Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: bekanntmachung, tagesordnung, satzung, aufsichtsrat, anfechtbarkeit, einberufung, form, nichtigkeitsklage, kreditinstitut, vorschlag

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 339/07, 3/5
O 339/07, 3-05 O
339/07, 3/05 O
339/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 121 Abs 3 AktG, § 125 Abs 5
AktG, § 134 AktG, § 135 Abs 9
AktG, § 135 Abs 12 AktG
(Aktiengesellschaft: Zulässigkeit des Klagebeitritts eines
bereits als Streithelfer den Klägern im
Nichtigkeitsrechtsstreit einer Beschlussmängelklage
beigetretenen Aktionärs; Nichtigkeit eines
Hauptversammlungsbeschlusses wegen unrichtiger
Angaben zur Form der Stimmrechtsvollmacht)
Tenor
Der Klagebeitritt der Beteiligten zu 15) und 20) wird als unstatthaft zurückgewiesen
Es wird festgestellt, dass der Beschluss in der Hauptversammlung der Beklagten
vom 20.11.2007 zu Punkt 5 der Tagesordnung -Beschlussfassung über die
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der L., auf die A., gegen
Gewährung einer Barabfindung (§§ 327a ff AktG) nichtig ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Streithelfer der Kläger zu tragen, mit Ausnahme der der Beteiligten zu
15) und 20). Von deren außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte nur jeweils 50
% zu tragen. Ihre übrigen außergerichtlichen Kosten haben diese Beteiligten selbst
zu tragen.
Ihre außergerichtliche Kosten hat die Streithelferin der Beklagten - die Beteiligte zu
22) – selbst zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 120 % des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Klagen der Kläger beträgt bis zur Verbindung jeweils EUR
150.000,--, und seit Verbindung für alle Klagen insgesamt EUR 150.000,--.
Tatbestand
Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 11.10.2007 lud die
Beklagte zu ihrer Hauptversammlung vom 20.11.2007 ein. Gegenstand der
Tagesordnung waren unter anderem die Beschlussfassung zu
Tagesordnungspunkt 5 über die Übertragung die Aktien der übrigen Aktionäre der
Beklagten (Minderheitsaktionäre) auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer
Barabfindung in Höhe von EUR 12,15 je Stückaktie (nachfolgend:
"Übertragungsbeschluss"). Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die zu den
Akten gereichte Kopie dieser Bekanntmachung (Anlage B14, Sonderband Anlagen)
verwiesen.
In dieser Hauptversammlung der Beklagten vom 20.11.2007 wurde dann ein
Beschluss zu TOP 5 gefasst. Wegen der Einzelheiten dieser Hauptversammlung
und des vom Versammlungsleiter als gefasst festgestellten Beschlusses wird auf
die zu den Akten gereichte Ablichtung des notariellen Protokolls des Notars Dr. L.
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die zu den Akten gereichte Ablichtung des notariellen Protokolls des Notars Dr. L.
Ur.-Nr. L …/2007 (Anlage B15, Sonderband Anlagen) verwiesen.
Die Kläger haben jeweils Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage gegen den
Übertragungsbeschluss erhoben.
Der Kläger zu 8) ist zunächst der Auffassung, dass der Beschluss nichtig sei, da
die Beschlussfeststellung von dem Beschlussvorschlag abweiche, der Betrag
werde nicht genannt. Weiterhin sind die Kläger zur 10) und 11) der Ansicht, dass in
den Bedingungen für die Teilnahme und die Ausübung des Stimmrechts eine
unzulässige Beschränkung der Vollmachtserteilung vorliege, da hier die Vorlage
einer schriftlichen Vollmacht zum Verbleib bei der Gesellschaft verlangt werde.
Zudem liege eine unzulässige Beschränkung der Vollmacht für
Stimmrechtsvertreter vor, da hier Weisungen für erforderlich gehalten würden.
Weiter macht der Kläger zu 7) geltend, der Beschluss sei angreifbar, da das Wort
angemessen fehle. Einige Kläger sind der Ansicht, die Hauptaktionärin habe ein
Stimmverbot nach § 28 WpHG unterlegen, da die hinter der Stiftung, die ihrerseits
hinter der Mehrheitsaktionärin stehe, stehenden Personen ihren Meldepflichten
nach § 22 WpHG nicht nachgekommen seien. Die Prüfung der sachverständigen
Prüferin sei unzureichend, da die Auflagen des Bestellungsbeschlusses nicht
beachtet worden seien. Die Beschlussvorschläge durch Aufsichtsrat und Vorstand
für den streitgegenständlichen Beschluss seien fehlerhaft.
Der Abfindungswert sei fehlerhaft ermittelt worden. Es seien ein fehlerhafter
Börsenkurs und unzutreffende Bewertungsparameter zugrunde gelegt worden. Die
Höhe des Übernahmeangebotes von EUR 12,50 hätte der Richtwert sein müssen.
In der Hauptversammlung sei es zu Informationspflichtverletzung gekommen.
Fragen nach Satzung der Hauptaktionärin und der Stiftung seien nicht beantwortet
worden. Auch die Frage nach einer alternativen Berechnung mit einem anderen
Basiszinssatz und Risikozuschlag sei nicht beantwortet worden.
Die Dokumentation und Berichterstattung zur Abfindung sei unzureichend. Es läge
eine Treuepflichtverletzung vor, da die Hauptaktionärin zu gering kapitalisiert sei
um einen erhöhten Abfindungsanspruch Verfahren zahlen zu können. Es fehle
jedenfalls ein Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit eines Darlehens nachdem die
Hauptaktionärin einen Stimmrechtsanteil von über 95% habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die jeweiligen Klageschriften (Bl. 20 ff, 71
ff, 102 ff, 114ff, 160 ff, 201 ff, 226 ff 255 ff, 282 ff, 312 ff 343 ff, 375 ff d. A.) Bezug
genommen.
Die Kläger und ihr Streithelfer beantragen,
den Beschluss in der Hauptversammlung der Beklagten vom
20.11.2007 zu Punkt 5 der Tagesordnung -Beschlussfassung über die Übertragung
der Aktien der Minderheitsaktionäre der L. auf die A., gegen Gewährung einer
Barabfindung (§§ 327a ff AktG) für nichtig zu erklären, bzw. festzustellen, dass
dieser Beschluss nichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, dass eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des
streitgegenständlichen Beschlusses nicht vorliege. Durch die Bezugnahme bei der
Beschlussfeststellung durch den Versammlungsleiter auf den Vorschlag von
Vorstand und Aufsichtsrat ergebe sich hinreichend eindeutig der Inhalt des
gefassten Beschlusses. Auch die in der Bekanntmachung angegebene Bedingung
für die Ausübung des Stimmrechts im Hinblick auf die Vollmachtserteilung sei
nicht zu beanstanden. Die Abfindung bei dem beschlossenen Ausschluss der
Minderheitsaktionäre sei angemessen, zudem könnten die Kläger hiermit im
Anfechtungsverfahren nicht gehört werden, da das Gesetz für die Überprüfung der
Angemessenheit ein Spruchverfahren vorsehe. Die Hauptaktionärin sei auch zu
allen maßgeblichen Zeitpunkten mit über 95% des (zurechenbaren)
Aktienbesitzes Aktionärin der Beklagten gewesen. Ein Stimmverbot nach § 28
WpHG sei bei der Hauptaktionär nicht gegeben gewesen, da für die an der Stiftung
Beteiligten eine Meldepflicht nach WpHG nicht bestanden habe. Alle erforderlichen
Unterlagen hätten in der Hauptversammlung ausgelegen. Die Prüfung der
Barabfindung sei in gesetzmäßiger Weise erfolgt, eine unzulässige Auswahl durch
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Barabfindung sei in gesetzmäßiger Weise erfolgt, eine unzulässige Auswahl durch
die Hauptaktionärin sei nicht erfolgt, das Landgericht Frankfurt am Main sei
vielmehr den Vorschlägen der Hauptaktionärin nicht gefolgt. Auch die so genannte
Parallelprüfung sei nicht zu beanstanden. Die bestellte Prüferin sei den Auflagen
im Bestellungsbeschluss nachgekommen. Der Bericht der Hauptaktionärin
enthalte alle wesentlichen und notwendigen Informationen. Weitere Informationen
seien nicht erforderlich gewesen. Der Beschlussvorschlag von Vorstand und
Aufsichtsrat sowie sein Zustandekommen seien nicht zu beanstanden. In der
Hauptversammlung sei es zu keiner Verletzung des Auskunftsrechts gekommen.
Die gestellten Fragen seien beantwortet worden, soweit dies möglich und rechtlich
geboten war. Der Klägerin zu 7) seien die bestellten Stimmkarten übermittelt
worden. Dieser habe nur zwei bestellt. Die Beklagte bestreitet, dass die Kläger
zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagesordnung Aktionäre der Beklagten
gewesen seien und noch sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 19.2.2008 (Bl.
431 ff d. A.) verwiesen.
Die Beteiligten zu 15) und 20) haben kurz vor der mündlichen Verhandlung vom
5.8.2008 mit Schriftsätzen vom 30.7.2008 und 18.2008 ihre Beitritt als Kläger auf
Seiten der Kläger erklärt. Dem haben die Beklagte und jedenfalls der Kläger zu 8)
in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich widersprochen.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom
25.8.2008 erklärt, dass sie den Klageanspruch anerkenne.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Trotz des Anerkenntnisses der Beklagten im Schriftsatz vom 25.8.2008 war durch
streitiges Urteils zu entscheiden.
Diese Erklärung hat nichts daran geändert, dass die Kammer aufgrund der
streitigen Anträge zu entscheiden hatte, die die Parteien bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung am 4.8.2008 gestellt hatten. Einer Partei steht es
nämlich nicht frei, Sachanträge, die sie bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung wirksam abgegeben hat, ohne erneute mündliche Verhandlung
wieder zurückzunehmen und damit die prozessuale Stellung, die die Gegenpartei
erlangt hat, wieder zunichte zu machen (OLG Frankfurt, MDR 1982, 153;NJW-RR
1992, 1405; vgl. auch BGH NJW 2004, 2019). In Betracht käme nur die
Wiedereröffnung der mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO. Diese war jedoch
nicht geboten, da bereits jetzt ein den Klageanträgen stattgebendes Urteil
ergehen konnte und im Übrigen auch eine Zustimmung der auf Seiten der
Beklagten beigetretenen Streithelferin nicht vorlag, so dass schon deswegen ein
Anerkenntnisurteil nicht ergehen konnte (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1993, 931).
Der neben der Nebenintervention erklärte Beitritt als Kläger auf Seiten der Kläger
durch die Beteiligten zu 15) und 20) im Wege der nachträglichen Parteierweiterung
ist unstatthaft.
Es kann dahin stehen, ob hierzu die Einwilligung der Beklagten (so z. B: Roth in
Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 263 Rz. 67) oder des Klägers (so z. B: Saenger in
HKO-ZPO, 2. Aufl. 2007, § 263 Rz. 27) erforderlich ist, da die Beklagte und
jedenfalls ein Kläger dem Klägerbeitritt widersprochen haben.
Auch eine Sachdienlichkeit ist für diesen Beitritt nicht gegeben. Unabhängig von
der Frage, ob ein solcher Klägerbeitritt bei der aktienrechtlichen Anfechtungs-
/Nichtigkeitsklage (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart NZG 2001, 277 = AG 2001, 315)
überhaupt wegen der Möglichkeit der streitgenössischen Nebenintervention
möglich oder erforderlich ist, oder ob für die Zustellung des Beitrittsschriftsatzes
die beitretenden Kläger erst einen Gerichtskostenvorschuss zu zahlen haben, da
im aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren die Vorschusspflicht
für alle Kläger in voller Höhe mit der Einreichung der Klageschrift entsteht (vgl. OLG
Frankfurt am Main Beschluss vom 13.11.2006 – 5 W 40/06 -; OLG Koblenz NZG
2005, 817 m. w. Nachw.), ist die Sachdienlichkeit schon deswegen zu verneinen,
weil ohne Zulassung des Klagebeitritts die Sache entscheidungsreif ist, während
bei Zulassung ein neues Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten begründet wird
und der Beklagten auf ihren Antrag hin eine neue Erwiderungsfrist zu setzen (vgl.
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und der Beklagten auf ihren Antrag hin eine neue Erwiderungsfrist zu setzen (vgl.
Greger in Zöller ZPO, 26. Aufl., § 263 Rz. 269 und erneut in die mündliche
Verhandlung einzutreten wäre (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.). Zudem ist für die
mangelnde Sachdienlichkeit von Bedeutung, dass die Beteiligten zu 15) und 20)
bereits dem Rechtsstreit als streitgenössische Nebenintervenienten beigetreten
sind. Sie können daher aus dieser Rechtsstellung heraus durch entsprechenden
Sach- und Rechtsvortrag auf die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des
angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses hinwirken. Einer nachträglichen
Parteierweiterung durch eigene Klageerhebung bedarf es daher nicht, damit die
Beteiligten zu 15) und 20) ihre Rechte im vorliegenden Rechtsstreit wahren
können.
Die erhobenen Nichtigkeits-/Anfechtungsklagen sind begründet, wobei es wegen
der notwendigen Streitgenossenschaft genügt, wenn nur ein Kläger durchgreifende
Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe vorbringt.
Unabhängig von der Frage, ob die ansonsten vorgebrachten Anfechtungsgründe
vorliegen, haben die Kläger zu 10) und 11) und 8) einen die Nichtigkeit des
Übertragungsbeschlusses herbeiführenden Grund, jedenfalls die Anfechtbarkeit
begründenden Grund zutreffend geltend gemacht.
Alle Klagen sind in der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden, da
sie alle zumindest per FAX bis zum 20.12.2007 fristwahrend beim Landgericht
eingingen.
Jedenfalls die Kläger zu 10) und 11) sind nach § 245 Ziff. 1 AktG klagebefugt.
Sie haben durch Vorlage einer Bescheinigung der N. Bank v. 20.2.2008 bzw.
28.2.2008 im Verfahren 3-05 O 339/07 nachgewiesen, dass sie bereits vor dem
1.4.2007 bzw. 1.1.2007 und seitdem ununterbrochen Aktionär der Beklagten sind.
Für eine Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG ist es zudem zunächst unerheblich, ob
die Kläger ihre die Aktionärsstellung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der
Tagesordnung nach § 245 Nr. 3 AktG nachgewiesen haben. Für die
Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG ist allein genügend, dass der Kläger Aktionär ist
oder war (vgl. Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, § 249 Rz 4 a. E. m.w.Nachw.). Diese
Aktionärsstellung der Kläger hat die Beklagte nicht grundsätzlich bestritten,
sondern nur die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Tagesordnung und zum
jetzigen Zeitpunkt. Dass die Kläger zum Zeitpunkt der beschlussfassenden
Hauptversammlung nicht Aktionäre der Beklagten gewesen sind, ist aber nicht im
Streit.
Die Kläger zu 10), 11) und 8) haben unbestritten gegen den angefochtenen
Übertragungsbeschluss Widerspruch zu Protokoll erklärt.
Dieser Beschluss zu TOP 5 ist sowohl nach § 241 Nr. 1 i. V. m. § 121 Abs. 3 AktG
als auch nach § 241 Nr. 2 i.V.m. § Abs. 2 AktG nichtig, jedenfalls anfechtbar.
Die Nichtigkeit nach § 241 Nr. 1 AktG i.V.m. § 121 Abs. 3 AktG folgt daraus, dass in
der Ladung zur Hauptversammlung am 20.11.2007 die Bedingungen für die
Stimmrechtsausübung nicht in einer dem Gesetz und der Satzung
entsprechenden Weise angegeben wurden. Gemäß § 121 Abs. 3 AktG muss die
Einberufung neben anderen Angaben die Bedingungen angeben, von denen die
Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts
abhängen. Diese Bedingungen wurde hier unzutreffend dahingehend angegeben,
dass angegeben wurde, dass bei Vertretung durch einen Bevollmächtigten bei der
Stimmrechtsausübung der Bevollmächtigte seine Stimmberechtigung durch die
Übergabe einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ausgestellt durch den vertretenen
Aktionär, an die Gesellschaft zu deren Verbleib nachzuweisen habe. Da in der
Satzung der Beklagten keinerlei besondere Regelungen über die Art und Weise der
Bevollmächtigung bei der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung
enthalten ist, verbleibt bei der gesetzlichen Regelung der §§ 134, 135 AktG für die
Form der Vollmachtserteilung. Nach § 135 AktG bedarf aber eine Vollmacht die
einem Kreditinstitut oder einem der in § 135 Abs. 9 AktG und § 135 Abs. 12 AktG i.
V. m. § 125 Abs. 5 AktG Personen(vereinigungen) erteilt wird nicht der Schriftform
durch eine vom Vollmachtsgeber zu unterzeichnende Urkunde, sondern diese nur
von dem Bevollmächtigten in nachprüfbarer Form festgehalten werden muss. Das
unterschiedslose Verlangen einer schriftlichen Vollmacht zum Verbleib bei der
Gesellschaft als Bedingung für die Stimmrechtsausübung durch einen
Bevollmächtigten entspricht daher nicht der gesetzlichen Regelung.
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Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass Kreditinstitute
aufsichtsrechtlich sich schriftliche Vollmachten erteilen lassen müssen. Abgesehen
davon, dass dies nur das Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut und der
Aufsichtsbehörde betrifft und die aktiengesetzliche Regelung nicht abändern kann,
erfasst die Bestimmung des § 135 AktG auch ausländische Kreditinstitute (vgl.
Willamowski in Spindler/Stilz, AktG § 135 Rz. 1; Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, §
135 Rz. 4 m.w.Nachw.) und andere Bevollmächtigte, wie z. B.
Aktionärsvereinigungen, die der deutschen Bankenaufsicht nicht unterliegen.
Soweit die Beklagte ausführt, dass sich der Satz über den Nachweis der Vollmacht
nur auf das depotführende Kreditinstitut beziehe und nicht auf sonstige
Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen ist dies aus Grammatik und Syntax der
beiden Sätze heraus nicht nachvollziehbar. In Satz eins wird ausgeführt, dass sich
der Aktionär bei der Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte vertretenlassen
kann und es sind als Beispiel wird die depotführende Bank, Aktionärsvereinigungen
oder andere Personen genannt. Der sich unmittelbar anschließende Satz spricht
dann davon, dass der Bevollmächtigte seine Stimmberechtigung durch Übergabe
einer schriftlichen Vollmachtsurkunde nachzuweisen hat. Der in Satz 2 genannte
„Bevollmächtigte“ kann daher nur der „Bevollmächtigte“ sein, wie er auch in Satz
eins angeführt und benannt wird.
Die Beklagte kann sich für diese gesetzeswidrige Bedingung auch nicht darauf
berufen, dass die Beklagte nach § 174 BGB befugt sei, einen Nachweis der
Vollmacht zu verlangen. Die Regelung des § 174 BGB ist im Verhältnis zwischen
Gesellschaft, Aktionär und seinem Bevollmächtigten nicht anwendbar, da hier die
die aktienrechtlichen Spezialregelungen der §§ 134, 135 AktG eingreifen. Der
Gesetzgeber (RegBegr BT.Drucks. 14/4051 S. 15) hat ausdrücklich die
Anforderungen zurücknehmen und die Nachweiserfordernisse den Beteiligten
überlassen wollen. Dies besagt aber, dass nach § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG die
Satzung entsprechende Regelungen über die Vollmachtserteilung treffen kann
(und ggf. muss), wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Erleichterungen des §
135 AktG durch eine Satzungsbestimmung abbedungen werden kann (vgl. zum
Meinungsstand über die Frage der satzungsmäßigen Abdingbarkeit: Bunke AG
2002, 57; Holzborn in Bürgers/Körber, AktG § 135 Rz. 10 m.w.Nachw.). Jedenfalls
bedarf es hierzu aber einer eindeutigen satzungsmäßigen Bestimmung, an der es
hier fehlt. Die Beklagte kann sich hier nicht auf Ziff. 9.5. der Satzung berufen.
Abgesehen davon, dass der dort angesprochene Nachweis zur Berechtigung der
Teilnahme und der Ausübung des Stimmrechts sich eindeutig auf den im
folgenden Satz – insoweit in der Antragsschrift und Klageerwiderung nicht zitiert –
angesprochenen Nachweis des Anteilsbesitzes nach § 123 Abs. 3 AktG bezieht
und nicht auf die Modalitäten des Vollmachtsnachweises bei
Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten, wäre eine
Satzungsbestimmung, wie sie die Antragstellerin hier verstehen will, dass auch die
Frage des Vollmachtsnachweises ohne nähere Satzungsregelung in der Einladung
bekannt gegeben werden kann, nicht mit dem Gesetz vereinbar. Nach dem
Wortlaut des § 134 Abs. 3 Satz 2 AktG muss die Satzung selbst Regelungen über
die Vollmacht und deren Nachweis enthalten, wenn von den gesetzlichen
Bestimmungen abgewichen werden soll. Würde man dies, wie es die Antragsteller
sieht, allein dem Vorstand bei der Bekanntmachung der Bedingungen der
Teilnahme- und Stimmrechtsausübung überlassen, wäre dies ein Verstoß gegen §
23 Abs.5 AktG mit der Folge, dass die in der Hauptversammlung gefassten
Beschlüsse für nichtig zu erklären wären (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt LG
München WM 2007, 2111, 2113).
Diese unrichtige gesetzeswidrige Angabe der Bedingungen für die
Stimmrechtsabgabe (durch einen Bevollmächtigten) führt zur Nichtigkeit der
Beschussfassung gem. § 241 Nr. 1 i.V.m. § 121 Abs. 3 AktG.
Die Beklagte kann sich hier nicht darauf berufen, dass nach § 121 Abs. 3 AktG nur
die Bedingungen anzugeben sind, von denen die Teilnahme und die Ausübung des
Stimmrechts durch den Aktionär selbst abhängt, während Ausführungen zur
Stimmrechtsvertretung nicht erforderlich seien.
Von § 121 Abs. 3 AktG sind alle Modalitäten erfasst, die die Art und Weise oder die
Form der Stimmrechtsausübung betreffen, wozu auch Fragen der Vollmacht
gehören (so ausdrücklich der von der Beklagten für die Gegenmeinung zitierte
Kubis in MünchKomm, AktG, 2. Aufl. § 121, Rz. 21; Ziemons in Schmidt/Lutter,
AktG, § 121, Rz. 37). Soweit sich die Beklagte für ihre Auffassung auf Stimmen in
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AktG, § 121, Rz. 37). Soweit sich die Beklagte für ihre Auffassung auf Stimmen in
der Literatur (Werner in GroßKomm, AktG 4, Aufl. § 121 Rz. 60) bezieht, wonach
Angaben zu Stimmrechtsvertretung nicht erforderlich seien, so wird dort lediglich
ausgeführt, dass es um Bedingungen zwischen Treuhänder und Treugeber geht,
mithin um Bedingungen aus dem Innenverhältnis, nicht jedoch um Bedingungen,
in welche Weise die Vertretungsbefugnis für die Stimmrechtsausübung gegenüber
der Gesellschaft nachzuweisen ist.
Aber selbst wenn man hier eine Nichtigkeit verneinen wollte, führte der Mangel zur
Anfechtbarkeit (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 15.7.2008 – 5 W 15/08 -,
BeckRS 2008, 15524; LG Dresden, Beschl. v. 16.3.2007 – 43 OH 354/06, BeckRS
2007, 05044).
Die Einberufungsvorschriften bestehen zugunsten der Aktionäre, die damit die
Aufhebung der Beschlüsse in der Hand haben, welche unter Verstoß gegen die
Beachtung ihrer Mitgliedschaftsrechte zustande gekommen sind, § 243 Abs. 1
AktG. Dass die Kläger zu 10) und 11) trotz des Einberufungsmangels an der
Hauptversammlung teilgenommen haben, beseitigt den Anfechtungsgrund nicht,
weil nicht auszuschließen ist, dass andere Aktionäre durch die mangelhafte
Einberufung von der Teilnahme (mittels eines Bevollmächtigten) abgehalten
worden sind. Dabei kommt es nicht auf eine Relevanz der Teilnahme für das
Abstimmungsergebnis an.
Anfechtbarkeit ist schon immer dann gegeben, wenn Gesetz oder Satzung beim
Zustandekommen des Beschlusses verletzt werden. Der Begriff des
Zustandekommens ist weit auszulegen und erstreckt sich auch auf die
Einberufung der Hauptversammlung. Ein solcher anfechtbarer Verfahrensfehler
haftet der Einberufung der Hauptversammlung vorliegend jedenfalls an.
Die in der Ladung zur Hauptversammlung zusätzlich angegebenen
Teilnahmebedingungen müssen zum Schutz der Aktionärsrechte richtig sein und
dürfen die den Aktionären gesetzlich eingeräumten Rechte nicht verletzen.
Die sich hieraus ergebende Anfechtungsberechtigung ist auch angemessen, da
durch die Beschränkung der Vollmachtserteilung entgegen § 135 AktG
grundlegende Aktionärsrechte verletzt werden. Die betreffenden Angaben in der
Ladung sind geeignet, Aktionäre von der Teilnahme an der Hauptversammlung
abzuhalten, weil sie sich gehindert sehen, die Vollmacht nach den Vorgaben der
Bekanntmachung zu erteilen und deshalb der Hauptversammlung fern bleiben,
bzw. nicht eine der durch § 135 AktG genannten Personen bevollmächtigen, d.h.
auf das dem Aktionär zustehende elementare Teilnahmerecht an der
Hauptversammlung zu verzichten.
Ausweislich des Protokolls haben nicht alle Aktionäre an der Hauptversammlung
teilgenommen. Aus welchen Gründen ist nicht bekannt. Die Nichtteilnahme
einzelner Aktionäre infolge der unrichtigen Angaben zur Stimmrechtsvollmacht
kann nicht ausgeschlossen werden. Mit dem vorliegenden Einberufungsmangel
wird der Kerngehalt des Mitgliedschaftsrechts der Aktionäre verletzt. Der
Antragstellerin ist daher unabhängig von den gegebenen Mehrheitsverhältnissen
der Nachweis abgeschnitten, die Teilnahme aller Minderheitsaktionäre hätte die
getroffenen Beschlüsse nicht beeinflussen können (vgl. OLG Düsseldorf, DB 1991,
1826).
Eine Nichtigkeit des streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlusses ist
weiter gem. § 241 Nr. 2 i. V. m. § 130 Abs. 2 AktG gegeben, zumindest jedoch eine
Anfechtbarkeit. Die Kammer folgt der Ansicht des Kammergerichts in seinem
Beschluss vom 31.3.2006 -23 W 8/05 – welches in dieser Entscheidung zutreffend
darauf abstellt, dass die Feststellung des Versammlungsleiters über den Inhalt des
gefassten Beschlusses nicht im Wege der Auslegung dem tastsächlich zur
Abstimmung gestellten Beschluss angepasst werden kann. Das Kammergericht
fordert, dass durch die Beschlussfeststellung der Inhalt des Beschlusses in nicht
mehr interpretierbarer Weise festgelegt wird. Wenn wie vorliegend vom
Versammlungsleiter nur festgestellt wird, dass die Hauptversammlung, wie vom
Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagen, mit der Mehrheit der abgegebenen
Stimmen die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der L. , auf die A.,
gegen Gewährung einer Barabfindung beschlossen hat, so fehlt die Eindeutigkeit.
Wenn nicht die Beschlussfassung wörtlich festgestellt wird – wie es bei einem
Eingriff in die Eigentumsrechte der Minderheitsaktionäre nach § 327a AktG
angebracht erscheint- , hätte es bei einer Bezugnahme auf einen
Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat einer entsprechenden
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Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat einer entsprechenden
Konkretisierung bedurft, dass hier der Beschluss mit dem Inhalt beschlossen
wurde, wie er als konkreter Vorschlag in der Bekanntmachung der Tagesordnung
angegeben worden ist. Nur dann ist eindeutig klargestellt, dass ein Beschluss mit
dem dort konkretisierten Inhalt gefasst wurde. Die allgemeine Bezugnahme auf
einen Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat lässt die entsprechende
Konkretisierung nicht zu, zu verlangen ist bei einer Bezugnahme immer eine auf
den in der Tagesordnung enthaltenen und zur Abstimmung gestellten
Beschlussantrag (vgl. Ziemons in Schmidt/Lutter, AktG § 13, Rz, 13; Wicke in
Spindler/Stilz, AktG, § 130 Rz. 49 m w. Nachw.).
Ob die weiter geltend gemachten Anfechtungsgründe vorlagen, kam es bei dieser
Sachlage nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 101 ZPO.
Als Streitwert waren gem. § 247 AktG für die Anfechtungen der Beschlussfassung
zu Top 5 EUR 150.000,-- anzusetzen. Angesichts des Volumens der
angefochtenen Abfindung für die ausgeschlossenen Aktionäre zu TOP 10 erachtet
die Kammer hier 3/10 des höchsten Regelstreitwert des § 247 AktG in Höhe von
EUR 500.000,-- für angemessen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.