Urteil des LG Frankfurt am Main vom 22.03.2007

LG Frankfurt: aufsichtsrat, gegenleistung, anfechtungsklage, aktionär, zielgesellschaft, stimmrecht, abfindung, anfechtbarkeit, satzung, abstimmung

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Gericht:
OLG Frankfurt 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 77/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 120 AktG, § 131 AktG, § 132
AktG, § 136 AktG, § 142 AktG
Aktiengesellschaft: Anfechtung von
Entlastungsbeschlüssen wegen Verletzung des
Informationsrechts; Rechtsmissbrauch durch die Erhebung
der Anfechtungsklage; Umfang der Stellungnahmepflicht
von Vorstand und Aufsichtsrat zu einem
Übernahmeangebot
Leitsatz
Zum Vorwurf des Missbrauchs des Anfechtungsrechts durch den Aktionär
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin der Klägerin gegen das Urteil
der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 28.3.2006
werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der
durch die Nebenintervention verursachten Kosten, welche die Streithelferin der
Klägerin zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage, die
Hauptversammlungsbeschlüsse vom 15.12.2004 betreffend die Entlastung des
Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten für das Geschäftsjahr 2003 und
das Rumpfgeschäftsjahr vom 01.01. bis 30.06.2004 für nichtig zu erklären, ferner
festzustellen, dass die ablehnende Beschlussfassung betreffend die Durchführung
einer Sonderprüfung rechtswidrig erfolgte sowie die positive Feststellung dieses
Beschlusses.
Die Beklagte ist eine im Handelsregister des AG O1 eingetragene
Aktiengesellschaft. Ihr Grundkapital beträgt 67.517.346,-- €, welches in
entsprechend viele auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt ist, davon
44.135.676 Stammaktien mit Stimmrecht in der Hauptversammlung und
23.381.670 stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die Klägerin hält 1 Stammaktie und 2
Vorzugsaktien. Die Beklagte selbst hält 564.611 Stammaktien und 869.592
Vorzugsaktien. F1GmbH, eine mittelbare 100%ige Tochter der F2, L1, erwarb im
Jahr 2003 34.235.192 Stammaktien, das sind 77,57% aller stimmberechtigten
Stammaktien. Die F1 GmbH wurde zwischenzeitlich auf die F3 GmbH & Co ... oHG
verschmolzen.
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Am 28.04.2003 veröffentlichte die F1 GmbH (F1) gemäß den Vorschriften des
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) das in Bezug genommene
Übernahmeangebot an die Aktionäre der Beklagten Bl.174 – 207 d.A., zu dem der
Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten gemäß § 27 WpÜG jeweils eine
Stellungnahme abgaben, welche den angebotenen Preis sowohl für die
Stammaktien von 92,25 € als auch denjenigen für die Vorzugsaktien von 65,-- € im
Ergebnis als angemessen beurteilten. Wegen des Inhalts der Stellungnahmen wird
auf Bl. 208 - 228 und 229 – 242 d.A. verwiesen. Das Übernahmeangebot wurde
von Aktionären mit insgesamt 9.053.768 Stammaktien und 10.167.531
Vorzugsaktien angenommen und am 10.09.2003 vollzogen. Ferner erwarb F1 am
24.09.2003 weitere 100.000 Stammaktien.
Aufgrund eines Minderheitenverlangens fand zunächst am 03.02.2004 eine
außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Ein Antrag über eine
Anweisung nach § 83 Abs.1 AktG, mit der der Vorstand der Beklagten zur
Vorbereitung eines Beherrschungsvertrages mit F1 verpflichtet werden sollte,
sowie ein Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung fanden nicht die
erforderliche Mehrheit. Allerdings wurde die Änderung des Geschäftsjahres
dahingehend beschlossen, dass dieses nun nicht mehr das Kalenderjahr ist,
sondern am 01.07. eines Jahres beginnt und am 30.06. des Folgejahres endet. Aus
diesem Grund war das am 01.01.2004 begonnene Geschäftsjahr ein
Rumpfgeschäftsjahr und endete am 30.06.2004.
Am 26.04.2004 kam es doch zum Abschluss eines Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages zwischen der Beklagten und F1, zu dem in der
ordentlichen Hauptversammlung vom 08.06.2004 mit einigen Gegenstimmen die
Zustimmung erteilt wurde. Dieser sah eine Abfindung in Höhe von 72,86 € je
Stamm- und Vorzugsaktie vor. Aus Zeitgründen konnten in dieser
Hauptversammlung die Beschlussfassungen zu den Tagesordnungspunkten betr.
die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2003
nicht mehr erfolgen. Deshalb fand am 15.12.2004 die im vorliegenden Rechtsstreit
streitgegenständliche Hauptversammlung statt. Die Einladung hierzu wurde am
04.11.2004 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und zuletzt am
02.12.2004 in der Zeitschrift „B1“.
Bei dieser Hauptversammlung war F1 direkt und indirekt mit 98,35% des
Stammaktienkapitals und 43,96% des Vorzugsaktienkapitals vertreten. Ferner
nahmen u.a. die Klägerin und die Streithelferin teil. Entgegen der Ankündigung in
der Einladung wurde über die Entlastung jedes einzelnen Mitgliedes des
Vorstandes und des Aufsichtsrates gesondert abgestimmt. Die Entlastung wurde
jeweils mit Stimmenmehrheit erteilt. Der von der Klägerin gestellte
Sonderprüfungsantrag, wegen dessen Inhalts auf S.3 - 6 der Klageschrift (Bl.30 –
33 d.A.) Bezug genommen wird, fand nicht die erforderliche Mehrheit und wurde
somit abgelehnt. Im Rahmen der Hauptversammlung wurden von der Klägerin u.a.
die in der Klageschrift S.11-14 (Bl.38-41 d.A.) und von der Vertreterin der A1, Frau
Z1, die in der Klageschrift S.15 (Bl.42 d.A.) zitierten Fragen gestellt und vom
Vorstand der Beklagten wie im Schriftsatz vom 26.04.2005 (Bl.95 – 105 d.A.)
ersichtlich beantwortet. Die Klägerin und die Streithelferin erhoben Widerspruch
gegen alle Beschlüsse der Hauptversammlung zu Protokoll.
Wegen der nach Auffassung der Klägerin unzureichend beantworteten Fragen
stellte sie beim Landgericht Frankfurt/M. einen Antrag auf Auskunftserteilung nach
§ 132 AktG, der mit Beschluss vom 10.05.2005 zurückgewiesen wurde. Über die
vom Landgericht zugelassene und von der Klägerin eingelegte Beschwerde (Az. 20
W 268/05 Oberlandesgericht Frankfurt/M.) ist noch nicht entschieden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Hauptversammlungsbeschlüsse
betreffend die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates seien gemäß §
243 AktG anfechtbar, weil der Vorstand die Informationsrechte der
Hauptversammlung nach § 131 AktG durch unzureichende Beantwortung der in
der Klageschrift genannten Fragen verletzt habe. Ferner komme eine Entlastung
der Organmitglieder auch deshalb nicht in Betracht, weil sie sich schwerwiegender
Gesetzes- und Satzungsverstöße schuldig gemacht hätten. Der Beschluss auf
Ablehnung des Sonderprüfungsantrages sei unter Verletzung eines
Stimmrechtsverbotes der Mehrheitsaktionärin analog § 142 Abs.1 AktG gefasst
worden und deshalb unwirksam.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil
es der Klägerin nur darum gehe, ihren Lästigkeitswert zu erhöhen, um damit zu
erreichen, dass die Mehrheitsaktionärin bereit sei, der Klägerin die von ihr
gehaltenen Aktien zu einem überhöhten Preis abzukaufen. Die Auskünfte in der
Hauptversammlung seien korrekt erteilt worden. Gleiches gelte für die
Stellungnahmen gemäß § 27 WpÜG. Eine Gleichbehandlung von Stamm- und
Vorzugsaktien habe weder gefordert werden können, noch sei diese sachlich
geboten. Weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat sei ein pflichtwidriges
Verhalten vorzuwerfen. Es sei allein Sache des herrschenden Unternehmens, die
Entscheidung über den Abschluss eines Unternehmensvertrages und dessen
Zeitpunkt zu treffen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Klägerin
rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Last falle. Die Beklagte habe sich in der
Klageerwiderung explizit auf den Missbrauch des Anfechtungsrechts durch die
Klägerin berufen und durch zahlreiche Fakten untermauert. Sie habe - von der
Klägerin unwidersprochen - vorgetragen, dass diese zum Kreis der sog.
professionellen Hauptversammlungsopponenten gehöre. Dies werde dadurch
bestätigt, dass die Klägerin auch an zwei weiteren am Landgericht Darmstadt
anhängig gemachten Anfechtungsverfahren (E1 und E2-AG) beteiligt gewesen sei.
Auch die im Rahmen einer Gesamtwürdigung gebotene wirtschaftliche
Betrachtungsweise verdeutliche, dass es der Klägerin nicht um die ihr
gebührenden Sonderleistungen gehe. Die Klägerin sei nur mit wenigen hundertstel
Promille an der Beklagten beteiligt, so dass weder Renditegesichtspunkte noch
Veräußerungserlöse eine Rolle spielen könnten. Das Verhalten sei nur plausibel,
wenn man davon ausgehe, dass die Klägerin Druck gegenüber der
Mehrheitsaktionärin aufbauen wolle, um diese zur Zahlung einer Abfindung zu
veranlassen. Dass die Klägerin einen solchen Anspruch noch nicht artikuliert habe,
stehe der Annahme des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. Darüber hinaus lägen
aber auch plausible und tragfähige Anfechtungsgründe nicht vor. Die Beklagte
habe sämtliche Fragen, die die Klägerin auf der Hauptversammlung gestellt habe,
stimmig und nachvollziehbar beantwortet. Anhaltspunkte dafür, dass die
Antworten objektiv wahrheitswidrig gewesen seien, lägen nicht vor. Bei der Frage,
zu welchem Kaufpreis das L2-Geschäft veräußert worden sei, sei es der
Fragestellerin unstreitig nicht um die Mitteilung des Kaufpreises, sondern darum
gegangen, nach welchen Grundsätzen er ermittelt worden sei. Diese Auskunft sei
unstreitig zur Zufriedenheit der Fragestellerin erteilt worden. Die Beschlussfassung
der Hauptversammlung zu der von der Klägerin beantragten Sonderprüfung sei
nicht zu beanstanden. Ein Stimmverbot für die Hauptaktionärin habe nicht
bestanden.
Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten
Berufungen der Klägerin und ihrer Streithelferin, mit der sie ihre Klageanträge aus
der 1. Instanz in vollem Umfang weiterverfolgen und hilfsweise die
Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Kammer des Landgerichts
begehren. Sie wenden sich gegen die Auffassung des Landgerichts, die Klage sei
rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe keinerlei konkrete Tatsachen
vorgetragen, aus denen sich ableiten ließe, dass die Klägerin mit der vorliegenden
Klage eigennützige, nicht mit dem Aktienrecht im Einklang stehende Zwecke
verfolge, sondern lediglich Mutmaßungen geäußert. Im Übrigen wiederholen sie im
Wesentlichen ihren Vortrag aus der 1. Instanz. Ferner vertreten sie nun die
Ansicht, die Hauptversammlungsbeschlüsse seien auch deswegen nicht wirksam
zustande gekommen, weil die Mehrheitsaktionärin zum Zeitpunkt der
Hauptversammlung vom 15.12.2004 ihren Meldepflichten nach § 25 WpHG nicht
entsprochen habe mit der Folge, dass sie nach § 28 WpHG ihre Stimmrechte nicht
habe ausüben können. Sie beziehen sich dazu auf eine Bekanntmachung der
Beklagten in der U1-zeitung aus dem Mai 2006, wegen deren Inhalts auf Bl.330
d.A. Bezug genommen wird und in welcher zur Klarstellung von
Bekanntmachungen der F2 und deren Tochterunternehmen gemäß § 25 WpHG
aus den Jahren 2003 bis 2006 mitgeteilt wird, dass den Meldepflichtigen zusätzlich
zu ihrem jeweils veröffentlichten Stimmrechtsanteil ein Stimmrechtsanteil von
1,28% (Stimmrechte aus den von der Beklagten selbst gehaltenen 565.611
Stammaktien) gemäß §22 Abs.1 WpHG zuzurechnen gewesen sei.
Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28.03.2006 – Az. 14 O 155/05
aufzuheben und wie in der 1. Instanz beantragt abzuändern, das Verfahren zur
weiteren Aufklärung an eine andere Kammer des LG Darmstadt
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weiteren Aufklärung an eine andere Kammer des LG Darmstadt
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ferner ist sie der Auffassung, dass die
Klägerin sich nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr auf einen neuen
Anfechtungsgrund stützen könne. Auch bei Berücksichtigung des neuen Vortrages
sei die Anfechtungsklage nicht begründet, weil die Gesellschaften des F4-
Konzerns die ihnen obliegenden Mitteilungspflichten stets erfüllt hätten und ein
Stimmrechtsverlust daher nicht eingetreten sei.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 ZPO
abgesehen. Insoweit wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie
auf die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufungen sind zulässig, in der Sache haben sie indes keinen Erfolg. Das
Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Allerdings bleibt der Klage nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil der
Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzulasten wäre.
Grundsätzlich ist die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und Anfechtungsklage als
Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer
Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so
dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt,
dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden
Rechtszustandes dient. Auch wenn die Wahrnehmung eines Eigeninteresses für die
Erhebung der Anfechtungsklage nicht erforderlich ist, kann allerdings in
Ausnahmefällen eine eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des
Rechtsmissbrauchs begründen. Diese Voraussetzung kann dann gegeben sein,
wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft
in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen
Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. Der Anfechtungskläger
wird sich dabei im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen, die verklagte
Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie hoffe, dass der Eintritt
anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest
gering gehalten werden könne. Die Geltendmachung einer ungerechtfertigten
Forderung in strafrechtlich erheblicher Weise, also im Wege der Nötigung oder
Erpressung, ist nicht zwingende Voraussetzung der Erhebung des
Rechtsmissbrauchseinwandes. (BGHZ 107, 296, 3308 ff.; Bundesgerichtshof AG
1990, 259 ff.). Dabei braucht der Aktionär nicht von der Vorstellung auszugehen,
dass er die Gesellschaft zur Leistung auffordern muss, es vielmehr genügt, dass er
mit der Klage erstrebt, die Gesellschaft werde sich unter dem Druck der infolge
dieses Vorgehens befürchteten wirtschaftlichen Nachteile an ihn wenden und ihm
Zahlungsangebote unterbreiten. Der Nachweis einer solchen Erwartungshaltung
als einer sogenannten inneren Tatsache kann sich schwierig gestalten. Im Rahmen
der Prüfung, ob eine solche Tatsache festgestellt werden kann, muss allen von den
Parteien zu diesem Vorwurf vorgetragenen Umständen nachgegangen und diese
einer umfassenden Würdigung unterzogen werden, wobei ein besonderes
Augenmerk auf die Einzelheiten des Parteivortrags zu richten ist, die als
Indiztatsachen für die dargelegte Absicht bedeutungsvoll sind und sie zu belegen
geeignet erscheinen. Dazu gehört insbesondere das Verhalten, das der Kläger in
den Verhandlungen über die Beilegung des zur Entscheidung anstehenden
Anfechtungsstreits gezeigt hat; aber auch das Verhalten, das der Kläger im
Rahmen anderer Anfechtungsverfahren an den Tag gelegt hat, kann, insbesondere
in Zusammenhang mit bestimmten Einzelheiten seines aktuellen Vorgehens,
indizielle Bedeutung für die behauptete Erwartungshaltung bekommen.
(Bundesgerichtshof BB 1991, 17 ff.).
Das Landgericht hat unter Berufung auf Bundesgerichtshof AG 2000, 259 ff und
Oberlandesgericht Frankfurt AG 1992, 271 im vorliegenden Fall einen
Rechtsmissbrauch durch die Klägerin bejaht, wobei es als Indiz hat ausreichen
lassen, dass die Klägerin nach der Behauptung der Beklagten zum Kreis der sog.
professionellen Hauptversammlungsopponenten gehöre, was sich auch daran
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professionellen Hauptversammlungsopponenten gehöre, was sich auch daran
zeige, dass sie an zwei weiteren am Landgericht Darmstadt anhängig gemachten
Anfechtungsverfahren (E1 und E2-AG) beteiligt gewesen sei. Ferner hat das
Landgericht aus dem geringen Umfang des Aktienbesitzes (eine Stamm - und
zwei Vorzugsaktien) den Schluss gezogen, dass das Verhalten der Klägerin nur
plausibel sei, wenn man davon ausgehe, dass sie Druck gegenüber der
Mehrheitsaktionärin aufbauen wolle, um diese zur Zahlung einer Abfindung zu
veranlassen.
Diese Argumentation trägt die Annahme eines Rechtsmissbrauches durch die
Klägerin nicht. In den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen BGHZ 107,
296 ff., AG 1990, 259 ff. und AG 1992,448 ff. war von der Gesellschaft entweder
vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass die Anfechtungsklägerin
bereits wegen der Zahlung einer hohen Abfindung vorstellig geworden war bzw.
sich zumindest auf Gespräche eingelassen hatte, oder die jeweilige Klägerin in der
Vergangenheit solche Abfindungsgespräche geführt hatte, wobei es nicht als
ausreichend angesehen wurde, dass die Anfechtungsklägerin vor dem
streitgegenständlichen Zeitraum zwei mal Abfindungsgespräche geführt hatte,
danach solches aber nicht mehr bekannt geworden war (AG 1992, 448 ff.). In der
vom Landgericht zitierten Entscheidung Oberlandesgericht Frankfurt/M AG 1992,
271 (= WM 1991, 2155 ff.) ist ein Rechtsmissbrauch gerade abgelehnt worden, weil
als einziges Indiz hierfür der kurzfristige Erwerb der Aktien vor der
Hauptversammlung vorhanden war und ansonsten die Gesellschaft auf die
zunächst uneigennützig klagende Aktionärin mit einem Abfindungsangebot
zugegangen war.
Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen, dass im Zusammenhang mit der
Beteiligung der Klägerin bei der Beklagten Abfindungsgespräche - egal, von
welcher Seite ausgehend - geführt wurden, noch dass die Klägerin in der
Vergangenheit jemals so vorgegangen ist. Die Argumentation des Landgerichts
beruht allein auf Vermutungen. Auch der Vortrag der Beklagten in der
Klageerwiderung zu dieser Frage enthält keinerlei konkreten Tatsachenkern. Dass
die Klägerin an Anfechtungsklagen zweier weiterer Aktiengesellschaften als
Klägerin bzw. Streithelferin beteiligt war, belegt nicht, dass sie im vorliegenden
Verfahren eigennützige Interessen verfolgt und darauf spekuliert, dass die
Beklagte sich zur Zahlung einer hohen Abfindung bereit erklären wird, um der
Klägerin den Lästigkeitswert ihrer Klage abzukaufen.
2. Der Klägerin steht jedoch kein Anfechtungsrecht gegen die
Hauptversammlungsbeschlüsse, welche die Entlastung der Mitglieder des
Vorstandes und des Aufsichtsrates zum Gegenstand haben, zu.
a. Die von der Klägerin angefochtenen Entlastungsbeschlüsse sind nicht wegen
Verletzung des den Aktionären nach § 131 AktG zustehenden Informationsrechts
gesetzeswidrig und deshalb gemäß § 243 Abs.1 AktG anfechtbar.
Voraussetzung hierfür ist, dass die begehrte Auskunft zur sachgemäßen
Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich war und vom
Vorstand nicht, unvollständig oder unrichtig erteilt worden ist. Nicht erforderlich ist
dagegen, dass ein objektiv urteilender Aktionär sein Abstimmungsverhalten vom
Informationsgehalt abhängig gemacht hätte. Entscheidend ist nur, ob der
Informationsmangel so bedeutend ist, dass der Beschluss unter einem
Legitimationsdefizit leidet, welches bei wertender Betrachtung die Anfechtbarkeit
des daraufhin gefassten Beschlusses rechtfertigt (Bundesgerichtshof ZIP 2004,
2428 ff.).
Im vorliegenden Fall rügt die Klägerin insgesamt 5 Fragen als nicht
ordnungsgemäß beantwortet, wobei der Wortlaut der Fragen und der jeweiligen
Antworten unstreitig sind. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin
hat nicht nachgewiesen, dass der Vorstand der Beklagten eine dieser Fragen
unvollständig oder unrichtig beantwortet hat.
Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:
Frage 1 (die 10 relevantesten Geschäfte zwischen der Beklagten und Mitgliedern
oder Personen aus dem Umfeld der Familie Z2):
Die Klägerin rügt in der Berufung, dass nicht nur die Summe, sondern auch die
einzelnen Geschäfte oder Geschäftsarten hätten dargelegt werden müssen. Die
Frage war bereits auf der Hauptversammlung im Juni 2004 gestellt worden.
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Frage war bereits auf der Hauptversammlung im Juni 2004 gestellt worden.
Damals hatte der Vorstand nur mitgeteilt, dass es sich um Geldanlagen gehandelt
habe „zu für H1 im Drittvergleich günstigen Konditionen“. Nunmehr hat der
Vorstand die Angaben hinsichtlich der Konditionen dahingehend präzisiert, dass
das durchschnittliche Anlagevolumen im Jahr 2003 4,4 Mio. € betrug und die
Konditionen 10 Basispunkte unter dem Interbankensatz lagen. Im Rahmen der
Abschlussprüfung seien durch die Wirtschaftsprüfer keine Beanstandungen
erhoben worden.
Die Frage ist damit ausreichend beantwortet worden. Angesichts der Auskunft,
dass alle Geschäfte kurzfristige Geldanlagen bei der Beklagten betrafen, war eine
weitere Differenzierung nicht geboten, das gleiche gilt für die Konditionen, die auch
jeweils gleich waren. Die Größenordnung der jeweiligen Geschäfte ergibt sich
hinreichend deutlich aus der Mitteilung des durchschnittlichen Anlagevolumens.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Auskunftsrecht kein Selbstzweck ist,
sondern nur so weit reicht, wie dies zur sachgerechten Beurteilung des
Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Abzustellen ist auf einen objektiv
denkenden Durchschnittsaktionär, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund
allgemein bekannter Tatsachen kennt und deshalb die Auskunft zur Beurteilung
der Tagesordnung benötigt. Ob und in welchem Umfang ein Auskunftsrecht
besteht, kann daher immer nur im Zusammenhang mit dem konkreten
Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung beurteilt werden. (BayObLG,
Beschluss v. 22.03.1999, AG 1999, 320 f., zitiert nach juris). Für die Beurteilung der
Frage, ob dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten Entlastung zu
erteilen war, kam es im Wesentlichen auf die Konditionen der fraglichen Geschäfte
an, um beurteilen zu können, ob der Gesellschaft möglicherweise ein Nachteil
entstanden war. Die Größenordnung der Geschäfte war nur für die Frage wichtig, in
welchem Umfang ggfs. ein Schaden eingetreten sein konnte. In diesem
Zusammenhang war dann aber das Gesamtvolumen von Interesse, welches für
das Jahr 2003 mit 4,4 Mio. € genannt wurde. Die Volumina jedes einzelnen
Geschäfts waren angesichts der Tatsache, dass die Konditionen und die Art des
Geschäfts stets gleich waren, nicht entscheidend.
Frage 2 (Verfolgung von Schadensersatzansprüchen ggü. Mitgliedern der Familie
Z2):
Die Frage ist unstreitig vollständig beantwortet. Die Klägerin hegt lediglich Zweifel,
ob die Antwort richtig ist, bzw. vermutet, dass der Vorstand zwar Anlass hätte,
Schadensersatzansprüche geltend zu machen, dies aber aufgrund von geheimen
Absprachen mit den Mitgliedern der Familie Z2 nicht tut. Die Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass die Antwort inhaltlich unrichtig ist, trägt die Klägerin.
Zumindest müsste sie Tatsachen darlegen und beweisen, die Grund zu der
Annahme geben, dass die Auskunft unrichtig war (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu §
243, Rdnr.59, 60, 62). Dies ist nicht geschehen. Soweit die Klägerin meint, der
Vorstand mache sich seinerseits schadensersatzpflichtig, wenn er - wie er
behauptet - keinen Anlass sieht, Ansprüche gegen die Mitglieder der Familie Z2 zu
verfolgen, ist dies keine Frage der Verletzung des Auskunftsrechts, denn die
Auskunft ist erteilt und der Klägerin lagen nunmehr hinreichende Informationen
vor, um das Verhalten des Vorstandes zu beurteilen. Wenn sie das Verhalten des
Vorstandes in diesem Punkt für falsch hielt, stand es ihr frei, gegen die Entlastung
zu stimmen. Ihre Unzufriedenheit mit der Entscheidung des Vorstandes gibt ihr
aber nicht das Recht, den Entlastungsbeschluss wegen mangelnder Information
mit Erfolg anzugreifen.
Frage 3 (Kenntnis des Vorstandes oder des Aufsichtsrates von Verwaltung eines
Fonds der Familie Z2 durch ehemaliges Vorstandsmitglied):
Die Klägerin behauptet, die Frage sei falsch beantwortet. Sie hat jedoch keine
Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, woraus sich Gegenteiliges ergäbe.
Der Hinweis darauf, es sei in O1 offenbar nahezu stadtbekannt, welche besondere
Geschäftsbeziehungen es gegeben habe, ist hierfür nicht ausreichend.
Frage 4 (Zeitpunkt der Vorbereitung eines Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages):
Die Klägerin rügt, dass die Antwort sowohl hinsichtlich der Personen als auch der
Daten unvollständig sei. Dies ist nicht zutreffend. Alle Teile der Frage sind sowohl
hinsichtlich der Personen, die gehandelt haben, als auch hinsichtlich der Daten
beantwortet.
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Sofern die Klägerin weiter meint, es ergebe sich aus der Antwort, dass sich der
Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht habe, liegt hierin wie schon im Fall der
Frage 3 keine Verletzung des Auskunftsrechtes, sondern allenfalls ein Grund,
gegen die Entlastung des Vorstandes zu stimmen.
Frage 5 (Kaufpreis für den Verkauf der L2-Aktivitäten an F1):
Diese Frage war nicht von der Klägerin gestellt worden, sondern von Frau Z1 als
Vertreterin der A1. Gleichwohl kann auch die Klägerin die
Hauptversammlungsbeschlüsse betr. die Entlastung des Vorstands und des
Aufsichtsrates mit der Begründung anfechten, dass die Frage nicht ausreichend
beantwortet worden sei, weil sie Widerspruch zur Versammlungsniederschrift
erklärt hat (Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl., Rn. 906). Das
Auskunftsrecht dient der kollektiven Willensbildung und zielt auch auf die
Information der Hauptversammlung als Organ (Bundesgerichtshof ZIP 2004, 2428,
2429; MK-Kubis, zu § 131 AktG, Rdnr.3). Auch ein Auskunftserzwingungsverfahren
kann gemäß § 132 Abs.2 S.1 AktG von einem Aktionär beantragt werden, der die
Frage nicht gestellt hat, aber in der Hauptversammlung anwesend war und
Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, sofern über den Gegenstand, auf den
sich die Auskunft bezog, Beschluss gefasst wurde.
Die Frage ist zwar, sofern man allein deren Wortlaut zugrundelegt, wie er sich aus
der Anlage B 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26.04.2005 ergibt, nicht
beantwortet worden. Danach war nach der Höhe des Preises bzw. der
Gegenleistung gefragt worden. Dieser wurde als Zahl nicht genannt, sondern nur,
nach welchen Grundsätzen die Gegenleistung ermittelt wurde.
Der Vorstand der Beklagten durfte jedoch davon ausgehen, dass das
Informationsbedürfnis der Aktionäre durch diese Antwort erfüllt war. Die
Fragestellerin, Frau Z1, hat aufgrund dieser Antwort keine Nachfrage mehr
gestellt. Ihre Bitte um Erläuterung im weiteren Verlauf der Hauptversammlung
bezog sich ausweislich des von der Beklagten im Berufungsverfahren als Anlage
zum Schriftsatz vom 13.03.2007 vorgelegten Frage- und Antwortblattes (Bl.403
d.A.) auf eine andere Frage. Auch der Vertreter der Klägerin hat diese Frage im
weiteren Verlauf der Hauptversammlung nicht mehr aufgegriffen und um
weitergehende Informationen gebeten oder sie als nicht beantwortet gerügt. Auf
Hinweis des Senats, warum der Nennung der konkreten Höhe der Gegenleistung
über die bereits gegebene Information hinaus besondere Bedeutung zugekommen
sei, hat die Klägerin ausgeführt, dass in der Hauptversammlung vom 08.06.2004
eine Unternehmensbewertung vorgelegen habe, welche auch die an die
Großaktionärin verkauften Unternehmensteile umfasst habe. Die Frage habe auch
insoweit eine Plausibilisierung der Wertansätze in der Unternehmensbewertung
ermöglichen sollen. Dieser Umstand hat jedoch weder in der Frage selbst
Ausdruck gefunden, noch ist er – etwa im Wege einer Nachfrage – gegenüber dem
Vorstand geäußert worden. Unabhängig davon, ob man den Aktionär generell für
verpflichtet hält, die teilweise unterbliebene Beantwortung seiner Frage
unaufgefordert zu rügen oder einer objektiv falschen Feststellung des
Versammlungsleiters, derzufolge alle Frage beantwortet seien, zu widersprechen
(so Landgericht Heidelberg, ZIP 1997, 1787 ff., Landgericht Braunschweig BB
1991, 856 ff., Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 131, Rdnr.21, Henn, Handbuch des
Aktienrechts, 7. Aufl., Rn. 880; a.A. MK-Kubis, zu § 131 AktG, Rdnr.71) war für den
Vorstand der Beklagten in der streitgegenständlichen Hauptversammlung nicht
erkennbar, dass jedenfalls in den Augen der Klägerin keine Auskunft über die
Angemessenheit der Gegenleistung, sondern eine Information zur konkreten Höhe
gewünscht war und daher die gegebene Antwort nicht als ausreichend angesehen
wurde.
Der Senat konnte bereits zum jetzigen Zeitpunkt abschließend entscheiden, ohne
zunächst die Entscheidung über die von der Klägerin eingelegte Beschwerde
gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt/M. vom 10.05.2005 in dem
Verfahren nach § 132 AktG abwarten zu müssen.
Das Gericht ist im Anfechtungsprozess nicht an die Entscheidung des Gerichts im
Verfahren nach § 132 AktG gebunden, weshalb der Anfechtungsprozess nicht
gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 132 AktG
ausgesetzt werden muss. Beide Verfahren haben ein unterschiedliches Ziel und
ein ungleiches Gewicht. Das Auskunftserzwingungsverfahren soll auf einem
einfachen, schnellen und billigen Weg das individuelle Informationsbedürfnis eines
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einfachen, schnellen und billigen Weg das individuelle Informationsbedürfnis eines
Aktionärs befriedigen. Dagegen will der Kläger im Anfechtungsprozess wegen
Verletzung des § 131 AktG erreichen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss mit
der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 248 AktG von Anfang an für nichtig
erklärt wird, weil vor der Beschlussfassung eine bestimmt Auskunft hätte erteilt
werden müssen. (BGHZ 86, 1 ff.). Zwar ging es in dem der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall um die Frage, ob eine
Anfechtungsklage noch möglich ist, wenn ein Antrag nach § 132 AktG aus
formellen Gründen abgewiesen wurde oder der Aktionär die Zwei-Wochen-Frist
nicht eingehalten hat. Der Senat entnimmt den Ausführungen in der zitierten
Entscheidung jedoch, dass eine Entscheidung im Verfahren nach § 132 AktG
generell das Gericht, welches über die Anfechtung eines
Hauptversammlungsbeschlusses wegen der Verletzung von Informationsrechten
zu entscheiden hat, nicht bindet. b. Die Klägerin hat weiterhin nicht schlüssig
dargelegt, dass den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates der
Beklagten, denen von der Hauptversammlung Entlastung erteilt worden ist, ein
schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß zur Last fiele und aus diesem
Grund die gefassten Beschlüsse selbst gesetzeswidrig und daher nach § 243 Abs.1
AktG anfechtbar sind.
Ein Entlastungsbeschluss ist auch dann anfechtbar, wenn der Gegenstand der
Entlastung ein Verhalten des Vorstands oder Aufsichtsrats ist, das eindeutig einen
schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet. (BGHZ 153, 47 ff.;
Bundesgerichtshof ZIP 2004, 2428).
aa. Die Klägerin sieht einen schwerwiegenden Gesetzesverstoß von Vorstand und
Aufsichtsrat zunächst darin, dass die von ihnen jeweils im Rahmen des öffentlichen
Übernahmeangebots von F1 abgegebenen Stellungnahmen nach § 27 WpÜG
unzureichend seien.
Nach § 27 WpÜG haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft,
hier der Beklagten, eine begründete Stellungnahme zu dem Übernahmeangebot
abzugeben, wobei insbesondere auf die Art und Höhe der angebotenen
Gegenleistung, die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die
Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die
Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft, die vom
Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele und die Absicht der Mitglieder des
Vorstandes und des Aufsichtsrates, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der
Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen, einzugehen ist. Zweck der
Vorschrift ist es, den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft ausreichende
Informationen zu verschaffen, damit sie in Kenntnis der Sachlage das Angebot
bewerten können. Mit der Stellungnahme soll für sie die Grundlage geschaffen
werden, um über die Annahme oder Ablehnung des Angebots zu entscheiden.
Vorstand und Aufsichtsrat müssen eindeutig erklären, ob sie dem Angebot
zustimmen, ihm widersprechen oder sie sich enthalten (MK-Wackerbarth, zu § 27
WpÜG, Rdnr.2). Unabhängig von den vorgeschriebenen obligatorischen Inhalten
sind in der Stellungnahme alle relevanten Tatsachen, die aus Sicht der
Wertpapierinhaber für die Bewertung des Angebots relevant sind, offen zu legen.
Das freundliche Übernahmeangebot darf nicht durch Verschweigen relevanter
negativer Tatsachen „geschönt“ werden (MK, a.a.O., Rdnr.11). Eine Verpflichtung
der Geschäftsleitung, sachverständigen Rat von externen Beratern einzuholen,
besteht nicht. Sofern dies aber sinnvollerweise doch erfolgt, ist das wesentliche
Ergebnis dieser „externen Stellungnahme“ mitzuteilen (MK, a.a.O., Rdnr.13). Bei
der Frage, ob die Höhe der Gegenleistung angemessen ist, hat sich die
Stellungnahme der Geschäftsleitung insbesondere auf das Entwicklungspotential
der Zielgesellschaft zu beziehen (MK, a.a.O., Rdnr.20; Kölner Kommentar, zu § 27
WpÜG, Rdnr.39). Das Ergebnis der Prüfung ist in einer eigenen Meinung
zusammenzufassen. Bei der Wertung hat die Verwaltung anders als bei der
Informationsweitergabe unternehmerisches Ermessen (Kölner Kommentar, zu § 27
WpÜG, Rdnr.50).
Die Klägerin rügt im Einzelnen, dass beide Organe in ihren jeweiligen
Stellungnahmen nicht auf die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von
Stammaktien und Vorzugsaktien eingegangen seien. Die Stellungnahmen seien
insgesamt unzureichend, insbesondere fehlten auch Informationen zum inneren
Wert der Aktien. Dieser betrage für die Vorzugsaktien tatsächlich 72,86 € und nicht
lediglich 65,-- €, wie von F1 angeboten. Bei der Stellungnahme des Vorstandes
seien auf S.8 f. keine Angaben zu den Vergleichsobjekten bzw. den Autoren der
Studien von Kurszielen und Schätzungen der zukünftigen Erträge gemacht
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Studien von Kurszielen und Schätzungen der zukünftigen Erträge gemacht
worden, die im Rahmen des Vergleichs mit anderen börsennotierten Unternehmen
genannt wurden. Jede der Betrachtungsweisen führe aber zu einem Oberwert der
Vorzugsaktien von weit über 70,-- €. Nur der Vergleich zu anderen börsennotierten
Gesellschaften führe zu einer Wertbandbreite, in deren Mitte die angebotene
Gegenleistung liege. Lediglich in der Fußnote setze sich der Vorstand mit einer
Bewertung, die von einer der opponierenden Fondsgesellschaften in Auftrag
gegeben wurde und die zu höheren Werten für die Vorzugsaktien kommt. Dazu
erfolge aber seitens des Vorstandes nur der Hinweis, dass Risiken nicht im
erforderlichen Umfang berücksichtigt worden seien. Die Gesamtwürdigung bleibe
vage. Sie verstecke sich hinter einer Faineß-Opinion von SV1, wobei aber die
angewandte Bewertungsmethode nicht genannt werde.
Der Aufsichtsrat referiere in seiner Stellungnahme nur die Kursentwicklung und
stelle die Prämie den bisherigen Börsenkursen gegenüber. Die Bezugnahme auf
die Fairneß-Opinion von SV1 erfolge ohne Nennung der „anerkannten
Bewertungsmethoden“. Die Stellungnahme erfolge im Ergebnis unter
Bezugnahme auf ein Gutachten, das noch nicht einmal in methodischen
Grundzügen bekannt gemacht wurde. Es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher
Tatsachengrundlage der Aufsichtsrat entschieden habe. Eine Auseinandersetzung
mit der Preisdifferenz von Stamm- und Vorzugsaktien finde nicht statt. Der
Hinweis auf den Paketzuschlag werde nicht weiter plausibilisiert.
Die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen gegen die Stellungnahmen von
Vorstand und Aufsichtsrat rechtfertigen keine Anfechtung der
Entlastungsbeschlüsse wegen eines schwerwiegenden Gesetzesverstoßes. Die
Stellungnahmen enthalten die in § 27 WpÜG geforderten Bestandteile. Die Rügen
der Klägerin konzentrieren sich auf die Auseinandersetzung mit der Höhe der
angebotenen Gegenleistung für die Vorzugsaktien und deren abschließende
Bewertung als angemessen. Beide Stellungnahmen gehen jedoch auf den
deutlichen Unterschied des angebotenen Preises für die Stammaktien und die
Vorzugsaktien ein, indem sie darauf hinweisen, dass nur die Stammaktien im
Gegensatz zu Vorzugsaktien das Stimmrecht vermitteln und dass keine
Verpflichtung bestehe, für unterschiedliche Aktiengattungen das gleiche Entgelt
anzubieten (vgl. für den Vorstand Bl.217 d.A und für den Aufsichtsrat Bl.233 d.A.).
Der Aufsichtsrat weist zudem noch darauf hin, dass in den
Kaufvertragsverhandlungen mit dem Familienaktionären es das wesentliche Ziel
der Bieterin gewesen sei, die qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte zu erhalten
und deshalb der Angebotspreis für die Stammaktien gegenüber den Börsenkursen
vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots
einen wesentlichen Aufschlag enthalte (Bl.232 unten d.A.).
Der Vorstand hat sich zur Entscheidung außenstehender sachverständiger Hilfe
bedient und dessen Ergebnis in seiner Stellungnahme mitgeteilt. Die von SV1
angewandten Bewertungsmethoden mussten nicht näher, als dies geschehen ist,
dargelegt werden. Die Tatsache, dass angegeben wurde, dass sich bei einer
Discounted-Cash-Flow-Methode eine Wertbandbreite für die Vorzugsaktie von 62,--
bis 78,-- € ableiten lässt (s. Bl.215 unten), spricht gerade dagegen, dass
wesentliche Informationen verschwiegen wurden. Der Vorstand erläutert sodann,
warum SV1 diesen Wert nicht für aussagekräftig hält (Bl.216 d.A.) und verschweigt
auch nicht die anderslautende Meinung eines von dritter Seite in Auftrag
gegebenen Bewertungsgutachtens. Auch hier begründet der Vorstand seine
Meinung, warum er dieser Einschätzung nicht folgt. Die Risiken, welche bei dieser
Einschätzung nicht berücksichtigt sind, werden im 2. Absatz auf S.9 der
Stellungnahme dargestellt (Bl.216 d.A.).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Stellungnahmen von Vorstand und
Aufsichtsrat den formellen Erfordernissen entsprechen und den Aktionären keine
falschen Informationen gegeben oder ihnen wesentliche Informationen
vorenthalten wurden. Soweit die Klägerin aus dem Umstand, dass im Rahmen des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der Wert der Vorzugsaktie mit
72,86 € angegeben wurde, darauf schließt, dass die positive Bewertung des
Übernahmeangebots im Hinblick auf die Vorzugsaktien letztlich falsch war, so
bedeutet das nicht, dass den Mitgliedern der Verwaltungsgremien eindeutige und
schwerwiegende Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorzuwerfen sind. Denn es sind
keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Vorstand oder der
Aufsichtsrat bewusst oder leichtfertig eine falsche Bewertung abgegeben hätten.
Zudem kommt ihnen bei der Bewertung ein unternehmerisches Ermessen zu.
Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Angebote für beide
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Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Angebote für beide
Aktiengattungen deutlich über den Börsenkursen für die letzten drei Monate vor
Abgabe des Angebots lagen.
Ob die Stellungnahmen insgesamt noch ausführlicher hätten sein können, spielt
für die Frage der Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse keine Rolle. Ein
schwerwiegender und eindeutiger Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung, bei
deren Vorliegen allein die Entlastungsbeschlüsse anfechtbar sein würden, ist
jedenfalls nicht ersichtlich.
bb. Einen weiteren schwerwiegenden Verstoß beider Verwaltungsorgane gegen
Gesetz und Satzung, welcher sie zur Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse
berechtige, sieht die Klägerin darin, dass sie nicht gleich auf dem Abschluss eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit F1 bestanden haben. Sie
meint, Vorstand und Aufsichtsrat als Sachwalter der Interessen aller Aktionäre
hätten dann den Abschluss eines Unternehmensvertrages zu verlangen, wenn das
System des Nachteilsausgleichs nach §§ 311 ff. AktG nicht mehr dazu geeignet
sei, die Folgen nachteiliger Weisungen auszugleichen. Das sei dann der Fall, wenn
eine Nachteilszufügung nicht mehr auf einzelne Weisungen reduziert werden
könne. Von Anfang an habe festgestanden, dass die beabsichtigte Vollintegration
der Beklagten ohne den Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht zulässig
gewesen sei. Denn aufgrund der Erklärungen von F1, dass es sich bei der
Beteiligung an der Beklagten um eine strategische Investition und nicht um eine
Finanzinvestition handle, sei klar gewesen, dass es zu erheblichen Eingriffen in die
betrieblichen Strukturen der Beklagten kommen musste. Die weitgehende
Integration hätten Vorstand und Aufsichtrat auch bereits in ihren Stellungnahmen
nach § 27 WpÜG dargestellt. Es sei nicht zulässig gewesen, auf der
Rechtsgrundlage eines Lizenzvertrages den Unternehmensbereich „Q1“ zu
übertragen. Die Notwendigkeit zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages habe
auch F1 erkannt, die daher als Alibi den Lizenzvertrag vorgeschoben habe. Das
Konzernrecht verstehe sich als Schutz zugunsten der Gesellschaft und ihrer
außenstehenden Aktionäre. Diese Schutzfunktion ginge verloren, wenn der
„Stärkere“ frei entscheiden könne, wann die „Schwächeren“ diesen Schutz
erhielten. In der Zwischenzeit sei es zu einer Reihe von schadensersatzpflichtigen
Handlungen gekommen, die sich im Einzelnen aus dem Sonderprüfungsantrag
ergäben.
Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.
Eine Rechtspflicht der Verwaltungsorgane des beherrschten Unternehmens, auf
den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu dringen, ist nicht im Gesetz
normiert und wird auch in der Literatur nicht vertreten. Grundsätzlich enthält das
Gesetz in §§ 311 ff AktG Regelungen zum Schutz der Vermögensinteressen des
beherrschten Unternehmens bei Einflussnahmen des herrschenden
Unternehmens für den Fall, dass kein Beherrschungsvertrag vorliegt.
Grundsätzlich sind daher sich wirtschaftlich nachteilig auswirkende Einflussnahmen
des herrschenden Unternehmens im Rahmen eines faktischen Konzerns zulässig.
Zwar wird vertreten, dass sich das zulässige Ausmaß der einheitlichen Leitung an
dem adäquaten Schutz der Außenseiter (= Minderheitsaktionäre) orientieren
müsse (Kölner Kommentar zum AktG, 3.Aufl., Vorb § 311, Rdnr.17, 19 + 20). Wo
die Grenzen im Einzelnen liegen sollen, ergibt sich aber weder aus dem Gesetz
noch gibt es hierzu eindeutige Literaturmeinungen oder Rechtsprechung.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass jedenfalls der Abschluss des
Lizenzvertrages über den Unternehmensbereich „Q1“ unzulässig gewesen sei,
fehlt hierzu jeglicher substantiierter Vortrag. Weder wird dargelegt, welchen
Umfang oder Bedeutung für das Unternehmen dieser Bereich hatte noch welche
wirtschaftlichen Nachteile der Beklagten durch die Überlassung an F1 entstanden
sind. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr die für einen
substantiierten Vortrag notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung stünden und
ein „strukturelles Informationsgefälle“ zwischen der Beklagten und deren
Aktionären bestünde. Gerade das Frage- und Informationsrecht der Aktionäre in
der Hauptversammlung dient dazu, die für die Entlastungsentscheidung
notwendigen Informationen zu erlangen. Wenn relevante Fragen durch den
Vorstand nicht oder nicht ausreichend beantwortet werden, kann dies im Wege des
Anfechtungsprozesses oder in dem Verfahren nach § 132 AktG gerichtlich
überprüft werden. Allein der Hinweis der Klägerin auf ihr fehlende Informationen
ohne Darlegungen dazu, welche vergeblichen Anstrengungen sie unternommen
hat, diese zu erlangen, vermag sie nicht ihrer Darlegungslast zu entheben.
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Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Anfechtbarkeit der
Entlastungsbeschlüsse eindeutige und schwerwiegende Verstöße der
Organmitglieder gegen Gesetz oder Satzung erfordert. Einflussnahmen des
herrschenden Unternehmens im Rahmen eines faktischen Konzerns werden vom
Gesetz aber grundsätzlich als zulässig erachtet und die Grenzen der Zulässigkeit
sind weitgehend unbestimmt. Eine Richtigkeitskontrolle dahingehend, ob die
Voraussetzungen einer Entlastung der Verwaltungsorgane i.S.d. § 120 AktG
vorlagen, findet im Rahmen des Anfechtungsprozesses nicht statt.
Die Behauptung der Klägerin, in dem Zeitraum bis zum Abschluss des
Beherrschungsvertrages sei es zu einer Reihe schadensersatzpflichtiger
Maßnahmen gekommen, die sich im Einzelnen aus dem Sonderprüfungsantrag
ergäben, ist ebenfalls unsubstantiiert. Die Handlungen und deren Auswirkungen
sind nicht im Einzelnen dargelegt und werden aus der Bezugnahme auf den Inhalt
des Sonderprüfungsantrages auch nicht verständlich. Was im Einzelnen
vorgefallen sein soll, ist anhand des Vortrages der Klägerin nicht nachvollziehbar.
cc. Schließlich rügt die Klägerin, dass die in dem der Hauptversammlung vom
08.06.2004 zur Zustimmung vorgelegten Unternehmensvertrag vom 26.04.2004
gemäß § 305 AktG genannte Barabfindung von 72,86 € je Stammaktie zu niedrig
sei, der innere Wert liege weit über 90,-- €. Es sei nicht nachvollziehbar, warum
Vorstand und Aufsichtsrat keine Bedenken gegen den Preis für die Stammaktien
angemeldet hätten.
Die Klägerin hat aber schon nicht substantiiert dargelegt und auch nicht unter
Beweis gestellt, dass die angebotene Barabfindung für die Stammaktien
tatsächlich unangemessen niedrig gewesen ist. Die Bezugnahme auf eine
Pressemitteilung einer Minderheitsaktionärsgruppe vom 04.06.2004 stellt kein
taugliches Beweismittel dar. Der Tatsache, dass F1 bei der Übernahme der
Aktienmehrheit von der früheren Mehrheitsaktionären für die Stammaktien 92,95
€ pro Stück gezahlt hatte und diesen Preis daher auch nach § 4 AngebVO in das
Übernahmeangebot aufnehmen musste, kommt in diesem Zusammenhang keine
entscheidende Bedeutung zu, weil es damals darum ging, die Aktienmehrheit zu
erhalten und der gezahlte Preis daher nicht notwendig Rückschlüsse auf den
tatsächlichen Wert der Aktien zulässt. Zudem wäre für einen eindeutigen und
schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß, der allein zur
Gesetzeswidrigkeit des Entlastungsbeschlusses führen könnte, auch erforderlich,
dass die Organmitglieder die Unangemessenheit der Barabfindung für die
Stammaktien erkannt hätten.
Darüber hinaus ist die Frage, ob die in dem Beherrschungsvertrag angebotene
Barabfindung für die Stammaktie zu gering war, aber auch nicht im Rahmen des
Prozesses über die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse zu prüfen. Denn die
Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung findet
grundsätzlich im Rahmen des Spruchverfahrens statt. Aus diesem Grund kann
nach § 305 Abs.5 AktG der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zum
Beherrschungsvertrag nicht darauf gestützt werden, dass der Vertrag keine
angemessene Abfindung vorsieht. Ferner ist eine Anfechtung von
Hauptversammlungsbeschlüssen wegen Informationsmängeln unzulässig, sofern
die Informationen die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Abfindungen
oder anderen Kompensationen betreffen, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen
ein Spruchverfahren vorsieht (jetzt § 243 Abs.4 S.2 AktG n.F., zuvor aber schon
BGHZ 146, 179, 181). Für die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses wegen
unterlassener Einwendungen der Organmitglieder gegen die Höhe der
Barabfindung kann nichts anderes gelten.
c. Soweit die Klägerin nunmehr erstmals in der Berufungsbegründung unter
Hinweis auf eine Veröffentlichung der Beklagten vom Mai 2006 in der U1-zeitung
nach § 25 WpHG, in welcher eine entsprechende Bekanntmachung in der U1-
zeitung vom 12.09.2003 dahingehend korrigiert wird, dass F1 ein weiterer
Stimmrechtsanteil von 1,28% zuzurechnen war, die Anfechtung der
Entlastungsbeschlüsse damit begründet, dass die Beklagte ihren Meldepflichten
nicht nachgekommen sei, weshalb für die Aktien, die von F1 bei der HV vom
15.12.2004 gehalten wurden, gemäß § 28 WpHG ein Stimmrechtsverbot gegolten
habe, führt dies ebenfalls nicht zur Begründetheit der Klage.
Der Einwand der Klägerin ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er nicht
innerhalb der Frist von einem Monat nach Beschlussfassung gemäß § 246 Abs.1
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innerhalb der Frist von einem Monat nach Beschlussfassung gemäß § 246 Abs.1
AktG vorgebracht worden ist. Bei der Anfechtungsklage muss der maßgebliche
Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des
Hauptversammlungsbeschlusses herleiten will, innerhalb der Frist von einem
Monat gemäß § 246 Abs.1 AktG vorgetragen werden (Bundesgerichtshof WM 2005,
803 f.; Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 246 ; Rdnr. 26). Der hier gerügte Mangel der
Abstimmung - die Berücksichtigung nicht stimmberechtigter Stimmen - führt
lediglich zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses, nicht zur Nichtigkeit
gemäß § 241 AktG (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 17.08.2001, AG 2002, 71
ff., zitiert nach juris). Zwar mag die Klägerin erst durch die Veröffentlichung vom
Mai 2006 auf den Anfechtungsgrund aufmerksam geworden sein, hierauf kann es
jedoch nach dem Sinn der Vorschrift nicht ankommen. Denn die Monatsfrist ist
eine Ausschlussfrist. Die Fristversäumnis lässt die Anfechtungsbefugnis kraft
Gesetzes entfallen. (Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 246, Rdnr.21).
Darüber hinaus ist die Rüge aber auch in der Sache nicht begründet. Nach § 21
WpHG ist derjenige, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 5%,
10%, 25%, 50% oder 75% der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft
erreicht, überschreitet oder unterschreitet verpflichtet, der Gesellschaft und der
Bundesanstalt für Wertpapierhandel unverzüglich diese Tatsache mitzuteilen. Nach
§ 22 WpHG gilt dies auch für Stimmrechte, die dem Meldepflichtigen mittelbar zur
Verfügung stehen. Nach § 25 WpHG ist die Gesellschaft verpflichtet, in einer
überregionalen U1-zeitung zu veröffentlichen, wenn 5%, 10%, 25%, 50% oder 75%
der Stimmrechte an ihr von einem Anteilseigner erreicht, überschritten oder
wieder unterschritten werden. Nach § 28 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die
einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte nach § 22
WpHG zugerechnet werden, für die Zeit nicht, für welche die Mitteilungspflichten
gemäß § 21 WpHG nicht erfüllt werden. Im vorliegenden Fall war die erforderliche
Mitteilung nicht unterlassen worden, sondern wies allenfalls inhaltliche Fehler auf.
Diese sind aber unerheblich, solange der Informationszweck erreicht wird (Hüffer,
AktG, 7. Aufl., Anh. § 22, zu § 28 WpHG, Rdnr.3). Das war hier bereits durch die
ursprünglichen Mitteilungen der Fall. F1 verfügt unabhängig von der Korrektur
durch die Mitteilung vom Mai 2006 stets über einen Stimmrechtsanteil von mehr
als 75%, so dass die Korrektur um 1,28% nicht zum Über- oder Unterschreiten
einer der im Gesetz genannten Grenzwerte geführt hat.
3. Schließlich ist die Klage auch insoweit unbegründet, als die Klägerin den
Beschluss der Hauptversammlung anficht, durch welchen ihr Antrag auf
Durchführung einer Sonderprüfung mit 33.395.532 (=99,766 %) Nein-Stimmen
gegenüber 78.381 (= 0,234%) Ja-Stimmen bei 10.016.093 Enthaltungen abgelehnt
wurde, und beantragt festzustellen, dass der Beschluss mit dem in der
Hauptversammlung beantragten Inhalt zustande gekommen ist.
Die Klägerin meint, die Mehrheitsaktionärin habe wegen der Interessenkollision
analog § 142 Abs.1 S.2 AktG und ferner nach §136 AktG einem Stimmrechtsverbot
unterlegen, zumindest habe sie ihr Stimmrecht treuwidrig ausgeübt, weshalb die
Abstimmung fehlerhaft zustande gekommen und der ablehnende Beschluss
gemäß § 243 AktG anfechtbar sei. Bei Zählung nur der übrigen Stimmen hätte der
Antrag Erfolg gehabt.
Nach § 142 Abs.1 AktG kann die Hauptversammlung zur Prüfung von Vorgängen
bei der Gründung oder der Geschäftsführung mit einfacher Stimmenmehrheit
Sonderprüfer bestellen. Bei der Beschlussfassung kann ein Mitglied des
Vorstandes oder des Aufsichtsrates weder für sich noch für einen anderen
mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge bezieht, die mit der Entlastung
eines Mitgliedes des Vorstandes oder Aufsichtsrates zusammenhängen. In diesem
Fall darf das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden.
Bei der Hauptversammlung war F1 mit 43.570.065 Stammaktien vertreten. Bei der
Abstimmung über den Sonderprüfungsantrag waren ausweislich S.11 des
Hauptversammlungsprotokolls 43.490.007 Stammaktien anwesend, ohne die auf
F1 entfallenden Aktien also 80.058. Wenn ein Stimmrechtsverbot bestanden hätte,
wäre bei 78.381 Ja-Stimmen der Beschluss, der einfache Mehrheit verlangt, zwar
gefasst worden. Ein Stimmrechtsverbot zu Lasten von F1 in analoger Anwendung
von § 142 AktG, der ausdrücklich nur ein Verbot für Mitglieder des Vorstands- und
Aufsichtsratsmitglieder normiert, bestand jedoch nicht. Für Aktionäre, die nicht
Organmitglieder sind, gilt das Stimmrechtsverbot nicht, auch wenn sie aufgrund
ihrer Kapital- oder Stimmenmehrheit beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft
ausüben können (MK-Schröer, zu § 142 AktG, Rdnr.39; Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu §
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ausüben können (MK-Schröer, zu § 142 AktG, Rdnr.39; Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu §
142, Rdnr.15). Das Gesetz sieht bereits einen ausreichenden Minderheitenschutz
vor. Nach § 142 Abs.2 AktG n.F. können Aktionäre, deren Anteile bei
Antragstellung zusammen 1% des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von
100.000,-- € erreichen, bei Gericht einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern
zur Prüfung eines Vorgangs bei der Geschäftsführung stellen, wenn die
Hauptversammlung den Antrag abgelehnt hat und Tatsachen den Verdacht
rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des
Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Nach § 142 Abs.2 AktG in der bis
Ende 2005 geltenden Fassung waren die Werte für die Antragsberechtigung
allerdings noch höher, nämlich 10% des Grundkapitals oder 1 Mio. €. Auch dieser
Wert hätte aber bei den Beteiligungsverhältnissen am 15.12.2004 ohne Mitwirkung
von F1 und der Beklagten selbst erreicht werden können, da es über 12 Mio. €
anteiliges „freies“ Grundkapital gab. Denn jede Aktie gibt das Antragsrecht nach §
142 Abs.2 AktG, also nicht nur die stimmberechtigten Stammaktien, sondern auch
die stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Die Antragsteller müssen auch nicht an der
Hauptversammlung teilgenommen haben. Beim Grundkapital sind ebenfalls auch
die Aktien ohne Stimmrecht mit einzurechnen. (Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 142,
Rdnr.22, auch schon in der Vorauflage zum alten Recht). F1 kontrollierte zur Zeit
der Hauptversammlung 43.408.514 Stamm- und 10.279.618 Vorzugsaktien. Die
Beklagte selbst hielt zu diesem Zeitpunkt 565.611 Stamm- und 896.592
Vorzugsaktien. Insgesamt gibt es 44.135.676 Stamm- und 23.381.670
Vorzugsaktien. Daraus folgt, dass es am 15.12.2004 161.551 Stamm- und
12.205.460 Vorzugsaktien, die nicht von F1 oder der Beklagten selbst kontrolliert
wurden, also insgesamt 12.367.011 „freie“ Aktien gab.
Nach dem Vortrag der Beklagten hat auch tatsächlich ein anderer Aktionär einen
Antrag nach § 142 Abs.2 AktG gestellt, das AG Darmstadt hat den Antrag jedoch
zurückgewiesen, über die Beschwerde zum Landgericht ist noch nicht entschieden.
Ein Stimmrechtsverbot zu Lasten von F1 bestand auch nicht nach § 136 AktG.
Danach kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben,
wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer
Verbindlichkeit zu befreien ist oder die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch
geltend machen soll. Hier dient zwar der Sonderprüfungsantrag der Klärung der
Frage, ob der Beklagten gegen ihre Mehrheitsaktionärin Ansprüche zustehen.
Dabei handelt es sich aber zunächst um eine Vorfrage. Die Mehrheitsaktionärin
unterliegt erst dann einem Stimmrechtsverbot nach § 136 AktG, wenn ein
Beschluss zur Abstimmung gestellt wird, ob Schadensersatzansprüche tatsächlich
verfolgt werden sollen. Für einen analoge Anwendung von § 136 AktG besteht kein
Bedürfnis, weil die Minderheitsaktionäre über § 142 Abs.2 bereits ausreichend
geschützt sind (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 17.08.2001, AG 2002, 71 ff.,
zitiert nach juris) und dieser Schutz im vorliegenden Fall aufgrund der
Mehrheitsverhältnisse auch nicht ins Leere läuft.
Anhaltspunkte für eine treuwidrige Stimmrechtsausübung der Mehrheitsaktionärin
bestehen ebenfalls nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum F1 gehalten gewesen sein
sollte, für den Sonderprüfungsantrag zur Klärung der Frage, ob Ansprüche der
Beklagten gegen sie bestehen, zu stimmen, wenn sie diesen für unbegründet hält.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§97 Abs.1, 101 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr.10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.