Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: erhöhung des grundkapitals, notwendige streitgenossenschaft, rechtsmissbrauch, verfügung, kopie, zustellung, entlastung, geschäftsjahr, anfechtbarkeit, bekanntmachung

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 11/08, 3/5 O
11/08, 3-05 O
11/08, 3/05 O
11/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 243 AktG, §§ 243ff AktG
Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschluss:
Rechtsmissbrauch wegen Vergleichsvorschlags des Klägers
mit weit überzogenem Gegenstandswert zu Lasten der
beklagten Aktiengesellschaft
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits und die gerichtlichen
Kosten ihr Klagen haben die Kläger jeweils selbst zu tragen
Von den außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits der Beklagten
haben die Klägerin zu 1) 93 % und die Klägerin zu 2) 7 % zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) ohne
Sicherheitsleitung und gegenüber der Klägerin zu 1) gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der
Klägerin zu 2) wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, es sei denn, dass die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für die Klage der Klägerin zu 1) beträgt bis zur
Verbindung EUR 300.000,--,
für die Klage der Klägerin zu 2) bis zur Verbindung EUR 20.000,--,
und seit Verbindung für alle Klagen insgesamt EUR 300.000--.
Tatbestand
Am 13.12. 2007 fand die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Zu
dieser Hauptversammlung hatte die Beklagte durch Bekanntmachung im
elektronischen Bundesanzeiger vom 9.7.2007 wie folgt geladen:
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Ladung wird auf die zu den Akten gereichte
Kopie (Bl. 33 – 44 d. A.) verwiesen
In der Satzung der Beklagten ist nichts über den Nachweis die Aktionärsstellung
für die Hauptversammlung geregelt; wegen der Einzelheiten der Satzung wird auf
die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 45 bis 48 d. A.) Bezug genommen.
Beide Klägerinnen nahmen vertreten durch einen Herrn K an dieser
Hauptversammlung teil. In dieser Hauptversammlung wurde über alle 15
streitgegenständlichen Tagesordnungspunkte TOP 2 – TOP 16, Beschuss gefasst.
Die Klage der Klägerin zu 1) – die sich gegen alle 15 Beschlussfassungen richtet
ging per Fax beim Landgericht Frankfurt am Main am 14.1.2008 ein. Mit Beschluss
vom 15.1.2008 wurde der Streitwert gem. § 63 GKG auf EUR 300.000 festgesetzt
und die Klägerin zu 1) mit Verfügung vom 17.1.2008 zur Zahlung des sich aus
diesem Streitwert ergebenen Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, dessen
Zahlung am 28.1.2008 einging. Die Klage der Klägerin zu 2) – die sich nur gegen
die Beschlussfassung zu TOP 8 Wahl des Aufsichtsrats wendet - ging per Fax beim
Landgericht Frankfurt am Main am 14.1.2008 ein. Mit Beschluss vom 15.1.2008
wurde der Streitwert gem. § 63 GKG auf EUR 20.000 festgesetzt und die Klägerin
zu 2) mit Verfügung vom 17.1.2008 zur Zahlung des sich aus diesem Streitwert
ergebenen Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, dessen Zahlung am
25.1.2008 einging. Mit Beschluss vom 29.1.2008 hat das Gericht die beiden Klagen
gem. § 246 Abs. 3 AktG verbunden und mit Verfügung vom gleichen Tag Termin
bestimmt und die Zustellung der Klagen angeordnet. Noch vor Ausführung dieser
Verfügung am 6.2.2008 ging am 4.2.2008 ein Schriftsatz des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2) (Bl. 59 d. A.) ein, mit dem eine
Zustellungsanschrift des Aufsichtsrats der Beklagten mitgeteilt wurde. In der
Folgezeit zwischen dem 11.2.2008 und dem 13.2.2008 erfolgen dann die
Zustellungen an den Vorstand der Beklagten und an die mitgeteilten Anschriften
der Aufsichtsratsmitglieder.
Noch bevor der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 18.3.2008 seine
Klageerwiderung einreichte, hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1)
der Beklagten einen Vergleichsvorschlag zu Beendigung des Rechtsstreits per FAX
übermittelt, wonach die Kläger ihre Klagen zurücknehmen würden, die Beklagte
gewisse Informationen auf ihrer Interseite veröffentlichen und die Kosten des
Rechtsstreits übernehmen sollte. Bei den Kosten waren als Streitwert EUR 500.000
und für den Vergleich EUR 4.000.000,-- bzw. EUR 4.500.000 angesetzt. Weiterhin
erhielt dieser Vorschlag eine Musterberechnung des sich ergebenden
Kostenerstattungsanspruchs. Wegen der Einzelheiten dieses Vergleichsvorschlags
wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 280 bis 286 d. A.) verwiesen.
Die Klägerin zu 1) macht geltend, die Beschlüsse dieser Hauptversammlung seien
nichtig oder anfechtbar, da die in der Ladung angegebenen
Teilnahmebedingungen fehlerhaft gewesen seien, in der Satzung keine Grundlage
hätten und den Aktionären die Teilnahme der Hauptversammlung in unzulässiger,
sachlich nicht begründeter Weise erheblich erschwerten. Die Beschlüsse der
Hauptversammlung litten weiter daran, dass die Beklagte nicht sichergestellt
habe, dass an der Hauptversammlung auch lediglich die berechtigten Aktionäre
teilnahmen und ihr Stimmrecht dort ausübten. Weiter macht die Klägerin zu 1)
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teilnahmen und ihr Stimmrecht dort ausübten. Weiter macht die Klägerin zu 1)
geltend, es habe in Bezug zur Beschlussfassung bei Tagesordnungspunkt 13 im
Vorfeld und in der Hauptversammlung Informationsverletzungen gegeben.
Angaben zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den Finanzdaten der "P
GmbH" seien nicht gemacht worden. Weiterhin habe die Frage nicht konkret
beantwortet werden können, wie sich der Ausgabebetrag der Aktien im Rahmen
der Sachkapitalerhöhung von EUR 5,10 ergebe. Eine rechtsmissbräuchliche
Klagerhebung liege auch im Hinblick auf den Inhalt des Vergleichsvorschlags nicht
vor. Ein Rechtsmissbrauch durch die Bemessung des Gegenstandswertes für die
Berechnung der anwaltlichen Gebühren durch die Klägerin zu 1) bestehe nicht. Bei
einer vereinbarten Gebührenerstattung wird die Partei lediglich von der Last der
angefallenen Kosten befreit. Zudem seien die dort genannten Werteinschätzungen
alles andere als fern liegend; dies ergebe sich im Einzelnen aus den angegriffenen
Beschlussfassungen die von nicht unerheblicher Bedeutung seien. Wegen der
Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin zu 1) vom 19.5.2008 (Bl. 291 ff d. A.) verwiesen. Die Klägerin zu 2) macht
gegenüber der Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt 8 – Wahl des
Aufsichtsrats – geltend, die Anfechtbarkeit ergebe sich daraus, dass entgegen der
Bestimmung des § 124 Abs. 3 S. 3 AktG die Angabe des konkret ausgeübten
Berufs der Kandidaten im Vorschlag der Verwaltung nicht erfolgt sei. Der Klägerin
zu 2) sei der Vergleichsvorschlag unbekannt gewesen, so dass jedenfalls
gegenüber ihr nicht der Einwand des Rechtsmissbrauches erhoben werden könne.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
1. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 2
"Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns 2005";
2. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 3
"Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns 2006";
3. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 4
"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für
das Geschäftsjahr 2005";
4. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 5
"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands für
das Geschäftsjahr 2006";
5. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 6 "Beschlussfassung über die
Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2005";
6. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 7
"Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für
das Geschäftsjahr 2006";
7. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 9
"Beschlussfassung über die Zustimmung zur Informationsübermittlung im
Wege der elektronischen Datenfernübertragung";
8. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 10
"Beschlussfassung über den Ort der Hauptversammlung";
9. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 11
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"Beschlussfassung über eine Regelung zur Anmeldung zu einer
Hauptversammlung";
10. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 12
"Beschlussfassung über eine Satzungsregelung hinsichtlich
Jahresabschluss und Lagebericht, Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrat";
11. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 13
"Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft
durch Sach- und Bareinlagen";
12. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 14
"Beschlussfassung über die Firma der Gesellschaft";
13. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 15
"Beschlussfassung über den Unternehmensgegenstand der Gesellschaft";
14. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom
13. Dezember 2007 zum Tagesordnungspunkt 16
"Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2007"
für nichtig zu erklären;
hilfsweise festzustellen, dass diese Beschlussfassungen nichtig sind.
Darüber hinaus beantragen die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) den
Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Dezember
2007 zum Tageordnungspunkt 8 "Wahl der Aufsichtsratsmitglieder W Z, A Herr und
Dr. M Wi " für nichtig zu erklären; hilfsweise festzustellen, dass diese
Beschlussfassung nichtig ist.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint zunächst, die Klagen seien schon deswegen unstatthaft, da
eine fristgerechte Klagerhebung nicht vorliege. Die Verzögerung der Zustellung
ginge zu Lasten der Kläger. Zudem werde bestritten, dass die Kläger ihre Aktien
vor Bekanntmachung der Tagesordnung am 9.11. 2007 erworben hätten. Die Art
der Bekanntmachung der Berufe für die vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder
sei nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden. Die Bedingungen für die
Teilnahme in der Bekanntmachung seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Wegen
der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Klageerwiderung vom 18.3.2008 (Bl.
133 - 136 d. A.) verwiesen. Informationsrechtsverletzungen habe es weder vor
noch innerhalb der Hauptversammlung gegeben. Den Aktionären habe ein
Wertgutachten eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die P GmbH vorgelegen.
Wegen der Einzelheiten dieses Wertgutachtens wird auf die zu den Akten gereichte
Kopie (Bl. 147 ff d. A.) verwiesen. Die Klagen seien auch rechtsmissbräuchlich
erhoben worden. Abgesehen davon, dass sich dies schon aus dem Verhalten der
Kläger sowie ihre geringen Beteiligung an der Beklagten ergebe, mache dies der
übermittelte Vergleichsvorschlag deutlich. Für die dort angesetzten Werte gebe es
keine Grundlage.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen beider Kläger sind unbegründet.
Zwar sind die Klagen rechtzeitig in der Anfechtungsfrist erhoben, da nach
ständiger Rechtsprechung der Kammer die Klageeinreichung innerhalb der Frist
genügt (im Anschluss an BGH NJW 1986, 1347; vgl. auch KG KGR 2000, 233) und
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genügt (im Anschluss an BGH NJW 1986, 1347; vgl. auch KG KGR 2000, 233) und
der Kläger erst auch nach Aufforderung des Gerichts den Gerichtskostenvorschuss
(binnen 2 Wochen) einzuzahlen hat, was Voraussetzung für eine Zustellung an die
Beklagte ist. Die Zustellung wirkt dann gem. § 176 ZPO auf den Tag der
Einreichung der Klage fristwahrend zurück. Die Klage der Klägerin zu 1) ging am
14.1.2008 bei Gericht ein. Mit Verfügung vom 17.1.2008 wurde die Klägerin zur
Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, die Zahlung erfolgte am
28.01.2008. Die Klage der Klägerin zu 2) ging am 14.1.2008 bei Gericht ein. Mit
Verfügung vom 17.1.2008 wurde die Klägerin zur Zahlung des
Gerichtskostenvorschusses aufgefordert, die Zahlung erfolgte am 25.01.2008.
Soweit es in der Folgezeit bis zur Zustellung zu Verzögerungen gekommen sein
sollte, kann dies nicht zu Lasten der Kläger gehen. Nach h. M. (vgl. Schwab in
Schmidt/Lutter, AktG, § 250 Rz. 8; Stilz in Spindler/Stilz, AktG, § 250 Rz. 24; Hüffer,
AktG, 7. Aufl. § 250 Rz. 14 jew. m.w.Nachw.) der sich die Kammer anschließt, waren
die Klagen auch trotz Geltendmachung der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des
entsprechenden Aufsichtsratswahlbeschlusses mit den Klagen auch an zumindest
ein nach dem Wahlbeschluss gewähltes Aufsichtsratsmitglied zuzustellen, was hier
für beide Klagen geschehen ist.
Die Klage der Klägerin zu 1) kann aber schon deswegen nicht zum Erfolg führen,
weil ihr der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen steht, wobei unerheblich ist,
dass die von ihr vorgebrachten Beanstandungen hinsichtlich der in der Ladung zur
Hauptversammlung angegebenen Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die
Satzung der Beklagten zutreffend sein dürften, worauf die Kammer bereits im
Verbindungsbeschluss vom 29.1.2008 hingewiesen hat.
Ein Kläger, der eine Klage nach §§ 243 ff AktG mit dem Ziel erhebt, die verklagte
Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die
er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann, muss sich den
Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten lassen (BGHZ 107, 296, 308).
Das gilt sogar dann, wenn er sich erst nach Klageerhebung dazu entschließt, die
Gesellschaft in eigennütziger Weise zu ungerechtfertigten Sonderleistungen zu
bewegen (BGH, WM 1991, 261).
Eine Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Klage der
Klägerin zu 1) rechtsmissbräuchlich mit dem Ziel erhoben oder aufrechterhalten
worden ist, die Beklagte in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu
veranlassen, auf die die Klägerin keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht
erheben kann. Der Rechtsmissbrauch ergibt sich hier daraus, dass die Klägerin zu
1), vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, dessen Verhalten sie sich
gemäß § 278 BGB i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO hier zurechnen lassen muss, am
11.3.2008 der Beklagten eine vergleichsweise Regelung dahingehend
vorgeschlagen hat, wonach die Kläger die Klagen zurücknehmen werden und die
Beklagte sich verpflichten soll gewisse Informationen über den Wert der P GmbH
auf Ihrer Internetseite zu veröffentlichen und die Kosten des Verfahrens
übernehmen. Der Rechtsmissbrauch folgt dabei nicht bereits, dass die Klage
zurückgenommen werden sollen und die Beklagte die Kosten des Verfahrens
tragen soll (Abkauf des Klagerechts), da in den aktienrechtlichen Verfahren nach
§§ 243 ff AktG die vergleichsweise Beendigung des Verfahrens notwendigerweise
oft in dieser Weise geschehen muss (vgl. hierzu Schwintowski DB 2007, 2695,
2698), sondern aus den für die Gebühren der klägerischen
Verfahrensbevollmächtigten angesetzten Gegenstandswerten von EUR 500.000
für die 1,3 Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 RVG, dem
Gegenstandswert von EUR 4.000.000 EUR gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3101 Nr. 2
RVG (kein Abgleich nach § 15a Abs. 3 RVG und einer 1,5 Einigungsgebühr gem. §§
2, 13 RVG i.V.m. Nr. 1000 VV RVG nach Wert 4.000.000.000,-- EUR (Abgleich nach
§§ 15 Abs. 3 RVG; 1,5 Gebühr nach Wert 4.500.000 EUR). Nach einer beigefügten
Musterabrechnung ergibt dies für die Klägerin zu 1) Erstattungsansprüche von EUR
37.205,80 netto, wobei bereits allein EUR 22.494,00 auf die Einigungsgebühr aus
einem Wert von EUR 4.500.000,-- entfallen.
Diese für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten angesetzten Werte,
insbesondere der Vergleichswert, sind weit von der Wertfestsetzung durch das
Gericht für die Klage der Klägerin zu 1) vom 15.1.2008 in Höhe von insgesamt EUR
300.000 entfernt, wobei die Kammer entsprechend ihrer ständigen und der
Klägerin zu 1) aus vielen Verfahren bekannten und bislang nicht von ihr
beanstandeten Rechtsprechung den für kleinere Gesellschaften hier regelmäßig
angesetzten Wert von EUR 20.000,-- je angefochtenen Tagesordnungspunkt
angesetzt hat, wobei die Klägerin zu 1) in ihrer Klageschrift selbst nur insgesamt
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angesetzt hat, wobei die Klägerin zu 1) in ihrer Klageschrift selbst nur insgesamt
einen vorläufigen Wert von EUR 50.000,-- für alles als Streitwert angegeben hatte.
Wenn letztlich auch der Wert von EUR 500.000 den vom Gericht für angemessen
angesetzten Wert von EUR 300.000 noch nicht in derartiger Weise übersteigt, dass
das Verdikt des Rechtsmissbrauchs sich aufdrängt, ist dies jedenfalls bei dem
Vergleichs(mehr)wert gegeben. Warum hier durch den Vergleich ein Mehrwert (für
die Klägerin zu 1) oder die Beklagte von mehr dem 13 fachen des für die
gerichtlichen Gebühren angesetzten Wert sich ergeben soll ist nicht ersichtlich. In
dem Vergleichsvorschlag werden über den Gegenstand des Rechtsstreits hinaus
keine weiteren Gegenstände geregelt. Berücksichtigt man, dass der Streitwert des
gerichtlichen Verfahrens nach § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG für jeden
Anfechtungspunkt auf 10 % des Grundkapitals der Beklagten von insgesamt EUR
400.000,-- d.h. bei 15 Anfechtungspunkten auch maximal EUR 600.000,-- begrenzt
ist, widerspricht der angesetzte Vergleichsmehrwert dem Gesetz. Auch aus der
Sicht der Klägerin zu 1) die nur mit 3 Aktien auf der streitgegenständlichen
Hauptversammlung bei 400.000 Aktien der Beklagten insgesamt vertreten war, ist
nicht ersichtlich, wie es zu diesem Vergleichsmehrwert kommen soll.
Wenn nun die Klägerin zu 1) durch ihren Prozessbevollmächtigten für eine
vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits demgegenüber erheblich
übersteigende Werte für die anwaltliche Gebührenrechnung als erstattungsfähigen
Kosten ansetzt, ist ein zum Rechtsverlust führender Rechtsmissbrauch gegeben,
da sie hiermit die Beklagte zu Leistungen veranlassen wollte, auf die die Klägerin
keinen Anspruch hat. Ob diese Leistungen letztlich bei den
Prozessbevollmächtigten verbleiben sollten, oder der Klägerin in irgendeiner Weise
(anteilig) zugute kommen sollten, ist hier unbeachtlich. Auch unberechtigte
Leistungen an Dritte sind dem Aktionär zuzurechnen, wenn diese auf
Veranlassung des Aktionärs erfolgten (vgl. Ehmann ZIP 2008, 584, 586;
Cahn/Senger in Spindler/Stilz, AktG § 57 RZ. 66; Fleischer in Schmidt/Lutter, AktG,
§ 57 Rz. 33; Hüffer, AktG, 8. Aufl. § 57 Rz. 12, 14 jew. m.w.Nachw.).
Auch die Klage der Klägerin zu 2) ist unbegründet. Wenn auch naheliegt, dass die
Klägerin zu 2) ebenfalls von dem vorgeschlagenen Vergleich profitieren sollte,
mithin auch hier ein Rechtsmissbrauch nicht ausgeschlossen erscheint, ist jedoch
nicht feststellbar, dass dieser Vorschlag mit der Klägerin zu 2) oder ihren
Prozessbevollmächtigten zuvor abgesprochen war. Die Klage der Klägerin zu 2),
die sich nur gegen die Beschlussfassung zu TOP 8 – Wahl des Aufsichtsrats -
wendet, ist aber auch deswegen unbegründet, weil nach dem Vorbringen der
Klägerin zu 2) kein die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit begründender Gesetzes-
oder Satzungsverstoß hier vorliegt. Dabei ist hier wegen der Unbegründetheit der
Klage der Klägerin zu 1) wegen Rechtsmissbrauchs nur auf das Vorbringen der
Klägerin zu 2) zur Begründung der Anfechtung abzustellen. Selbst wenn daher die
Klägerin zu 1) in der Anfechtungsfrist durchgreifende Nichtigkeits- oder
Anfechtungsgründe geltend gemacht hätte, kann sich die Klägerin zu 2) nicht
darauf berufen, wenn sie nicht zumindest einen von diese Gründe ggf. unter
Wahrung der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG selbst vorgebracht hat. Zwar
hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es sich bei den Klägern von
aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen um notwendige
Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO handelt, denen gegenüber in der Sache eine
einheitliche Entscheidung ergehen muss (vgl. BGH AG 1993, 422; 1999, 375), doch
kann dies nur zum Tragen kommen, soweit bei Klägern überhaupt die materiell-
rechtlichen Klagevoraussetzungen gegeben sind, d.h. ihnen ein Klagerecht im
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch zusteht.
Die sich aus § 248 AktG ergebende Rechtskraftwirkung der Entscheidung im
Anfechtungsprozess über die Mangelhaftigkeit von
Hauptversammlungsbeschlüssen für alle Aktionäre genügt zwar, um eine solche
notwendige Streitgenossenschaft anzunehmen, ersetzt aber nicht die
Notwendigkeit für jeden einzelnen Kläger, die materiell-rechtlich erforderlichen
Klagevoraussetzungen einzuhalten.
Die Regelung der notwendigen Streitgenossenschaft gestaltet die prozessuale
Stellung der Streitgenossen gegenüber der einfachen Streitgenossenschaft in
besonderer Weise, um in den Fällen, in denen eine einheitliche Entscheidung
geboten ist, diese einheitliche Entscheidung zu ermöglichen. Die gesetzliche
Regelung ist auf die Vertretung bei Säumnis einzelner Streitgenossen beschränkt
und damit lückenhaft. Ihr kann nicht entnommen werden, dass stets eine
übereinstimmende Beurteilung aller Prozesshandlungen der Streitgenossen oder
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übereinstimmende Beurteilung aller Prozesshandlungen der Streitgenossen oder
den Streitgenossen gegenüber vorzunehmen ist. Eine "einheitliche Streitpartei"
gibt es nicht. Vielmehr bleiben die Streitgenossen auch in den Fällen des § 62 ZPO
selbständige Streitparteien in jeweils besonderen Prozessrechtsverhältnissen zum
gemeinsamen Gegner (h. M., vgl. BGH NJW 1996, 1061; Zöller-Vollkommer, ZPO
26. Auflage, § 62 Rz. 22; Stein-Jonas-Bork, ZPO, 21. Auflage, § 62 Rz. 30). Ob die
Prozesshandlung eines Streitgenossen oder gegenüber einem Streitgenossen
Wirkung auch im Verhältnis zu den anderen Streitgenossen entfaltet, ist daher
eine Frage des einzelnen Regelungsproblems, die differenzierend unter
Berücksichtigung des Zweckes der notwendigen Streitgenossenschaft und des
Grundsatzes der Selbständigkeit der Streitgenossen zu beurteilen ist (§§ 61, 63
ZPO). Der Kläger bestimmt mit dem Vorbringen von Nichtigkeits- oder
Anfechtungsgründen den Umfang der Rechtskontrolle (vgl. Schwab in
Schmidt/Lutter, AktG § 246 Rz. 2). Ist ein Kläger seines Rechts wegen
Rechtsmissbrauchs verlustig geworden, so müssen allein die von ihm geltend
gemachten Gründe bei der Prüfung der Klagen der anderen Kläger außen vor
bleiben.
Dies führt dazu, dass allein der von der Klägerin zu 2) geltend gemachte Verstoß
gegen § 124 Abs. 3 S. 3 AktG – mangelnde Angabe des tatsächlich ausgeübten
Berufs der vorgeschlagenen Kandidaten – nicht zur Anfechtbarkeit führt. Nach der
neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 14.5.2007 – II
ZR 182/06 – DStR 2007, 1493) im Anschluss an die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21.3.2006 (– 10 U 17/05 – AG 2007,
374; a. A.: LG München I, Urteil vom 26.4.2007 – 5 HKO 12846/06 – Konzern 2007,
448) ist der hier gerügte Verstoß gegen § 124 Abs. 3 AktG nur marginaler Art
("selbständiger Kaufmann" statt " konkrete kaufmännische Tätigkeit", "angestellter
Diplombetriebswirt" bzw. "angestellter Diplom Ingenieur" statt "angestellter
Diplombetriebswirt bzw. angestellter Diplom Ingenieur bei einer bestimmten
Gesellschaft") und aus der Sicht eines verständigen Aktionärs für die Entscheidung
über seine Teilnahme und die Abstimmung bei der Wahl ohne Relevanz, zumal er
es selbst in der Hand hat, durch Nachfrage in der Hauptversammlung die
Information über die konkrete Tätigkeit zu erlangen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in
§ 709 ZPO gegenüber der Klägerin zu 1) und in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO gegenüber
der Klägerin zu 2).
Der Streitwert war gem. § 247 AktG festzusetzen. Nach dieser Rechtsprechung
des zuständigen Rechtsmittelgerichts – dem nicht zu folgen die Kammer keinen
Anlass sieht – ist regelmäßig bei Anfechtungen zu
Hauptversammlungsbeschlüssen, mittlerer und großer Aktiengesellschaften, zu
denen die Beklagte nicht zu rechnen ist, ein Wert von EUR 50.000,-- je
Beschlusspunkt anzusetzen. Bei kleineren Gesellschaften – wie vorliegend – ist je
Beschlusspunkt ein Wert von EUR 20.000,-- anzusetzen. Bei 15 angegriffenen
Beschlüssen der Kläger zu 1) und 2) ergibt dies den zusammenzurechnenden (vgl.
Hüffer, AktG, 7. Aufl. § 247 Rz.) Gesamtstreitwert von EUR 300.000,--
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.