Urteil des LG Frankfurt am Main vom 28.10.2008

LG Frankfurt: swap, wirtschaftliches interesse, gegen die guten sitten, empfehlung, mitverschulden, unternehmen, vollstreckung, rechtsform, spekulation, kündigung

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Gericht:
LG Frankfurt 19.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-19 O 13/08, 2/19
O 13/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 134 BGB, § 280 Abs 1 BGB
Anlageberatung: Beratungsfehler bei Empfehlung eines
Swaps an ein kommunales Versorgungsunternehmen
Leitsatz
Die Empfehlung eines hochspekulativen CMS Spread-Ladder-Swap an ein öffentlichen
Zwecken dienendes Unternehmen, das eine Optimierung seiner bestehenden
Kreditverbindlichkeiten anstrebt, stellt keine anlegergerechte Beratung dar.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.908.250 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 408.250 € seit dem 04.12.2007
und aus 3.500.000 € seit dem 10.02.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Klägerin trägt die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts
Stuttgart entstandenen Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die
Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über einen
„CMS Spread Ladder-Swap“.
Die Klägerin betreibt als kommunales Versorgungsunternehmen die Stadtwerke P.
in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Gemäß § 2 Nr. 3 ihres
Gesellschaftsvertrages verfolgt sie „öffentliche Zwecke im Rahmen der rechtlichen
Vorgaben der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung“. Ihre Anteilseigner
sind die Stadt P. zu 65 % und die T. AG, ein deutschlandweites Netzwerk
kommunaler Energieversorger, mit 35 %. Im Herbst 2004 fanden mehrere
Gespräche zwischen Vertretern der Klägerin und der Beklagten über die
Möglichkeit einer von der Klägerin gewünschten „Zinsoptimierung“ für ihre
Schulden statt. Die Klägerin strebte hinsichtlich ihrer Zinsbelastung eine
Kostenersparnis an. Die Beklagte kündigte an, sie werde geeignete Produkte für
das Zins- und Schuldenmanagement entwickeln und auf die Klägerin
zurückkommen. Das Kreditportfolio der Klägerin belief sich zu dieser Zeit auf etwa
32 Mio. €. Nach der Planung der Klägerin sollte es in sieben Jahren durch
Regeltilgungen auf etwa 25 Mio. € gesunken sein. Am 27. Januar und am 1.
Februar 2005 fanden zwei durch Bildschirmpräsentationen unterstützte
Beratungsgespräche zwischen der Beklagten und Mitarbeitern der Klägerin statt,
wobei der Geschäftsführer der Klägerin nur an dem zweiten Termin teilnahm.
Dabei stellte die Beklagte den streitgegenständlichen CMS Spread Ladder-Swap
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Dabei stellte die Beklagte den streitgegenständlichen CMS Spread Ladder-Swap
(im Folgenden: Swap) als Mittel zur „Zinsoptimierung“ vor. Wegen des Inhalts der
Präsentation wird auf die Anlagen B 9 und K 6 verwiesen. Was dabei zwischen den
Parteien mündlich besprochen wurde, ist teilweise streitig. Am 3. Februar 2005
wurde der Vertrag über den Swap telefonisch geschlossen und am 8. Februar 2005
von der Beklagten schriftlich bestätigt.
Der Vertrag war, in Einzelheiten von der Präsentation abweichend, auf eine
Laufzeit von bis zu sieben Jahren konzipiert und beruhte auf einem Bezugsbetrag
von 25 Mio. €. Vorgesehen waren halbjährliche Zahlungstermine jeweils am 7.
Februar und 7. August. Die Beklagte verpflichtete sich zu Zahlungen an die
Klägerin von durchgängig 3,5 % p.a. des Bezugsbetrags, beginnend mit dem 7.
August 2005. Die Klägerin verpflichtete sich ihrerseits zu Zahlungen an die
Beklagte, die sich im ersten Jahr, also für die ersten beiden Zahlungstermine, auf
1,5 % p.a. des Bezugsbetrags belaufen sollten. Der Klägerin wurde somit im
Ergebnis für das erste Jahr saldiert eine Zahlung von 3,5 % - 1,5 % des
Bezugsbetrags, also 2 % des Bezugsbetrags, mithin 500.000 €, garantiert. Ab
dem Zahlungstermin 7. August 2006 waren die von der Klägerin zu leistenden
Zahlungen variabel. Zu diesem Termin sollte sie zahlen 1,5 % p.a. des
Bezugsbetrags zuzüglich der doppelten Differenz von 1,02 %, dem sogenannten
Strike, zu der Differenz, dem sogenannten Spread, zwischen dem 10 Jahres-Swap-
Mittelsatz und dem 2 Jahres-Swap-Mittelsatz (jeweils „EUR- ISDA-EURIBOR Swap
Rate“). Für die weiteren Zahlungstermine galt, dass der im jeweils letzten Termin
gezahlte Wert als Ausgangswert für die neue Berechnung dienen sollte. Der Strike
belief sich im zweiten Jahr auf 1,02 %, im dritten Jahr auf 0,82 %, im vierten Jahr auf
0,62 %, im fünften Jahr auf 0,42 %, im sechsten Jahr auf 0,22 % und im siebten
Jahr auf 0,02 %. Dabei wurde für die Differenz zwischen Strike und Spread ein
Mindestsatz von 0 % festgeschrieben, jedoch kein Höchstsatz. Die Beklagte
behielt sich außerdem das Recht vor, den Vertrag ab dem zweiten Zahlungstermin
zu jedem Zahlungstermin zu beenden, wobei die letzte Zahlung noch zu erbringen
war. Der Klägerin stand kein derartiges Recht zu. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Vertrags wird auf das Bestätigungsschreiben der Beklagten an die Klägerin
vom 08.02.2005 (Anlage K 11) verwiesen. Die Beklagte übermittelte der Klägerin
wöchentliche Mitteilungen über den „Marktwert“ des Swap, beginnend mit dem
Stichtag 30. März 2005. Der erste Wert belief sich auf -1.063.251,32 € aus Sicht
der Klägerin. Nach einem zwischenzeitlichen Anstieg brach der Wert ein, da der für
den Vertrag maßgebliche Spread erheblich sank. Am 19. Dezember 2005 belief
sich der mitgeteilte Wert des Swap auf 2,9 Mio. €. Die Klägerin erhielt zu den
ersten beiden Zahlungsterminen im August 2005 und Februar 2006 den
garantierten Betrag von 500.000 €. Mit Schreiben vom 11. April 2006 erklärte die
Klägerin die Anfechtung des Vertrages über den Swap wegen arglistiger Täuschung
und verlangte die Rückabwicklung. Hilfsweise erklärte sie eine „außerordentliche
Kündigung“ des Vertrages. Die Beklagte wies dies zurück. Beim Zahlungstermin
im August 2006 ergab sich nochmals eine Zahlung von 105.000 € für die Klägerin.
Im Februar 2007 belastete die Beklagte das Konto der Klägerin aber bereits mit
112.750 €, und im August 2007 belief sich der Saldo zu Lasten der Klägerin schon
auf 295.500 €. Am 4. Dezember 2007 lösten die Parteien schließlich den Vertrag
auf, wobei sich die Klägerin mit der Zahlung des negativen Marktwertes, der sich
zu diesem Zeitpunkt auf 4.105.000 € belief, freikaufte. Der Klägerin blieben ihre
Rechte vorbehalten. Die Klägerin meint, der Swap-Vertrag sei unwirksam, da sie
als kommunales Unternehmen ungeachtet ihrer privatrechtlichen Rechtsform
einen solchen Vertrag nicht schließen könne. Er sei auch nach § 134 BGB nichtig,
da er gegen das kommunale Spekulationsverbot verstoße. Jedenfalls sei die
Anfechtung wirksam, da die Beklagte sie über die Risiken des Vertrages arglistig
getäuscht und eine „Zinsoptimierung“ nur vorgespiegelt habe. Der Swap sei zur
Zinsoptimierung nicht geeignet. Zumindest stehe ihr ein Schadensersatzanspruch
zu. Die Beklagte habe die Risiken des Geschäfts nur ungenügend dargestellt,
insbesondere keine „Value at Risk“-Berechnung dazu vorgelegt. Es sei nicht
vertretbar gewesen, ihr einen derartigen Vertrag zu verkaufen, der nicht ihrem
Risikoprofil entsprochen habe. Mit der Klage beansprucht die Klägerin den von ihr
zur Auflösung des Vertrages aufgewandten Betrag zuzüglich der von ihr im
Februar und August 2007 zu leistenden Zahlungen abzüglich der von ihr
erhaltenen Leistungen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.908.250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es habe sich nicht um ein spekulatives Geschäft gehandelt. Sie
habe die Klägerin auch anleger- und anlagegerecht beraten. Zur Vorlage einer
„Value at Risk“-Berechnung sei sie nicht verpflichtet. Der Swap sei zur
Zinsoptimierung geeignet, da der Kunde aus ihm Gewinne generieren könne, die
er zur Reduzierung seiner Zinsbelastungen einsetzen könne. Eine etwa fehlerhafte
Beratung der Klägerin sei auch nicht kausal für deren Schaden geworden, da die
Klägerin den Swap-Vertrag auf jeden Fall abgeschlossen hätte. Falls der Swap dem
Anlageziel der Klägerin nicht entsprochen habe, treffe die Klägerin ein einen
Anspruch ausschließendes Mitverschulden, da sie sich über diesen Punkt habe
Gewissheit verschaffen müssen. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens
wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.Die Klage ist ursprünglich beim Landgericht Stuttgart erhoben worden.
Die Klägerin hat dort zunächst nur die Rückzahlung der beiden Zahlungen vom
Februar und August 2007 verlangt. Das Landgericht Stuttgart hat sich mit
Beschluss vom 3. Januar 2008 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
an das hiesige Gericht verwiesen. Die Klägerin hat die Klage dann mit Schriftsatz
vom 31.01.2008, der der Beklagten am 10. Februar 2008 zugestellt worden ist, auf
den jetzigen Umfang erweitert.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bis auf einen Teil der Zinsen begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 3.908.250 € nebst
Zinsen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Vertrag über den Swap
weder gegen ein gesetzliches Verbot, noch gegen die guten Sitten verstößt (§§
134, 138 BGB) und durch die Klägerin auch nicht angefochten werden konnte. Der
Anspruch der Klägerin folgt aber aus § 280 Abs. 1 BGB, da die Beklagte ihre
Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrag verletzt
hat. Zwischen den Parteien wurde ein Beratungsvertrag geschlossen. Tritt ein
Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen
Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu
beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs
angenommen (BGHZ 100, 117, 118 f.; BGHZ 123, 126, 128). Nichts anderes kann
gelten, wenn es, wie hier, nicht um die Anlage eines Geldbetrages im eigentlichen
Sinne, sondern um den Abschluss eines andersartigen Finanzgeschäftes geht. Die
Beklagte beriet die Klägerin umfänglich hinsichtlich des Abschlusses des Swap-
Vertrags. Ein Anlageberatungsvertrag verpflichtet den Berater, den Anleger
anlage- und anlegergerecht zu beraten (BGH NJW 2006, 2041; BGH WM 2008, 725,
728). Er muss den Interessenten objektbezogen richtig und vollständig informieren
über diejenigen tatsächlichen Umstände, insbesondere Risiken, die für den
Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Darüber
hinaus muss er ihn anlegergerecht beraten. Dies verlangt, dass die von ihm
empfohlene Anlage auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden unter
Berücksichtigung seines Anlageziels zugeschnitten ist (BGHZ 123, 126, 129; BGH
v. 19.06.2008 – III ZR 159/07 –).
Vorliegend kann dahinstehen, ob seitens der Beklagten eine anlagegerechte
Beratung stattgefunden hat, ob die Klägerin also richtig und vollständig über die
Risiken des von der Beklagten empfohlenen Swaps informiert worden ist,
insbesondere, welche Anforderungen an eine solche Information zu stellen sind.
Die Beratung der Beklagten war jedenfalls nicht anlegergerecht, da die
Empfehlung zum Abschluss des Swap-Geschäfts nicht den besonderen
Verhältnissen und Bedürfnissen der Klägerin entsprach. Die Klägerin wollte die aus
ihrem Kreditportfolio resultierenden aktuellen und künftigen Zinsbelastungen
optimieren. Der von der Beklagten empfohlene Swap ist – entgegen ihren
Erklärungen in der Beratung – zu diesem Zweck jedoch ungeeignet. Unter
„optimieren“ wird nach allgemeinem Sprachgebrauch verstanden „so günstig wie
möglich gestalten“ (vgl. Duden, Fremdwörterbuch, 7. Aufl. 2001; Wörterbuch der
deutschen Gegenwartssprache, digitale Fassung unter www.dwds.de). Eine
Gestaltung der Zinsverpflichtungen der Klägerin ist durch den Swap jedoch in
keiner Weise erfolgt. Die Zinsverpflichtungen sind unverändert geblieben. Sie
wurden weder verringert, noch besser kalkulierbar. Der Swap hat nicht einmal
wurden weder verringert, noch besser kalkulierbar. Der Swap hat nicht einmal
Bezug zu diesen Zinsverpflichtungen, abgesehen von dem rein formalen
Umstand, dass im Vertrag die vereinbarten Zahlungsströme bezeichnet sind als
Prozentanteile einer Summe, die anknüpft an die erwartete Höhe der
Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin am Ende der maximalen Laufzeit des
Vertrages. Die Beklagte vertritt im vorliegenden Zusammenhang denn auch ein
anderes Verständnis des Begriffs „optimieren“. Sie meint, die Zinsverpflichtungen
der Klägerin würden bereits dadurch „optimiert“, dass die Klägerin durch den Swap
Gewinne generieren könne, die sie zur Reduzierung ihrer Zinsleistungen einsetzen
könne. Bei diesem Verständnis des Begriffs „optimieren“ wäre freilich jede wie
immer geartete Geldanlage immer auch eine solche zur „Zinsoptimierung“, da
Gewinne gleich welcher Herkunft stets auch zur Reduzierung von
Zinsverbindlichkeiten eingesetzt werden können. Die Kammer hält eine solche
Verwendung des Begriffs der Optimierung für irreführend. Darüber hinaus war die
Empfehlung des Swaps für die Klägerin auch deswegen nicht anlegergerecht, weil
sich ein derartiges Geschäft nicht mit ihrer Stellung als kommunales
Versorgungsunternehmen, das ausweislich seiner Satzung öffentliche Zwecke zu
verfolgen hatte, vereinbaren lässt. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang sich aus dem baden-württembergischen
Kommunalrecht ein Spekulationsverbot für Gemeinden ergibt und ob ein solches
Verbot auch für die Klägerin als privatrechtlich organisiertes Unternehmen gelten
würde. Jedenfalls steht ein für die Klägerin derart hochspekulatives Geschäft mit
unbegrenztem Verlustrisiko nicht im Einklang mit ihrem ganz anders gearteten,
der Beklagten bekannten Daseinszweck (vgl. zur Empfehlung eines Swap-
Geschäfts an ein kommunales Unternehmen auch OLG Naumburg WM 2005,
1313, 1316 ff.). Bei dem vorliegenden Swap handelt es sich um eine Spekulation
auf das Verhältnis zweier Zinsindikatoren, die Aussagen über das kurzfristige und
das langfristige Zinsniveau treffen. Entwickelte sich dieses Verhältnis für die
Klägerin ungünstig, sank also, wie tatsächlich geschehen, der Spread ab, so
drohten der Klägerin kaum kalkulierbare Verluste, die durch den
Summierungseffekt („Ladder“, d.h. „Leiter“) der Berechnungsformel noch
verstärkt wurden. Während für die Beklagte in dem Vertrag eine doppelte
Sicherung eingebaut war, nämlich ihr Kündigungsrecht und die Mindestdifferenz
von 0 % für die Differenz zwischen Strike und Spread, so dass sie auch im Falle
eines für sie ungünstigen Verlaufs der Spekulation gegen größere Verluste
gesichert war, waren für die Klägerin keine vergleichbaren
Sicherungsmechanismen vorgesehen. Weder war sie zur Kündigung berechtigt, so
dass sich im Falle einer negativen Entwicklung die Verluste über die gesamte
Laufzeit des Vertrages aufhäufen konnten, noch gab es eine Obergrenze für die
Differenz von Strike und Spread und damit für die von ihr jeweils zu leistenden
Zahlungen. Die Klägerin unterlag damit einem theoretisch unbegrenzten
Verlustrisiko, das auch praktisch beträchtliche Ausmaße annehmen konnte, wie
die tatsächliche Entwicklung des „Marktwertes“ des Swap zeigt. Die Klägerin
verfolgt ausweislich ihres Gesellschaftsvertrages öffentliche Zwecke, insbesondere
die Energieversorgung der Bevölkerung. Mit diesem der Beklagten bekannten
Geschäftsziel sind rein spekulative, hochriskante Finanzgeschäfte nicht vereinbar.
Vielmehr war das vorliegende Geschäft geeignet, durch die aus ihm drohenden
massiven finanziellen Verluste die Erfüllung der eigentlichen Aufgabe der Klägerin
nachhaltig zu beeinträchtigen. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat die Beklagte die
Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie sie anlegergerecht beraten hätte.
In diesem Fall hätte die Beklagte von einer Empfehlung des Swap-Vertrages an die
Klägerin absehen müssen. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin im Falle einer
negativen Empfehlung den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, so dass die
Pflichtverletzung der Beklagten auch kausal für den der Klägerin entstandenen
Schaden war. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie stünde, wenn der Vertrag nicht
geschlossen worden wäre. In diesem Fall hätte sie die Zahlung zur Auflösung des
Vertrages nicht leisten müssen, ebenso wenig die vorangegangenen Zahlungen,
sie hätte aber auch die anfänglichen Zahlungen der Beklagten nicht erhalten. Dies
ergibt einen Anspruch von 4.105.000 € + 295.500 € + 112.750 € - 500.000 € -
105.000 € = 3.908.250 €. Der Anspruch der Klägerin reduziert sich nicht durch ein
Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB. Zwar hätte die Klägerin bei näherer
Prüfung erkennen können, dass die Empfehlung der Beklagten entgegen deren
Behauptung tatsächlich keine Zinsoptimierung beinhaltete und dass der
hochspekulative Charakter des Geschäfts mit ihrer eigenen Stellung als
kommunales Versorgungsunternehmen, das öffentlichen Zwecken verpflichtet
war, nicht vereinbar war. Ein Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung
richtiger Auskünfte verletzt hat, kann gegenüber dem Ersatzanspruch des
Geschädigten jedoch regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein
Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an
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Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an
Sorgfalt gezeigt habe, obwohl er das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären
sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe hätte erkennen
können (BGH NJW RR 2007, 857, 860; BGH WM 2008, 950, 952; stRspr). Unter
besonderen Umständen kann der Einwand des Mitverschuldens begründet sein,
etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des
anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die
Interessenlage, in der der Anlageinteressent und der Anlagevermittler in
vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände
vorliegen (BGH NJW 1982, 1095, 1096 f.; BGH NJW RR 1993, 1114, 1115). Derartige
besondere Umstände liegen hier aber nicht vor. Warnungen dritter Seite gab es
vorliegend nicht. Differenzierende Hinweise der Beklagten, etwa, die Klägerin solle
sorgfältig prüfen, ob sie tatsächlich den vorliegenden Vertrag schließen wolle, da er
für sie nicht unproblematisch sei, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte empfahl der
Klägerin das Geschäft uneingeschränkt. Als besonderer Umstand kommt zwar die
Interessenlage im Hinblick auf die vertragliche Konstellation in Betracht. Einem
Berater, der vorwiegend sein eigenes wirtschaftliches Interesse im Auge hat, darf
kein uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht werden (vgl. BGH NJW 1982,
1095, 1097). Hier war die Beklagte selbst Vertragspartnerin der Klägerin bei dem
Swap-Geschäft, so dass ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Beklagten zwar
nahe liegt. Banken pflegen jedoch derartige Geschäfte mit entsprechenden
Gegengeschäften abzusichern (sog. Hedging), so dass sie dem jeweiligen Kunden
neutral gegenübertreten können. Unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall
tatsächlich so war, durfte die Klägerin jedenfalls auf diesen Umstand vertrauen.
Aus der Eigenbeteiligung der Beklagten lässt sich daher kein „besonderer
Umstand“ ableiten, der ein Mitverschulden begründen könnte. Der Zinsanspruch
beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klägerin kann Zinsen auf den
Abgeltungsbetrag erst ab Rechtshängigkeit verlangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709
Satz 1 und 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO. Streitwert: 3.908.250 €
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.