Urteil des LG Frankfurt am Main vom 21.12.2007

LG Frankfurt: steuerberater, berufsausübung, beitragspflicht, berufspflicht, zustellung, sicherheit, versicherungsschutz, fax, anhörung, herausgabe

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Gericht:
LG Frankfurt Kammer für
Steuerberater- und
Steuerbevollmächtigtensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5/35 StL 9/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 57 Abs 1 StBerG
Berufspflichten des Steuerberaters: Pflicht zur Kooperation
und Verständigung unter Berufsangehörigen
Tenor
Die Steuerberaterin wird wegen Berufspflichtverletzung mit einem Verweis und
einer Geldbuße von 2.000 Euro
belegt.
Sie hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die Steuerberaterin ist zum Hauptverhandlungstermin trotz ordnungsmäßiger
Ladung – unter Hinweis darauf, dass auch ohne sie verhandelt werden kann – nicht
erschienen. Die Hauptverhandlung wurde daher in ihrer Abwesenheit durchgeführt.
I.
Die Steuerberaterin wurde am 22.02.1978 als Steuerbevollmächtigte und am
12.10.1989 als Steuerberaterin bestellt. Sie übt seit jeher den Beruf selbständig in
eigener Praxis aus.
Die Steuerberaterin befindet sich seit 2005 in einer finanziell beengten Situation.
Sie hatte noch 2006 monatlich 3.000 Euro zur Tilgung einer Schuld ihres
Ehemannes zu leisten, für deren Erfüllung sie gebürgt hatte. Ab Januar 2006
verringert sich ihre Belastung auf einen Zahlungsbetrag von monatlich 1.000 Euro.
Zu diesen finanziellen Schwierigkeiten kamen und kommen persönliche
Spannungen im Verhältnis zu ihrem Ehemann hinzu.
II.
Die Steuerberaterin hat eine Vielzahl von Berufspflichtverletzungen begangen:
Fall 1 – Kammerbeitrag 2005 –
Die Steuerberaterin wurde durch Bescheid der Steuerberaterkammer vom
19.01.2005 zur Zahlung des Kammerbeitrags 2005 in Höhe von 348 Euro
aufgefordert. Sie unterließ die fristgemäße Zahlung und reagierte auch nicht auf
Erinnerungs- und Mahnschreiben der Steuerberaterkammer vom 04.05. sowie
13.06.2005, so dass die Kammer am 01.08.2005 einen Vollstreckungsauftrag
erteilen musste. Erst während des Vollstreckungsverfahrens konnte der Beitrag
beigetrieben werden.
Fall 2 – Mandatsverhältnis J –
Die Steuerberaterin war von J mit der Erledigung steuerlicher Angelegenheiten
beauftragt worden. Der Auftraggeber bzw. seine zwei Söhne hatten neben ihr und
ihre Arbeiten ergänzend auch der Steuerberaterin ... P die Wahrnehmung
steuerlicher Aufgaben anvertraut. Steuerberaterin P hatte dabei das 1. Halbjahr
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steuerlicher Aufgaben anvertraut. Steuerberaterin P hatte dabei das 1. Halbjahr
2006 betreffende Buchhaltungsarbeiten und Lohnabrechnungen vorzunehmen.
Dafür benötigte sie Aufschreibungen der angeschuldigten Steuerberaterin zum
Kassenbestand und zu den Einnahmen des Steuerpflichtigen, Lohnabrechnungen
sowie Buchhaltungsrechnungen der Steuerberaterin. Trotz mehrerer Telefonanrufe
der Steuerberaterin P bei der angeschuldigten Steuerberaterin, mehrerer Fax-
Schreiben und der Schreiben vom 18.08. sowie 24.10.2006 reagierte die
Steuerberaterin bis November 2006 nicht, so dass die Steuerberaterin P
aufwändig die fehlenden Unterlagen rekonstruieren und komplett eine neue
Gewinnermittlung anfertigen musste.
Fall 3 – Erscheinen vor der Steuerberaterkammer –
Mit Schreiben der Steuerberaterkammer vom 18.12.2006 – der Steuerberaterin
zugestellt am 20.12.2006 – wurde die Steuerberaterin in den berufsrechtlichen
Verfahren aus Anlass der Beschwerden von Steuerberaterin H und Steuerberaterin
P gegen die angeschuldigte Steuerberaterin sowie wegen der Mitteilung der DAK
über Beitragsrückstände der Steuerberaterin zur Anhörung auf die
Kammergeschäftsstelle am 16.01.2007 geladen, nachdem sie Auskunftsverlangen
der Steuerberaterkammer vom 21.11., 24.11. und 07.12.2006 in den genannten
Beschwerdesachen unbeantwortet gelassen hatte. Die Steuerberaterin kam der
Ladung nicht nach.
Fälle 4 bis 7 – Berufshaftpflichtversicherung –
Für die Zeiträume
vom 21.04. bis 02.06.2005,
vom 19.04. bis 04.07.2006,
vom 14.03. bis 24.04.2007 und
vom 12.07. bis 06.08.2007
ließ es die Steuerberaterin jeweils zu einer Lücke im Versicherungsschutz gegen
Berufshaftpflichtrisiken kommen. Nur in den das Jahr 2007 betreffenden Fällen
schloss sie eine Rückwärtsversicherung für die zunächst unversicherten Zeiträume
ab.
III.
Die Feststellungen beruhen auf der Verlesung der Schreiben der Steuerberaterin
vom 19.06. und 01.12.2007, auf der Vernehmung der Steuerberaterin P als Zeugin
sowie auf den ausweislich des Sitzungsprotokolls verlesenen Urkunden.
Die angeschuldigte Steuerberaterin hat angegeben, es habe im Mandatsverhältnis
J. wegen der auf die Söhne des Auftraggebers zurückgehenden Einschaltung einer
weiteren Steuerberaterin Schwierigkeiten bei der Bearbeitung gegeben; soweit es
in ihrem Verantwortungsbereich lag, habe sie allerdings die anfallenden
buchhalterischen und steuerlichen Arbeiten zuverlässig erfüllt und die
Arbeitsergebnisse so rasch wie möglich der Steuerberaterin P zukommen lassen.
Zu den weiteren Vorwürfen hat sie geltend gemacht, dass sie vom
Anhörungstermin vor der Steuerberaterkammer keine Kenntnis erhalten und die
Versicherungsprämien nach Durchsetzung einer geänderten Zahlungsweise bei
der Versicherung inzwischen gezahlt habe. Es sei bei der Versicherung zu
Fehlbuchungen gekommen.
Diese Angaben sind sämtlich im Kern widerlegt.
Steuerberaterin P hat überzeugend von ihren erfolglosen Bemühungen berichtet,
die Unterlagen über notwendige Vorarbeiten – wie sie in den Feststellungen
aufgeführt sind – von der Steuerberaterin zu erhalten. Diese Erklärung der Zeugin
stimmt mit den verlesenen Aufforderungs- und Mahnschreiben der Zeugin an die
angeschuldigte Steuerberaterin überein. Diese Schreiben wären ohne Sinn, wenn
die Steuerberaterin die Unterlagen korrekt weitergegeben hätte. Im Übrigen wäre
es von der Steuerberaterin – wenn sie sich korrekt verhalten hätte – zu erwarten
gewesen, dass sie der Steuerberaterin P geantwortet hätte und vorhandene
Missverständnisse über Verzögerungen bei der Übersendung von Unterlagen
aufgeklärt hätte. Eine solche Reaktion auf die Aufforderungs- und Mahnschreiben
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aufgeklärt hätte. Eine solche Reaktion auf die Aufforderungs- und Mahnschreiben
ist aber, was auch die angeschuldigte Steuerberaterin nicht behauptet, nicht
erfolgt.
Die Angabe der Steuerberaterin, vom Anhörungstermin bei der
Steuerberaterkammer keine Kenntnis erhalten zu haben, ist aufgrund der
verlesenen Postzustellungsurkunde, durch die die Zustellung nachgewiesen wird,
widerlegt.
Die verlesenen Schreiben der Gerling-Versicherung wegen entstandener
Versicherungslücken sprechen ebenfalls gegen die Steuerberaterin. Die pauschale
Behauptung, die Beiträge ordnungsgemäß gezahlt zu haben, verfängt nicht. Bei
lebensnaher Betrachtung wäre von der Gerling-Versicherung mit Sicherheit auch
ein erläuterndes und um Verständnis bittendes Schreiben über erfolgte
Fehlbuchungen oder irrtümliche Anzeigen von Versicherungslücken erfolgt. Ein
solches Schreiben liegt aber nicht vor. Auch die Steuerberaterin hat ein solches
Schreiben nicht vorgelegt.
V.
Die Steuerberaterin hat ihre Berufspflicht nach §§ 57 Abs. 1, 67, 79 Abs. 1, 80 Abs.
1 StBerG, 51 ff. DVStB schuldhaft verletzt.
Die Berufspflicht zur gewissenhaften Berufsausübung nach § 57 Abs. 1 StBerG
umfasst die Beachtung der berufsrechtlichen Vorschriften.
Die Beitragspflicht der Steuerberaterin ergibt sich aus § 79 Abs. 1 StBerG in
Verbindung mit dem Beitragsbescheid der Kammer. Die Steuerberaterin hat ihre
Beitragspflicht verletzt, weil der Kammerbeitrag verspätet, erst nach Erteilung des
Vollstreckungsauftrags beigetrieben werden konnte.
Übernommene Aufträge hat der Steuerberater nach den Grundsätzen
pflichtgemäßer Berufsausübung auszuführen. In einem Fall – wie hier – mit der
Beauftragung zweier, nebeneinander handelnder und sich in der Bearbeitung
ergänzender Steuerberater gehört zu einer pflichtgemäßen Berufsausübung eine
Kooperations- und Verständigungspflicht unter den Berufsangehörigen mit dem
Ziel, die mit der Beauftragung verbundenen berechtigten Interessen des
Mandanten bestmöglich zu fördern. Die Untätigkeit der angeschuldigten
Steuerberaterin auf die Telefonanrufe, die Faxe und die Schreiben der
Steuerberaterin P, die die Herausgabe von Unterlagen als notwendige Vorarbeiten
für ihre eigene Auftragsausführung geltend machte, verstieß nicht nur gegen den
allgemeinen Grundsatz der Kollegialität unter Berufsangehörigen, sondern
verletzte die Verpflichtung zur sorgfältigen Wahrnehmung der Interessen des
Auftraggebers.
Die Steuerberaterin hat zudem ihre Auskunfts- und Erscheinenspflicht gegenüber
der Steuerberaterkammer nach § 80 Abs. 1 StBerG verletzt.
Die Versicherungspflicht gegen Haftungsgefahren nach §§ 67 StBerG, 51 ff. DVStB
stellt eine weitere berufsrechtliche Anforderung dar, der die Steuerberaterin nicht
gerecht geworden ist.
Die Steuerberaterin hat in sämtlichen Fällen schuldhaft gehandelt. Die Zahlung
des Kammerbeitrags nach Zugang des Beitragsbescheids, die kooperative und
verständigungsorientierte Zusammenarbeit mit einer weiteren Steuerberaterin
nach sachgemäßer Unterlagenanforderung, die Auskunft gegenüber der
Steuerberaterkammer und das Erscheinen vor der Kammer nach
Aufforderungsschreiben und Ladung sowie die Vermeidung von
Versicherungslücken stellen Verhaltensanforderungen dar, deren Unterschreitung
nur eine bewusste und gewollte Entscheidung der Steuerberaterin sein konnte.
V.
Gegen die Steuerberaterin war eine berufsgerichtliche Maßnahme nach §§ 89 Abs.
1, 90 StBerG zu verhängen.
Zu ihren Gunsten spricht, dass sie sich in dem gesamten Zeitraum in einer
finanziellen Drucksituation sowie in einer ihren Verpflichtungen zugrunde liegenden
und aus diesen Verpflichtungen resultierenden persönlichen Krise befand, die es
ihr schwer machte, ihre Berufspflichten, insbesondere soweit diese mit finanziellen
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ihr schwer machte, ihre Berufspflichten, insbesondere soweit diese mit finanziellen
Belastungen einhergehen, korrekt zu erfüllen.
Zu ihren Lasten sprechen die Dauer und die Vielzahl ihrer
Berufspflichtverletzungen. Zudem ist ihr anzulasten, dass sie es an einfachster
Rücksichtnahme im Umgang mit Mitarbeitern und Organen der
Steuerberaterkammer und einer Berufskollegin hat fehlen lassen, indem sie
unzählige Kontaktversuche unbeantwortet gelassen hat. Es war von ihr zu
erwarten, dass sie Missverständnisse ausräumt und vermeidbaren Aufwand bei
anderen durch vergeblichen Schriftverkehr mit ihr, einen überflüssigen
Vollstreckungsauftrag, zusätzliche Arbeitsschritte wegen Fehlens ihrer Vorarbeiten
sowie die unnütze Vorbereitung des Anhörungstermins verhindert.
Die Pflichtwidrigkeit im Hinblick auf die Berufshaftpflichtversicherung ist zudem von
besonderem Gewicht. Das Nichtunterhalten der Haftpflichtversicherung stellt nach
§ 46 Abs. 2 Nr. 2 StBerG einen Widerrufsgrund für die Bestellung als Steuerberater
dar. Das Ansehen des Berufs wäre empfindlich geschädigt, wenn Auftraggeber
wegen mangelhaften Versicherungsschutzes bei einer beruflichen Fehlleistung
begründete Schadensersatzansprüche nicht durchsetzen können.
Die Kammer hat danach auf einen
Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 2.000 Euro
als angemessene berufsrechtliche Reaktion erkannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 148 Steuerberatungsgesetz.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.