Urteil des LG Frankfurt am Main vom 27.01.2009

LG Frankfurt: entschädigung, minderung, wartezeit, toleranzgrenze, abflug, verpflegungskosten, pauschalreisevertrag, bad, betrug, wiedergabe

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Gericht:
LG Frankfurt 24.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-24 S 177/08,
2/24 S 177/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651d Abs 1 BGB, § 651f Abs
1 BGB, § 651f Abs 2 BGB
Pauschalreisevertrag: Minderungsanspruch bei
Flugverspätung; Entschädigung für entgangene
Urlaubsfreude; Schadensersatz für Aufwendungen zur
Verpflegung während der Wartezeit
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.8.2008 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H. – Az. 2 C 97/08 (15) – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 710,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.8.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 43 % und die
Beklagte zu 57 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 26 % und die Beklagte
zu 74 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der
Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete
Berufung der Beklagten hat in der Sache zur zum Teil Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 710,33 Euro
zu. Der Kläger kann von der Beklagten wegen der verzögerten Hin- und Rückreise
Minderung, Schadensersatz und Entschädigung verlangen (§§ 651 d Abs. 1, 651 f
Abs. 1 und 2 BGB).
Nach dem Vortrag des Klägers sollte der Hinflug am 10.7.2007 um 6.35 Uhr
erfolgen. Der tatsächliche Abflug fand jedoch erst am 11.7.2007 um 8.40 Uhr
statt. Hieraus errechnet sich eine Verzögerung von 26 Stunden und 5 Minuten.
Der Rückflug am 24.7.2007 sollte am 19.20 Uhr gestartet werden.
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Tatsächlich begann der Rückflug am 25.7.2007 um 8.30 Uhr. Hieraus errechnet
sich eine Verzögerung von 13 Stunden und 10 Minuten.
Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf ihren Vortrag in erster
Instanz verweist, wonach die Verzögerung der Hinreise "knapp 26 Stunden" und
der Rückreise "knapp 13 Stunden" betragen haben soll, unterlässt es die Beklagte
jedoch, konkrete Abflug- und Ankunftstermine zu benennen. Vielmehr hätte sich
die Beklagte zu den konkreten Flugdaten äußern müssen, falls die von dem Kläger
benannten Zeiten unzutreffend gewesen sein sollten. Auch in der
Berufungsinstanz erfolgt kein weitergehender, insbesondere zu den Angaben des
Klägers abweichender Vortrag.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer, von der abzuweichen dieser
Rechtsstreit keinen Anlass gibt, ist bei einem Reisevertrag, der auch eine
Luftbeförderung beinhaltet, eine Verzögerung des Fluges bis zu 4 Stunden
grundsätzlich hinzunehmen und begründet keine reisevertraglichen Ansprüche
(vgl. grundlegend Kammerurteil vom 26.7.2007, Az. 2-24 S 223/06). Erst eine über
diesen Zeitraum hinausgehende Verzögerung begründet einen
Minderungsanspruch für jede weitere angefangene Stunde von 5 % des jeweiligen
Tagesreisepreises.
Diese Grundsätze führen in diesem Fall bezüglich des Hinfluges zu einer
Minderung von 115 % des anteiligen Tagesreisepreises (weitere Flugverzögerung
von 22 Stunden, 5 Minuten, also 23 x 5 %) und für den Rückflug zu einer
Minderung von 50 % des anteiligen Reisepreises (weitere Flugverzögerung von 9
Stunden 10 Minuten, also 10 x 5 %).
Als maßgeblicher Reisepreis ist von einem Betrag von 2.846 Euro auszugehen.
Zwar betrug der Reisepreis ursprünglich 2.144 Euro. Die Parteien haben sich
jedoch nachträglich, einen Tag nach Beginn der Reise, auf eine Abänderung des
Reisevertrages verständigt. Es liegt keine Vereinbarung zwischen dem Kläger und
dem Hotel vor. Aus dem Zahlungsbeleg (Bl. 40 d. A.) folgt, dass hier der
Reiseleiter für die Beklagte gehandelt hat. Maßgeblicher Bezugspunkt für die
Berechnung der Minderung ist der Gesamtreisepreis. Ohne Bedeutung bleibt,
wann sich die Parteien auf den endgültigen Reisevertrag verständigt haben. Durch
die Abänderung der vertraglichen Leistungen ist die Reise insgesamt wertvoller
geworden. Dies wirkt sich auch auf den Hinflug aus, der notwendiger Bestandteil
der Reise war. Es besteht kein gerechtfertigter Grund, die Hinreise geringer zu
bewerten als die Rückreise.
Ausgehend von einer Reisedauer von 14 Tagen beträgt der Tagesreisepreis 203,28
Euro. Die Minderung für den Hinflug beläuft sich damit auf 233,77 Euro und für den
Rückflug auf 101,64 Euro.
Dem Kläger steht ferner sowohl für den Hinflug als auch für den Rückflug ein
Anspruch auf Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu (§ 651 f Abs.
2 BGB).
Auch im Falle einer verzögerten Hinreise und einer verspäteten Rückreise kann
eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gerechtfertigt sein (vgl.
Kammerurteil vom 30.10.2008 Az. 2-24 S 119/08). Die verzögerte Hinreise
verkürzt den Aufenthalt am Urlaubsort und führt deshalb zu einer
Beeinträchtigung des Urlaubszweckes. Bei einer Verlängerung des Urlaubs ist die
überzogene Zeit – abzüglich der Toleranzgrenze von vier Stunden – als verfehlter
Zeiteinsatz anzusehen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ggf.
ein zusätzlicher Urlaubstag angefallen ist. Ein zwangsweises Verweilen am
Urlaubsort stellt keinen geldwerten Vorteil dar, der die Entschädigung nach § 651 f
II BGB mit ihrem immateriellen Ausgleichscharakter kompensieren könnte (vgl.
schon Urteil der Kammer vom 07.01.1991, NJW-RR 1991, 630, 631).
Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter
Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f II BGB auf den
Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu
stehen hat (vgl. z. B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).
Angesichts der Verspätung des Hinfluges von mehr als 26 Stunden unter
Berücksichtigung der Toleranzgrenze von vier Stunden hält die Kammer eine
Entschädigung in Höhe von einem Tagesreisepreis für angemessen.
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Für den Rückflug ist eine Entschädigung in Höhe eines hälftigen Tagesreisepreises
gerechtfertigt. Hier beträgt die relevante Verzögerung mehr als 9 Stunden.
Der Kläger kann ferner für seine Aufwendungen zur Verpflegung während der
Wartezeit des Hinfluges und der Wartezeit des Rückfluges Schadensersatz gemäß
§ 651 f Abs. 1 BGB verlangen. Mit dem Amtsgericht ist die Höhe des Schadens auf
70 Euro zu schätzen (§ 287 ZPO). Es ist nahe liegend, dass während der Wartezeit
eine Verpflegung mit Essen und Trinken notwendig war. Nach dem nicht
bestrittenen Vortrag des Klägers sind Verpflegungsgutscheine in Höhe von 7,–
Euro und 10,– Euro übergeben worden. Diese Gutscheine dürften für eine
Verpflegung des Klägers und seiner mitreisenden Ehefrau nicht ausreichend
gewesen sein. Der Kläger gibt seine Aufwendungen für Frühstück und Mittagessen
mit insgesamt 84,10 Euro an. Insoweit verbleibt ein Differenzbetrag von 64,10
Euro. Dass auf einem Flughafen Verpflegungskosten in dieser Höhe aufgewendet
werden müssen, erscheint durchaus als wahrscheinlich. Da auch
Verpflegungskosten für die Wartezeit beim Rückflug angefallen sein dürften, ist der
Betrag von 70 Euro angemessen. Da es sich um einen geringfügigen Betrag
handelt und der Aufwand für eine konkrete Ermittlung der aufgewendeten Kosten
unverhältnismäßig groß ist, sind die Voraussetzungen für eine Schadensschätzung
gemäß § 287 ZPO erfüllt.
Insgesamt steht dem Kläger damit ein Zahlungsanspruch von 710,33 Euro zu. Der
Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Dieser wird
von der Beklagten in der Berufungsinstanz auch nicht angegriffen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens sind in
dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens unter Berücksichtigung der jeweiligen
Streitwerte verhältnismäßig zu teilen (§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer
für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des
2. JuMoG vom 22.12.2006 nicht erreicht wird.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§
543 Abs. 2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.