Urteil des LG Frankfurt am Main vom 29.03.2017

LG Frankfurt: besteuerung von dividenden, kapitalherabsetzung, gewinnausschüttung, sondervorteil, aktiengesellschaft, zustellung, akte, geschäftsjahr, anfechtungsfrist, privatvermögen

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 141/07, 3/5
O 141/07, 3-05 O
141/07, 3/05 O
141/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 53a AktG, § 58 AktG, § 243
Abs 2 AktG, § 254 AktG
Aktiengesellschaft: Ausschüttungen mit Steuervorteilen für
nur einzelne Aktionäre; Anspruch der Aktionäre auf
höchstmögliche Gewinnausschüttung
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger haben jeweils ihre außergerichtlichen Kosten und die
gerichtlichen Kosten ihrer Klagen zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Kläger zu
1) und 2) jeweils 50 % zu tragen.
Die Streithelfer zu 3) und 4) haben ihre außergerichtlichen Kosten
selbst zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die über ein Grundkapital
von EUR 140.400.000 verfügt, das in 140.400.000 Stückaktien eingeteilt ist.
Langjährige Mehrheitsaktionärin der Gesellschaft war Frau K, die rund 50,1% der
Aktien hielt. In einer außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
19.12.2006 stimmte die Hauptversammlung der Veräußerung der Pharmasparte
der Beklagten zu. Gegen diesen Zustimmungsbeschluss ist AnfechtungS.lage zum
Az. des Landgerichts Frankfurt am Main 305 O 8/07 erhoben worden. Nach
Klagerücknahme anderer Kläger sind nur noch die hiesigen Klägern zu 1) und 2)
und die hiesige Streithelferin zu 3) Kläger diesen Rechtsstreits, denen der hiesige
Streithelfer zu 4) ebenfalls als Streithelfer beigetreten ist. Nach mündlicher
Verhandlung am 13.11.2007 in dem Verfahren 3-05 O 8/07 ist dort Termin zur
Verkündung einer Entscheidung auf den 21.12.2007 bestimmt worden. Nach der
außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.12.2006 übertrug
Frau K ihre Aktien an der Beklagten auf einer S. GmbH, an der sie sämtliche
Beteiligungen hält, so dass sie noch mittelbar Hauptaktionärin der Beklagten ist.
Der Verkauf der Pharmasparte wurde am 29.12.2006 vollzogen. Der Kaufpreis (ca.
EUR 4,5 Mrd.) wurde bar bezahlt. Die ordentliche Hauptversammlung der
Beklagten fand am 3. Mai 2007 statt. Zu dieser war im elektronischen
Bundesanzeiger vom 23.3.2007 geladen worden. Wegen der Einzelheiten dieser
Ladung wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Anlage B1, Sonderband Anlagen)
verwiesen. Entsprechend dem Vorschlag der Verwaltung wurde zu
Tagesordnungspunkt 2 ein Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns von
insgesamt EUR 4.732.340.361,60 dahingehend getroffen, dass insgesamt EUR
34,80 Dividende je dividendenberechtigte Stückaktie ausgeschüttet werden soll.
Diese Dividende setzt sich zusammen aus einer Sonderdividende von EUR 33,00
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Diese Dividende setzt sich zusammen aus einer Sonderdividende von EUR 33,00
als Ausschüttung des Gewinn aus der Veräußerung der Pharmasparte, einer
Dividende von EUR 1,30 für das Geschäftsjahr 2006 und einer Bonusdividende von
EUR 0,50. Wegen der Einzelheiten dieser Hauptversammlung wird auf das in
Ablichtung zu der Akte gereichte notarielle Protokoll des Notars v. S UR.NR. ../..
(Anlage B3 Sonderband Anlagen) verwiesen.
Die Beteiligten zu 3) – 4) sind den Klägern vor der mündlichen Verhandlung im
vorliegenden Verfahren als Streithelfer beigetreten, der Beteiligte zu 6) ist der
Beklagten erst nach der mündlichen Verhandlung als Streithelfer beigetreten.
Die Kläger sind der Auffassung, dass es sich bei dieser Beschlussfassung wegen
der dort beinhalteten Sonderausschüttung infolge der Veräußerung der
Pharmasparte um ein Sondervorteil für die ehemalige Hauptaktionärin handle, da
diese anders als Minderheitsaktionäre durch die Einbringung ihrer Aktien eine
GmbH nur geringfügig Steuern auf diese Dividende zahlen müsse. Für die
Minderheitsaktionäre wäre es steuerlich günstiger gewesen, den Erlös für ein
Aktienrückkaufprogramm und einer Kapitalherabsetzung zu verwenden. Zudem
habe die Veräußerung der Pharmasparte nicht im Interesse der Beklagten sondern
nur im Interesse der Hauptaktionärin gelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf die jeweiligen Klagebegründungen (Bl. 10-12, 25, 26 d. A.) und den
Schriftsatz des Klägers zu 2) vom 11.9.2007 (Bl. 119-122 d. A.) Bezug genommen.
Die Kläger und ihre Streithelfer beantragen,
den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 3.5.2007
zum Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschluss zur Verwendung des
Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2006 für nichtig zu erklären,
hilfsweise der Kläger zu 2) und die Streithelfer der Kläger,
festzustellen, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der
Beklagten vom 3.5.2007 unter Tagesordnungspunkt 2 gefasste Beschluss zur
Verwendung des Bilanzgewinns nichtig ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist zunächst der Auffassung, dass die AnfechtungS.lagen nicht
innerhalb der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden seien. Weiterhin
sei der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 2 nicht zu beanstanden, da er nicht zu
einem Sondervorteil für die Mehrheitsaktionärin geführt habe. Durch die Beklagte
seien alle Aktionäre bei der Ausschüttung gleich behandelt worden. Der Verkauf
der Pharmasparte habe im Interesse der Beklagten gelegen. Die Verwaltung
haben auch überprüft, ob es Alternativen zur Ausschüttung der Sonderdividende
gegeben habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung der
Beklagten vom 8.8. 2007 (Bl. 91 – 104 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind unbegründet.
Zwar sind die Klagen rechtzeitig in der Anfechtungsfrist erhoben, da nach
ständiger Rechtsprechung der Kammer die Klageeinreichung innerhalb der Frist
genügt und der Kläger erst auch nach Aufforderung des Gerichts den
GerichtS.ostenvorschuss (binnen 2 Wochen) einzuzahlen hat, was Voraussetzung
für eine Zustellung an die Beklagte ist. Die Zustellung wirkt dann gem. § 167 ZPO
auf den Tag der Einreichung der Klage fristwahrend zurück. Dass die
Fristwahrungsfiktion des § 167 ZPO nicht bei der aktienrechtlichen
AnfechtungS.lage gelten soll, ergibt sich aus dem Gesetz nicht und wird auch
soweit ersichtlich in der Rechtsprechung und Literatur (vgl. hierzu Hüffer, AktG, 7.
Aufl. § 246 Rz. 23 m. w. Nachw.) nicht vertreten.
Die Beschlussfassung zu TOP 2, Verwendung des Bilanzgewinns, verletzt jedoch
weder Gesetz noch Satzung. Die Kläger und ihre Streithelfer machen zu Unrecht
geltend, dass durch diesen Beschluss es zu einer Ungleichbehandlung der
Aktionäre komme, da die Kleinaktionäre die ausgeschüttete Dividende – soweit der
steuerliche Freibetrag überschritten werde – nach dem Halbeinkünfteverfahren zu
versteuern hätten, während die Hauptaktionärin durch das Einbringen ihrer Aktien
vor Beschlussfassung und Ausschüttung in eine GmbH diese Ausschüttung
nahezu steuerfrei habe vereinnahmen können. Zunächst liegt eine steuerfreie
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nahezu steuerfrei habe vereinnahmen können. Zunächst liegt eine steuerfreie
Vereinnahmung durch Frau K persönlich nicht vor. Dass die S. GmbH, in die Frau K
ihren Aktienbesitz an der Beklagten eingebracht hat, die Dividendenzahlung nur
gering versteuern muss, liegt darin begründet, dass der Steuergesetzgeber,
Dividendenzahlungen an Aktionäre die als Kapitalgesellschaft Aktien im
Betriebsvermögen halten, steuerlich gegenüber Aktionären die als natürliche
Personen Aktien im Privatvermögen halten, in gewissem Sinne steuerlich
privilegiert, § 8b KStG. Diese Privilegierung ist, soweit man überhaupt eine
Besteuerung von Dividenden für sachgerecht hält, da die Dividende sich erst aus
dem bereits versteuerten Gewinn der Gesellschaft ergibt, mithin schon eine
Doppelversteuerung vorliegt, dem der Gesetzgeber für den hier maßgeblichen
Zeitraum mit dem sog. Halbeinkünfteverfahren für natürliche Personen in gewisser
Weise begegnen wollte, auch geboten, da die nicht privilegierte Besteuerung
zwischengesellschaftlicher Ausschüttungen letztlich zu einer Verstärkung der
Doppelbesteuerung geführt hätte. Zwischengesellschaftliche Dividenden sollen -
wie schon im früheren Vollanrechnungssystem - nur einmal mit Körperschaftsteuer
belastet werden. Damit tritt der an Einkommensteuerpflichtige letztlich
ausgeschüttete Gewinn einmal, aber auch nur einmal mit Körperschaftsteuer
belastet in das Halbeinkünfteverfahren ein (Grundsatz der Einmal-Belastung).
Nimmt daher die S. GmbH aufgrund der Einnahmen durch die Zahlung der
Dividende Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafterin vor, muss die
Gesellschafterin diese Einnahme im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens nach
ihrem persönlichen Steuersatz letztlich ebenfalls versteuern. Dies gilt aber nicht
nur für die Gesellschaft der früheren Hauptaktionärin sondern für alle
körperschaftsteuerpflichtigen Aktionäre der Beklagten, mithin auch für die Klägerin
zu 1), die Streithelferin zu 3) und in gewissem Umfang auch für die Streithelferin
zu 4), die ebenfalls von der Privilegierung in der Weise profitieren können, dass
ihnen gewisse steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ausschüttung an ihre
Gesellschaft gegeben sind, die letztlich zu einer steuerlichen Entlastung der
dahinter stehenden natürlichen Personen führen können.
Selbst wenn es hierdurch zu einem tatsächlichen Steuervorteil der (früheren)
Hauptaktionärin und ggf. anderer Aktionäre kommen sollte, kann hierin kein
rechtswidriger Sondervorteil i.S.d. § 243 Abs. 2 AktG und auch keine
Ungleichbehandlung i.S.d. § 53a AktG erblickt werden.
Die steuerlich notwendigen Konsequenzen, die sich aus der Rechtsform des
Aktionärs und der hierfür geltenden Steuergesetzgebung ergeben, liegen nicht in
dem Verhältnis des einzelnen Gesellschafters zur Gesellschaft sondern in der
individuellen Person begründet, und sind allenfalls ein Reflex aus der
unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften und
natürlichen Personen; insoweit handelt es sich um eine vom Gesetz tolerierte und
deshalb von der Minderheit hinzunehmende Rechtsfolge (vgl. BGH AG 2005,
313m.w.N.). Aus dem Rücksichtnahmegebot des Mehrheitsgesellschafters lässt
sich nichts anderes ableiten. Dieser ist in der Disposition über seine Beteiligung
grundsätzlich frei und muss nicht aus Rücksicht auf die Vermögensinteressen
anderer Mitgesellschafter seinerseits erhebliche Vermögensnachteile in Kauf
nehmen.
Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte die
Möglichkeit gehabt hätte, durch Verwendung des Erlöses des Verkaufs der
Pharmasparte für eine Kapitalherabsetzung bzw. einen Aktienrückkauf und dem
damit verbundenen Kursanstieg den Kleinaktionären die Möglichkeit zu geben, den
Kaufpreiszufluss aus dem Verkauf der Pharmasparte steuerfrei zu vereinnahmen.
Zunächst handelt es sich bei der Entscheidung, ob vorhandene Barmittel als
Dividende auszuschütten sind, oder diese Mittel im Wege einer
Kapitalherabsetzung und/oder Aktienrückkauf verwendet werden sollten, um eine
unternehmerische Entscheidung, die an sich nicht der gerichtlichen Kontrolle
unterliegt. Wie sich zudem aus der Rechtssystematik der §§ 58, 254 AktG ergibt,
geht das Gesetz davon aus, dass Aktionäre grundsätzlich einen Anspruch auf die
höchst mögliche Gewinnausschüttung haben (vgl. Cahn/Senger in Spindler/Stilz
AktG § 58 Rz. 2 m.w.Nachw.). Weiterhin könnte es vorliegend zwar für einzelne
Aktionäre wirtschaftlich zweckmäßig gewesen sein, wenn durch einen
Aktienrückkauf der Börsenkurs gestiegen wäre und sie dann durch Verkauf ihre
Aktien das der Beklagten durch den Verkauf der Pharmasparte zugeflossene
Kapital für sich hätten steuerfrei realisieren können, doch bedeutet dies, dass nur
Aktionäre von dem Verkauf der Pharmasparte hätten wirtschaftlich profitieren
können, die sich von ihrer Beteiligung an der Beklagten getrennt hätten. Aktionäre
die an ihrer Beteiligung an der Beklagten hätten festhalten wollen, hätten
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die an ihrer Beteiligung an der Beklagten hätten festhalten wollen, hätten
wirtschaftlich unmittelbar nicht am Verkauf der Pharmasparte profitieren können
im Gegensatz zur beschlossenen Sonderausschüttung. Zudem erscheint es
fraglich, ob bei einem massenhaften Verkauf es tatsächlich zu Kurssteigerungen in
dem Umfang gekommen wäre, der die (verkaufenden) Aktionäre in dem Umfang
an dem Erlös des Verkaufs der Pharmasparte beteiligt hätte, wie die beschlossene
Sonderausschüttung abzüglich ggf. zu zahlender privater Ertragsteuern. Soweit die
Kläger vorbringen, dass bei einer Kapitalherabsetzung und Rückzahlung, hier ist
wohl die nach § 222 Abs. 3 AktG gemeint, bei der ein Teil des Grundkapitals
zurückgezahlt wird, von der Aktionären steuerfrei hätte vereinnahmt werden
können, so ist dies angesichts des gesetzlichen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG
nicht zutreffend. Zahlungen auf Grund einer den handelsrechtlichen Vorschriften
entspr. Herabsetzung des Grund- oder Stammkapitals einer unbeschränkt
steuerpflichtigen Körperschaft sind handelsrechtlich zwar kein Ertrag des Kapitals,
sondern Kapitalrückzahlung. Diese Zahlungen gehören steuerrechtlich jedoch kraft
ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den
Einnahmen der Anteilseigner aus Kapitalvermögen, soweit die Bezüge als
Gewinnausschüttung i. S. d. § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG gelten. Für die Aktionäre
hätte sich daher im Ergebnis steuerlich zu der Sonderausschüttung keine
Änderung ergeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO i.V.m. § 101 ZPO. Für den erst
nach der mündlichen Verhandlung beigetretenen Streithelfer der Beklagten war
eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, da die mündliche Verhandlung nicht
wiedereröffnet wurde. Unterbleibt eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung, entfällt gemäß §§ 67, 68 2. Halbsatz 1. Alternative ZPO auch die
Interventionswirkung mit der Folge, dass über die Kosten dieses Beitretenden nicht
zu entscheiden ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Schleswig-Holsteinische
Anzeigen 1999, 102; Kammerurteil v. 9.3.2004 - 3-05 O 107/03 – insoweit in NZG
2004, 672 nicht abgedruckt).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.