Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: allgemeine geschäftsbedingungen, preisliste, tarifierung, transparenzgebot, begriff, geschäftsführer, sicherheitsleistung, unterlassen, telefon, hessen

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Gericht:
LG Frankfurt 2.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-02 O 25/07, 2-2
O 25/07, 2/02 O
25/07, 2/2 O 25/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 307 Abs 1 S 2 BGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen: Intransparenz der
Vertragsbedingungen für eine Telefon-Flatrate
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der
Beklagten, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd die nachfolgende sowie
inhaltsgleiche Klauseln in formularmäßigen Verträgen zu verwenden und/oder sich
bei Abwicklung von Verträgen auf derartige Klauseln zu berufen:
"Gemeinsames Verständnis dieser besonderen Tarifierung ist, dass durch
den Kunden je Nutzkanal in einem beliebigen Zeitintervall von acht Stunden nicht
mehr als 125 mErl in Anspruch genommen werden sollen. Ein Milli-Erlang (mErl)
entspricht dabei 0,1 % der Kapazität eines Nutzkanals."
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem
9.2.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,– EUR vorläufig vollstreckbar.
Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung seitens der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe
Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, dem nach Maßgabe seiner Satzung die
Wahrung von Verbraucherinteressen obliegt. Er ist gemäß den §§ 3 und 4 UKlaG in
die Liste qualifizierter Einrichtungen aufgenommen. Die Beklagte ist
Telekommunikationsdienstleisterin. Die Klägerin begehrt von ihr die Unterlassung
der Verwendung einer Klausel.
Die Beklagte bietet u. a. einen "Sprach-Tarif Arcor-ISDN business paket: business
flat" an. Eine zeitliche oder voluminöse Begrenzung besteht bei diesem Tarif nicht.
Als Anlage zu ihren Angeboten an Kunden legt die Beklagte den Angeboten eine
Preisliste bei (Bl. 13 ff. d. A.) Diese enthält unter Ziffer 2.1. die Klausel (Bl. 15 d.
A.):
"Gemeinsames Verständnis dieser besonderen Tarifierung ist, dass durch den
Kunden je Nutzkanal in einem beliebigen Zeitintervall von acht Stunden nicht mehr
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Kunden je Nutzkanal in einem beliebigen Zeitintervall von acht Stunden nicht mehr
als 125 mErl in Anspruch genommen werden sollen. Ein Milli-Erlang (mErl)
entspricht dabei 0,1 % der Kapazität eines Nutzkanals."
Die Klägerin mahnte unter dem 5.10.2006 die Beklagte dahin ab, dass sie diese
Klausel nicht mehr verwenden solle und forderte sie gleichzeitig auf, bis zum
16.10.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Diese
Erklärung gab die Beklagte nicht ab. Für ihre Bemühungen fordert die Klägerin von
der Beklagten 189,– EUR (176,64 EUR zzgl. 7 % Mehrwertsteuer). Wegen der
Berechnung dieses Betrages wird Bl. 10 d. A. in Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die beanstandete Klausel sei eine Klausel in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen i. S. der §§ 3105 ff. BGB.
Die Verwendung dieser Klausel sei unzulässig, weil sie überraschend und
unverständlich sei. Unter einer Flatrate sei ein festgelegter monatlicher
Grundbetrag für Dienstleistungen zu verstehen, der es dem Kunden ermögliche,
die Dienstleistungen nach Belieben so oft und intensiv in Anspruch zu nehmen
ohne gesondert in Anspruch genommen zu werden.
Im Übrigen verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot, sie sei in keiner
Weise nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der
Beklagten, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd die nachfolgende sowie
inhaltsgleiche Klauseln in formularmäßigen Verträgen zu verwenden und/oder sich
bei Abwicklung von Verträgen auf derartige Klauseln zu berufen:
"Gemeinsames Verständnis dieser besonderen Tarifierung ist, dass durch
den Kunden je Nutzkanal in einem beliebigen Zeitintervall von acht Stunden nicht
mehr als 125 mErl in Anspruch genommen werden sollen. Ein Milli-Erlang (mErl)
entspricht dabei 0,1 % der Kapazität eines Nutzkanals."
Die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem
9.2.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da der Antragsbestandteil
"... sowie inhaltsgleiche Klauseln ..." zu unbestimmt sei. Im Übrigen lägen
Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor. Die angegriffene Klausel befinde sich
nicht in einem formularmäßigen Vertrag, sondern lediglich in einer Preisliste.
§ 305 c BGB werde im Übrigen von § 1 UKlaG nicht erfasst.
Im Übrigen sei das Verkehrsverständnis bezüglich einer Flatrate ein anderes als
seitens der Klägerin vorgetragen. Kein Telekommunikationsanbieter böte eine
Flatrate i. S. des Verständnisses der Klägerin an. Dies wisse auch der jeweilige
Kunde. Die Kalkulation der Flatrate basiere auf einem normalen Nutzungsverhalten
des Kunden im Rahmen einer gewissen Bandbreite.
Die Klause verstoße auch nicht gegen das Transparenzgebot und erkläre sich im
Übrigen aus sich selbst heraus. Der Begriff "Milli-Erlang" sei in der Klausel selbst im
Übrigen auch erklärt.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Der Klageantrag zu 1) der Klägerin ist hinreichend bestimmt. Mit dem Antrags-
bzw. Tenorierungsbestandteil "sowie inhaltsgleiche Klauseln" soll verhindert
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bzw. Tenorierungsbestandteil "sowie inhaltsgleiche Klauseln" soll verhindert
werden, dass unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen in anderer
Formulierung weiter verwendet werden. Die Frage, ob dies der Fall ist, ist dann
ggfs. im Vollstreckungsverfahren zu prüfen.
Die Klage ist auch begründet.
Bei der angegriffenen Klausel handelt es sich um eine Allgemeine
Geschäftsbedingung i. S. des § 305 BGB. Dass sie lediglich in einer Preisliste
auftaucht, ist hierbei ohne Belang. Die Beklagte fügt ihren Vertragsformularen
regelmäßig diese Preisliste bei. Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB ist es gleichgültig,
ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages
bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden.
Mit der Klägerin ist die Kammer auch der Auffassung, dass es sich bei dieser
Klausel um eine überraschende Klausel handelt. Hierbei kann dahinstehen, ob § 1
UKlaG den § 305 c BGB mit umfasst. Überraschende Klauseln fallen in aller Regel
auch unter § 307 BGB, den § 1 UKlaG erfasst.
Der normale Verbraucher wird unter Flatrate verstehen, dass ihm ein Produkt oder
eine Dienstleistung zu einem bestimmten Preis unabhängig von der
Abnahmemenge oder -intensität zur Verfügung steht. Dies ist bei dem
vorliegenden Tarif nicht der Fall.
Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn andere oder sogar alle
Konkurrenzanbieter der Beklagten den Begriff in deren – der Beklagten – Sinn
verwendeten. Deren Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens.
Die Frage, ob eine überraschende Klausel i. S. der §§ 305 c bzw. 307 BGB vorliegt,
kann hier letztlich aber dahinstehen.
Die Klausel verstößt jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB.
Sie ist inhaltlich völlig unverständlich und birgt die Gefahr von Benachteiligung von
Kunden in sich, was der von der Klägerin aufgezeigte Beispielsfall belegt.
Einem physikalisch nicht vorgebildeten Kunden wird sich nicht erschließen, was mit
"Milli-Erlang (mErl)" gemeint ist, auch der Hinweis dass ein Milli-Erlang (mErl) dabei
0,1 % der Kapazität eines Nutzkanals entspricht, kann nur bei Fachleuten auf
Verständnis stoßen.
Auch der Zahlungsanspruch der Klägerin ist begründet.
Dem Grunde nach steht er der Klägerin gemäß den §§ 5 UKlaG i. V. m. § 12 UWG
sowie nach den §§ 683 und 670 BGB zu. Der Höhe nach erscheint er der Kammer
angemessen, insoweit wird er auch von der Beklagten nicht angegriffen.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 91 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§
709, 708 Ziffer 11 und 711 ZPO.
Streitwert: 2.189,– EUR.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.