Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: abfindung, squeeze out, inhaber, eigentum, aktiengesellschaft, erwerb, handelsregister, mehrheitsaktionär, angemessenheit, stimmberechtigter

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Gericht:
LG Frankfurt 5.
Kammer für
Handelssachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3-5 O 138/07, 3/5
O 138/07, 3-05 O
138/07, 3/05 O
138/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 39a Abs 3 S 3 WpÜG, § 39b
WpÜG, § 12 FGG
Gerichtliche Übertragung stimmberechtigter Aktien auf den
Mehrheitsaktionär nach einem Squeeze-out:
Angemessenheitsvermutung für die Abfindung der
Minderheitsaktionäre
Tenor
Die stimmberechtigten Stückaktien der M AG (ISIN
DE0006579006/WKN 657900 und ISIN DE0006579022/WKN 657092), die
nicht bereits der S AG gehören, werden gegen Gewährung einer
Abfindung in Höhe von EUR 15,74 je Stückaktie auf die S AG
übertragen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu
tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert wird auf EUR 4.665.493,--festgesetzt.
Gründe
I.
Die M AG ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Weingarten,
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Ulm unter der Registernummer
HRB 550008. Das Grundkapital der M AG beträgt EUR 21.504.000,00 und ist in
8.400.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am
Grundkapital in Höhe von EUR 2,56 je Aktie eingeteilt.
Von den 8.400.000 auf den Inhaber lautenden Stückaktien sind 4.800.000 auf den
Inhaber lautende Stückaktien börsennotiert (ISIN DE0006579006/WKN657900),
während die übrigen 3.600.000 auf den Inhaber lautenden Stückaktien nicht
börsennotiert sind (ISIN DE0006579022/WKN657902). Jede Aktie gewährt eine
Stimme.
Die S Aktiengesellschaft, die Antragstellerin, ist eine im Handelsregister des
Amtsgerichts Ulm unter HRB 530210 eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz in
Göppingen, Göppingen.
Mit Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 27.03.2007 erwarb die S AG von der
Me Beteiligungsgesellschaft mbH, l.848.000 Stückaktien der M AG mit der WKN
657902 und 3.568.740 Stückaktien der M AG mit der WKN 657900, insgesamt also
5.416.740 Stückaktien der M AG. Gemäß dem Aktienkauf- und
Übertragungsvertrag vom 27.03.2007 ging das Eigentum an 1.848.000
Stückaktien der M AG mit der WKN 657902 und das Eigentum an 672.000
Stückaktien der M AG mit der WKN 657900, insgesamt also 2.520.000 Stückaktien,
am 27.03.2007 auf die S AG über. Dies entspricht einem Anteil in Höhe von 30 %
des stimmberechtigten Grundkapitals der M AG. Am gleichen Tage veröffentlichte
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des stimmberechtigten Grundkapitals der M AG. Am gleichen Tage veröffentlichte
die S AG gemäß § 35 Abs. l Satz l Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
(WpÜG) den Erwerb von 30% des stimmberechtigten Grundkapitals der M AG.
Am 02.04.2007 ging das Eigentum an weiteren 2.896.740 Stückaktien der M AG
mit der WKN 657900 auf die S AG über. Damit standen zum 02.04.2007 somit
insgesamt 5.416.740 Stückaktien der M AG (entsprechend 64,49 % des
stimmberechtigten Grundkapitals) im Eigentum der S AG.
Am 17.04.2007 veröffentlichte die S AG ein Pflichtangebot an die Aktionäre der M
AG gemäß § 35 Abs. 2, 14 Abs. 2 und 3 WpÜG zum Erwerb aller von diesen
gehaltenen Stückaktien der M AG zum Preis von EUR 15,74 je M-Aktie. Die Frist für
die Annahme des Pflichtangebots begann am 17.04.2007 und endet am
15.05.2007, 24:00 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ).
Das Pflichtangebot der S AG ist bis zum 10.05.2007 für insgesamt 2.686.850
Stückaktien der M AG angenommen worden. Die Gesamtzahl der Stückaktien, für
die bis zum 10.05.2007 das Pflichtangebot angenommen wurde, zuzüglich der
5.416.740 Stückaktien der M AG, welche die S AG bereits hielt, belief sich zum
Zeitpunkt der Antragstellung am 16.5.2007 auf 8.103.590 Stückaktien der M AG.
Am 8.6.2007 hielt die S AG 8.105.724 Stückaktien der M AG
Mit Antragsschrift vom 15.5.2007 – eingegangen bei Gericht am 16.5.2007 -hat die
Antragstellerin gem. § 39a WpÜG beantragt, ihr die übrigen stimmberechtigten
Stückaktien der M gegen Abfindung in Höhe von EUR 15,74 je Stückaktie zu
übertragen.
Das Gericht hat diesen Antrag im elektronischen Bundesanzeiger vom 29.6.2006 –
dem satzungsmäßig einzigem Gesellschaftsblatt der M AG – gem. § 39b WpÜG
bekannt gemacht.
Außer der Antragstellerin haben sich keine anderen Aktionäre der M AG am
vorliegenden Verfahren beteiligt.
II.
Der Antrag auf Übertragung der übrigen stimmberechtigten Stückaktien der M AG
gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 15,74 auf die S AG ist zulässig
und begründet.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage eines Depotauszugs glaubhaft gemacht,
dass ihr nach Vollzug des Pflichtangebots 8.105.724 Stückaktien der M AG, d.h.
über 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der M AG gehören.
Weiterhin hat sie durch Vorlage eines Bestätigung glaubhaft gemacht, dass
jedenfalls bis 10.5.2007 das Pflichtangebot für insgesamt 2.686.850 Stückaktien
angenommen wurde. Da vom Pflichtangebot 2.983.260 Stückaktien betroffen
waren, haben jedenfalls 90,06 % das Pflichtangebot angenommen.
Auf den Antrag der Antragsteller waren ihr daher § 39a Abs. 1 WpÜG gegen
Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 15,74 je Stückaktie zu übertragen.
Nach § 39a Abs. 3 WpÜG ist die im Rahmen des Übernahme- oder Pflichtangebots
gewährte Abfindung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf
Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot
betroffenen Grundkapitals erworben hat. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben,
ob es sich hier um eine unwiderlegliche Vermutung (so:
Steinmeyer/Häger/Santelmann WpÜG 2. Aufl. § 39a Rz. 25; Dieckmann NJW 2007,
17, 20; Holzborn BKR 2007, 101, 106) handelt. Selbst wenn man es als eine
widerlegliche Vermutung ansehen wollte (so: Heidel/Lochner Aktienrecht WpÜG §
39a Rz. 65; Paefgen WM 2007, 765, 767) gibt es mangels Einwendungen anderer
betroffener Aktionäre der M AG für das Gericht im vorliegenden Verfahren keine
Veranlassung im Wege der Amtsermittlung weitere Tatsachen zur Höhe der Frage
der Abfindung zu ermitteln. Bei einem echten Streitverfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit – wie es das Verfahren nach §§ 39a, 39b WpÜG darstellt -ist der
durch § 12 FGG angeordnete Amtsermittlungsgrundsatz abgeschwächt. Es obliegt
in einem derartigen Verfahren zunächst den Beteiligten dem Gericht
Anhaltspunkte dafür zu liefern, in welche Richtung es ermitteln kann. Beteiligen
sich jedoch die vom Ausschluss betroffenen Aktionäre an Verfahren nach §§ 39a,
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sich jedoch die vom Ausschluss betroffenen Aktionäre an Verfahren nach §§ 39a,
39b WpÜG nicht und nehmen insbesondere nicht zur Frage der Angemessenheit
der Abfindung in Höhe des Pflichtangebots Stellung, gibt es für das Gericht auch
keine Veranlassung weitere Ermittlungen zur Frage der Angemessenheit der
Abfindung vorzunehmen.
Bei einer derartigen Sachlage, d.h. fehlende Beteiligung von betroffenen
Aktionären am Verfahren ist auch eine mündliche Verhandlung nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über den Geschäftswert beruht auf
§ 39b Abs. 6 Satz WpÜG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.