Urteil des LG Frankfurt am Main vom 15.03.2017

LG Frankfurt: werbung, anbieter, flug, gebühr, anzeige, internetseite, zeitung, dubai, abmahnung, transparenz

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Gericht:
LG Frankfurt 8.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-08 O 82/07, 3/08
O 82/07, 3-8 O
82/07, 3/8 O 82/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Nr 11 UWG, § 1 PAngV
Wettbewerbsverstoß: Anforderungen an die Preisangabe
bei der Werbung für Flugtickets
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Wochen, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall
der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd,
Zeitungsanzeigen oder sonst werblich für Flugreisen unter Angabe von
Preisen zu werben und/oder werben zu lassen, die nicht sämtliche obligatorischen
Preisbestandteile, insbesondere nicht eine so genannte "...", erhalten,
wenn dies geschieht wie mit der Werbeanzeige in der F Zeitung vom
15.2.2007, Seite R 7, gemäß der Anlage K 1.
2. an den Kläger 189,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit 4.7.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,– EUR vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte schaltete in der F Zeitung vom 15.02.2007 eine Anzeige, in der sie
für 4 Flugreisen, New York ab 379,00 Euro, Dubai ab 388,00 Euro, Mumbai ab
496,00 Euro und Chengdu ab 531,00 Euro jeweils zuzüglich 5,00 Euro Ticket
Service Charge, warb. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anzeige wird auf Bl. 13
d. A. verwiesen.
Der Kläger mahnte die Beklagte wegen dieser Anzeige mit Schreiben vom
22.03.2007 (Bl. 14 – 16 d. A.) ab.
Der Kläger macht einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in
Verbindung mit § 1 Abs. 1 PAngV geltend, weil die Beklagte nicht den Endpreis
angegeben habe. Dieser wäre rechnerisch hinsichtlich der Flugziele New York mit
384,00 Euro, Dubai mit 393,00 Euro, Mumbai mit 501,00 Euro und Chengdu mit
536,00 Euro anzugeben gewesen. Die Kosten für die Ticket Service Charge von
5,00 Euro hätte in den Endpreis mit einbezogen werden müssen.
Darüber hinaus macht der Kläger die Kosten für seine Abmahnung vom
22.03.2007 in Höhe von 189,00 Euro geltend. Insoweit wird auf die Seiten 10 bis 12
der Klageschrift in Blatt 10 bis 12 d. A. verwiesen.
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Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand der
Beklagten, zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd,
in Zeitungsanzeigen oder sonst werblich für Flugreisen unter
Angabe von Preisen zu werben und/oder werben zu lassen, die nicht sämtliche
obligatorische Preisbestandteile, insbesondere nicht eine sogenannte "...",
enthalten,
wenn dies geschieht, wie mit der Werbeanzeige in der Frankfurter
Allgemeine Zeitung vom 15.02.2007, Seite R 7, gemäß der Anlage K 1;
2. an die Klägerin Euro 189,00 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 04.07.2007 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass mit ihrem Angebot zum Einen die Preise für die reine
Luftbeförderung und zum Anderen ihre äußerst günstige Service-Pauschale von
5,00 Euro für die Buchung eines Fluges über ihre Internetseite "..." in zulässiger
Weise beworben worden sei. Der Kunde könne so vergleichen, ob die Buchung in
Reisebüros, bei denen eine Ticket Service Charge von bis zu 60,00 Euro erhoben
werde, oder über einen anderen Online-Anbieter von Flügen mit bis zu 30,00 Euro
günstiger seien als die über die Internetseite der Beklagten.
Der Kunde hätte auch leicht erkennen können, dass für die Leistung
Internetbuchung bei der Beklagten 5,00 Euro Ticket-Service-Charge erhoben
werde, so dass er auch ohne nennenswerte Schwierigkeiten den Mindestpreis
selbst habe errechnen können. Die separate Angabe der Preisbestandteile stelle
auch nur eine geringfügige Erschwerung der Berechnung des Endpreises dar.
Anders als in der Entscheidung des Landgerichts Köln (Az. 33 O 277/06) gehe es
vorliegend nicht um die Bewerbung von Flugreisen, die nur über den werbenden
Anbieter hätten gebucht werden können. Vielmehr hätten die beworbenen
Flugreisen über verschiedene Anbieter gebucht werden können, so dass die Höhe
der Servicegebühr vom jeweiligen Anbieter abhängig gewesen sei.
Die Inkludierung der Service-Charge würde zu einer Verzerrung auf dem
Reisemarkt führen. Denn die Ticket-Service-Charge sei nicht obligatorisch und
differiere in der Höhe je nach Flugbuchung. Durch die separate Angabe der Ticket-
Service-Charge werde Transparenz gewährleistet. Der Kunde könne so erkennen,
welche Buchung die günstigste sei. Sie könne deshalb nicht gezwungen werden,
ihre Flugpreise nur einschließlich der Ticket-Service-Charge anzugeben.
Durch die beanstandete Art und Weise der Preisangaben werde ein verständiger
Durchschnittsverbraucher allenfalls ein wenig geneigter gemacht, sich näher mit
ihrer Anzeige zu befassen. Außerdem sei ein eventueller anzunehmender Verstoß
gegen die Preisangabenverordnung nur unerheblich, weil es um einen rein
formalen Verstoß gehe, nämlich zwar den Endpreis nicht angegeben zu haben,
aber sämtliche Preisbestandteile, so dass der Verbraucher ohne große Mühe den
Endpreis errechnen könne, um eine richtige und zu Vergleichszwecken geeignete
Preisvorstellung zu haben.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
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Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 3, 3, 4 Nr. 11 UWG in
Verbindung mit § 1 Abs. 1 PAngV zu.
Denn die Beklagte hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 15.02.2007 für 4
verschiedene Flugreisen unter Angabe von Preisen geworben, ohne die Endpreise
anzugeben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 PAngV). Die Gebühr von 5,00 Euro für
die Ticket-Service-Charge, die bei einer Buchung der 4 beworbenen Flüge nach
New York, Dubai, Mumbai und Chengdu über die Beklagte anfällt, hätte als Preis
für Nebenleistungen in den Endpreis einbezogen werden müssen, so dass der
Flugpreis nach New York mit einem Endpreis von 384,00 Euro in der Werbung der
Beklagten hätte angegeben werden müssen.
Denn die Beklagte hat in ihrer Anzeige aus der Sicht eines verständigen und
durchschnittlich informierten Verbrauchers, der die Anzeige mit entsprechender
Aufmerksamkeit liest, 4 verschiedene Flüge nach New York, Dubai, Mumbai und
Chengdu einschließlich der Möglichkeit, diese Flugreisen über die Internetseite der
Beklagten "..." für 5,00 Euro Gebühr zu buchen, beworben. Insoweit ist darauf
hinzuweisen, dass ein Leser einer Zeitungsanzeige diese im Allgemeinen eher
beiläufig oder nur in sie interessierenden Teilen zur Kenntnis nimmt (BGH NJW
2004, 2235, 2236). Ein solcher Leser wird die beworbenen Leistungen nach dem
entscheidenden ersten Eindruck dahingehend verstehen, dass die Beklagte einen
Flug nach New York für 384,00 Euro einschließlich der Buchung per Online über die
Beklagte bewirbt.
Dem gegenüber geht das Verständnis eines durchschnittlich informierten und
verständigen Verbrauchers beim Lesen der Anzeige nicht dahin, dass die Beklagte
zum Einen einen Flug nach New York für 379,00 Euro bewirbt und zum Anderen die
Möglichkeit, diesen Flug für eine zusätzliche Gebühr von 5,00 Euro über die
Beklagte per Online zu buchen. Vielmehr wird der Verbraucher die Werbung als
eine solche für eine einheitliche Leistung, nämlich einen Flug nach New York für
384,00 Euro einschließlich der Buchungskosten verstehen.
Die Werbung dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte in ihr zwei
unterschiedliche Leistungen – Flugreise und Buchung – getrennt bewirbt, die nicht
aufeinander bezogen sind, hält die Kammer für fernliegend.
Ausgehend von diesem Verständnis der Werbung – nämlich Werbung für einen
Flug nach New York für 384,00 Euro einschließlich der Buchung über die Beklagte
für 5,00 Euro – gibt die Beklagte in der Anzeige nur zwei Preisbestandteile an, ohne
zugleich den Endpreis von zum Beispiel 384,00 Euro für den Flug nach New York zu
nennen. Dies ist unzulässig (Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 1 PAngVR 5;
BGH GRUR 2001, 1166, 1167).
Dem steht nicht entgegen, dass ein Verbraucher aufgrund der Aufmachung der
Werbung und aufgrund der angegebenen Preisbestandteile den Endpreis von
384,00 Euro für den Flug nach New York ohne nennenswerte Schwierigkeiten
errechnen kann. Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verlangt unabhängig von der
Möglichkeit, den Endpreis ohne Schwierigkeiten errechnen zu können, die Angabe
des Endpreises. Davon kann nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn sich
ein umfassender Endpreis nicht angeben lässt, weil einzelne Preisbestandteile zeit-
oder verbrauchsabhängig sind. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor.
Auch der Umstand, dass die Beklagte den Flugpreis nach New York mit "ab 379,00
Euro" angibt, führt nicht dazu, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, die Gebühr
für die Buchung in den Endpreis einzubeziehen. Denn der an die Beklagte zu
zahlende Mindestendpreis für einen Flug nach New York einschließlich der Gebühr
für die mitbeworbene Buchungsmöglichkeit über die Beklagte beträgt nicht 379,00
Euro, sondern 384,00 Euro.
Der Einbeziehung der Gebühr für die Buchung steht auch nicht entgegen, dass die
beworbenen Flüge nicht nur über die Beklagte, sondern auch über andere Anbieter
– Reisebüros oder Online – gebucht werden können und die Höhe der Gebühr für
die Buchung über andere Anbieter je nach Anbieter differiert, so dass der Endpreis
– je nach Anbieter – unterschiedlich hoch sein kann. Denn diesem Umstand trägt
die Beklagte Rechnung, dass sie ihren beworbenen Preis mit "ab ... Euro" angibt.
Außerdem bewirbt die Beklagte die Möglichkeit, die beworbenen Flüge über ihre
Internetseite für 5,00 Euro zu buchen unter Angabe eines Preisbestandteils mit, so
dass dieser Preisbestandteil als Teil der insgesamt beworbenen Leistungen der
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dass dieser Preisbestandteil als Teil der insgesamt beworbenen Leistungen der
Beklagten in den Endpreis mit einzubeziehen ist. Ob die Beklagte immer, auch
wenn sie die Buchungsmöglichkeit über ihre Internetseite nicht ausdrücklich mit
bewirbt, in den Endpreis einbeziehen muss, kann offen bleiben. Jedenfalls soweit es
um die konkrete, streitgegenständliche Werbung geht, ist eine solche
Einbeziehung erforderlich, weil es um einen obligatorischen Preisbestandteil der
insgesamt beworbenen Leistungen geht.
Deshalb geht auch der Einwand der Beklagten, die Inkludierung der Ticket-Service-
Charge führe zu einer Verzerrung auf dem Reisemarkt, weil die Ticket-Service-
Charge nicht obligatorisch sei und in der Höhe je nach Anbieter differiere,
jedenfalls vorliegend fehl. Denn in der streitgegenständlichen Werbung bewirbt die
Beklagte ausdrücklich die Buchungsmöglichkeit über ihre Internetseite als Teil der
insgesamt angebotenen Leistungen mit. Deshalb ist auch insoweit ein einheitlicher
Endpreis für alle beworbenen Leistungen zu bilden. Dies belässt der Beklagten die
Möglichkeit, auf die nach ihrer Ansicht äußerst günstige Gebühr für die Buchung
über die Beklagte hinzuweisen. Dies könnte zum Beispiel dadurch geschehen,
dass die Beklagte den Endpreis von 384,00 Euro für den Flug nach New York angibt
und zusätzlich darauf hinweist, dass der Preis einschließlich einer 5,00 Euro Ticket-
Service-Charge gelte.
Der Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV ist nicht als unerheblich im Sinne von § 3
UWG einzustufen, obwohl der Verbraucher den Endpreis ohne nennenswerte
Schwierigkeiten selbst errechnen kann und deshalb die Möglichkeit von
Preisvergleichen nicht erheblich erschwert wird. Denn die Verpflichtung zur Angabe
von Endpreisen stellt eine vor Vertragsabschluss – ebenso wie das Widerrufsrecht
nach § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB – InfoV –
zu erfüllende Informationspflicht dar. Verstöße gegen solche vor
Vertragsabschluss zu erfüllende Informationspflichten sind grundsätzlich erheblich
im Sinne von § 3 UWG. Solche Informationspflichten sollen nämlich die
Transparenz des Marktes fördern, insbesondere einen Wettbewerb zwischen den
Unternehmen und deren Erzeugnisse und dienen deshalb dem Verbraucherschutz
in erheblicher Weise. Danach kann ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV nur
ausnahmsweise unerheblich sein, wenn ein Wettbewerbsvorsprung praktisch
ausgeschlossen ist. Dies kann vorliegend jedoch nicht festgestellt werden.
Denn durch die fehlende Einbeziehung der Service-Ticket-Charge konnte optisch
ein auf den ersten Blick günstigerer Preis beworben werden, als dies tatsächlich
der Fall war. Dieses Vorgehen ist geeignet, der Beklagten im Rahmen des
Preiswettbewerbs einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
Soweit die Beklagte einwendet, dass es sich um keinen wesentlichen
Wettbewerbsverstoß handele, ist dieser Einwand unerheblich. Denn anders als § 13
Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG a. F. kommt es in § 3 UWG nur darauf an, ob ein Verstoß
gegen die Preisangabenverordnung die wettbewerbsrechtlichen Belange nicht nur
unerheblich beeinträchtigt. Eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung liegt jedoch
nicht erst dann vor, wenn ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung geeignet
ist, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Vielmehr liegt eine nicht
unerhebliche Beeinträchtigung auch dann vor, wenn noch keine wesentliche
Beeinträchtigung gegen ist.
Der Zahlungsanspruch ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet. Denn die
Abmahnung vom 22.03.2007 war nach den vorstehenden Ausführungen
berechtigt. Die Höhe der Abmahnkosten schätzt die Kammer nach § 287 ZPO auf
189,00 Euro. Die vom Kläger vorgetragenen Bemessungszahlen für eine
Schätzung der dem Kläger durch die Abmahnung entstandenen Aufwendungen
sind der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt und geben keinen
Anlass zu Zweifeln.
Der Zinsanspruch ist nach § 289 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.