Urteil des LG Frankfurt am Main vom 14.03.2017

LG Frankfurt: rechtshängigkeit, innenverhältnis, abmahnung, abrechnung, zivilprozessrecht, quelle, ausnahme, abgabe, rückgriff, dokumentation

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Gericht:
LG Frankfurt 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2/3 S 2/08, 2-3 S
2/08, 2/03 S 2/08,
2-03 S 2/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs
1 S 2 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art
2 Abs 1 GG, § 7 Abs 2 RVG
Schadensersatz bei Persönlichkeitsrechtsverletzung: Ersatz
der Rechtsanwaltskosten bei getrennter Verfolgung von
Unterlassungsansprüchen gegen mehrere Personen wegen
derselben Berichterstattung
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am
Main vom 17.01.2008 (Az.: 32 C 2353/07 – 41) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Berufungsklägerin (Klägerin) nimmt die Berufungsbeklagten (Beklagte) auf
Erstattung von restlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von Euro 477,11
(Beklagte zu 1) beziehungsweise Euro 478,62 (Beklagter zu 2) für drei
wortlautgleiche anwaltliche Abmahnungen in Anspruch, die sie nicht nur gegenüber
den beiden Beklagten, sondern auch noch gegenüber der ... wegen eines Artikels
hatte aussprechen lassen, der vom Beklagten zu 2 verfasst und in der ... sowie in
dem von der Beklagten zu 1 verantworteten Onlineportal faz.net veröffentlicht
worden war.
Auf die Abmahnungen hin gaben die Beklagten und die ... entsprechende
Unterlassungsverpflichtungserklärungen ab. Später erstattete die ... für sich und
die beiden Beklagten der Klägerin insgesamt Euro 1.274,84 an
Rechtsverfolgungskosten auf Grundlage der Auffassung, dass bei den drei
Abmahnungen dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG bei einem
Gesamtstreitwert von Euro 35.000,– zugrundegelegen hätte.
Die Klägerin macht demgegenüber geltend, dass es sich nach den gesamten
Umständen nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um drei Angelegenheiten
mit Streitwerten von je Euro 15.000 (gegenüber der ... und dem Beklagten zu 2)
beziehungsweise Euro 5.000,– gegenüber der Beklagten zu 1 gehandelt habe,
wobei sich auf Grundlage dieser Auffassung rechnerisch unstreitig die mit der
Klage geltend gemachten restlichen Kostenerstattungsansprüche gegen die
Beklagten ergeben würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils vom 17.01.2008 (Bl. 106 ff. d.A.) verwiesen.
Das Amtsgericht, das die Klage abgewiesen und in den Gründen die Berufung
zugelassen hat, hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der ... erteilte
Abrechnung nach den Umständen angemessen gewesen sei, im vorliegenden Fall
hätte auch eine einzige Abmahnung die übrigen Verantwortlichen hinreichend
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hätte auch eine einzige Abmahnung die übrigen Verantwortlichen hinreichend
gewarnt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das ihr am 31.01.2008 zugestellte Urteil des Amtsgerichts vom 17.01.2008
hat die Klägerin mit dem an demselben Tag eingegangenen anwaltlichen
Schriftsatz vom 06.02.2008 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom
26.02.2008, Eingang bei Gericht am 27.02.2008, begründet.
Mit der Berufung führt die Klägerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen
Vorbringens im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht mit einer nicht
nachvollziehbaren Begründung die Klage unter Missachtung des § 15 Abs. 2 RVG
abgewiesen habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom
17.01.2008 – Az.: 32 C 2353/07 – 41 – die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an die
Klägerin einen Betrag von Euro 477,11 nebst 5 % Zinsen hieraus seit
Rechtshängigkeit zu zahlen und den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an die Klägerin
einen Betrag von Euro 478,62 nebst 5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagten, die das angefochtene Urteil im Ergebnis verteidigen und dazu ihr
erstinstanzliches Vorbringen vertiefen, beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze mitsamt Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht
das Bestehen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs verneint.
Die Tätigkeit des Klägervertreters im Rahmen der drei Abmahnungen bezog sich
selbst beim Vorliegen von drei Aufträgen auf dieselbe Angelegenheit im Sinne von
§ 15 Abs. 2 RVG, so dass schon im Innenverhältnis der Klägerin zu ihrem
Prozessbevollmächtigten nur ein Gebührenanspruch bestand, der sich aus einem
Gegenstandswert von Euro 35.000,– berechnete und dessen Erstattung die
Klägerin bereits infolge der Zahlung durch die ... erlangt hat. Mehrere Aufträge
betreffen regelmäßig dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, wenn
zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als
auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem
einheitlichen Rahmen der Tätigkeit gesprochen werden kann und insbesondere die
innerlich zusammengehörenden Gegenstände von dem Rechtsanwalt einheitlich
bearbeitet werden können (vgl. BGH GRUR 2008, 367 m.w.N. zum früheren § 13
Abs. 2 BRAGO).
Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer hier unzweifelhaft
vor. Einheitlicher Anlass der Inanspruchnahme der Beklagten und der ... war der
vom Beklagten zu 2. verfasste Artikel aus der von der ... verlegten ... vom ... der
eine Schmähung der Klägerin als "..." enthielt und anschließend wortlautgleich in
dem von der Beklagten zu 1. betriebenen Online-Portal faz.net zu lesen war. Ein
innerer Zusammenhang der drei daraufhin erfolgten Abmahnungen vom
16.10.2008 kann damit nicht verneint werden. Auch eine inhaltliche
Übereinstimmung der entfalteten vorprozessualen Abmahntätigkeit des
Klägervertreters liegt angesichts der mit Ausnahme der Adressierung und Anrede
wortlautidentischen Abmahnungen auf der Hand. Da sämtliche Abmahnungen
dabei auf dasselbe Ziel, nämlich die Abgabe von einheitlich formulierten
Unterlassungsverpflichtungserklärungen dahin, es zu unterlassen, die Klägerin als
... zu bezeichnen, gerichtet waren, lag auch eine vollständige Übereinstimmung in
der Zielrichtung der vorprozessualen anwaltlichen Tätigkeit vor. Diese innerlich
zusammengehörenden Gegenstände konnten von dem Klägervertreter schließlich
ohne weiteres einheitlich bearbeitet werden, was sich schon an der dargestellten
Parallelität der Abmahnungen zeigt. Die Prüfung, dass neben dem Autor des
Artikels auch der Verleger der ... und die Betreiberin des Onlineportals
passivlegitimiert ist, erfordert kaum zusätzlichen Aufwand und kann in einem
Prüfungsschritt erledigt werden.
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Selbst auf Grundlage der Auffassung der Klägerin, dass es der Auftraggeber in
vergleichbaren Fällen in der Hand habe, seinem Anwalt einen einheitlichen Auftrag
oder getrennte Aufträge zu erteilen, wäre für das Außenverhältnis gegenüber den
Unterlassungsschuldnern zu beachten, dass nicht alle durch das abgemahnte
Verhalten adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen sind. Voraussetzung
eines Erstattungsanspruchs ist vielmehr immer, dass die anwaltliche Tätigkeit aus
der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf dessen spezielle Situation zur
Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH aaO.
m.w.N.). Zweckmäßig und erforderlich aber war hier allein die wegen der
Gebührendegression des RVG billigere und zur Rechtsverfolgung ebenso geeignete
Erteilung eines einheitlichen Auftrags.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen
nicht vor. Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten
Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die das Gericht auf Grundlage
anerkannter Rechtsgrundsätze, insbesondere unter Rückgriff auf die
Entscheidungsgründe des den Parteien bekannten Urteils des Bundesgerichtshofs
vom 04.12.2007, Az. VI ZR 277/06 (GRUR 2008, 367 ff.), bewertet hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.