Urteil des LG Frankfurt am Main vom 19.06.2009

LG Frankfurt Main: adresse, briefkasten, zustellung, zugang, öffentliche urkunde, ordentliche kündigung, gesetzliche frist, zwangsverwaltung, die post, liegenschaft

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 U 303/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 57a ZVG, § 535 BGB, §§
535ff BGB
(Gewerberaummiete: Sonderkündigungsrecht des
Erstehers in der Zwangsversteigerung für Miet- und
Pachtverhältnisse zum "ersten zulässigen Termin")
Leitsatz
An den Begriff des "ersten zulässigen Termins" sind keine überspannten Anforderungen
zu stellen. Er ergibt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Gekündigt werden kann
auch noch für einen später zulässigen Termin, wenn bei Beobachtung der erforderlichen
Sorgfalt die Kündigung zum frühen Zeitpunkt nicht möglich war.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 21. November 2008 (Az.2-10 O 121/08) abgeändert.
Die Klägerin wird verurteilt, die Räume der Liegenschaft A-Str. 1, Stadt1 im
Erdgeschoss, 1. und 2. OG, sowie die Räume im Kellergeschoss, Erdgeschoss und
1. und 2. OG des Anwesens A-Str. 1a, Stadt1 zu räumen und an die Beklagte
herauszugeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die Klägerin darf die
Vollstreckung in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 €
abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe
leistet.
Hinsichtlich der Kostenentscheidung darf die Klägerin die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages
abwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Ausübung eines
Sonderkündigungsrechts nach Zuschlag in der Zwangsversteigerung durch die
Beklagte.
Die Klägerin mietete unter ihrer vorherigen Firma B GmbH & Co. KG mit Vertrag
vom 15.10.2005 von der Firma C A-Straße GmbH & Co. KG Räumlichkeiten der
Liegenschaft A-Straße 1 (Erdgeschoss bis 2. Obergeschoss) und A-Straße 1a
(Kellergeschoss bis 2. Obergeschoss) mit einer Fläche von ca. 4.616 qm an. Der
Vertrag war bis zum 31.12.2015 befristet. Die Mieterin erhielt die Räumlichkeiten
zur gewerblichen Nutzung und zwar zur Eigennutzung oder Weitervermietung als
Büro-, Service- und Lagerbetrieb (§ 1 Ziff. 4 des Mietvertrages).
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Seit 26.02.2007 firmierte die Mieterin unter der Bezeichnung der Klägerin. Die
Eintragung der Firmenänderung der Klägerin erfolgte am 23.03.2007 bei dem
Handelsregister Bad Homburg.
Die Beklagte erhielt im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens vor dem
Amtsgericht Bad Homburg (Az. 6 K 89/06) mit Beschluss vom 22.10.2007 den
Zuschlag für die Liegenschaft A-Straße 1 und 1a.
Die Klägerin verlegte ihren Firmensitz nach Stadt2 und befindet sich jedenfalls seit
Ende 2007 in ihren neuen Geschäftsräumen D-Straße, Stadt2. Im November 2007
sandte die Beklagte an die Klägerin unter deren alter Firmenbezeichnung und an
ihre alte Adresse, E-Straße in Stadt1 einen Brief per einfacher Post und ein
Einschreiben mit Rückschein. Der auf normalem Postweg zugesandte Brief kam
am 15.11.2007 mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück. Den Rückschein
erhielt die Beklagte am 23.11.2007. Er ist von einer Person namens „X"
unterschieben und enthält den Vermerk, dass das Einschreiben am 19.11.2007
zugestellt werden konnte. Im November 2007 befand sich unter der alten
Firmenadresse der Klägerin in Stadt1 kein Klingelschild oder Briefkasten mit dem
ursprünglichen Firmennamen der Klägerin (B GmbH und Co KG) mehr. Am
18.11.2007 holte die Beklagte eine Gewerbeauskunft bei der Stadt1 ein. Die
schriftliche Auskunft der Stadt vom 17.12.2007 enthielt sowohl die neue Firma der
Klägerin, als auch neben der bereits bekannten Firmenadresse in Stadt1 eine
künftige Adresse in Stadt2.
Am 02.01.2008 schickte die Beklagte jeweils einen einfachen Brief und ein
Einschreiben mit Rückschein an die alte Adresse der Klägerin in Stadt1 und an die
neue Adresse in Stadt2. Sowohl die Briefe als auch die Rückscheine kamen mit
dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln"
zurück.
Nach erteiltem Zuschlag hob das Amtsgericht Bad Homburg v.d.Höhe die
Zwangsverwaltung über die Liegenschaft A-Straße 1 und 1a mit Beschluss vom
07.01.2008 auf. Diese endete zum 30.01.2008. Der Zwangsverwalter forderte die
Mieterin unter der Bezeichnung B GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 30.01.2008
auf, sich künftig an die Beklagte unter der Anschrift c/o Y GmbH – … in Stadt3 zu
wenden.
Mit Schreiben vom 01.02.2008 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin einen
Scheck in Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete für den Monat Februar 2008
an die Beklagte.
Auf das Schreiben der Klägerseite vom 01.02.2008 meldete sich der
Bevollmächtigte der Beklagten unter dem 15.02.2008 und erklärte unter
Bezugnahme auf die Kopie eines Einschreibens mit Einschreiben-Rückschein vom
12.11.2007, dass er für die Beklagte das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG
zum 30.06.2008 ausgeübt habe.
Daraufhin forderte die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.02.2008 unter
Fristsetzung bis zum 23.02.2008 auf, gegenüber ihren Mietern zu widerrufen, dass
der Generalmietvertrag gekündigt worden sei und dies gegenüber der Klägerin zu
bestätigen.
Unter dem 20.02.2008 wies der Bevollmächtigte der Klägerin den
Beklagtenbevollmächtigten darauf hin, dass die im Kündigungsschreiben vom
12.11.2007 aufgeführte Firmenbezeichnung der Klägerin, sowie deren angegebene
Adresse fehlerhaft seien und das Kündigungsschreiben daher nicht zugegangen
sei. Als eine Reaktion der Beklagte nicht erfolgte, beantragte die Klägerin mit
anwaltlichem Schreiben vom 28.02.2008 bei dem Landgericht Frankfurt am Main
den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Mit Beschluss vom 06.03.2008 (Az. 2/10
O 93/08 – Bl. 36/37 d.A.) untersagte das Landgericht der Beklagten
antragsgemäß, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, dass der bestehende
Generalmietvertrag durch Kündigung vom 30.06.2008 beendet werde.
Mit Schreiben vom 11.03.2008 erklärte die Beklagte durch ihren Bevollmächtigten
lediglich vorsorglich unter Beifügung einer Original-Vollmacht die Kündigung des
Mietverhältnisses zum 30.09.2008.
Die Klägerin hat behauptet, das Einschreiben mit Rückschein vom 12.11.2007 sei
ihr nicht zugegangen. Erstmals habe sie durch das Schreiben des
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ihr nicht zugegangen. Erstmals habe sie durch das Schreiben des
Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.2.2008 davon erfahren, dass ihr
im November 2007 eine Kündigung per Einschreiben zugegangen sein soll. Die
Person namens X, die für den Erhalt des Einschreibens unterzeichnet habe, sei ihr
weder bekannt, noch sei sie von der Klägerin dazu bevollmächtigt gewesen. Sie
hat weiter behauptet, der Zwangsverwalter habe Kenntnis von der Umfirmierung
der Klägerin gehabt. Dessen Kenntnis ergebe sich daraus, dass die Klägerin ihre
neue Firma auf einem Scheck vom 03.05.2007 und auf einer Rechnung vom
23.04.2007 für die Kosten für die Entsorgung eines Wespennestes verwendet
habe. Weil der Zwangsverwalter in einem Antwortschreiben vom 07.05.2007 auf
diese Rechnung der Klägerin unter ihrem neuen Namen Bezug genommen habe,
sei von einer Kenntnisnahme durch den Zwangsverwalter auszugehen. Auch habe
die Klägerin erst durch das Schreiben des Zwangsverwalters vom 30.01.2008
erfahren, dass die Beklagte die neue Eigentümerin der Immobilie geworden sei.
Im Januar 2008 sei die Klägerin nicht mehr unter ihrem alten Firmennamen
aufgetreten. Zwar habe sie einen Miet-Scheck verwendet, der im Betreff die
Bezeichnung "B GmbH und Co KG/Z, ..., ..." enthalten habe, wobei dies aber nichts
mit ihrem Auftreten im Wirtschaftsleben zu tun habe. Die Verwendung der alten
Firmenbezeichnung sei lediglich darauf zurückzuführen gewesen, dass zu Beginn
der Zwangsverwaltung im Jahre 2006 eine Akte "B GmbH und Co KG gegen Z
(Zwangsverwaltung)“ zu dem Aktenzeichen 297/06 angelegt worden sei, über die
die monatlichen Mietzinszahlungen der Klägerin bis Ende der Zwangsverwaltung
durch Übermittlung eines Orderschecks abgewickelt worden seien. Im Zeitpunkt
des vermeintlichen Zustellungsversuchs der bestrittenen Kündigung vom
02.01.2008 habe sich am neuen Firmensitz der Klägerin in Stadt2 ein Briefkasten
gefunden.
Eine Obliegenheitsverletzung sei ihr weder bei den Zustellungsversuchen im
November 2007 noch im Januar 2008 vorzuwerfen. Aus der Rücksendung des
Einschreibens mit Rückschein könne nicht gefolgert werden, dass sie kein Schild
am Briefkasten unterhalten habe. Der verspätete Zugang der Kündigung beruhe
auch nicht darauf, dass sie keinen Nachsendeauftrag an ihre neue Firmenadresse
in Stadt2 gestellt habe. Da bereits die von der Beklagten Anfang Januar 2008 an
die Klägerin direkt unter der Anschrift in Stadt2 gerichteten Kündigungsschreiben
nicht zugestellt worden seien, sei nicht erkennbar, wieso im Rahmen eines
Nachsendeauftrag an die Klägerin weitergeleitete Briefe diese hätten erreichen
sollen.
Die Klägerin hat die Ansicht geäußert, dass sich die Beklagte nicht auf ein
Verschulden der Post berufen könne, weil der Kündigende dafür Sorge tragen
müsse, dass die Kündigung ordnungs- und fristgemäß dem Empfänger zugestellt
werde. Auch die von der Beklagten am 13.03.2008 zum 30.09.2008
ausgesprochene Kündigung sei nicht mehr rechtzeitig erfolgt, weil das
Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG bis zum dritten Werktag im Januar 2008
hätte ausgeübt werden müssen. Eine wirksame Kündigung zu einem späteren
Zeitpunkt käme nicht in Betracht, da die Beklagte nicht alles Erforderliche getan
habe, um die Kündigung fristgemäß zuzustellen. Dazu hätte die Beklagte die
Wirksamkeit ihrer behaupteten Kündigung vom 12.11.2007 überprüfen, bzw.
Räumungsklage erheben müssen. Insbesondere weil die Beklagte den, zusammen
mit dem Einschreiben versandten einfachen Brief mit dem Vermerk "Empfänger
unbekannt" zurückerhalten habe, habe sie nicht davon ausgehen können, dass der
Rückschein von der Klägerin oder einem Mitarbeiter der Klägerin unterschrieben
worden sei. Das spätere Einholen der Gewerbeauskunft deute darauf hin, dass
auch sie nicht von einer wirksamen Zustellung ausgegangen sei. Auch nach Erhalt
der Gewerberegisterauskunft vom 17.12.2007 habe die Beklagte genügend Zeit
gehabt, der Klägerin eine neue Kündigung zukommen zu lassen. Hier könne sie
sich nicht damit entschuldigen, dass ihr Anwalt im Dezember 2007 in Urlaub
gewesen sei.
Die Klägerin hat im Verfahren 2-10 121/08 am 25.03.2008 Klage auf Feststellung
erhoben, dass das Mietverhältnis weder durch die Kündigung vom 11.03.2008,
noch durch die Kündigung vom 12.11.2007 beendet worden ist, sondern über den
30.06.2008 bzw. 30.09.2008 hinaus fortbesteht. Die Beklagte hat unter dem Az. 2-
21 O 99/08 am 21.04.2008 Klage auf Räumung und Herausgabe der Liegenschaft
erhoben. Das Landgericht hat die Verfahren mit Beschluss vom 15.07.2008 (Bl.
261 d.A.) gemäß § 147 ZPO zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung
miteinander verbunden.
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Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, festzustellen, dass das Mietverhältnis
zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 11.03.2008 zum
30.09.2008, noch durch die Kündigungen vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008
zum 30.06.2008 beendet worden ist, sondern über den 30.06.2008 bzw.
30.09.2008 hinaus fortbesteht. Außerdem hat sie beantragt, die Beklagte zur
Zahlung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 2.841 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu verurteilen.
In der mündlichen Verhandlung am 19.09.2008 haben die Parteien die Klage
(damit auch den Antrag bezüglich der außergerichtlichen Kosten)
übereinstimmend für erledigt erklärt.
Widerklagend hat die Beklagte beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, die Räume der Liegenschaft A-Str. 1, Stadt1 im
Erdgeschoss, 1. und 2. OG sowie die Räume im Kellergeschoss, Erdgeschoss, 1.
und 2. OG des Anwesens A Str. 1a, Stadt1 zum 30.06.2008, hilfsweise zum
30.09.2008 zu räumen und an die Beklagte herauszugeben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die beiden streitgegenständlichen Kündigungen seien
der Klägerin zugegangen. Der Zwangsverwalter sei über die Umfirmierung der
Klägerin nicht informiert gewesen und sei bis zur Aufhebung der Zwangsverwaltung
davon ausgegangen, dass die Klägerin unter ihrer alten Bezeichnung firmiere. Die
Klägerin habe das alte Namensschild am Briefkasten und das Klingelschild an der
Adresse in Stadt1 entfernt, ohne den Vermieter oder den Zwangsverwalter zu
informieren. Die Verwendung des neuen Firmennamens auf einem Scheck und
einer Rechnung sage tatsächlich nichts über eine Umfirmierung aus. Im Hinblick
auf den Scheck hätte es genauso gut möglich sein können, dass es sich bei der F
GmbH und Co KG um eine Tochter- oder Drittfirma gehandelt habe, die für die
Firma B GmbH & Co. KG die Miete bezahlt habe. Die Beklagte hat die Ansicht
geäußert, dass es eine Obliegenheit der Klägerin gewesen sei,
Empfangsvorkehrungen zu treffen, da sie aufgrund der Zwangsversteigerung mit
dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen habe rechnen müssen. Dem sei sie
nicht nachgekommen, weil sie unstreitig keinen Nachsendeauftrag nach Stadt2 an
die neue Firmenanschrift gestellt habe. Es liege somit eine Zugangsvereitelung
durch die Klägerin vor, die dazu führe, dass sie sich so behandeln lassen müsse,
als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008
zugegangen. Das Mietverhältnis sei aber in jedem Fall durch das Schreiben vom
11.03.2008 zum 30.09.2008 gekündigt worden. Hierbei handele es sich um den
ersten zulässigen Termin im Sinne des § 57a ZVG. Es sei die tatsächliche
Möglichkeit der Kündigungserklärung maßgebend. Infolge des unterschriebenen
Rückscheins vom 23.11.2007 habe die Beklagte davon ausgehen können, dass die
Kündigungserklärung der Klägerin zugegangen sei. Gegenteiliges habe sie erst
durch das Schreiben der Klägerin vom 20.02.2008 erfahren, in dem die Klägerin
darauf hingewiesen habe, dass die Person, die den Rückschein unterschrieben
habe, nicht empfangsberechtigt gewesen sei. Die Beklagte habe die erforderliche
Sorgfalt bei der Kündigung des Mietverhältnisses eingehalten, da sie nachdem die
auf normalen Postweg am 12.11.2007 erklärte Kündigung mit dem Vermerk"
Empfänger unbekannt" zurückgekommen sei, die Gewerbeauskunft bei der Stadt1
eingeholt habe und die Kündigung am 02.01.2008 erneut per einfachem Brief und
per Einschreiben mit Rückschein an alle in Betracht kommenden Anschriften
versandt habe. Da die Kündigung vom 02.01.2008 nicht zugestellt werden konnte,
sei mit der Kündigung vom 11.03.2008 der erste tatsächlich mögliche
Kündigungstermin eingehalten worden.
Auch der Umstand, dass die Beklagte die Kündigung erst am 02.01.2008 versandt
habe, obwohl die Gewerbeauskunft der Stadt1 vom 17.12.2007 datiere, stünde
dem nicht entgegen. Zum einen habe sich der Bevollmächtigte der Beklagten, bei
dem die Gewerbeauskunft am 19.12.2007 eingegangen sei, bis zum 31.12.2007 in
Urlaub gefunden. Zum anderen werde dem Ersteher bei der Ausübung des
Sonderkündigungsrechts nach § 57a ZVG lediglich zugemutet, die Kündigung
"ohne schuldhaftes Zögern" und somit innerhalb von 14 Tagen auszusprechen. Da
zwischen dem 19.12.2007 und dem 02.01.2008 lediglich fünf Werktage lägen, sei
in der Versendung der Kündigung am 02.01.2008 kein schuldhaftes Zögern der
Beklagten zu sehen.
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Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Widerklage mit Urteil vom 21.11.2008
abgewiesen. Der Beklagten stehe ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der
Mietsache zum 30.06.2008 aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zu. Eine Beendigung des
Mietverhältnisses zu diesem Termin liege nicht vor, da die Beklagte nicht wirksam
gekündigt habe. Nach § 57a ZVG sei der Ersteher berechtigt, das Mietverhältnis
unter Einhaltung der gesetzlichen Frist für den ersten Termin nach dem Zuschlag
zu kündigen. Die gesetzliche Kündigungsfrist habe die Beklagte als Ersteherin der
Immobilie nicht eingehalten. Da der Zuschlag am 16.10.2007 erfolgt sei, hätte die
Kündigung spätestens am dritten Werktag im Januar 2008 mit Wirkung zum
30.06.2008 ausgesprochen werden müssen. Denn gemäß § 580a Abs. 2 BGB sei
die Kündigung bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume spätestens am
dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten
Kalendervierteljahres zulässig. Dass die Zwangsverwaltung erst im Januar 2008
aufgehoben worden sei, habe auf die einzuhaltende Frist keine Auswirkung. Auch in
diesem Fall müsse der Ersteher das außerordentliche Kündigungsrecht sofort nach
der Wirksamkeit des Zuschlages ausüben. Für die Ausübung des
Kündigungsrechts komme es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung der
Kündigungserklärung bei dem Mieter an. Gemäß § 130 Abs. 1 BGB werde eine
Willenserklärung, die in Abwesenheit desjenigen abgegeben werde, dem
gegenüber sie abzugeben ist, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem
Empfänger zugehe. Ein Zugang einer Kündigungserklärung bei der Klägerin sei bis
zum 04.01.2008 nicht erfolgt. Die von der Beklagten behaupteten
Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom 02.01.2008 seien der Klägerin
nicht wirksam zugestellt worden. Sowohl die Briefe als auch die Rückscheine der
Einschreiben seien mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt" zurückgekommen.
Nur der Rückschein bezüglich des Kündigungsschreibens vom 12.11.2007 habe die
Unterschrift von einer Person namens „X" und den Vermerk, dass das
Einschreiben am 19.11.2007 zugestellt worden sei, enthalten. Aus dem Rückschein
habe sich jedoch nicht ergeben, dass das Einschreiben der Klägerin zugestellt
worden sei. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass eine Person
namens „X" im Betrieb der Klägerin arbeite und zur Entgegennahme von
Kündigungen empfangsberechtigt gewesen sei. Die Klägerin müsse sich auch nicht
so stellen lassen, als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom
02.01.2008 zugegangen. Es liege keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin vor,
die zu der Annahme einer Zugangsvereitelung führe. Die Klägerin habe im Februar
2007 zwar ihren Firmennamen geändert, so dass sie seitdem unter einer anderen
als im Mietvertrag angegeben Bezeichnung firmiert habe. Allerdings habe der
Zwangsverwalter Kenntnis von der neuen Firma der Klägerin gehabt, da sie in der
schriftlichen Korrespondenz mit dem Verwalter unter dieser aufgetreten sei. Die
Klägerin habe infolgedessen auch das Namensschild an ihrem Briefkasten und ihr
Klingelschild in Stadt1 ändern dürfen, ohne dies dem Zwangsverwalter gesondert
mitzuteilen. Dass die Klägerin ihre alte Firmenbezeichnung noch im Januar 2008
auf einem Mietscheck verwendet habe, ändere hieran nichts. Schließlich sei diese
Bezeichnung lediglich auf eine zu Beginn der Zwangsverwaltung im Jahre 2006
angelegte Akte zurückgegangen. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang
auch, dass die Klägerin nach ihrem Umzug nach Stadt2 Ende Oktober/Anfang
November 2007 keinen Nachsendeantrag gestellt habe. Denn die von der
Beklagten an die Klägerin adressierte Post vom 12.11.2007 sei nicht nur an die
alte Adresse, sondern auch an die alte Firmenbezeichnung gerichtet gewesen.
Selbst wenn ein Nachsendeantrag der Klägerin bestanden hätte, wäre die Post
mangels richtiger Firmenbezeichnung nicht weitergeleitet worden.
Auch hinsichtlich des Kündigungsschreibens vom 02.01.2008 liege keine
Zugangsvereitelung vor. Denn dass das Kündigungsschreiben weder per
einfachem Brief noch per Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden konnte,
habe nicht auf einem Verschulden der Klägerin beruht. Sowohl die Umfirmierung
als auch der Umzug der Klägerin und die Nichtbeantragung eines
Nachsendeantrag seien für die Nichtzustellung nicht kausal geworden.
Durch die Gewerbeauskunft der Stadt1 vom 18.12.2008 habe die Beklagte von der
Umfirmierung und von dem Umzug der Klägerin gewusst. Infolgedessen habe sie
die Kündigung vom 02.01.2008 an den neuen Firmennamen an die alte und neue
Anschrift der Klägerin adressiert. Dass der Brief und das Einschreiben mit
Rückschein der Klägerin unter der alten Adresse nicht zugestellt werden konnten,
habe nicht darauf beruht, dass die Klägerin keinen Nachsendeantrag gestellt habe.
Denn auch dieser hätte lediglich zur Weiterleitung der Post an die neue Anschrift in
Stadt2 geführt. Da aber auch der an die neue Adresse in Stadt2 gerichtete Brief
und das Einschreiben mit Rückschein dort nicht zugestellt werden konnte, hätte
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und das Einschreiben mit Rückschein dort nicht zugestellt werden konnte, hätte
auch ein Nachsendeauftrag für die Alt-Adresse nicht zur Zustellung geführt.
Auch sonst sei kein Verschulden der Klägerin erkennbar, welches zu einer
Vereitelung des Zugangs geführt haben könnte. Die Behauptung der Beklagten,
dass die Klägerin Anfang Januar 2008 unter der neuen Adresse noch keinen
Briefkasten und kein Klingelschild mit ihrem Namen unterhalten hätte, habe die
Beklagte nicht beweisen können.
Der Beklagten stehe auch kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der
Mietsache zum 30.09.2008 zu. Die Kündigung vom 11.03.2008 zum 30.09.2008
sei nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 57a ZVG gewesen. Die Ausübung des
Sonderkündigungsrechts sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, da
es sich hierbei nicht um den erstmöglichen Termin nach Zuschlag gehandelt habe.
Das Vorbringen der Beklagten, sie sei von dem Zugang der Kündigung zum
12.11.2007 ausgegangen und habe Gegenteiliges erst durch die Klägerin am
20.02.2008 erfahren, führe nicht dazu, dass sich die erste tatsächliche
Kündigungsmöglichkeit auf Ende Februar 2008 verschoben habe. Denn zum einen
deute die Einholung der Gewerbeauskunft und die erneute Kündigung darauf hin,
dass die Beklagte gerade nicht auf den Zugang der Kündigung im November 2007
vertraut habe. Zum anderen hätte die Beklagte angesichts des unzustellbaren
einfachen Briefes ohnehin nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Einschreiben
der Klägerin tatsächlich zugegangen sei. Der erste tatsächlich mögliche
Kündigungstermin habe im Dezember 2008 gelegen. Durch die Gewerbeauskunft
der Stadt1 hätte die Beklagte Kenntnis von der Umfirmierung und dem Umzug der
Klägerin erhalten. Dass sie mit der Ausübung ihres Kündigungsrechts dennoch bis
zum 02.01.2008 gewartet habe, liege in ihrem Verantwortungsbereich. Die
Gewerbeauskunft sei in der Kanzlei des prozessbevollmächtigten der Beklagten
am 19.12.2007 eingegangen. Die Kündigung hätte deshalb bereits am 20.12.2007
an die Klägerin versandt werden können. Auch bei Nichtzustellung dieser
Kündigung wäre es der Beklagten dann noch möglich gewesen, die Kündigung der
Klägerin zum Beispiel durch Zustellungsurkunde über den Gerichtsvollzieher nach
den §§ 132 BGB, 192 ff ZPO zukommen zu lassen und somit die Frist des § 57a
ZVG zu wahren. Der Umstand, dass die Nichtzustellung der Kündigung vom
02.01.2008 auf einem Verschulden der Post beruhe, trage nicht zur Entlastung der
Beklagten bei, da es bei § 57a ZVG nicht auf ein Verschulden ankomme. Der
Urlaub des Prozessbevollmächtigten begründe auch keine Unmöglichkeit einer
rechtzeitigen Kündigung, da dieser die Versendung der Kündigung in seiner
Abwesenheit hätte sicherstellen können.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für
erledigt erklärt hätten, seien die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie ohne
den Eintritt des erledigenden Ereignisses aller Voraussicht nach unterlegen wäre.
Gegen dieses ihr am 26.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit
anwaltlichem Schriftsatz am 23.12.2008 bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am
Main Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 26.02.2009 verlängerten
Frist begründet. Die Beklagte rügt eine Falschauslegung des § 57a ZVG durch das
Landgericht und dass dieses entscheidungserheblichen Sachvortrag
unberücksichtigt gelassen habe. Auch müsse sich die Klägerin so behandeln
lassen, als seien ihr die Kündigungsschreiben vom 12.11.2007 und vom
02.01.2008 zugegangen. Der erste zulässige Termin im Sinne von § 57a ZVG sei
nicht rein rechnerisch zu ermitteln, sondern auch unter Berücksichtigung der
tatsächlichen Verhältnisse. Hier habe die Beklagte die Kündigungserklärung so
rechtzeitig abgegeben, dass sie ohne Verschulden habe davon ausgehen können,
dass diese der Klägerin bis zum 04.01.2008 zugestellt werde. Die gesetzliche Frist
habe sie bis zum letzten Tag ausnutzen können, ohne dass daraus ein
Verschuldensvorwurf folge. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe die
Beklagte daher nicht unmittelbar nach Vorliegen der Gewerbeauskunft der Stadt
Stadt1 kündigen müssen. Auf die Frage, wann die Kündigung bereits früher hätte
versandt werden können und was bei einer Versendung am 20.12.2007 passiert
wäre, komme es daher nicht an.
Übergangen habe das Landgericht Sachvortrag und den mit
Berufungsbegründung ausdrücklich wiederholten Beweisantritt der Beklagte zu
einer fehlenden Kenntnis des Zwangsverwalters von der Umfirmierung der
Klägerin. Trotzdem sei das Landgericht im Urteil davon ausgegangen, dass der
Zwangsverwalter über die Umfirmierung der Klägerin informiert gewesen sei. Ohne
eine Kenntnis des Zwangsverwalters habe die Klägerin ihre Obliegenheit zum
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eine Kenntnis des Zwangsverwalters habe die Klägerin ihre Obliegenheit zum
Treffen von Empfangsvorkehrungen verletzt, da sie mit rechtserheblichen
Erklärungen habe rechnen müssen, ohne zumindest den Zwangsverwalter über
die Umfirmierung informiert zu haben.
Verletzt habe die Klägerin die Obliegenheit auch durch den fehlenden
Nachsendeauftrag. Insgesamt müsse sich die Klägerin so behandeln lassen, als
wäre ihr das Kündigungsschreiben vom 02.01.2008 zugegangen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.11.2008 (Az. 2-10 O
121/08) aufzuheben und die Klägerin zu verurteilen, die Räume der Liegenschaft A-
Str. 1, Stadt1 im Erdgeschoss, 1. und 2. OG, sowie die Räume im Kellergeschoss,
Erdgeschoss und 1. und 2. OG des Anwesens A-Str. 1a, Stadt1 zu räumen und an
die Beklagte herauszugeben.
Demgegenüber beantragt die Klägerin,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil
abzuändern und der Widerklage in vollem Umfang stattzugeben. Die Beklagte hat
das Sonderkündigungsrecht nach § 57a S. 1 ZVG wirksam ausgeübt.
Nach § 57a S. 1 ZVG ist der Ersteher berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis
unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, wobei die Kündigung
ausgeschlossen ist, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie
zulässig ist (S. 2).
Für die Bestimmung dieses erstzulässigen Termins kommt es auf die Verkündung
(§ 89 ZVG) des Zuschlagsbeschlusses an (vgl. Böttcher, ZVG, 4. Auflage, 2005, §
57-57d, Rn 12), die vorliegend am 16.10.2007 erfolgt ist. Zu Recht ist das
Landgericht davon ausgegangen, dass die Aufhebung der Zwangsverwaltung zum
30.01.2008 insoweit ohne Relevanz ist. Da gemäß § 580a Abs. 2 BGB die
ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres
zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres zulässig ist, musste für den ersten
Termin theoretisch die Kündigung spätestens am dritten Werktag im Januar 2008
mit Wirkung zum 30.06.2008 erfolgen. Dies war Freitag der 04.01.2008, nachdem
der 01.01.2008 auf einen Dienstag fiel. Mit dem Landgericht ist davon
auszugehen, dass die Beklagte nicht bis zum Ablauf des 04.01.2008 gekündigt
hat, weil der Klägerin bis dahin eine Kündigungserklärung nicht zugegangen ist.
Das Mietverhältnis ist nicht durch die Kündigung im November 2007 beendet, weil
der Klägerin keines der beiden Kündigungsschreiben zugegangen ist. Die Beklagte
hat die Kündigungserklärung per einfacher Postsendung und mit
Einschreiben/Rückschein an die Alt-Firmierung und Alt-Adresse der Klägerin
übersandt. Auch wenn die Beklagte über eine erfolgte Zustellung einen
unterzeichneten Rückschein vorlegen konnte, kann eine tatsächlich erfolgte
Zustellung an die Klägerin daraus nicht entnommen werden. Zwar ist die … AG als
inzwischen privatisiertes Unternehmen gemäß § 33 PostG als beliehener
Unternehmer mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet. Trotzdem stellt aber der
Rückschein beim Übergabe-Einschreiben keine öffentliche Urkunde im Sinne des §
415 ZPO dar (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 22. Auflage, § 415 Rn. 7). Als
Privaturkunde ergibt sich ihre Beweiskraft aus § 416 ZPO (vgl. Zöller-Stöber, ZPO,
27. Auflage, § 174 Rn. 20). Vollen Beweis begründet sie dafür, dass die darin
enthaltene Erklärung von dem Aussteller abgegeben ist. Bei Aushändigung an
einen Beschäftigten des Zustellungsadressaten erstreckt sich die Beweiskraft aber
nicht darauf, dass die unterzeichnende Person wirklich Bediensteter des
Adressaten oder zur Empfangnahme berechtigt war, sondern nur darauf, dass sie
sich als solche bezeichnet bzw. wie eine solche verhalten hat. Daraus ergibt sich
aber ein erhebliches Beweisanzeichen für die tatsächliche Beschäftigung oder
Berechtigung (vgl. BGH NJW 2004, 2386; Stein-Jonas-Leipold, a.a.O § 418 Rn. 9).
Die Wirkung der Urkunde kann der Adressat nur durch eine plausible und
schlüssige Darstellung von Tatsachen entkräften, aus denen folgt, dass die
Person, der das Schriftstück übergeben wurde, nicht zu seinen Bediensteten
gehört und zur Empfangnahme nicht berechtigt war. Insoweit verkennt das
Landgericht die Beweislast, wenn es ausführt, dass die Beklagte nicht habe
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Landgericht die Beweislast, wenn es ausführt, dass die Beklagte nicht habe
nachweisen können, dass eine Person namens „X“ im Betrieb der Klägerin
gearbeitet und/oder zur Entgegennahme von Kündigungen berechtigt gewesen
sei. Angesichts des vorliegend unterzeichneten Rückscheins mit Bestätigung des
Postmitarbeiters, die Sendung einem Empfangsberechtigten übergeben zu haben,
lag es an der Klägerin, das Beweisanzeichen zu entkräften. Davon ist vorliegend
aber auszugehen. Entscheidend widerlegt wird das Beweisanzeichen durch die
Tatsache, dass ein einfacher, zeitgleich an die Klägerin unter ihrer früheren
Bezeichnung gerichteter Brief mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“
zurückgekommen ist. Dies spricht dafür, dass die Klägerin einen Geschäftssitz mit
Briefkasten zu diesem Zeitpunkt unter der Alt-Adresse nicht mehr unterhielt und
ihr am Alt-Sitz eine Person namens X weder bekannt war, noch sie diese zum
Empfang bevollmächtigt hatte. Die Klägerin muss sich wegen dieses
Zustellungsversuchs auch nicht so behandeln lassen, als ob ihr das Schreiben
zugegangen wäre, weil sich ihr Wechsel der Firmierung aus dem Handelsregister
ergab. Selbst wenn die Klägerin auf eine Verlegung des Firmensitzes hingewiesen
hätte oder dieser dem Zwangsverwalter bekannt gewesen wäre, wäre das
Schreiben an den falsch bezeichneten Adressaten geschickt worden. Eine
wirksame Zustellung der Kündigung ist deshalb im November 2007 nicht erfolgt.
Auch eine wirksame Zustellung des Kündigungsschreibens vom 02.01.2008 ist
nicht erfolgt. Zwar hat die Beklagte jeweils einen einfachen Brief und ein
Einschreiben mit Rückschein an die alte Adresse der Klägerin in Stadt1 und an die
neue Adresse in Stadt2 geschickt. Keines der Schreiben ist aber zugegangen. Bei
der Alt-Adresse handelte es sich gemäß Auskunft der Stadt1 um die
Betriebsanschrift, bei der Adresse in Stadt2 um die künftige Betriebsstätte. Auch
die mit der Betriebsanschrift „D-Straße, Stadt2“ adressierten und am 02.01.2008
abgesandten Schreiben kamen mit dem Vermerk „Empfänger unter der
angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück. Da diese Schreiben an die
Beklagte unter ihrer korrekten Bezeichnung und an die aktuelle Adresse gerichtet
waren, lässt der Vermerk des Postzustellers nur zwei Erklärungen zu: Entweder
hatte die Klägerin im Januar 2008 keinen Briefkasten und kein Klingelschild
angebracht oder der Zusteller der Post hatte trotz vorhandenen Briefkasten und
Klingelschildes der Klägerin fehlerhaft gehandelt. Die Kündigungserklärung der
Beklagten ist der Klägerin jedenfalls bis zum 04.01.2008 nicht zugegangen. Da ein
Fehler des Postzustellers möglich ist, kann auch nicht von einer
Obliegenheitsverletzung oder Zugangsvereitelung der Klägerin ausgegangen
werden, nach der sie sich so stellen lassen müsste, als seien ihr die
Kündigungsschreiben zugegangen. Bis hierhin ist der Auffassung des Landgerichts
zu folgen.
Nicht zu überzeugen vermag das landgerichtliche Urteil aber im Folgenden, wenn
es die Kündigung vom 11.03.2008 mit Wirkung zum 30.09.2008 als nicht mehr
rechtzeitig im Sinne des § 57a ZVG erachtet. Obwohl die Beklagte vorliegend nicht
spätestens am dritten Werktag im Januar 2008 gekündigt hat, war ihr
Sonderkündigungsrecht nicht nach § 57a S.2 ZVG ausgeschlossen. Denn
maßgeblich für das Sonderkündigungsrecht ist zwar der erste gesetzlich zulässige
Termin, aber nur, wenn die Kündigung dem Ersteher ohne schuldhaftes Zögern
möglich war (vgl. RGZ 98, 273; Stöber, ZVG, 18. Auflage, 2006, § 57a Rn. 5). Nicht
die bloße theoretische Möglichkeit bestimmt den ersten zulässigen Termin,
sondern entscheidend ist, ob dem Kläger die Ausübung des Rechts unter
Beachtung der erforderlichen Sorgfalt tatsächlich möglich war (vgl. OLG
Düsseldorf, OLGR 2003, 329). An den Begriff des „ersten zulässigen Termins“ sind
keine überspannten Anforderungen zu stellen, wobei es jedoch Sache des
Erstehers ist, die Unmöglichkeit der rechtzeitigen Kündigung nachzuweisen (vgl.
OLG Oldenburg, Urteil vom 17.12.2001, Az 11 U 63/01, zitiert nach juris). Der erste
zulässige Termin ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles derjenige
Termin, für den die Kündigung dem Ersteher ohne vorwerfbares Zögern möglich ist
(vgl. RGZ 98, 273; Stöber, a.a.O). Es kann also auch noch für den später
zulässigen Termin gekündigt werden, wenn auch bei Beobachtung der
erforderlichen Sorgfalt die Kündigung zum früheren, theoretisch zulässigen
Zeitpunkt nicht mehr möglich war (vgl. Stöber, a.a.O, Böttcher, a.a.O, Rn 12;
Dassler-Schiffhauer-Hintzen/Engels, ZVG, 13. Auflage, 2008, § 57a Rn. 10).
Bei Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die auf § 57a ZVG gestützte
Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 11.03.2008 zum 30.09.2008 nicht als
verspätet dar, da die Beklagte die Unmöglichkeit der Kündigung bis zum
04.01.2008 nachgewiesen hat. Ihr war die Ausübung des Rechts auch unter
Beachtung der erforderlichen Sorgfalt zum 04.01.2008 nicht möglich. Ein
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Beachtung der erforderlichen Sorgfalt zum 04.01.2008 nicht möglich. Ein
vorwerfbares Zögern lag nicht vor. Die Beklagte hat sich bereits im November
2007 entschieden, von ihrem Sonderkündigungsrecht rechtzeitig vor dem
04.01.2008 Gebrauch zu machen. Nicht vorzuwerfen ist ihr, wenn sie bei dem
Versuch der Kündigung im November 2007 von der im Mietvertrag angegebenen
Bezeichnung und Adresse der Klägerin ausgegangen ist. Entgegen der Ansicht des
Landgerichts ist der Beklagten auch nicht vorwerfbar, dass sie nach Erhalt der
Auskunft der Stadt1 am 17.12.2007 nicht umgehend eine Kündigung gegenüber
der Klägerin veranlasst hat. Zu Recht verweist der Beklagtenvertreter darauf, dass
eine Partei grundsätzlich berechtigt ist, eine ihr zur Verfügung stehende Frist
auszunutzen. Kommt es auf den postalischen Zugang einer Erklärung an, so kann
der Absender sich auf die Zuverlässigkeit der Postdienste verlassen (vgl. BVerfGE
50, 1). Daher kann ein Absender, der ein mit vollständiger und richtiger Anschrift
versehenes, ausreichend frankiertes Schriftstück zur Post gibt, auf den Eingang bei
dem Empfänger vertrauen. Das Schriftstück muss allein rechtzeitig zur Post
gegeben werden, was vorliegend am 02.01.2008 der Fall war. Bei normalem
Postlauf durfte die Beklagte von einem Zugang bis zum 04.01.2008 ausgehen.
Unerheblich ist dabei, ob ein geringer Prozentsatz der Sendungen verzögert
befördert wird (vgl. BGH NJW 1999, 2118). Dass vorliegend mit einem Eingang bei
dem Empfänger vor dem 04.01.2008 zu rechnen war ergibt sich daraus, dass der
Vermerk über den nicht zu ermittelnden Empfänger bei einem der Schreiben vom
Postzusteller auf den 03.01.2007 (gemeint dürfte der 03.01.2008 sein) datiert
worden ist. Bei normalem Geschäftsgang wäre daher eine Zustellung noch vor
dem 04.01.2008 erfolgt.
Das Landgericht sieht eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten darin, dass sie
nicht früher nach dem 17.12.2007 versucht habe, die Kündigungsschreiben zu
übersenden. In diesem Fall wäre bei Zurückkommen der Schreiben eine
Zustellung per Gerichtsvollzieher möglich gewesen. Dies überzeugt deshalb nicht,
weil die Beklagte alles Erforderliche veranlasst hat, um einen Zugang bei der
Klägerin zu gewährleisten. Sie durfte auf ein pflichtgemäßes Handeln der
Zustellungspersonen und auf eine korrekte Kennzeichnung des Firmensitzes durch
die Klägerin (falls am 03.01.2008 weder ein Briefkasten noch ein Schild vorhanden
gewesen sein sollte) vertrauen. Einen zeitlichen Puffer, um im Falle einer
Pflichtverletzung des Zustellers oder einer Obliegenheitsverletzung der
Empfängerin durch den Gerichtsvollzieher zustellen lassen zu können, musste die
Beklagte nicht schaffen. Im Ergebnis hat die Beklagte mit der Kündigung vom
11.03.2008 den ersten möglichen Termin zur Ausübung des
Sonderkündigungsrechtes nach § 57a ZVG genutzt.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 321.300 € (12 x 26.775 €). Er
ergibt sich bei einer Klage auf Räumung nach § 41 Abs. 2 S. 1 GKG aus dem für die
Dauer eines Jahres zu zahlenden Entgelt. Gemäß Anlage 4 zum Mietvertrag (Bl. 24
d.A.) haben die Parteien eine monatliche Nettomiete von 18.500 € und eine
Nebenkostenpauschale von 4.000 € zuzüglich Umsatzsteuer (jetzt 19%)
vereinbart. Zuletzt hatte die Klägerin monatlich 26.775 € brutto zu zahlen.
Während die Klägerin bei ihrer Streitwertberechnung nur von einem
Nettomietbetrag ohne Nebenkosten und Umsatzsteuer ausgeht, setzt die
Beklagte eine Netto-Miete zuzüglich Umsatzsteuer von 19% an. Für die
Berechnung des Streitwerts sind demgegenüber aber sowohl die vereinbarte
Nebenkostenpauschale (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 2006, 516-517) als auch die
geschuldete Umsatzsteuer (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.11.2008, Az. 2 W
239/08, zitiert nach juris) zu berücksichtigen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§
543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.