Urteil des LG Frankfurt am Main vom 15.03.2017

LG Frankfurt: access provider, zugang, wettbewerbshandlung, verfügung, internetseite, unterlassen, garantenstellung, beihilfe, dokumentation, form

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Gericht:
LG Frankfurt 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-03 O 526/07,
2/03 O 526/07, 2-3
O 526/07, 2/3 O
526/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 Nr 1 UWG, § 3 UWG,
§ 4 Nr 11 UWG, § 184 StGB, §
7 Abs 2 S 2 TMG
Access-Provider: Haftung für pornografische Angebote
Dritter in Internet
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit
der den Antragsgegnern bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt werden
soll, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Nutzern den Zugang zum Internet zu ermöglichen, ohne gleichzeitig den
Zugang dieser Nutzer zu folgenden Webseiten zu sperren:
...
...
solange auf dieser und durch diese
a. pornografische Schriften ohne jegliche Zugangsbeschränkung verbreitet
werden;
b. tierpornografische Schriften verfügbar sind
wie geschehen am 06.11.2007
ist zurückzuweisen.
Der Verfügungsantrag ist mangels Bestehens eines Verfügungsanspruchs
unbegründet.
Allerdings wird ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht schon
allein dadurch ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin zu 1. als sog. Access-
Provider nach dem Telemediengesetz (TMG) nur eingeschränkt haftet. Das zu
ihren Gunsten eingreifende Haftungsprivileg des § 8 TMG findet auf
Unterlassungsansprüche keine Anwendung (vgl. BGH GRUR 2004, 860, 862 –
"Internetversteigerung"; BGH Urt. v. 12.07.2007, WRP 2007, 1173, 1175, Rn. 20 –
"Jugendgefährdende Schriften bei e-Bay"). Vielmehr bleiben nach § 7 Abs. 2, Satz
2 TMG Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von
Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der
Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters unberührt. Eine derartige Haftung der
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Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters unberührt. Eine derartige Haftung der
Antragsgegner für rechtswidrige, weil gegen §§ 184, 184 a StGB und §§ 24, 4 des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrags verstoßende Handlungen Dritter,
insbesondere in Form des Anbietens von Pornografie auf den Webseiten ... und ...
und den über diese Plattform zu erreichenden, weil verlinkten,
Anbieterhomepages, besteht nicht.
Zunächst haften die Antragsgegner nicht als von
Wettbewerbsverstößen nach § 4 Nr. 11 UWG.
Ersichtlich bietet die Antragsgegnerin zu 1. selbst keine pornografischen Schriften
und/oder Bilder im Internet an. Als Access-Provider stellt die Antragsgegnerin zu 1.
vielmehr lediglich Verbindungen zu einem Kommunikationsnetz her und macht die
dort öffentlich angebotenen Leistungen nicht selbst zugänglich (vgl. OLG-Frankfurt
GRUR-RR 2005, 147 m. w. Nw.). Auch die Antragstellerin behauptet nicht, dass die
Antragsgegnerin zu 1. oder der für sie handelnde Antragsgegner zu 2. selbst als
in Betracht kommen.
Eine Tätigkeit der Antragsgegner als der von Dritten im Internet
begangenen Handlungen der Verbreitung pornografischer Schriften und/oder
Bilder scheidet aus, weil es an einer irgendwie gearteten Teilnahmehandlung fehlt.
Eine Beihilfe durch Unterlassen setzt das Bestehen einer Garantenstellung voraus,
die hier – bezogen auf die Antragsgegner – nicht ersichtlich ist.
Ein Verstoß der Antragsgegnerin zu 1. gegen die Generalklausel
des § 3 UWG, den der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.07.2007 (BGH
Urt. v. 12.07.2007, WRP 2007, 1173, 1175, Rn. 20 – "Jugendgefährdende Schriften
bei eBay") im Fall des Anbietens jugendgefährdender Medien über die
Handelsplattform eBay angenommen hat, scheitert am Vorliegen einer
. Zur Begründung verweist die Kammer vollinhaltlich auf die
nachfolgend zitierten Erwägungen an, mit denen das Landgericht Kiel in seinem
Urteil vom 23.11.2007 (Anlage AG 5 zur Schutzschrift der Antragsgegner vom
27.11.2007):
"Eine Wettbewerbshandlung ist jede Handlung einer Person mit dem Ziel,
zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den
Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu
fördern. Die Beklagte stellte lediglich den Zugang zum Internet und auch zu der
Internetseite ccc zur Verfügung. Die Kunden der Beklagten erhalten damit die
Möglichkeit, Inhalte aus dem Internet abzurufen oder in das Internet einzustellen.
Dafür erhebt sie Gebühren. Die Erhebung dieser Gebühren erfolgt völlig
unabhängig davon, welche Inhalte der Kunde aus dem Internet herunterlädt bzw.
welche Inhalte er in das Internet einstellt. Die Leistung der Beklagten zu 1. ist
inhaltsneutral, sie erbringt eine reine Telekommunikationsleitung und verfolgt
wieder eigene noch fremde Wettbewerbsinteressen mit konkretem Bezug auf die
Internetseite ccc. Ihr geht es nicht darum, dass bestimmte Inhalte im Internet
abrufbar sind. Die Beklagte profitiert in keiner Weise von der Nutzung der
beanstandeten Website. Die monatlichen Grundgebühren fallen für den Nutzer
unabhängig davon an, obwohl in welcher Weise einen Anschluss genutzt wird."
Schließlich haften die Antragsgegner nicht nach den von der Rechtsprechung
entwickelten aus einer analogen Anwendung des §
1004 BGB auf Unterlassung. Dabei kann offen bleiben, ob der Bundesgerichtshof
in seiner Entscheidung vom 12.07.2007 abweichend von seiner früheren
Rechtsprechung die Störerhaftung im Wettbewerbsrecht grundsätzlich von einer
eigenen Wettbewerbshandlung des Inanspruchgenommenen i. S. von § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG abhängig machen wollte (so: Köhler GRUR-RR 2007, 337, 343). Denn
schon nach der bisherigen Rechtsprechung setzte die Störerhaftung voraus, dass
der Inanspruchgenommene eine für eine Verletzung von
Rechten des Anspruchstellers durch den eigenverantwortlich handelnden Dritten
gesetzt hat und zudem die Möglichkeit zur Verhinderung dieser
Handlung hatte. Daran fehlt es vorliegend.
Die Antragsgegner haben keine Ursache für die pornografischen
Angebote Dritter gesetzt. Die Handlungen der Betreiber der Internetseiten ...
und/oder ... oder der über diese Suchseiten zu erreichenden Webseiten
pornografischen Inhalts sind den Antragsgegnern nicht zuzurechnen. Die
Antragsgegnerin zu 1. steht in keinerlei vertraglicher Beziehung zu den Betreibern
vorgenannter Seiten. Sie ermöglicht lediglich den Zugang zu ihnen. Insoweit ist
ihre Leistung inhaltsneutral. Das bloße Internet-Angebot eines konkreten
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ihre Leistung inhaltsneutral. Das bloße Internet-Angebot eines konkreten
Anschlusses zur Telekommunikation kann nicht als eine von dem Anbieter der
Kommunikationsleistung zu verantwortende Verletzungshandlung qualifiziert
werden (vgl. für den vergleichbaren Fall der Freischaltung eines Faxanschlusses:
OLG Karlsruhe Urteil v. 08.05.2002, WRP 2002, 1090 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO, der Streitwertbeschluss
auf § 3 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.