Urteil des LG Frankfurt am Main vom 22.02.2011

LG Frankfurt: einstellung des verfahrens, pflichtverteidiger, bewährung, geldstrafe, form, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, einspruch, strafbefehl

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Gericht:
LG Frankfurt 26.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
435 Js 50270/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
In der Strafsache … wird die Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss
des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 29.12.2010, durch den der Antrag der
Beschwerdeführerin auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen
wurde, kostenpflichtig verworfen.
Gründe
1.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main erließ am 09.11.2010 gegen die
Beschwerdeführerin einen Strafbefehls wegen eines Falles des Schwarzfahrens
(Schaden 2,30 €), in dem eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,- €
festgesetzt wurde.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin durch Schreiben ihres Wahlverteidigers
Rechtsanwalt Dr. vom 03.12.2010 form- und fristgerecht Einspruch ein. Nachdem
das Amtsgericht einen zeitnahen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt hatte,
beantragte Rechtsanwalt Dr. mit Schreiben vom 16.12.2010, der
Beschwerdeführerin als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Weiterhin wies er
darauf hin, dass die Beschwerdeführerin durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt
am Main vom 14.12.2010 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr mit
Bewährung verurteilt worden sei und insoweit Gesamtstrafenfähigkeit bestehe. In
Hinblick darauf beantragte er, „das Verfahren gemäß § 154 StPO (nach
Pflichtverteidigerbestellung) einzustellen“.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main stellte mit Beschluss vom 29.12.2010 das
Verfahren antragsgemäß nach § 154 II StPO ein und wies mit gesondertem
Beschluss vom gleichen Tag den Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt Dr. zum
Pflichtverteidiger zurück, da kein Fall notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO
vorliege.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, der das Amtsgericht nicht
abgeholfen hat.
2. Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Die Frage, ob die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO
lediglich zum Zeitpunkt der Antragstellung oder auch noch zum Zeitpunkt der
Entscheidung über den Beiordnungsantrag vorliegen müssen, kann hier
dahinstehen, da bereits bei Antragstellung eine Beiordnung nicht in Betracht kam.
Eine vorliegend alleine mögliche Beiordnung gemäß § 140 II StPO wegen der
„Schwere der Tat“ oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage scheidet
aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls aus. Der Beschwerdeführerin
wird ein sachlich und rechtlich einfach gelagerter Fall der
Beförderungserschleichung vorgeworfen.
Zwar wäre vor der Einstellung des Verfahren nach § 154 II StPO unter Einbeziehung
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Zwar wäre vor der Einstellung des Verfahren nach § 154 II StPO unter Einbeziehung
des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 14.12.2010 die Verhängung
einer Gesamtstrafe von über einem Jahr in Betracht gekommen, was nach
überwiegender Meinung regelmäßig die Mitwirkung eines Verteidiger erforderlich
macht (vgl. OLG Frankfurt am Main, StV 2001, 106; OLG Hamm StV 2004, 586; KK-
Laufhütte, StPO, § 140 Rz. 21; LR-Lüdersen/Jahn, StPO, § 140 Rz. 57; BeckOK –
Wessing, StPO, § 140 Rz 15; Meyer-Goßner, StPO, § 140 Rz 23 jeweils m.w.N.).
Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine starre Grenze (vgl. OLG Zweibrücken,
NStZ 85, 135; Meyer-Goßner, a.a.o., § 140 Rz 23 m.w.N).
Unter Berücksichtigung des Sinn und Zweck des § 140 StPO, der als
Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips eine faire Verfahrensführung und eine
effektiven Verteidigung des Beschuldigten gewährleisten soll (vgl. KK-Laufhütte, §
140 Rz. 1) kann die Frage, ob ein Verteidiger beizuordnen ist, nicht losgelöst von
allen in Betracht zu ziehenden Umständen des Einzelfalls entschieden werden (so
auch OLG Zweibrücken, a.a.o.).
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung hier nicht
vor.
Bei der noch abzuurteilenden Tat handelte es sich um ein geringfügiges Delikt,
nämlich eine Beförderungserschleichung mit einem Schaden von 2,30 €. Der
hierfür zu erwartende Strafumfang war mit den im Strafbefehl festgesetzten 25
Tagessätzen zu je 10,- € bereits in groben Zügen konkretisiert. Eine Einstellung
des Verfahrens in Hinblick auf die gesamtstrafenfähige Verurteilung war
naheliegend, aber auch im Falle einer Gesamtstrafenbildung wäre lediglich eine
geringfügige, für die Verurteilte nicht wesentlich ins Gewicht fallende Erhöhung der
bereits rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten
gewesen. Da nach Art um Umfang des Tatvorwurfs auch Auswirkungen auf die
Strafaussetzung zur Bewährung ausgeschlossen gewesen wären, war die
Mitwirkung eines Verteidigers unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht
erforderlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 I StPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.