Urteil des LG Frankfurt am Main vom 29.05.2009

LG Frankfurt: wirtschaftliches interesse, anleger, mitverschulden, kündigung, sorgfalt, marktwert, bestätigungsschreiben, auflösung, vertragsschluss, swapvertrag

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Gericht:
LG Frankfurt 19.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-19 O 203/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 249 Abs 1
BGB, § 254 Abs 1 BGB
Bankenhaftung bei der Kapitalanlageberatung,
insbesondere beim Abschluss von Swap-Geschäften (CMS
Spread Ladder Swap)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 312.999,40 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
310.005 Euro p.a. seit dem 24.07.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen zwischen ihnen geschlossenen Vertrag betreffend
einen "CMS-Spread-Ladder-Swap".
Die Klägerin schloss am 1. Juli 2005 mit der Beklagten den streitgegenständlichen
Swapvertrag über einen Bezugsbetrag von 1 Mio Euro mit einer Laufzeit bis zum 5.
Juli 2010 ab. Die Beklagte verpflichtete sich zur halbjährlichen Zahlung von 3 %
p.a. des Bezugsbetrags jeweils am 5. Januar und 5. Juli, erstmals im Januar 2006,
während die Klägerin für die ersten zwei Zahlungstermine 1,5 % p.a. des
Bezugsbetrags zu zahlen hatte. Im dritten Zahlungstermin sollte die Klägerin 1,5
% p.a. zuzüglich der dreifachen Differenz von 1,07% p.a. (sog. .Strike) zu dem
Spread aus 10-Jahres-Swap-Mittelsatz und dem 2-Jahres-Swap-Mittelsatz (jeweils
... ) zahlen. Für die weiteren Zahlungstermine galt, dass der jeweils im letzten
Termin gezahlte Zinssatz als Ausgangswert für die neue Berechnung dienen sollte
(sog. Leitereffekt). Der Strike sollte sich dabei immer weiter absenken, für den
fünften und sechsten Zahlungstermin auf 0,92% p.a., für den siebten und achten
Zahlungstermin auf 0,77 % p.a. und für die letzten beiden Termine auf 0,62 % p.a.
Für die Zahlungsverpflichtung der Klägerin wurde ein Minimalsatz von 0 %
festgeschrieben. Die Beklagte hatte das einseitige Recht, den Swapvertrag ab
dem zweiten Zahlungstermin zu jedem Zahlungstermin ohne Ausgleichszahlung
vorzeitig zu beenden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf das
Bestätigungsschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 05.07.2005 (BI. 29 ff.
d.A.) verwiesen.
Die Klägerin erhielt an den ersten zwei Zahlungsterminen saldiert insgesamt
15.000 Euro (1,5 % von 1 Mio Euro). Danach entwickelte sich der Swap für sie
ungünstig. Im Januar 2007 hatte sie 7.620 Euro zu zahlen. Die Parteien
vereinbarten am 3. April 2007 eine Änderung der Vertragsbedingungen, indem das
Kündigungsrecht der Beklagten gegen eine Zahlung von 800 Euro seitens der
Klägerin entfiel. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Bestätigungsschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 09.04.2007 (Bl. 63 f.
d.A.) verwiesen. Zum nächsten Zahlungstermin Im Juli 2007 musste die Klägerin
21.585 Euro zahlen, im Dezember 2007 lösten die Parteien den Swap gegen
Zahlung weiterer 295.000 Euro durch die Klägerin einvernehmlich auf.
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Die Klägerin hatte bereits vor dem Abschluss des streitgegenständlichen
Vertrages im Mai 2004 mit der Beklagten einen Vertrag über einen sogenannten
"Ladder-Swap" geschlossen, mit dem auf die Entwicklung des 6-Monats-Euribor
spekuliert wurde. Wegen der Einzelheiten dieses Vertrages wird auf das Termsheet
der Beklagten vom 19.05.2004 (Bl. 153 ff. d.A.) verwiesen. Der Klägerin wurde
Anfang 2005 mitgeteilt, der Marktwert des Swaps belaufe sich aus ihrer Sicht auf -
795,42 Euro. Gleichwohl kündigte die Beklagte den Swap zum frühestmöglichen
Zeitpunkt im April 2005, so dass die Klägerin mit dem Swap einen Gewinn von
insgesamt 15.291,66 Euro erzielte.
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Swaps fanden am 24. Mai und 5. Juni 2005
Beratungsgespräche mit einer Präsentation des Swaps statt. Die Präsentation
wurde der Klägerin zusätzlich per E-Mail übermittelt. Außerdem erhielt die Klägerin
am 30. Juni 2006 eine Produktbeschreibung.
In der Präsentation wird der Swap zur "Zinsverbilligung" angeboten (die Klägerin
hatte bei der Beklagten Bankverbindlichkeiten in Höhe von 1 Mio Euro). Es werden
drei "Beispielszenarien" jeweils über die volle Laufzeit des Vertrages durchgespielt,
wobei zwei Szenarien für die Klägerin durchgehende Gewinne vorsehen, während
das dritte Szenario mit einem Verlust für die Klägerin endet (S. 18 = Bl. 55 d.A.).
Weiter heißt es in der Präsentation: "Durch die Ausgestaltung mit Kündigungsrecht
verringert sich Ihr Risiko aus dem Geschäft!" (S. 20 = Bi. 61 d.A.). Wegen der
weiteren Einzelheiten der Präsentation wird auf diese ("Aktives .Zinsmanagement"
vom 24.05.2005; Bl. 42 ff. d.A.) verwiesen.
Zur Struktur des Geschäfts führt die Produktbeschreibung auf S. 2 (Bl. 37 d.A.)
aus:
Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist der Verkauf von strukturierten
Zinsoptionen. Die hierfür von Ihnen zu beanspruchende Prämie wird nicht als
Einmalzahlung bei Abschluss des Geschäfts von der Bank geleistet, sondern wird
aus einem strukturierten EUR-Zinsswap über die Laufzeit verteilt an Sie
ausgezahlt.
In der Produktbeschreibung wird der Swap zur Reduzierung der Zinsbelastung und
zur "Verbilligung" der Finanzierung angeboten. In diesem Zusammenhang heißt es
aufS.3'(BI. 38dA):
Der Swap erlischt nicht, wenn das Grundgeschäft wegfällt. Sollte das
Grundgeschäft nicht mehr existieren, verändert sich der Risikocharakter des
strukturierten Swaps. in diesem Fall haben Sie eine offene Zins-Position, die mit
einem theoretisch unbegrenzten Verlustrisiko verbunden ist.
Auf S. 4 (Bl. 39 d.A.) enthält die Beschreibung wiederum eine "Szenarioanalyse der
Zinszahlungen" mit dem Hinweis "keine Beendigung des Zinsswaps unterstellt". Es
werden vier Szenarien jeweils über die volle Laufzeit des Swaps betrachtet, wobei
ein Szenario für die Klägerin über sechs Perioden Gewinn ausweist, für die
restlichen Perioden +/- 0, also insgesamt einigen Gewinn für die Klägerin, das
zweite Gewinne und Verluste mit einem insgesamt leichten Gewinn für. die
Klägerin, das dritte insgesamt Verluste für die Klägerin und das vierte kräftige
Verluste für die Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Produktbeschreibung wird auf diese (... Bl. 36
ff. d.A.) verwiesen.
Nach Auflösung des Swap-Vertrages schloss die Klägerin mit ihren jetzigen
Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung, wonach diese nach der
jeweiligen Höchstgebühr des RVG abzurechnen hatten. Die Bevollmächtigten der
Klägerin wandten sich mit einem Schreiben vom 27. März 2008 an die Beklagte
und verlangten die Erstattung von 310.000 Euro. Die Klägerin hatte dafür ein
Honorar von 5.740 Euro zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Kostenrechnung der Bevollmächtigten vom 08.07.2008 (... verwiesen (Bl. 423
d.A.).
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei von der Beklagten im Zusammenhang mit dem
Abschluss des Swap-Vertrages nicht ordnungsgemäß beraten worden, sie sei
sogar arglistig getäuscht worden. Sie erklärt deswegen die Anfechtung des
Vertrages.
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Mit der Klage begehrt die Klägerin die Erstattung der mit dem Swap-Geschäft
erlittenen Verluste einschließlich der Kosten für den Wegfall des Kündigungsrechts
und des Abfindungsbetrages. Außerdem verlangt sie Ersatz der ihr entstandenen
Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie Euro310.005 nebst Zinsen, in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit 24.07.2008 zu. zahlen;
2. an sie Euro 5.740,00 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, im Rahmen der Präsentation sei bei der Erläuterung von S. 20 der
Präsentation mündlich darauf hingewiesen worden, dass ihr einseitiges
Kündigungsrecht Vertragskonditionen mit niedrigeren Risiken für die Klägerin
ermögliche.
Die Beklagte meint, selbst bei einem eventuellen Fehlverhalten ihrerseits könne
nicht davon ausgegangen werden, dass dies kausal für den Vertragsschluss
geworden sei. Der Klägerin komme insoweit keine Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens zugute. Zudem habe die Klägerin durch die Vereinbarung über den
Wegfall des Kündigungsrechts gezeigt, dass sie ungeachtet der für sie ungünstigen
Entwicklung am Vertrag festhalten wolle. Jedenfalls treffe die Klägerin ein
Mitverschulden von 100 %, weil sie habe bemerken müssen, dass sie von der
Beklagten falsch beraten worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Wesentlichen begründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin
den zwischen den Parteien geschlossenen Swap-Vertrag wegen arglistiger
Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB erfolgreich anfechten konnte. Die Klägerin
ha1 gegen die Beklagte jedenfalls einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs.
1 BGB auf Rückabwicklung des Swap-Vertrages, da die Beklagte ihre Pflichten aus
dem zwischen den Parteien zusätzlich geschlossenen Beratungsvertrag verletzt
hat.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten würde ein Beratungsvertrag geschlossen.
Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an
einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden
bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs
angenommen (BGHZ 100, 117, 118 f.; BGHZ 123, 126, 128). Nichts anderes gilt,
wenn nicht die Anlage eines Geldbetrages, sondern der Abschluss eines
andersartigen Finanzgeschäfts in Rede steht, so auch beim Abschluss eines Swap-
Vertrages (vgl. OLG Bamberg v. 1 i.05.2009 - 4 U 92/08 -, Juris-Rn. 133).
Ein Anlageberatungsvertrag verpflichtet den Berater zu einer anleger- und
objektgerechten Beratung (BGHZ 123, 126, 129; BGHZ 178, 149, 152). Der
Berater muss insbesondere richtig und vollständig über diejenigen tatsächlichen
Umstände informieren, die für den Anlageentschluss des Interessenten von
besonderer Bedeutung sind, wobei eine derartige Aufklärung auch durch Übergabe
von Prospektmaterial erfolgen kann, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt
geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu
vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem
Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen
werden kann (BGHZ 163, 311, 320; BGH WM 2009, 688, 690).
Diesen Anforderungen wird die Beratung der Beklagten im vorliegenden Fall nicht
gerecht. Die Klägerin wurde mit der übergebenen Produktbeschreibung und der
Präsentation nicht richtig und vollständig über die Anlage informiert. Die Fehler der
Produktbeschreibung und Präsentation wurden auch nicht in ausreichender Weise
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Produktbeschreibung und Präsentation wurden auch nicht in ausreichender Weise
mündlich berichtigt.
Die Produktbeschreibung und die Präsentation enthalten irreführende und falsche
Angaben. Die Produktbeschreibung weist zwar unter der Überschrift "Risiken" auf
das "theoretisch unbegrenzte Verlustrisiko" hin (S. 4; ebenso auf S. 20 der
Präsentation = Bl. 61 d.A.). Dies wird jedoch durch die im Tatbestand
wiedergegebene Passage auf S. 3 der Produktbeschreibung relativiert, in ihr wird
der Eindruck erweckt, als bestehe dieses theoretisch unbegrenzte Verlustrisiko nur
dann, wenn das sogenannte Grundgeschäft nicht mehr existiert. Dies ist eindeutig
falsch, da das Verlustrisiko mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem
Grundgeschäft vollkommen unabhängig von diesem stets in gleicher Weise
besteht (vgl. ... die feststellen, dass es beim CMS-Spread-Ladder-Swap im
Gegensatz zu anderen Zinsswaps eine risiko-kompensierende Wirkung zu einem
Grundgeschäft nicht gibt). Der Leser dieser Passage der Produktbeschreibung wird
den erteilten Hinweis nicht dahingehend verstehen, dass auch in diesem Fall ein
unbegrenztes Verlustrisiko besteht, sondern dahingehend, dass. nur in diesem Fall
ein unbegrenztes Verlustrisiko besteht, da anderenfalls der vorangegangene
falsche Hinweis auf die Veränderung des Risikocharakters sinnlos wäre.
Ausgesprochen irreführend ist auch die Angabe in der Präsentation, das
Kündigungsrecht der Beklagten verringere das Risiko der Klägerin. Dadurch wird
der Eindruck erweckt, die Beklagte werde ihr Kündigungsrecht auch zugunsten der
Klägerin einsetzen, um eventuellen Verlusten der Klägerin vorzubeugen. Die
behauptete mündliche Erklärung, durch das Kündigungsrecht werde eine für die
Klägerin risikoärmere Vertragsgestaltung ermöglicht, war nicht geeignet, diesen
falschen Eindruck ausreichend zu korrigieren, da sie nicht ausdrücklich ausschloss,
dass die Beklagte ihr Kündigungsrecht zugunsten der Klägerin einsetzen werde.
Eine Richtigstellung fehlerhafter schriftlicher Information kann zwar auch mündlich
erfolgen. Sie muss aber hinreichend deutlich sein, um die durch eine fehlerhafte
Information geprägte Vorstellung des Beratenen zu korrigieren (BGH NJW 2008,
2852, 2854). Daran fehlt es hier.
Ebenfalls zur Irreführung des Anlegers geeignet sind die vorgestellten Szenarien, in
denen der Anleger deutliche Gewinne erzielt. Diese Szenarien können praktisch
nicht entstehen, da die Beklagte bei einer derartigen Entwicklung den Vertrag
kündigen würde, bevor größere Gewinne des Anlegers auflaufen könnten, wie sie
an anderer Steile (auf S. 20 der Präsentation; Bl. 61 d.A.) selbst indirekt einräumt,
in der Überschrift des Szenarios in der Produktbeschreibung - nicht hingegen in
der Präsentation - wird zwar darauf hingewiesen, dass "keine Beendigung des Zins-
swaps unterstellt" werde, auch wird unter der Überschrift "Chancen" (S. 4) und in
der Präsentation an der eben erwähnten Stelle jeweils die Möglichkeit der
Kündigung erwähnt. Konsequent verschwiegen wird aber die wirtschaftliche
Bedeutung dieses Kündigungsrechts, nämlich gerade das Verhindern größerer
Gewinne des Anlegers im Falle einer für ihn günstigen Entwicklung des Geschäfts
(vgl. ... die darauf hinweisen, dass ein Kündigungsrecht der Bank den Effekt,
wonach typischerweise ein möglicher negativer Zahlungssaldo den Betrag eines
möglichen positiven Zahlungssaldos um ein Mehrfaches übersteigt, verstärkt).
Stattdessen heißt es verharmlosend, es könne keine Aussage gemacht werden,
ob und wann das "Beendigungsrecht" ausgeübt werde (S. 3).
In der Produktbeschreibung und der Präsentation wird nicht hinreichend
dargestellt, dass einerseits die Gewinnchance des Anlegers der Höhe nach durch
das Kündigungsrecht der Beklagten stark beschränkt war, während umgekehrt das
Verlustrisiko der Höhe nach infolge des Leitereffekts und des Umstandes, dass
sich die Klägerin durch den Abschluss des Swap-Vertrages materiell zur
Übernahme einer Stillhalterposition in einem Optionsgeschäft verpflichtete,
erheblich war. Andeutungsweise wird dieser Optionscharakter des Swaps zwar in
der im Tatbestand zitierten Passage auf S. 2 der Produktbeschreibung
angesprochen, wobei dieses außerhalb jedes Zusammenhangs stehende
Textstück für sich genommen aber kaum verständlich sein dürfte. Unter der
Überschrift "Risiken" in der Produktbeschreibung wird auf das mit dem Leitereffekt
verbundene Risikopotential (vgl. ... ., die zutreffend die damit verbundene
Risikokonzentration auf die Zinsstrukturgestalt früher Vertragsperioden
herausstellen) nicht hingewiesen. Wer ein solches Geschäft abschließen will, muss
die Bereitschaft zur Übernahme einer Stillhalterposition haben.
Die Produktbeschreibung verdeutlichte der Klägerin nicht, dass einer hohen
Chance auf einen kleinen Gewinn ein geringes Risiko eines dann aber erheblichen
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Chance auf einen kleinen Gewinn ein geringes Risiko eines dann aber erheblichen
Verlustes gegenüberstand. Diese Risikoverteilung bei entsprechenden Swaps
belegt die bereits mehrfach erwähnte Studie von ... ), auf die die Klägerin
hingewiesen hat. Die Beklagte ist den Ergebnissen der Studie nicht
entgegengetreten. Sie behauptet selbst auch nicht, dass sie bei Abschluss des
Geschäfts eine andere Risikoeinschätzung gehabt hätte.
Die Studie arbeitet mit einer kapitalmarkt-historischen Simulation von
Abschlüssen von CMS-Spread-Ladder-Swaps unter Vereinbarung eines einseitigen
Kündigungsrechts der Bank für den Zeitraum von Oktober 1972 bis Februar 2002.
Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass bei dieser Simulation in 84 % der Fälle die
Anleger einen kleinen Gewinn gemacht hätten, während in den verbleibenden 16 %
die Anleger im Vergleich zu den Gewinnen um ein Vielfaches höhere Verluste
erlitten hätten.
Es trifft zwar zu, dass alle aufgeführten irreführenden und falschen Informationen
der Beklagten für einen wirtschaftlich mitdenkenden und das Wesen des Geschäfts
erfassenden Anleger bei entsprechender Überlegung erkennbar sind. Es stellt aber
noch keine objektgerechte Beratung dar, wenn der Berater dem Anleger
irreführende Informationen zukommen lässt und ihn zum Ausgleich dafür in den
Stand setzt, die Irreführung als solche zu erkennen.
Die Klägerin ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie sie stünde, wenn die
Beklagte sie pflichtgemäß beraten hätte. Dem Anleger, der über eine
Kapitalanlage unzutreffend informiert worden ist, kommt bei einer unrichtigen oder
unvollständigen Darstellung von für die Anlageentscheidung wesentlichen
Umständen eine tatsächliche Vermutung der Kausalität für die
Anlageentscheidung zugute (vgl. zur Prospekthaftung zuletzt BGH WM 2009, 789;
gerade zum CMS-Spread-Ladder-Swap OLG Bamberg v. 11.05.2009 - 4 U 92/08 -,
Juris-Rn. 230 ff., dort als widerlegt angesehen). Die Beklagte hat diese Vermutung
nicht erschüttert.
Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin infolge des
früher abgeschlossenen Ladder-Swaps die Risikostruktur und Funktionsweise des
Swaps trotz der erfolgten Falschberatung verstanden hätte. Da der Klägerin noch
kurze Zeit vor der Kündigung der Beklagten ein negativer Marktwert mitgeteilt
worden war, konnte ihr nicht deutlich werden, dass ihr durch die Kündigung der
Beklagten die Chance auf einen möglicherweise deutlich höheren Gewinn
genommen wurde.
Die Vermutung wird auch nicht dadurch widerlegt, dass die Klägerin der Beklagten
das einseitige Kündigungsrecht abkaufte. Darin kann nicht eine Bestätigung des
Vertrages im Übrigen gesehen werden. Nachdem sich die Klägerin einmal in der
misslichen Situation befand, kann ihr nicht vorgehalten werden, dass sie
versuchte, durch eine Änderung des Vertrags ~ die im Übrigen, wie der minimale,
von ihr dafür zu zahlende Betrag zeigt, kaum wirtschaftliche Bedeutung hatte -
noch das Beste aus dieser Situation zu machen.
Somit ist davon auszugehen, dass der Vertrag bei pflichtgemäßer Beratung
seitens der Beklagten von der Klägerin nicht abgeschlossen worden wäre. Die
Klägerin hätte dann keine Zahlung zur Auflösung des Vertrages, keine Zahlung für
die vorangegangene Änderung und keine Zahlungen auf den laufenden Vertrag
leisten müssen, sie hätte aber auch keine Leistungen aus dem Vertrag erhalten.
Die Klägerin hat daher Anspruch, auf Erstattung von (285.000 Euro + 800 Euro +
7.620 Euro + 21.585 Euro -15.000 Euro =) 310.005 Euro.
Der Anspruch der Klägerin reduziert sich nicht durch ein Mitverschulden nach § 254
Abs. 1 BGB. Ein Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte
verletzt hat, kann gegenüber dem Entschädigungsanspruch des Geschädigten
regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er
der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe, obwohl
er das, worüber ihn" sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden
Bemühungen auch ohne fremde Hilfe hätte erkennen können (BGH NJW-RR 2007,
857, 860; BGH WM 2008, 950, 952; BGH NJW-RR 2009, 1141, 1143).
Unter besonderen Umständen kann der Einwand des Mitverschuldens begründet
sein, etwa wenn Warnungen vor dritter Seite oder differenzierende Hinweise des
anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die
Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in
vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände
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vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände
vorliegen (BGH NJW 1982, 1095, 1096 f.; BGH NJW-RR 1993, 1114, 1115). Derartige
besondere Umstände liegen hier aber nicht vor.
Warnungen von dritter Seite gab es vorliegend nicht. Differenzierende Hinweise der
Beklagten, etwa, die Klägerin solle sorgfältig prüfen, ob sie sich auf die
Produktbeschreibung verlassen könne, da diese möglicherweise nicht mit
hinreichender Sorgfalt erstellt worden sei, sind nicht ersichtlich.
Als besonderer Umstand kommt zwar die Interessenlage im Hinblick auf die
vertragliche Konstellation in Betracht. Einem Berater, der vorwiegend sein eigenes
wirtschaftliches Interesse im Auge hat, darf kein uneingeschränktes Vertrauen
entgegengebracht werden (vgl. BGH NJW 1982, 1095, 1097). Hier war die Beklagte
selbst Vertragspartnerin der Klägerin bei dem Swap-Geschäft, so dass ein eigenes
wirtschaftliches Interesse der Beklagten zwar nahe liegt. Banken pflegen jedoch
derartige Geschäfte mit entsprechenden Gegengeschäften abzusichern (sog.
Hedging), so dass sie dem jeweiligen Kunden neutral gegenübertreten können.
Unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall tatsächlich so war, durfte die Klägerin
jedenfalls auf diesen Umstand vertrauen. Aus der Eigenbeteiligung der Beklagten
lässt sich daher kein "besonderer Umstand" ableiten, der ein Mitverschulden
begründen könnte.
Die Klägerin hat außerdem Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,40 Euro. Auch diese Kosten wären nicht
entstanden, wenn die Klägerin den Swap-Vertrag nicht abgeschlossen hätte (§ 249
Abs. 1 BGB). Die vorprozessuale Einschaltung eines Rechtsanwalts stellt sich im
Hinblick auf die spezielle Problematik des vorliegenden Falles als erforderlich dar,
auch wenn die Klägerin über eine eigene Rechtsabteilung verfügen sollte. Die
Klägerin kann jedoch nicht die von ihr nach der Honorarvereinbarung
geschuldeten, sondern nur die sich aus dem RVG ergebenden Gebühren verlangen
(vgl. MünchKomm-Oetker § 254 Rn. 94). Nachdem sie nichts dazu vorgetragen
hat, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen wäre (Nr. 2300 RVG-
W), hat sie nur Anspruch auf eine 1,3-Gebühr, so dass sich einschließlich 20 Euro
Pauschale nach Nr. 7002 RVG-W bei einem Gegenstandswert von 310.005 Euro ein
Nettobetrag von 2.994,40 Euro ergibt.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 310.005 Euro
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.