5.2009 zu
Top 2 – Entlastung der im Geschäftsjahr 2008 amtierenden Mitglieder des
Vorstandes für diesen Zeitraum - und zu Top 3 – Entlastung der im Geschäftsjahr
2008 amtierenden Mitglieder des Aufsichtsrats für diesen Zeitraum - für nichtig zu
erklären, bzw. die Nichtigkeit dieser Beschlüsse festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, dass die Beschlussfassungen der
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
Die Beklagte ist der Meinung, dass die Beschlussfassungen der
streitgegenständlichen Hauptversammlung weder nichtig noch anfechtbar seien.
Ein Gesetz- oder Satzungsverstoß der zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit dieser in
der Hauptversammlung am 29.5.2008 gefassten Beschlüsse führen könnte, liege
nicht vor.
Für die Übernahme der Y sei keine Hauptversammlungszuständigkeit gegeben
gewesen. Nach der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung setze
dies eine Mediatisierung voraus, die hier nicht gegeben sei. Jedenfalls durch das
Wertverhältnis der Y zur Beklagten – 35,1:64,9 bis 37,1:62,9 nach dem
Bewertungsgutachten vom 29.8.2008 – und auch nur ca. 40 % der Pro-forma
Bilanzsumme vom 12.1.2009 auf die Y entfielen, sei die notwendige Schwelle einer
Beteiligung der Hauptversammlung nicht gegeben gewesen. Zudem liege in der
Konzernklausel eine satzungsmäßige Ermächtigung zum Beteiligungserwerb –
mithin eine Vorabzustimmung der Aktionäre - vor.
Eine Pflichtverletzung der Verwaltung der Beklagten sei beim Erwerb der Y nicht
gegeben. Es sei eine Due Diligence Prüfung vorgenommen worden, wobei eine
eingehende Prüfung und Bewertung der risikorelevanten Portfolios der Y
stattgefunden habe. Der später vor allem hierauf eingetretene Verlust von ca. 4,7
Milliarden EUR sei nicht voraussehbar gewesen. Die Ertragsbelastung der Y im
Anschluss an die Insolvenz des Bankhauses L sei als relevantes Risiko erkannt
worden. Der in der Vereinbarung vom 29.8.2008 angenommene Kaufpreis habe
der Vorstand der Beklagten als angemessen ansehen dürfen, zumal er sich auf ein
Bewertungsgutachten einer WP-Gesellschaft und einer Fairness Opinion einer
anderen Bank und das Ergebnis der Due Diligence habe stützen können. Ein
Rücktritt von der Vereinbarung sei später nicht – auch nicht aus dem Grundsatz
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage - möglich gewesen. Der Erwerb der Y sei vom
Satzungsweck der Beklagten gedeckt. Die Insolvenz des Bankhauses L und damit
auch die bei der Y dann angefallenen Verluste seien in dieser Höhe unerwartet
gewesen.
Zu einer Verletzung von Informationspflichten sei es nicht gekommen. Die Fragen
der Kläger zu 1) bis 3) seien teilweise in der Hauptversammlung in abgewandelter
Form in der Hauptversammlung gestellt worden.
Die Fragen seien hinreichend beantwortet, soweit eine Rechtspflicht zur
Beantwortung bestanden habe. Auskünfte in der Hauptversammlung seien
mündlich zu geben. Die Transaktion mit der Y sei ausführlich und hinreichend
erläutert worden. Hinsichtlich des erfragen Buchwertes der H bestehe ein
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 AktG. In Hinblick auf den
erforderlichen Verkauf der H und dem Interesse der Antragsgegnerin einen
möglichst guten Preis zu erzielen, sei es nicht sachgerecht den Buchwert bekannt
zu geben.
Die Fragen Nr. 10) und 23) der Klägerin zu 4) seien nicht mündlich in der
Hauptversammlung gestellt worden, was Voraussetzung für ein gerichtliches
Auskunftsverlangen sei. Die übrigen Fragen der Klägerin zu 4) seien hinreichend
beantwortet, soweit eine Rechtspflicht zur Beantwortung bestanden habe.
Auskünfte in der Hauptversammlung seien mündlich zu geben.
Die von den Klägern begehrte Vorlage von Unterlagen könne nicht verlangt
werden.
Die in der Bekanntmachung der Tagesordnung zu dieser Hauptversammlung
mitgeteilten Fristen für die Anmeldung und Nachweis der Aktionärsstellung seien
zutreffend. Auch die Angaben zu der Formen der Vollmacht für Kreditinstitute und
ihnen gleichgestellte Institute oder Unternehmen entsprächen den gesetzlichen
Vorschriften. Zudem sei hier nicht die Vollmachtserteilung sondern die Ausübung
des Stimmrechts angesprochen. Bei dem Angebot, dass Stimmrecht durch
Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft ausüben zu lassen, handle es sich um eine
freiwillige Leistung der Gesellschaft, für die sie besondere Bedingungen aufstellen
könne.
Der Beitritt des Streithelfers zu 7) sei unstatthaft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
Der Beitritt des Streithelfers zu 7) zur Klage der Klägerin zu 4) ist unstatthaft, da er
nicht in der Frist des § 249Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG
erfolgt ist. Die Klageerhebung der Klägerin zu 4) ist am 17.7.2009 im
elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Die Monatsfrist für den
Beitritt als Streithelfer dieser Klägerin endete daher am 18.8.2009. Der
Beitrittsschriftsatz des Streithelfers zu 7) erfolgte aber erst mit Schriftsatz vom
14.12.2009 der auch erst an diesem Tag per FAX bei Gericht einging.
Die Klagen sind begründet.
Dies gilt auch für die Klage der Klägerin zu 4). Im Gegensatz zum
Auskunftserzwingungsverfahren - 3-05 O 155/09 – hat die Beklagte im hiesigen
Verfahren nicht bestritten, dass die Klägerin zu 4) Widerspruch gegen die
streitgegenständlichen Beschlussfassungen eingelegt hat. Der entsprechende
Vortrag in der Klageschrift vom 15.6.2009 wonach die Klägerin zu 4) Widerspruch
zur Niederschrift des protokollierenden Notars eingelegt hat, war daher gem. § 138
Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 4) ist eine Nichtigkeit der
Beschlussfassungen dieser Hauptversammlung nicht gem. § 241 Nr. AktG 1 i. V.
m. § 121 Abs. 3 AktG nicht gegeben.
Die Berechnung der Frist für die Anmeldung und des Datums des Nachweises für
die Aktionärsstellung entspricht der gesetzlichen Regelung zum Zeitpunkt der
streitgegenständlichen Hauptversammlung. Entgegen der Auffassung der Klägerin
zu 4) konnte zum damaligen Zeitpunkt dass Ende auf den Tag der zu bewirkenden
Leistung fallen, so dass als Anmeldestichtag der 7 Tag, bzw. für den Record date
der 21. Tag vor der Hauptversammlung – bei dem der Tag der Hauptversammlung
nicht mitzurechnen war, zutreffend angegeben wurde. Soweit das
Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 19. November 2007 - 5
U 86/06 - (AG 2008, 325) eine andere Auffassung vertreten hat, hat es diese im
Urteil vom 17.03.2009 - 5 U 9/08 – (NZG 2009, 990) ausdrücklich aufgegeben. Die
Kammer folgt dieser neueren Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main, die auch der Ansicht der Kammer bis zum Urteil vom 19.11.2007 – 5 U 86/06
– entsprach.
Zutreffend wurde auch für den Beginn der Frist auf den ersten Tag der auf zwei
Tage einberufenen Hauptversammlung abgestellt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss
vom 17.02.2009 - 5 W 40/08 -; BeckRS 2009 09596; Reger in Bürgers/Körber, AktG,
§ 123 RZ. 11).
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass für Kreditinstitute bzw. ihnen gem. §§ 135
Abs. 12, 125 Abs. 5 AktG entgegen der Satzung keine schriftliche Vollmacht
verlangt wurde. Dis entspricht der gesetzlichen Regelung des § 135 AktG die der
Satzung insoweit vorgeht. Ob die Beklagte sogar entgegen der gesetzlichen
Regelung aufgrund der Satzungsregelung befugt gewesen wäre, auch von diesen
Personenkreis eine schriftliche Vollmacht zu verlangen (vgl. OLG Frankfurt am
Main, Beschl. v. 07.07.2009 - 5 U 152/08 -) kann hier dahingestellt bleiben.
Auch die Hinweise zu den Stimmrechtsvertretern der Gesellschaft sind nicht zu
beanstanden. Die Befolgung des Corporate Governance Kodex, dort 2.3 3 durch
die Beklagte, sieht lediglich vor, dass sie solche Stimmrechtsvertreter anbietet
und für die weisungsgebundene Ausübung des Stimmrechts sorgen soll. Weitere
Vorgaben sieht aber weder der Corporate Governance Kodes noch § 134 Abs. 3
Satz 3 AktG – hier zusätzlich noch das nachprüfbare Festhalten der
Vollmachtserteilung – vor, so dass die Gesellschaft Bedingungen für eine derartige
Stimmrechtsvertretung durch Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft festlegen
kann, soweit diese nicht diesen Regelungen widersprechen oder zu einer
Selbstkontrolle der Verwaltung führen würden (vgl. Spindler in Schmidt/Lutter,
AktG § 134 Rz. 56 f). Dies ist aber hier nicht erkennbar und wird auch von der
Klägerin zu 4) nicht ausgeführt.
Die beiden streitgegenständlichen Beschlüsse sind jedoch gem. § 243 AktG
anfechtbar.
Unabhängig davon, ob hier in der streitgegenständlichen Hauptversammlung
Informationsrechte der Aktionäre durch Nicht- oder unzureichende Beantwortung
von Fragen verletzt wurden und daher dahingestellt bleiben kann, ob und wie
Fragen in dieser Hauptversammlung gestellt und sie hinreichend beantwortet
85
86
87
88
89
90
Fragen in dieser Hauptversammlung gestellt und sie hinreichend beantwortet
worden sind, bzw. die Kläger sich in den Klageschriften hinreichend mit den
gegebenen Antworten für die Rüge einer Informationsrechtsverletzung innerhalb
der Anfechtungsfrist auseinander gesetzt haben (vgl. hierzu BGH Beschl. v.
21.09.2009 - II ZR 223/08 -BeckRS 2009 27787) können die angegriffenen
Entlastungsbeschlüsse für Vorstand und Aufsichtsrat schon deswegen keinen
Bestand haben, weil im Entlastungszeitraum der (vollständige) Beteiligungserwerb
der Y allein durch den Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats stattfand, obwohl
hierfür eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung anzunehmen
ist, mithin eine Gesetzes- bzw. Satzungsverletzung vorliegt und damit der
Entlastung von Vorstand und auch von Aufsichtsrat entgegen steht.
Eine gesetzliche Vorschrift, die im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der
Hauptversammlung begründet, existiert allerdings nicht. Mit der Rechtsprechung
des Bundesgerichthofs ist aber davon auszugehen, dass eine (ungeschriebene)
Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet ist, wenn "tief in die
Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes
Vermögensinteresse" eingegriffen werde ( vgl. BGH v. 25.2.1982 - II ZR 174/80,
BGHZ 83, 122 = AG 1982, 158) oder wenn "wichtige Grundlagenentscheidungen
getroffen" werden, die sich "auf die eigene Rechtstellung (der Aktionäre) nachhaltig
auswirken können" (vgl. BGH v. 26.4.2004 - II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG
2004, 384 und BGH v. 26.4.2004 - II ZR 154/02, NZG 2004, 575). Entscheidend ist
daher, ob die Geschäftsführungsmaßnahmen ein solches Gewicht für die Aktionäre
besitzen, dass sie in ihren Auswirkungen an die Notwendigkeit einer
Satzungsänderung heranreichen, also den Bereich berühren, in dem die
Hauptversammlung aufgerufen ist zu entscheiden, weil es eben um die "Richtlinien
der Politik" und nicht mehr allein um deren Umsetzung geht (vgl. Goette AG 2006,
522, 525 unter Bezugnahme auf BGH v. 26.4.2004 - II ZR 155/02, BGHZ 159, 30,
44 f. = AG 2004, 384 unter Verwertung der Entwicklungsgeschichte des Gesetzes).
Daraus ergibt sich als qualitatives Kriterium die Frage, ob die konkrete Maßnahme
ebenso schwer wie eine gesetzlich geregelte Strukturentscheidung, die eine
Hauptversammlungszustimmung erfordert, die mitgliedschaftliche Position von
Gesellschaftern beeinträchtigt d.h. wenn sie an die Kernkompetenz der
Hauptversammlung über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren
und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch
eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.
Die Annahme ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen setzt somit
zumindest voraus, dass (auch) eine Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte zu
befürchten ist. Gleichzeitig schützt eine Mitwirkungsbefugnis der
Hauptversammlung die Aktionäre aber auch vor einer Gefährdung ihrer
Vermögensinteressen (Habersack, AG 2005, 137).
Dabei ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, und hierauf bezogen die Frage zu
stellen, ob die tiefgreifenden Auswirkungen eintreten, die vorliegen müssen, damit
die nur in engen Grenzen in Betracht kommende außerordentliche
Mitwirkungszuständigkeit der Hauptversammlung zu bejahen ist (vgl. Goette AG
2006, 522, 526 f; ders. DStR 2004, 927; Röhricht VGR 2004, 9; Liebscher ZGR
2005. 1, 22 f; Habesack, Aktien- und GmbH Konzernrecht, 5. Aufl. vor § 311 AktG
Rz. 47 m.w.Nachw.).
Entgegen der Darlegung der Beklagten ist nach dieser Rechtsprechung des BGH
(vgl. Goette AG 2005, 522, 525; Hoffmann in Spindler/Stilz, AktG § 119 Rz. 30),
nicht ausschließlich die Mediatisierung der rechtfertigende Grund die die
ausnahmsweise Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung darstellt, unabhängig
davon, ob nicht auch ein Beteiligungserwerb bereits zu einer solchen
Mediatisierung führt (vgl. Liebscher ZGR 2005, 1, 22; Habesack in
Emmerich/Habersack a.a.O. 5. Aufl. vor § 311 AktG Rz. 42; Spindler in
Schmidt/Lutter AktG § 119 Rz. 33 m. w. Nachw. auch zur Gegenauffassung).
Entscheidend ist, ob es durch den Beteiligungserwerb zu einer wesentlichen
Veränderung der Unternehmensstruktur kommt, d.h. einer wesentlichen Änderung
der Kapitalstruktur, insbesondere der Erhöhung des Verschuldungsgrades beim
Beteiligungserwerb ( vgl. Hoffmann a.a.O.; LG Stuttgart AG 1992, 236, 237 f.
(obiter); Gessler, FS für Stimpel, S. 771, 786 f.; Goette AG 2006, 522, 527; Henze,
FS für Ulmer, S. 211, 229 f.; Liebscher ZGR 2005, 1, 23 f).
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieses Zustimmungserfordernis bereits für
die Vereinbarung vom 29.8.2008 anzunehmen ist. Nach der Konzeption dieser
91
92
93
94
95
die Vereinbarung vom 29.8.2008 anzunehmen ist. Nach der Konzeption dieser
Vereinbarung hätte jedenfalls die Hauptversammlung der Beklagten gem. § 13
Abs. 1 UmwG zustimmen müssen, womit die Beteiligungsrechte der
Hauptversammlung gewahrt gewesen wären. Zwar trifft es zu, dass diese
Hauptversammlung dann nur über die Verschmelzung zu beschließen gehabt
hätte und nicht über den vorangegangenen Erwerb von Anteilen an der Y durch die
Beklagte, doch hätte es hier der Entscheidungskompetenz der
Hauptversammlung oblegen, ob aufgrund der Finanzmarktkrise zu Tage
getretenen ungünstigen Kapitalstruktur der Y sich unmittelbar auf die Beklagte –
Erhöhung des Verschuldungsgrades der Beklagten - auswirken soll.
Es ist hier jedoch vielmehr darauf abzustellen, dass durch die Änderung der
Transaktionsstruktur durch die Vereinbarung vom 27.11.2008 gem. § 62 UmwG die
gesetzliche Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses entfallen ist, da
die Beklagte danach bereits im Januar 2009 100 % Anteile der Y halten sollte, was
tatsächlich auch erfolgte.
Der „Erwerb“ der Y in der tatsächlich durchgeführten Form wodurch es letztlich
wegen der Bestimmung des § 62 Abs. 1 Satz 1 UmwG nicht zu einem
Hauptversammlungsbeschluss der Beklagten über die Verschmelzung mit der Y
kam, stellt aber in der Gesamtschau gesehen, eine wesentliche Veränderung der
Unternehmensstruktur der Beklagten dar, da sich hierdurch die Kapitalstruktur
wesentlich änderte, insbesondere eine Erhöhung des Verschuldungsgrades eintrat,
der dazu führte, dass die Beklagte (erneut) staatliche Hilfe aufgrund des FMStFG in
Anspruch nehmen musste, mit der Folge, dass der SoFFin (mithin letztlich die
Bundesrepublik Deutschland) Großaktionär der Beklagten wurde, es zu Auflagen
der EU-Kommission, insbesondere zur Auflage des Verkaufs der
Tochtergesellschaft H kam und die Beklagte aufgrund der Regelungen des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sowie der Begleitgesetze, in ihrer
Geschäftspolitik entsprechende Vorgaben beachten muss und es für eine gewisse
Zeit nicht zu einer Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre kommen darf.
Wenn auch am 27.11.2008 die Auflagen der EU-Kommission nicht voraussehbar
waren, ergibt doch schon aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten, dass am
27.11.2008 bekannt war, dass wegen der Verwerfungen auf den Finanzmärkten
nach der Insolvenz des Bankhauses L der geschätzte Verlust der Y in erheblicher
Höhe als zunächst angenommen eintreten und die die Eigenkapitalstruktur der
Beklagten – jedenfalls nach der vorgesehen Verschmelzung - in beträchtlichem
Ausmaße beinträchtigen würde
Nimmt man hinzu, dass die Beklagte bereits zuvor am 3.11.2008 eine Stärkung
des Eigenkapitals durch eine stille Einlage des SoFFin in Anspruchnehmen musste,
lag es auf der Hand, dass wegen der Verluste der Y im Zuge der Übernahme die
Beklagte weitere eigenkapitalerhöhende Maßnahme des SoFFin benötigen würde,
wobei auch die unmittelbare (aktienrechtlich maßgebliche 25 % + 1 Aktie)
Beteiligung des SoFFin an der Beklagten – wie sie auch von ihm im Januar verlangt
wurde – und damit die Änderung der Kapitalstruktur der Beklagten damit
hinreichend erkennbar und voraussehbar war. Wie der Vorstand der Beklagten
selbst in seinem Bericht zur den vorgeschlagenen Beschlussfassung der
entsprechenden Kapitalmaßnahmen gem. §§ 7, 7a FMStBG in der
streitgegenständlichen Hauptversammlung ausführt, ist diese Kapitalmaßnahme
für die Beklagte und für ihre Aktionäre von elementarem Interesse. Im Schriftsatz
vom 20.8. 2009, dort S. 100 f (Bl. 661 f d. A.) führt die Beklagte selbst aus, dass
nach Übernahme der Y die Aufnahme von SoFFin Mitteln geboten war, um eine
den Anforderungen des Marktumfeldes entsprechende Kernkapitalquote zu
erreichen. Ohne Belang ist daher, dass in der streitgegenständlichen
Hauptversammlung eigenständige Beschlussfassungen zur Beteiligung des SoFFin
nach §§ 7, 7a FMStBG gefasst worden sind.
Zudem wird durch diese Beteiligung des SoFFin diesem die Möglichkeit gegeben,
auf die Geschäftsentwicklung der Beklagten Einfluss zu nehmen. Dieser hat nach §
5 Abs. 8 FMStFV die Möglichkeit, die Erfüllung von Bedingungen für die
Stabilisierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 2 FMStFV durch Vertrag, Verwaltungsakt
und Nebenbestimmungen oder durch Verpflichtungserklärungen sicherzustellen
(vgl. BVerfG Beschluss vom 26.03.2009 - 1 BvR 119/09 -, NJW 2009, 1331, = NZG
2009, 512 = AG 2009, 325; Horn BKR 2008, 452, 456). Beteiligt sich der Fonds an
einem Unternehmen, kann er insbesondere darauf hinwirken, dass mit
besonderen Risiken verbundene Geschäfte oder Geschäfte in bestimmten
Produkten oder Märkten reduziert oder aufgegeben werden, § 5 Abs. 2 Nr. 1
96
97
98
99
100
101
Produkten oder Märkten reduziert oder aufgegeben werden, § 5 Abs. 2 Nr. 1
FMStFV. Das Mittel hierzu ist nicht die unternehmerische Beteiligung und die
Ausübung von Aktionärsrechten in der Hauptversammlung, sondern die Abgabe
einer entsprechenden Verpflichtungserklärung der geschäftsführungsberechtigten
Organe des Unternehmens nach § 5 Abs. 8 FMStFV a. F. i.V. mit § 10 Abs. 2 Satz 1
Nr. 9 FMStFG, die den Vorstand von der Eigenverantwortlichkeit der Leitung der
Gesellschaft sowie von der innergesellschaftsrechtlichen Zuständigkeitsordnung
entbindet, § 2 Abs. 1 BeschleunigungsG.
Diese Umstände rechtfertigen es die gesetzlichen Wertungen bei der
Eingliederung nach §§ 319 ff AktG bzw. einem Beherrschungsvertrag nach § 291
Abs. 1 AktG dem Sinngehalt nach heranzuziehen, wenn auch in eigentlichem
Sinne keine Eingliederung i. S. d. §§ 319 ff AktG bzw. ein Beherrschungsvertrag
vorliegt. Bei der Eingliederung hält der Gesetzgeber die Mitwirkung der
Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft gem. § 319 Abs. 2 AktG für
erforderlich. Dies erklärt sich für sämtliche Fälle der Eingliederung, dass diese für
die Hauptgesellschaft weitreichende und ggf. einschneidende Haftungsfolgen hat
(vgl. Ziemons in Schmidt/Lutter, AktG, § 319 Rz. 24 m.w.Nachw.).
Beim Beherrschungsvertrag ist ebenfalls gem. § 293 AktG die Zustimmung der
Hauptversammlung erforderlich.
Führt daher wie vorliegend ein Beteiligungserwerb verbunden mit einer an sich
ohne Zustimmung der Hauptversammlung durchführbaren Verschmelzung zu
einer Haftung der Gesellschaft, die das Eigenkapital der Gesellschaft soweit
beeinträchtigt, das in konkretem Fall eine Eigenkapitalstärkung durch den SoFFin
durch den Vorstand der Beklagten für geboten erachtet wird, und für den SoFFin
damit sogar die gesetzliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftspolitik
begründet wird, stellt dies einen so erheblichen Eingriff in die
Unternehmensstruktur dar, der einer Satzungsänderung gleich gelagert ist und
daher die unbeschriebene Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung für den
Beteiligungserwerb begründet (vgl. auch OLG Schleswig AG 2006, 120, 123).
Auf die Frage der Quote des Werte der Gesellschaften, der nach dem eigenen –
bestrittenen - Vorbringen der Beklagten nach Ansicht des Gerichts ausreichen
würde, da danach der Wert für die Y bei knapp über der Hälfte des Wertes der
Beklagten liegt und die Y zur sog Pro-forma-Bilanz am 12.1.2009 40 % beigetragen
hat, kommt es letztlich bei den dargelegten Gesamtumständen über die
einschneidende Änderung der Unternehmensstruktur nicht an.
Auf das Berufen der Beklagten auf die satzungsmäßige Konzernklausel führt zu
keiner anderen Beurteilung. Es kommt nicht darauf an, dass die Satzung der
Beklagten grundsätzlich einen Erwerb von Unternehmen gestattet, entscheidend
ist – worauf auch das OLG Frankfurt am Main in seiner Entscheidung vom
21.6.2008 – 5 U 34/07 – (AG 2008, 862) abstellt, ob eine Maßnahme vorliegt, die
einer Satzungsänderung angesichts der tief in die mitgliedschaftliche Stellung der
Aktionäre eingreifenden Wirkung so nahe kommt, dass die an sich gegebene
Gestaltungsmacht des Vorstands hinter der gebotenen Mitwirkung der
Hauptversammlung zurücktreten müsste. Dies ist hier aber aus den oben
genannten Gründen, erhebliche Veränderung der Kapitalstruktur und daraus
folgend eine Einflussnahmemöglichkeit des SoFFin auf die Geschäftsführung,
gegeben, wodurch sich daher der Erwerb der Y mit anschließender Verschmelzung
von anderen Beteiligungserwerben unterscheidet. Insoweit lag schon der
grundsätzlichen Struktur nach eine andere Form des Beteiligungserwerbs vor, als
die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (a .a. O.)
zugrunde lag.
Der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand der Beklagten, dass der
Erwerb aus genehmigten Kapital erfolgte, mithin schon entsprechend der
Siemens/Nold Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1997, 2815) eine
Genehmigung der Hauptversammlung (bereits) vorliege, greift demgegenüber
nicht durch. Hier geht es nur grundsätzlich die Möglichkeit der Schaffung
genehmigten Kapitals ggf. zum Erwerb von Beteiligungen und nicht – wie
vorliegend – eine sich anschließende, bei Erwerb schon beabsichtigte
Verschmelzung mit dem deswegen erforderlichen Einstieg des SoFFin die erheblich
in die Kapitalstruktur und das aktienrechtliche Leitungsgefüge der Beklagten
eingreift. Dies kann nicht von der Beschlussfassung zur Ermächtigung des
Vorstandes zur Schaffung genehmigten Kapitals gemeint sein, so dass hier auch
dahingestellt bleiben kann, ob die Verwaltung der Beklagten anlässlich der
102
103
104
dahingestellt bleiben kann, ob die Verwaltung der Beklagten anlässlich der
Hauptversammlung ihrer Berichtspflicht über die Ausübung genehmigten Kapitals
nachgekommen ist – was auch einer Entlastung entgegen stehen könnet, aber
von keinem Kläger gerügt wurde -, d.h. ob hier nicht ein förmlicher Bericht (so
Wilsing ZGR 2006, 722, 731; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate
Governance, 2001, Rz. 230) zu erstatten gewesen wäre oder die Berichterstattung
im Anhang des Jahresabschlusses nach § 160 Abs. 1 Nr. 3, 4 AktG ausreicht (so
Bungert BB 2005, 27572758), wobei auch dies vorliegend im Hinblick auf den
konkreten Vorgang sehr rudimentär (vgl. Tz 67 des Anhangs) erfolgt ist.
Die fehlende Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung, die sich an sich
auf die Tätigkeit des Vorstandes bezieht und daher zunächst die Anfechtbarkeit
des Entlastungsbeschlusses für den Vorstand betrifft, schlägt auch auf die
Beschlussfassung über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder durch. Der
Umstand, ob der Vorstand der ihm obliegenden Leitungsaufgaben hinreichend
gerecht wird, betrifft auch den Aufsichtsrat. Im Rahmen seiner
Überwachungsverpflichtung nach § 111 AktG obliegt dem Aufsichtsrat die
Überwachung des Vorstandes, ob dieser seinen rechtlichen Pflichten, hier der
erforderlichen Beteiligung der Hauptversammlung zum Erwerb der Y aufgrund der
Vereinbarung vom 27.11.2008 gerecht wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, wobei wegen der
Unstatthaftigkeit des Beitritts des Streithelfers zu 7), diese seine Kosten selbst zu
tragen hat, während im Übrigen der Beklagten wegen des Unterliegens die Kosten
des Rechtsstreits aufzuerlegen waren.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in
§ 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.